Leuthen/Lutynia

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Leuthen

Amtliche Bezeichnung

poln. Lutynia

2. Geographie

Lage

Das Dorf Leuthen liegt im Südwesten Polens, 20 km westlich der niederschlesischen Hauptstadt Breslau/Wrocław und 15 km östlich von Neumarkt in Schlesien/Środa Śląska.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Woiwodschaft Niederschlesien/Województwo dolnośląskie, Kreis Neumarkt in Schlesien/Powiat średzki, Gemeinde Nimkau/Gmina Miękinia (1945-54: eigenständige Gemeinde Leuthen/Lutynia).

3. Geschichte

Das Dorf Leuthen

Das Dorf Leuthen wurde im Jahre 1346 erstmals urkundlich erwähnt. Zu ihm gehören eine gotische Josefskirche (15. Jh.) und eine neugotische, ehem. evangelische Kirche (heute katholische Filiale).

Die Schlacht bei Leuthen (1757)

Das bekannteste Ereignis der Ortsgeschichte ist die Schlacht bei Leuthen am 5. Dezember 1757, eine der wichtigsten militärischen Auseinandersetzungen des Siebenjährigen Krieges (1756-63) zwischen Preußen und Österreich, die den Aufstieg des Königreichs Preußen zur europäischen Großmacht ebnete. Nach einer Reihe von Niederlagen preußischer Truppen hatte König Friedrich II. (1712-86) in der Schlacht bei Roßbach (Kurfürstentum Sachsen) am 5. November 1757 ein Reichsexekutionsheer und französische Einheiten besiegt. Friedrichs Ziel war nun die erneute Inbesitznahme Schlesiens, das von österreichischen Truppen besetzt gehalten wurde.

Bild


Der Choral von Leuthen. Nach einem Gemälde
von Wilhelm Camphausen (1818-85). (Bruno
Schrader [Hg.]: Friedrich der Große und seine
Zeit in Bild und Wort, Hamburg 1910, S. 117)

 

Am Morgen des 5. Dezember 1757 nahm ein großes österreichisches Heer unter Karl Alexander von Lothringen, das dem herannahenden preußischen Heer zahlenmäßig zweifach überlegen war, im Hügelland bei dem Dorf Leuthen in einer langen Reihung Aufstellung. Das preußische Heer vollzog anfangs Scheinangriffe auf dem linken Flügel, um dann auf dem rechten Flügel mit zunächst für die Österreicher verborgenen Infanterie- und Kavallerieeinheiten den entscheidenden Angriff zu führen. Friedrich II. und seine Generäle wandten dabei erstmals mit Erfolg die "schiefe Schlachtordnung" an. Nach der weitgehenden Auflösung der österreichischen Ordnung entbrannte in Leuthen ein Stellungskampf, insbesondere um den Kirchhof, der bis zum Abend mit einer vernichtenden Niederlage der Österreicher endete. Für Friedrich II. stand damit der Weg nach Breslau und zur endgültigen Inbesitznahme Schlesiens durch Preußen offen.

4. Erinnerungskultur

Neben der realhistorischen Bedeutung der Schlacht bei Leuthen steht deren Symbolwert für die preußisch-protestantische Geschichte zweiten Grades: Sie beinhaltet militärische Aspekte der Schlacht, ihre Vereinnahmung für eine protestantische Siegkultur sowie Anekdoten. Kaum ein Ereignis der Schlesischen Kriege ist häufiger auf Stichen, Historiengemälden und Zeichnungen festgehalten worden als die Schlacht von Leuthen. Novellen, Romane und Lieder bilden den literarischen Zweig dieser Erinnerungskultur. Erinnert wurde in erster Linie an die geschickte Strategie des quantitativ unterlegenen preußischen Heeres, die wider Erwarten den Sieg herbeigeführt habe. Hierbei wurde vor allem das Geschick des Reitergenerals Hans Joachim von Zieten und des Generalleutnants Georg Wilhelm von Driesen hervorgehoben. Nach der Schlacht stimmten die etwa 25.000 überlebenden preußischen Soldaten den protestantischen Choral "Nun danket alle Gott" an. Dieser wurde daraufhin in Preußen zu einer "vaterländischen Hymne" und zu einem Symbol protestantischer Siegesgewissheit, die bei zahlreichen preußischen Militärfeierlichkeiten inszeniert wurde. Der Sieg Friedrichs II. erhielt damit eine quasi-sakrale Überhöhung.

Bild


Friedrich der Große in Schloss Lissa.
Grafik nach Adolf Menzel.
(Franz Kugler: Geschichte Friedrichs
des Grossen, Leipzig 1840, S. 366)

 

Eine der bekanntesten, allerdings ahistorischen Anekdoten berichtet von einem angeblichen ungeschützten Besuch Friedrichs II. im österreichischen Feldlager beim Schloss Deutsch-Lissa/Leśnica am Abend nach der Schlacht ("Bon soir, Messieurs, gewiss werden Sie mich hier nicht vermuten. Kann man hier auch noch mit unterkommen?"); die überrumpelten österreichischen Wachen sollen den König voller Ehrerbietung begrüßt haben. Diese Erzählung diente dazu, das Bild des verwegenen und furchtlosen Monarchen zu festigen. Mehrere Denkmäler erinnerten vor 1945 an die Schlacht: der 1824 von König Friedrich Wilhelm III. errichtete "Altar von Leuthen", eine 12 m hohe Granitsäule (1854) an der Stelle, an der Friedrich II. die Schlachtordnung konzipiert haben soll, sowie ein 24 m hoher Obelisk (1907), der den Ort markierte, an dem die Soldaten nach der Schlacht den Choral von Leuthen anstimmten. Der Verherrlichung preußischen Soldatentums diente der 1933 in den deutschen Kinos angelaufene historische Spielfilm "Choral von Leuthen" (Regie: Carl Froelich). Zwischen 1921 und 1945 existierte im Dorf Leuthen ein Museum der Schlacht bei Leuthen, um dessen Neueinrichtung sich seit 2003 der Verein der Freunde Leuthens (Stowarzyszenie Przyjaciół Lutyni) bemüht. Der 250. Jahrestag der Schlacht wurde 2007 mit großem Aufwand begangen.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Bernhard R. Kroener: "Nun danket alle Gott." Der Choral von Leuthen und Friedrich der Große als protestantischer Held. Die Produktion politischer Mythen im 19. und 20. Jahrhundert. In: Gerd Krumeich, Hartmut Lehmann (Hg.): "Gott mit uns". Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Göttingen 2000 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 162), S. 105-134.
  • Tobias Weger: Die Schlacht von Leuthen - Mythos und Erinnerungsort. In: Silesia Nova 2/2 (2007), S. 55-65.
  • Rościsław Żerelik, Stanisław Rosik, Grzegorz Borowski (Hg.): Bitwa pod Lutynią (1757). Historia i tradycja [Die Schlacht bei Leuthen (1757). Geschichte und Tradition]. Wrocław 2010.

Weblinks

Zitation

Tobias Weger: Leuthen/Lutynia. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2011. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32306.html (Stand 30.07.2021).

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OME-Redaktion (Stand: 30.07.2024)  | 
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