Waldenburg/Wałbrzych

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Waldenburg, Waldenburg in Schlesien

Amtliche Bezeichnung

poln. Wałbrzych

2. Geographie

Lage

In einem Talkessel des Waldenburger Berglands auf 50° 46' nördlicher Breite, 16° 17' östlicher Länge und 450 m Höhe gelegen.

Region

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Republik Polen, Woiwodschaft Niederschlesien (województwo dolnośląskie); die Stadt gehört zum Landkreis Waldenburg (powiat wałbrzyski).

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Bestimmendes Wappenelement ist seit dem 17. Jahrhundert ein aus der Erde wachsender Baum, seit 1809 mit Gebirge im Hintergrund.

Mittelalter

Die Gründung Waldenburgs erfolgte wohl zwischen 1290 und 1293; eine erste urkundliche Erwähnung stammt aus der Zeit um 1305. Teilelemente des Stadtrechts sind für 1426 belegt, wobei der Besitz des Stadtrechts bereits für das Ende des 14. Jahrhunderts vermutet wird. Waldenburg gehörte bis ins 17. Jahrhundert den Herren von Neuhaus.

Neuzeit

In der Frühen Neuzeit entwickelte sich die Kleinstadt gering; während des Dreißigjährigen und des Siebenjährigen Krieges musste sie starke Bevölkerungsverluste hinnehmen musste. Waldenburg gehörte ab 1682 der Familie von Czettritz; ab 1738 unterstand die seit 1740/42 preußische Mediatstadt den Grafen von Hochberg auf dem nahegelegenen Schloss Fürstenstein. Die bei den Bürgern unbeliebte Grundherrschaft der Grafen von Hochberg wurde mit der Einführung der Stein'schen Städteordnung 1809 im Bereich der Stadtverwaltung beseitigt. Versuche der Bürgerschaft, durch Boykott der Grundzinszahlung die Grundherrschaft ganz zu beseitigen, scheiterten. Erst nachdem es im Zuge der Revolution von 1848 zu Unruhen gekommen war, konnte 1852 die Ablösung der Lasten und Grundzinsen erreicht werden.

Nach den Befreiungskriegen kam die Stadt 1816 zum Kreis Schweidnitz; bereits 1818 wurde dieser geteilt und ein eigener Kreis Waldenburg geschaffen.

Bild

Die Ostseite des Rings in Waldenburg/Wałbrzych.
(Foto: B. Conrad)

Dem Beginn des industriellen Bergbaus (Waldenburger Revier) und dem Anschluss an das Eisenbahnnetz 1853 folgte ein starker Anstieg der Einwohnerzahl, auch in den umliegenden Gemeinden. Der Zuzug von Arbeitern schlug sich auch politisch nieder: Wurde der Reichstagswahlkreis Waldenburg 1867–1884 mit Hans XI., Graf von Hochberg, Fürst von Pleß und Freiherr von Fürstenstein durch ein Mitglied des alteingesessenen Adels vertreten, der der konservativen Reichspartei angehörte, so folgten diesem zunächst Liberale, ehe sich bei der Reichstagswahl 1893 erstmals ein Kandidat der SPD durchsetzte. 1898–1918 wurde der Wahlkreis durch Hermann Sachse (SPD) im Reichstag vertreten; Sachse gehörte 1919/20 auch der Weimarer Nationalversammlung an. Bis einschließlich 1930 war die SPD stärkste politische Kraft bei allen Reichstagswahlen, ehe ab 1932 die NSDAP diese Position einnehmen konnte.

Zeitgeschichte

Im Zweiten Weltkrieg unzerstört, wurde Waldenburg am 8. Mai 1945 durch Truppen der 1. Ukrainischen Front der Roten Armee kampflos besetzt. Der größte Teil der deutschsprachigen Einwohner, die nicht geflüchtet waren, wurde zwischen 1945 und 1947 vertrieben. Aufgrund ihrer Bedeutung für den Bergbau verblieb, anders als im restlichen Niederschlesien, eine deutsche Minderheit in Waldenburg, deren Angehörige 1951 überwiegend die polnische Staatsangehörigkeit zugesprochen bekamen. Diese Deutschen genossen in den 1950er Jahren als anerkannte Minderheit Sonderrechte im Schulwesen und in kulturellen Belangen. Sie siedelten zwischen 1955 und 1960 nahezu vollständig in die Bundesrepublik Deutschland über. Während der Volksrepublik Polen wuchs Waldenburg zur Großstadt an. Der unrentabel gewordene Bergbau wurde 1999 eingestellt.

Verwaltung

Der Magistrat bestand ab 1707 aus einem Bürgermeister und zwei Ratsherren, ab 1765 aus einem Bürgermeister, zwei Senatoren und einem Gemeindeältesten. Mit der Einführung der Stein'schen Städteordnung wurde 1809 eine 24 Mitglieder zählende Stadtverordnetenversammlung eingerichtet.

Bevölkerung

Bevölkerungsentwicklung[1]

Jahr
Einwohner
 1743  605
 1799  1.540
 1841  2.464
 1871  10.434
 1900  15.106
 1910  18.915
 1925  44.111
 1939  64.136
 1950  94.000
 1960  120.200
 1985  135.000
 2002  130.269*
 2011  120.175

*davon nach Nationalität 96,6 % (125.840) polnisch, 3,1 % (4.022) keine, 0,1 % (151) deutsch, 0,2 % (255) andere.

Es kam in der Geschichte Waldenburgs dreimal zu größeren Eingemeindungen, nämlich zu Beginn der Weimarer Republik (1919), während der NS-Zeit (1934) und zur Zeit der Volksrepublik Polen (1950).

Die Stadtbevölkerung bestand im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts praktisch ausschließlich aus Deutschsprachigen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts siedelten sich kleine Gruppen Tschechisch- und Polnischsprachiger an. 1954 wurde die deutsche Bevölkerung in Stadt- und Landkreis Waldenburg auf maximal 25.000 Personen geschätzt, etwa ein Sechstel der Gesamtbevölkerung.

Wirtschaft

Im 17. und 18. Jahrhundert waren Leinenhandel und Tuchweberei der dominierende Wirtschaftssektor; 1818 wurde der erste mechanische Webstuhl auf dem europäischen Festland in Betrieb genommen. Im 19. Jahrhundert löste der bereits seit dem 16. Jahrhundert betriebene Steinkohlebergbau den Leinenhandel als wichtigsten Wirtschaftszweig ab. Waldenburg war zudem ein Zentrum der schlesischen Porzellanmanufaktur; hier war die in den 1830er Jahren entstandene Manufaktur von Carl Krister angesiedelt, deren Produktion ab den 1950er Jahren unter dem Namen "Krzysztof" von polnischer Seite fortgesetzt wurde.

Gesellschaft

Von überregionaler Bedeutung war 1869 ein mehrwöchiger Streik von Bergarbeitern des Waldenburger Reviers, nachdem die Gründung einer Ortsgruppe der liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine durch die Arbeitgeber abgelehnt worden war. Diese kompromisslose Haltung führte später zur Stärkung der sozialistischen Gewerkschaften.

Religions- und Kirchengeschichte

Seit der Reformation war die Stadtbevölkerung bis ins 19. Jahrhundert überwiegend evangelisch, im 19. Jahrhundert stieg durch Arbeitsmigranten der Anteil der Katholiken. 1925 waren von 44.111 Einwohnern 58,6 % (25.849) evangelischer Konfession, 35,2 % (15.522) katholischer Konfession und 0,5 % (220) jüdischen Glaubens. Bemerkenswert ist der im Vergleich zu Deutschland insgesamt (1925: 64,1 % evangelisch, 32,4 % katholisch, 0,9 % Juden) zu diesem Zeitpunkt hohe Anteil an Konfessionslosen.[2]

Architektur und Städtebau

Zu den ältesten erhaltenen Gebäuden gehört das 1604–1628 erbaute Schloss der Familie Czettritz im Stadtteil Ober-Waldenburg. Die wichtigsten Kirchen und Bürgerhäuser am Ring stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, das neue Rathaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts dehnte sich die Stadt schnell in Nordwest- und Südrichtung - vom Ring gesehen - aus. Die zersplitterte Gemeindestruktur des Waldenburger Reviers und die geringe Flächengröße Waldenburgs führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beständig zu Problemen in der Stadtplanung, die erst mit dem 1896 beginnenden Landerwerb, der Einrichtung des Stadtbauamts 1906 und den Eingemeindungen zu Beginn der Weimarer Republik allmählich eine Lösung erfuhren. In der Zeit der Weimarer Republik erlangte der städtische Wohnungsbau, der insbesondere der Bergarbeiterschaft zugutekam, einen ersten Höhepunkt.

4. Diskurse/Kontroversen

In der Nachkriegszeit gab es eine deutsch-polnische Kontroverse darüber, ob eine im 17. Jahrhundert für das Jahr 1191 genannte Siedlung mit Waldenburg identisch und die Stadt demnach womöglich slawischen Ursprungs sei. Von polnischen Historikern wurde dies behauptet, von deutschen Historikern bestritten. Dabei geriet die Sachfrage gegenüber der für das nationale Selbstverständnis wichtigen Darstellung in den Hintergrund. Ein Beweis für die Behauptung, der in der Quelle genannte Ort - so er je existiert hat - und das wohl zwischen 1290 und 1293 gegründete Waldenburg seien identisch, konnte bisher nicht erbracht werden.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Bernhard Grund: Das kulturelle Leben der Deutschen in Niederschlesien unter polnischer Verwaltung 1947–1958. Bonn, Berlin 1967 (Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland).
  • Artur Hryniewicz: Wałbrzych/Waldenburg. In: Ernst Badstübner, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.), Sławomir Brzezicki, Christine Nielsen (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. München, Berlin 2005, S. 981-987.
  • Joachim Köhler: Waldenburg. In: Hugo Weczerka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Schlesien. 2., verb. u. erw. Aufl. Stuttgart 2003 (Kröners Taschenausgabe 316), S. 554-557.
  • Konrad Pflug: Chronik der Stadt Waldenburg in Schlesien. Waldenburg i. Schl. 1908.
  • Bruno Paschky: Waldenburg/Schl. In: Heinz Stoob, Peter Johanek (Hg.): Schlesisches Städtebuch. Stuttgart u. a. 1995 (Deutsches Städtebuch, begründet von Erich Keyser, Neubearbeitung 1), S. 440-445.
  • Patenschaftsarbeitskreis Waldenburger Bergland, Dortmund (Hg.), Heinrich Bartsch (Verf.): Unvergessene Waldenburger Heimat. Ein Buch der Erinnerung, Liebe und Treue. Norden 1969.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Quelle: Für 1743–1910 und 1939–1985: Paschky, S. 441. Für 1925: Statistik des Deutschen Reichs. Bd. 401. Berlin 1930, S. 361. Für 2002–2010 von der Internetseite des poln. statist. Hauptamtes: stat.gov.pl/.

[2] Quelle: Für Waldenburg: Statistik des Deutschen Reichs. Bd. 401. Berlin 1930, S. 361. Für Deutschland: Die Welt in Maß und Zahl. Geographie, Wirtschaft und Kirchenkunde aller Erdteile und Länder. Freiburg/Breisgau 1932, S. 9.

Zitation

Benjamin Conrad: Waldenburg/Wałbrzych. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32431 (Stand 30.07.2021).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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