Deutsches Ausland-Institut (DAI), Stuttgart

1. Kurzbeschreibung

Das Deutsche Ausland-Institut (DAI) wurde am 10. Januar 1917 in Stuttgart unter dem Namen "Museum und Institut zur Kunde des Auslandsdeutschtums und zur Förderung deutscher Interessen im Ausland" gegründet. Zunächst wurde es als "Deutsches Auslandsmuseum" bezeichnet; ab Ende 1918 setzte sich der Begriff "Deutsches Ausland-Institut" durch. In der amerikanischen Besatzungszone stellte das DAI 1945 seine Tätigkeit ein.

2. Organisation

Das DAI bestand bei seiner Gründung aus einem Archiv, einem Museum, einer Bibliothek, einer Auskunfts- und Vermittlungsstelle und einer Vortrags- und Publikationsabteilung. Es gab eine Vertretung in Berlin. 1923 wurde das DAI dem Reichsinnenministerium unterstellt. Finanziert aus Mitteln des Reichshaushaltes (Innen- und Außenministerium) sowie, in geringerem Maße, des Landes Württemberg, der Stadt Stuttgart und privater Spenden, konnte das DAI einen beständig steigenden Etat verzeichnen, der 1942/43 eine Höhe von 1,6 Millionen RM erreichte.

Leiter des DAI war bis 1933 Fritz Wertheimer (1884–1968). Im Zuge der "Gleichschaltung" wurde er 1933 durch den aus Siebenbürgen stammenden Richard Csaki (1886–1943) abgelöst. Das gleiche Schicksal ereilte den Vorstandsvorsitzenden Theodor Wanner (1875–1955), der durch den NS-Oberbürgermeister Stuttgarts, Karl Strölin (1890–1963), ersetzt wurde. Diese personellen Veränderungen sind offenbar ohne offizielle Anweisung vonseiten der Regierung vorgenommen worden. Nach 1933 verbündete sich das vormals zwar elitäre, da mit der Großwirtschaft eng verbundene, aber dennoch überparteiliche Institut "mit jenen Kräften innerhalb des neuen Machtapparates, die damals in der NS-Außenpolitik eine herausgehobene Rolle spielten: [der] Auslandsorganisation (AO) und [dem] Außenpolitische[n] Amt (APA) der NSDAP".[1] 1936 wurde das DAI der Volksdeutschen Mittelstelle der SS (VOMI), im November 1943 schließlich direkt dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unterstellt.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs erfuhr das DAI eine massive Umstrukturierung. Die Verbindungen zu den wichtigsten Organen des Staates wurden verstärkt und neue Abteilungen eingerichtet, so die Statistische Abteilung, die Abteilung Umsiedlungsdokumentation, die Stababteilung und die Dienststelle Wien.

3. Aufgaben

Bereits während des Ersten Weltkriegs, vor allem aber in dessen Folge widmete die deutsche Politik den außerhalb des Reiches lebenden Deutschen besondere Aufmerksamkeit. Sie wurden zu einem wichtigen Faktor der "Deutschtumspolitik", deren Ziel es war, das "Auslandsdeutschtum" wirtschaftlich zu fördern und zahlenmäßig zu stärken. Das DAI unterstützte diese Politik mit einem breit gefächerten Aufgabenspektrum: Es umfasste die allgemeine Förderung der Beziehungen zum "Auslandsdeutschtum" ebenso wie dessen Erforschung und die Öffentlichkeitsarbeit. Ziel war es, "ein umfassendes Bild des gesamten Auslandsdeutschtums nach seiner materiellen und geistigen Kultur, nach seinen sozialen Verhältnissen und nach seinen Beziehungen zur alten und neuen Heimat" zu zeichnen.[2] Des Weiteren erhielten auswanderungswillige Deutsche im DAI Informationen und Ratschläge. Das "Auslandsdeutschtum" sollte mit dem DAI in Stuttgart eine Zentrale erhalten.

Bild

Deutsches Ausland-Institut, Stuttgart,
Ansichtskarte, um 1930. [Archiv T. Weger]

Während das DAI zur Zeit der Weimarer Republik politisch eher unauffällig blieb, passte es sich nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 schnell dem Führerprinzip an (1934 verlieh das DAI Adolf Hitler den "Deutschen Ring", seine höchste Auszeichnung) und veränderte seine Tätigkeiten entsprechend. Seine Mitarbeiter vertraten offen rassistische Ansichten und verstanden sich als Teil des nationalsozialistischen Propagandaapparates. In diesem Zusammenhang beschaffte das DAI auch "militärische und rüstungssensible Nachrichten".[3] Die Beratung auswanderungswilliger Deutscher nahm ab, da Auswanderung nicht mehr gefördert werden sollte.

Einen Schwerpunkt legte das DAI fortan auf die volkswissenschaftliche Disziplin der "Sippenkunde", die sie bewusst auf die Grundlagen der Rassen- und Erbbiologie stellte. Rasch wachsende Karteien dienten der Sammlung von Informationen über "Volksdeutsche". Die "Volkstumsarbeit" im nationalsozialistischen Deutschland gehörte in den Zuständigkeitsbereich der SS und erfuhr ab 1936 eine starke Konzentration. In diesem Zusammenhang wurde die Hauptstelle auslandsdeutsche Sippenkunde, die dem Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA) unterstand, im Jahre 1937 dem DAI angegliedert.

Mit Kriegsausbruch veränderten sich die Aktivitäten des DAI erneut; es wandte sich nun den 'kriegswichtigen' Aufgaben zu. Drei Arbeitsschwerpunkte lassen sich ausmachen: Die "Umsiedlungsdokumentation" bezeichnet die genaue Erfassung der Umsiedlungen der "Volksdeutschen" in die besetzten Gebiete oder nach Deutschland. Unter der "Anschriftenaktion" verstand man den Neuaufbau einer zentralen Kartei der "Volksdeutschen", die über die bisherigen Daten hinaus auch Auskünfte über die politische Gesinnung der Erfassten enthielt. Schließlich erhielt das DAI spezielle Übersee- und Südosteuropaaufträge.

Die seit Oktober 1918 erscheinende Halbmonatszeitschrift Mitteilungen des Deutschen Auslands-Instituts hieß ab 1919, Heft 10 Der Auslandsdeutsche und ab 1938, Heft 3 Deutschtum im Ausland. Sie wurde Ende 1944 eingestellt. Von 1936 bis 1942 erschien das Jahrbuch für auslandsdeutsche Sippenkunde der Hauptstelle auslandsdeutsche Sippenkunde. Zwischen 1937 und 1944 gab das DAI zudem die Vierteljahresschrift Auslandsdeutsche Volksforschung heraus.

Die amerikanische Militärregierung stufte das DAI nach Kriegsende als "belastet" ein; es musste geschlossen werden.[4] Dessen ungeachtet wurde es 1949 als Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) wiedergegründet und nahm 1951 seine Arbeit wieder auf.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Katja Geschke: Kultur als Instrument der Außenpolitik totalitärer Staaten. Das Deutsche Auslands-Institut 1933–1945. Köln u. a. 2006.
  • Otto Lerche: Das Deutsche Auslandsmuseum in Stuttgart. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 34 (1917), S. 162–167, hier S. 164.
  • Ernst Ritter: Das Deutsche Ausland-Institut in Stuttgart 1917–1945. Ein Beispiel deutscher Volkstumsarbeit zwischen den Weltkriegen. Wiesbaden 1976 (Frankfurter historische Abhandlungen 14).
  • Martin Seckendorf: Kulturelle Deutschtumspflege im Übergang von Weimar zu Hitler am Beispiel des deutschen Ausland-Institutes (DAI). Eine Fallstudie. In: Wolfgang Jacobeit, Hannjost Lixfeld, Olaf Bochkorn (Hg.): Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der deutschen und österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wien u. a. 1994, S. 115–135.
  • Martin Seckendorf: Das Deutsche Ausland-Institut Stuttgart (DAI) 1917 bis 1945. Eine Übersicht. 2004. URL: www.berliner-gesellschaft.org/1_6_1.html.

Anmerkungen

[1] Seckendorf: Das Deutsche Ausland-Institut Stuttgart (DAI). URL: www.berliner-gesellschaft.org/1_6_1.html (Abruf 04.01.2021).

[2] Lerche: Das Deutsche Auslandsmuseum in Stuttgart, S. 164.

[3] Seckendorf: Ausland-Institut (Anm. 1).

[4] Geschke: Kultur als Instrument der Außenpolitik totalitärer Staaten, S. 86.

Zitation

Berit Pleitner: Deutsches Ausland-Institut (DAI), Stuttgart. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32835 (Stand 12.04.2022).

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