Glogau/Głogów

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Glogau

Amtliche Bezeichnung

Głogów

Etymologie

Laut dem Gelben Buch, einer handschriftlichen Chronik aus dem 16. Jahrhundert[1] soll Glogau seinen Namen von dem polnischen Wort głóg (= Dornbusch) erhalten haben, da der Ort immer wieder durch kriegerische Auseinandersetzungen zerstört und die Trümmer von Dornbüschen überwuchert worden seien.

2. Geographie

Lage

Glogau liegt auf 51° 40′ nördlicher Breite, 16° 5′ östlicher Länge, ca. 100 km nordwestlich von Breslau/Wrocław am Oder-Übergang und an den alten Handelsstraßen Berlin – Breslau – Krakau/Kraków und Görlitz/Zgorzelec – Posen/Poznań – Königsberg/Kaliningrad.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Polen; Glogau ist eine Kreisstadt in der Woiwodschaft Niederschlesien und gehört zum Bistum Zielona Góra-Gorzów.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Glogauer Wappen ist durch ein Kreuz in vier Felder unterteilt und trägt in der Mitte ein kleines Schild mit der goldenen Initiale "G" auf rotem Grund. Das blaue Feld links oben zeigt eine Mondsichelmadonna mit Kind im Strahlenkranz – die Schutzpatronin der Glogauer Kollegiatskirche –, im Feld daneben befindet sich der schwarze schlesische Adler mit Halbmond und Kreuz (ohne Krone) auf goldenem Grund. Im hellblauen Feld rechts unten sitzt eine Krähe auf einem Ast (Wappen der Familie Corvinus/Hunyadi), das rote Feld links unten zeigt einen Stierkopf (Wappen des königlichen Hauptmanns Hans von Loos).

Mittelalter

1010 ist eine slawische Siedlung Urbs Glogaua bei Thietmar von Merseburg erwähnt. Diese älteste Ansiedlung lag auf der Insel (damals Eiland am rechten Oderufer), auf der sich auch die bei Thietmar genannte Kastellaneiburg befand. Im 12. Jahrhundert entstand dort das älteste Kollegiatstift in Schlesien. Nachdem das Herzogtum Glogau durch die Teilung des Fürstentums Breslau 1251 entstanden war, verlor die Insel an Bedeutung. Konrad I., der erste Herzog von Glogau, errichtete 1253 seine Residenz am linken Oderufer und gründete neben der Burg eine Stadt nach Magdeburger Recht.

Frühe Neuzeit

Nach dem Aussterben der Glogauer Piastenlinie kam das Herzogtum unter die Herrschaft des Matthias Corvinus (1488–1496), danach wurde es von den Jagiellonen (1496–1526) regiert und stand schließlich bis 1742 unter habsburgischer Herrschaft. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Glogau zur Festung ausgebaut. 1632 eroberten protestantische Truppen die Stadt. 1642 wurde sie von Schweden besetzt (bis 1650). 1742 erfolgte die Annexion Schlesiens durch Preußen. 1758 wurde die Stadt von einem verheerenden Brand heimgesucht, der den Großteil der öffentlichen Bauten, darunter auch die Glogauer Friedenskirche, zerstörte.

19. Jahrhundert

Während der Belagerung durch Napoleonische Truppen 1806–1814 wurde Glogau stark in Mitleidenschaft gezogen. Ihre Funktion als Festung behielt die Stadt auch im 19. Jahrhundert – erst 1873 wurde die Befestigungslinie nach Osten verschoben, Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich aufgegeben.

20. Jahrhundert

1902 beschloss man die Schleifung der Befestigungsmauern; anschließend wurde die Stadt planmäßig ausgebaut und modernisiert. Während des Ersten Weltkriegs erhielt die Stadt erneut den Status einer Festung, wurde allerdings nicht von den Kriegshandlungen in Mitleidenschaft gezogen. 1920 wurde Glogau zum Stadtkreis.

Angesichts des Vorrückens der Roten Armee 1944 wurde Glogau erneut zur Festung erklärt. Während der sieben Wochen andauernden Kämpfe bis zur Kapitulation am 1. April 1945 wurde die Innenstadt nahezu komplett zerstört. In den 1990er Jahren begann man den teilweise historisierenden Wiederaufbau auf der Grundlage der historischen Parzellierung der Altstadt, der bis heute andauert. Nach dem Krieg wurde die deutsche Bevölkerung vertrieben, an ihrer Stelle siedelten sich Polen an - überwiegend Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten Polens.

Bevölkerungsentwicklung

Um 1400 betrug die Einwohnerzahl[2] ca. 10.000 Personen, im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde Glogau mit fast 20.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Schlesiens (nach Breslau). Einen verheerenden Kahlschlag brachte der Dreißigjährige Krieg, nach dessen Ende Glogau nur noch 122 Einwohner hatte. Während der ersten preußischen Volkszählung (1745) betrug die Einwohnerzahl 6.323 Personen. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des 19. Jahrhunderts wuchs auch die Bevölkerung. 1890 lebten in Glogau 20.529 Personen (davon 13.614 evangelisch, 5.989 katholisch, 863 Juden). 1939 zählte die Stadt 30.172 Einwohner (21.135 evangelisch, 8.067 katholisch, 123 Juden). In den Jahren 1945–1947 wurde die deutsche Bevölkerung größtenteils vertrieben, an ihrer Stelle siedelten sich neue Bewohner, überwiegend aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten, an. Im Jahr 1961 hatte die Stadt 9.179 überwiegend katholische Einwohner, im Jahr 2011 betrug die Einwohnerzahl 69.608.[3]

Wirtschaft

Durch den Ausbau der Schifffahrt auf der Oder und den Bau der Eisenbahnlinie Glogau – Sagan/Żagań und Berlin – Breslau (1844) erlebte Glogau einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Rüster-Vorstadt um den Winterhafen und den Bahnhof entwickelte sich seit den 1860er Jahren zum Industrie- und Handelszentrum der Stadt. Der größte Industriebetrieb und wichtigste Arbeitgeber der Stadt ist seit ihrer Eröffnung 1967 die Kupferhütte, was zu einem rapiden Bevölkerungsanstieg führte.

Religions- und Kirchengeschichte

1249 ließen sich Franziskaner in der Stadt nieder, gefolgt von Dominikanern (1258), Klarissen und Kreuzherren mit dem roten Stern (1318). Außerhalb der Stadtmauern entstand 1465 das Bernhardinerkloster. 1633 hielt die Gegenreformation in Glogau Einzug. Mit dem Westfälischen Frieden 1648 wurde den Protestanten in Glogau der Bau einer der drei schlesischen Friedenskirchen gewährt (1652 geweiht, anschließend als evangelische Pfarrkirche genutzt, 1758 beim Stadtbrand zerstört). Im Zuge der Gegenreformation wurde in der Stadt in den Jahren 1696–1722 die Jesuitenkirche Corpus Christi mit Kollegium erbaut. 1810 kam es im Rahmen der Säkularisation zur Enteignung der Kollegiatskirche und der Klöster, die überwiegend als Waffenlager oder Kasernen genutzt wurden.

Die in den 1890er Jahren errichtete Synagoge wurde in der "Reichskristallnacht" 1938 durch Brandstiftung zerstört und anschließend abgerissen.

Literatur und Musik

Das Glogauer Liederbuch (um 1480) zeugt von der reichen Musikkultur der Stadt im ausgehenden Mittelalter. Ab 1606 gab es in Glogau eine Druckerei, hier wurden auch polnische Schriften gedruckt. Zu den bekannten Glogauern zählen der Kleriker Kaspar Elyan (ca. 1435–1486), der erste Drucker Schlesiens, der Arzt und Verfasser der ersten Landesgeschichte Schlesiens, Joachim Cureus (1532–1573), sowie der Syndikus und Dichter Andreas Gryphius (1616–1664). Nach den Jesuiten, die eine Reihe von Schulschauspielen aufführten, wirkte hier zeitweise die Dichterin Anna Louisa Karsch (1722–1791). Musikalische Zentren waren die Friedenskirche mit einer Orgel von Gottlieb Benjamin Engler aus Breslau (1775) und der Dom mit einer Orgel des Glogauer Orgelbaumeisters Kaspar Gottlieb Neumann (1752). E.T.A. Hoffmann war hier 1798 Referendar und verfasste die Erzählung Die Jesuitenkirche in G. in Erinnerung an diese Zeit. In Glogau wurde Johann Samuel Ersch geboren (1766–1828), der als Lexikograph und Bibliograph deutschlandweit bekannt wurde. In Glogau lebte der über Schlesien hinaus bekannte Philosoph, Schriftsteller und Kulturhistoriker Georg Gustav Fülleborn (1769–1803). 1833 gründete Carl Flemming den gleichnamigen Verlag, der bis 1931 bestand und die bedeutendste graphische Anstalt und Kartendruckerei der ehemaligen deutschen Ostgebiete war. Fritz Reuter schilderte in seiner Autobiographie Ut mine Festungstid (1862) die Zeit seiner Haft in Glogau. Der Kirchenforscher und Mitbegründer des Berliner Quickborn-Arbeitskreises Hermann Hoffmann (1878–1972) und der Schriftsteller Arnold Zweig (1887–1968) wurden hier geboren.

Architektur- und Kunstgeschichte

Der mittelalterliche Stadtkern hatte einen regelmäßigen Grundriss mit einem rechteckigen Ring (Marktplatz), in dessen Mitte das Rathaus entstand. Ende des 13. Jahrhunderts begann die Errichtung einer zur Oder hin offenen Stadtmauer aus Backstein mit sieben Toren. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde ein zweiter Mauerring mit Basteien angelegt, 1471 und 1480 die Kollegiatkirche auf der Insel befestigt. Seit dem Dreißigjährigen Krieg wurden die Befestigungsanlagen mehrfach verstärkt. In der preußischen Zeit hatte Glogau das bestausgebaute Fortifikationssystem in Schlesien mit Kurtinenmauern, Basteien und einer Zitadelle östlich der Stadt; Reste der Mauern aus dem 16. Jahrhundert und die südöstliche Bastei aus dem 17./18. Jahrhundert sind erhalten geblieben.

Bild

Markt Glogau/Głogów mit Rathaus
(Postkarte: vor 1945) [Herder-Institut,
Marburg, Bildarchiv. Inv. Nr. 107296].

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die Schleifung der Befestigung, was einen städtebaulichen Boom auslöste. 1905 entstand ein moderner Bebauungsplan für die Stadt. Ein Teil der ehemaligen Fortifikationen wurde zu Parkanlagen umgestaltet, und mit dem Bau neuer Wohnviertel dehnte sich die Stadt nach Süden und Südosten aus.1945 ging der Großteil der historischen Bebauung verloren, darunter die ehemaligen Bürgerhäuser der Altstadt und die mittelalterlichen Klöster der Franziskaner, der Klarissen und der Bernhardiner.

Die ehemalige Kollegiat- und Stiftskirche St. Maria ist einer der ältesten Bauten Glogaus und wurde in den 1120er Jahren errichtet. Während der Herrschaft Konrads I. (1253–1273) entstand eine romanische dreischiffige Basilika, die in den Jahren 1413–1466 einen gotischen Umbau erlebte. Die im Januar 1945 zerstörte Kirche befindet sich noch im Wiederaufbau; die überwiegend barocke Ausstattung ist verloren.

Die ehemalige katholische Stadtpfarrkirche St. Nikolaus wurde 1230–1240 als erste romanische Basilika errichtet und nach 1253 als Pfarrkirche der neugegründeten Stadt genutzt. Nach einem Brand Ende des 13. Jahrhunderts begann der Umbau im gotischen Stil; Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Bau zur Hallenkirche umgestaltet. 1581–1628 war die Kirche protestantisch. 1945 brannte die Kirche aus (gegenwärtig Ruine).

Die katholische Pfarrkirche St. Nikolaus (die ehemalige Jesuitenkirche) entstand wie das Jesuitenkolleg 1696–1722 (Entwurf Giulio Simonetti). 1776 wurde der Bau vom preußischen Staat übernommen, zunächst als Lager, nach der Restaurierung 1825–1826 als Garnisonskirche genutzt. Nach der Zerstörung 1945 erfolgte 1957–1964 der Wiederaufbau als Emporen-Hallenkirche. Die teilweise erhaltene Ausstattung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde durch Ausstattungsstücke der evangelischen Kirche in Freystadt/Kożuchów ergänzt.

Die Burg der Glogauer Herzöge (Archäologisch-historisches Museum) geht auf die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts am linken Oderufer errichtete erste Burg Konrads I. zurück und wurde ab der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in die Stadtbefestigung integriert. Nach der Zerstörung 1480 wurde er von Sigismund Jagiello, dem amtierenden Herzog von Glogau, wiederaufgebaut und in den Jahren 1652–1669 zu einer barocken Schlossanlage umgestaltet. Nach der Zerstörung 1945 wurde das Schloss 1971–1983 wiederaufgebaut und die Innenräume musealen Bedürfnissen angepasst.

Das erste Rathausgebäude Glogaus wird 1302 erwähnt. Nach Bränden von 1420 und 1433 erneuert, wurde das Rathaus 1574 im Renaissancestil umgestaltet und 1831–1834 durch einen Neubau im neugotischen Stil mit Neurenaissance-Elementen ersetzt. Nach der Zerstörung 1945 wurde der Bau 1989 bis 1995 wiederaufgebaut. Im Ratskeller hat sich das Sterngewölbe aus der Zeit um 1500 erhalten.

In der Stadtmitte stand bis 1945 die evangelische Kirche „Schifflein Christi“, errichtet 1763–73 nach dem Brand der Glogauer Friedenskirche unter finanzieller Beteiligung des preußischen Königs Friedrich II. (1712–1786). Den Entwurf lieferte der preußische Architekt Carl Gotthard Langhans (1732–1808). Der Bau war dreischiffig, gemauert, mit zwei monumentalen Westtürmen und charakteristischer frühklassizistischer Westfassade, deren von einem Dreiecksgiebel bekrönter Mittelteil an antike Tempel anknüpfte. 1796/97 wurden die ursprünglichen Kuppeln der Türme durch schlanke Spitzdächer ersetzt.

1945 wurde die Kirche schwer beschädigt, ihre Reste wurden 1962 geschleift. Seit 2003 befindet sich an der Stelle der Kirche ein Lapidarium, errichtet nach einem Entwurf des Architekten Dariusz Wojtowicz, das Umriss und Fußbodenfragmente der Kirche zeigt.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Julius Blaschke: Geschichte der Stadt Glogau und des Glogauer Landes. Glogau 1913.
  • Głogów/Glogau. In: Ernst Badstübner, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.), Sławomir Brzezicki, Christine Nielsen (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. München, Berlin 2005, S. 298–305.
  • Arnold Hasse (Hg.): Glogau. Berlin-Friedenau 1926 (Monographien deutscher Städte 17).
  • Jarosław Kuczer: Szlachta w życiu społeczno-gospodarczym księstwa głogowskiego w epoce habsburskiej (1526–1740) [Der Adel im sozialen und wirtschaftlichen Leben des Herzogtums Glogau in der Habsburger Zeit (1526–1740)]. Zielona Góra 2007.
  • Hanna Nogossek (Hg.): Annäherungen – Ansichten von Glogau. Zbliżenia. Widoki Głogowa. Marburg/L. 1997.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Wir danken Dr. Balázs J. Nemes (Universität Freiburg) für den Hinweis, dass die autograph überlieferte Handschrift des „Gelben Buchs“ seit 2006 in der Universitätsbibliothek Freiburg unter der Signatur Hs. 1500,3 aufbewahrt wird und unter dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hs1500-3 als Digitalisat abrufbar ist.

[2] Nach Rafael Rokaszewicz: 1000 lat Głogowa w datach [1000 Jahre Glogau in Daten]. URL: www.glogow.pl/1000lat/index.php?option=com_content&view=article&id=88&Itemid=1 (Abruf 16.11.2012).

Angaben zur Bevölkerungsentwicklung im 19. Jahrhundert und vor 1939: Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. URL: treemagic.org/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de/ (Abruf 06.07.2021).

[3] Główny Urząd Statystyczny, Wybory do Sejmu i Senatu 2011 [Statistisches Hauptamt, die Wahlen zu Sejm und Senat 2011]. URL: pkw.gov.pl (Abruf 16.11.2012).

Zitation

Beata Lejman, Tomasz Torbus: Glogau/Głogów. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32381 (Stand 30.07.2021).

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