Institut für Deutsche Ostarbeit, Krakau

1. Kurzbeschreibung der Institution

Das Institut für Deutsche Ostarbeit (IDO) wurde am 20. April 1940 auf Initiative des Generalgouverneurs Hans Frank (1900–1946) gegründet und in Gebäuden der im November 1939 aufgelösten polnischen Jagiellonen-Universität im Zentrum von Krakau/Kraków etabliert. Vorausgegangen war die Errichtung des Generalgouvernements im Oktober 1939.

2. Aufgaben

Gegründet wurde das IDO zur "Fortführung und Steigerung" der "deutschen Forschungsarbeit im Osten". Es sollte "alle grundlegenden Fragen des Ostraums" wissenschaftlich klären und seine Erkenntnisse publizistisch verbreiten.[1] Das Institut ging einerseits Aufgaben der sog. deutschen "Ostforschung" nach, die den deutschen Anspruch auf Raum und Menschen durch die Darstellung "deutscher Leistungen" in der Vergangenheit zu legitimieren versuchte. Ergebnis dieser Bemühungen waren einseitige Untersuchungen zum "Deutschtum", die tendenziöse Auseinandersetzung mit der polnischen Forschung sowie negative bzw. antisemitische Beiträge über Polen und Juden.[2] Daneben führte das IDO eine auf aktuelle politische, wirtschaftliche und administrative Probleme ausgerichtete Forschungstätigkeit durch. Diese war eng mit der Verwaltung des Generalgouvernements verknüpft, arbeitete ihr zu und verstrickte sich dabei in die verbrecherische NS-Besatzungspolitik. Dies gilt insbesondere für die Sektion Rassen- und Volkstumsforschung, die intensiv mit der Abteilung Bevölkerungswesen und Fürsorge der Regierung des Generalgouvernements sowie mit SS-Stellen wie der "Volksdeutschen Mittelstelle" und dem Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums zusammenarbeitete.[3]

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Titel der vom Institut für Deutsche Ostarbeit
1941–1944 herausgegebenen Zeitschrift
Deutsche Forschung im Osten.

Finanziert wurde das IDO aus dem Haushalt des Generalgouvernements. Von Oktober 1940 bis Juli 1944 gab es die Vierteljahresschrift Die Burg heraus. Daneben erschien von Januar 1941 bis März 1944 die Zeitschrift Deutsche Forschung im Osten, in der vor allem die Beiträge der Mitarbeiter publiziert wurden. Ausstellungen, Tagungen, Vorträge und Schulungen dienten der Propagierung der "Deutschtumsarbeit".[4] Generalgouverneur Frank plante, das Institut zu einem späteren Zeitpunkt in eine deutsche Akademie der Wissenschaften umzuwandeln, die nach einem siegreichen Krieg in einer deutschen Kopernikus-Universität aufgehen sollte.[5]

3. Organisation

Dem IDO stand als Präsident Hans Frank vor. Der Direktor des Instituts war der Verwaltungsjurist Wilhelm Coblitz (1906–nach 1945), einer von Franks mehrjährigen Mitarbeitern. Ihn ernannte der Generalgouverneur ebenso wie die Mitglieder des Kuratoriums, den wissenschaftlichen Leiter und die wissenschaftlichen Mitarbeiter.

Gegliedert war das IDO in mehrere geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Sektionen.[6] Zweigstellen bestanden in Warschau/Warszawa und Lemberg/Ľviv. Insgesamt beschäftigte das IDO in den Jahren 1940–1945 188 deutsche Mitarbeiter und 150 polnische "Hilfskräfte",[7] die auf Anweisung und unter Kontrolle ihrer deutschen Vorgesetzten wirkten.[8]

4. Geschichte

In der Gründungsphase des Instituts ging es darum, ob und wie stark der Einfluss der "Nord- und ostdeutschen Forschungsgemeinschaft" (NOFG) auf das IDO und die Arbeit seiner geisteswissenschaftlichen Sektionen sein würde. Trotz anfänglichen Sondierungen lehnte Frank schließlich eine zu starke Einmischung von außen ab[9] und wollte stattdessen ein "eigenes Programm ohne irgendwelche Bevormundung" durchführen.[10]

Trotz einer üppigen finanziellen Ausstattung hatte das Institut während des Krieges große Probleme, qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Es konnte überwiegend nur zweitrangige und bis dahin weitgehend unerfahrene Nachwuchswissenschaftler anstellen, die in der Regel der NSDAP angehörten.

1942/43 erfolgte eine Verlagerung des Tätigkeitsfeldes des IDO: Die geisteswissenschaftlichen Sektionen wurden weitgehend eingestellt bzw. ihre Mitarbeiter zur Wehrmacht eingezogen.[11] Dafür übernahm das Institut "kriegswichtige Aufgaben" im naturwissenschaftlichen Bereich. Ab Frühjahr 1943 betrieb das IDO in zwei neuen Sektionen Rüstungsforschung: In Lemberg entstand eine Sektion für chemische Forschung, in Krakau wurde eine Sektion Allgemeine Wehrwissenschaften eingerichtet.[12] Beide Abteilungen beschäftigten vor allem ukrainische und russische Naturwissenschaftler.

Im Sommer 1944 wurden im Zuge der Teilevakuierung der deutschen Dienststellen aus Krakau die Reste des IDO in zwei Schlösser (Miltach, Zandt) in Bayern ausgelagert. Die Sektion Landeskunde, die für die Wehrmacht Luftbildaufnahmen auswertete, verblieb noch bis Januar 1945 im Generalgouvernement. Ende Juli 1945 ordneten die amerikanischen Besatzungsbehörden die Auflösung des Instituts an.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Sabine Arend: Die Kunsthistorische Sektion am Institut für Deutsche Ostarbeit im besetzten Krakau (1940–1945). In: Wojciech Bałus, Joanna Wolańska (Hg.): Die Etablierung und Entwicklung des Faches Kunstgeschichte in Deutschland, Polen und Mitteleuropa. Warszawa 2010 (Das gemeinsame Kulturerbe 6), S. 491-519; englische Übersetzung: Dies.: The Art History Section of the Institut für Deutsche Ostarbeit in Occupied Cracow (1940–1945). In: Centropa 9 (2009) 3, S. 209–221.
  • Sabine Arend: Studien zur deutschen kunsthistorischen „Ostforschung“ im Nationalsozialismus. Die Kunsthistorischen Institute an den (Reichs-) Universitäten Breslau und Posen und ihre Protagonisten im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Berlin 2009. (edoc.hu-berlin.de/dissertationen/arend-sabine-2009-07-15/PDF/arend.pdf).
  • Michael Burleigh: Germany Turns Eastwards. A Study of Ostforschung in the Third Reich. Cambridge u. a. 1988, S. 230–253.
  • Rudi Goguel: Über die Mitwirkung deutscher Wissenschaftler am Okkupationsregime in Polen im zweiten Weltkrieg, untersucht an drei Instituten der deutschen Ostforschung (Dissertation umboldt-Universität Berlin). Berlin 1964, S. 132–175 [mit im Anhang abgedruckten Dokumenten zum IDO].
  • Christoph Kleßmann: Die Selbstbehauptung einer Nation. Nationalsozialistische Kulturpolitik und polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1945. Düsseldorf 1971, S. 61–70.
  • Ute Michel: Ethnopolitische Reorganisationsforschung am Institut für Deutsche Ostarbeit in Krakau 1941–1945. In: Bernhard Streck (Hg.): Ethnologie und Nationalsozialismus. Gehren 2000 (Veröffentlichungen des Instituts für Ethnologie der Universität Leipzig, Reihe Fachgeschichte 1), S. 149–168.
  • Dirk Rupnow: Judenforschung im Dritten Reich. Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie. Baden-Baden 2011, S. 131–137.
  • Anetta Rybicka: Instytut Niemieckiej Pracy Wschodniej. Institut für Deutsche Ostarbeit. Kraków 1940–1945. Warszawa 2002.
  • Gretchen E. Schafft: From Racism to Genocide. Anthropology in the Third Reich. Urbana 2004, S. 93–114.
  • Michael Strobel: Werner Radig (1903–1985). Ein Prähistoriker in drei politischen Systemen. In: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 47 (2005), S. 283–320.
  • Gerhard Volkmer: Die deutsche Forschung zu Osteuropa und zum osteuropäischen Judentum in den Jahren 1933 bis 1945. In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 42 (1989), S. 177–182.
  • Gordon Wolnik: Institut für deutsche Ostarbeit. In: Ingo Haar, Michael Fahlbusch (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. München 2008, S. 254–290.

Schriftenreihen und Periodika

  • "Die Burg" (1940–1944)
  • "Deutsche Forschung im Osten" (1941–1944)
  • Schriftenreihe des Instituts für Deutsche Ostarbeit (1942–1944)
  • Jahrbuch des Instituts für Deutsche Ostarbeit 1 (1941)

Anmerkungen

[1] Die Gründungsverordnung vom 19. April 1940 ist abgedruckt in: Wilhelm Coblitz: Das Institut für Deutsche Ostarbeit. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Ostarbeit 1 (1941) (Krakau 1942), S. 7–57, hier S. 12f.; vgl. auch: Werner Präg, Wolfgang Jacobmeyer (Hg.): Das Diensttagebuch des deutschen Generalgouverneurs in Polen 1939–1945. Stuttgart 1975, S. 172–175.

[2] Vgl. Rybicka: Instytut, S. 58–118.

[3] Michel: Ethnopolitische Reorganisationsforschung, S. 161.

[4] Themen der Ausstellungen waren u. a. "Germanenerbe im Weichselraum" (September 1941) und "Altdeutsche Kunst in Krakau und dem Karpathenland" (Juli 1942). Die Arbeitstagungen trugen bezeichnende Titel wie "Deutsche Kämpfer auf östlichen Vorposten" (Juni 1940), "Der Deutsche im Weichselraum" (Mai 1941), "Die Epoche des Ostens" (Oktober 1942) und "Deutsche Forschung im Vorkarpaten- und Weichselraum als Grundlage für praktische Volkstumsarbeit" (Februar 1943).

[5] Vgl. hierzu: Präg, Jacobmeyer: Diensttagebuch (wie Anm. 1), S. 394. Eintragung zum 4. September 1941.

[6] Im Folgenden werden die Sektionen, die Sektionsleiter und die wissenschaftlichen Mitarbeiter – soweit diese bekannt sind – genannt: Geschichte – Gerhard Sappok, Helmuth Werner, Erwin Hoff, Gerhard Brauns; Kunstgeschichte – Ewald Behrens, Heinz-Günther Oliass, Dorette Richter; Vorgeschichte – Werner Radig; Recht – Siegmund Dannbeck, Johann Werner Niemann; Rassen- und Volkstumsforschung (mit Referaten für Anthropologie, Ethnologie und Judenforschung) – Fritz Arlt, Anton Plügel, Heinrich Gottong, Erhard Riemann, Josef Sommerfeldt, Elfriede Fliethmann, Ingeborg Sydow; Wirtschaft – Walter Emmerich, Helmut Meinhold, Hans-Kraft Nonnenmacher, Erika Bochdam-Löptien; Landeskunde – Hans Graul, Ernst Fugmann, Otto Klippel, Gisela Hildebrandt; Landwirtschaft – Fritz Christiansen-Weniger, Rudolf Bräunig; Gartenkultur – Erich Maurer; Forst- und Holzwirtschaft – Kurt Mantel, Anton Kriesche.

[7] Rybicka: Instytut (wie Anm. 2), S. 165–172.

[8] Rybickas Vorwurf, dass einige polnische Mitarbeiter anscheinend bereitwillig ihren deutschen Vorgesetzten zuarbeiteten und somit partiell kollaborierten, löste eine scharfe Debatte zu diesem Thema in Polen aus. Vgl. hierzu Rybicka: Instytut (wie Anm. 2), S. 139–154 und die polemische Reaktion der Ehefrau eines der Beschuldigten: Teresa Bałuk-Ulewiczowa: Wyzwolić się z błędnego koła. Institut für deutsche Ostarbeit w świetle dokumentów Armii Krajowej i materiałów zachowanych w Polsce [Sich aus dem Teufelskreis befreien. Das Institut für Deutsche Ostarbeit im Licht der Dokumente der Heimatarmee und in Polen erhalten gebliebener Materialien]. Kraków 2004 (Arkana historii). Teresa Bałuk-Ulewiczowa weist zu Recht darauf hin, dass polnische Angestellte des IDO mit der polnischen Widerstandsbewegung zusammenarbeiteten und diese über das IDO informierten. Zudem behandelt sie die Tätigkeit der Sektion Chemie (S. 105–149 und im Anhang abgedruckte Originaldokumente).

[9] Vgl. hierzu Eduard Mühle: Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung. Düsseldorf 2005 (Schriften des Bundesarchivs 65), S. 339–346; Rybicka: Instytut (wie Anm. 2), S. 11–25.

[10] Randt an Zipfel, 22.09.1940. Zitiert nach Goguel: Über die Mitwirkung, Anhang 3, Dokument 4, S. 101.

[11] Im Februar 1943 wurden die Sektionen Vorgeschichte, Geschichte und Kunstgeschichte zu einer "Historischen Sektion" zusammengelegt. Vgl. Burleigh: Germany Turns Eastwards, S. 284f.; Rybicka: Instytut (wie Anm. 2), S. 120.

[12] Präg, Jacobmeyer: Diensttagebuch (wie Anm. 1), S. 658, Besprechung am 08.05.1943.

Zitation

Stefan Lehr: Institut für Deutsche Ostarbeit, Krakau. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32728 (Stand 02.02.2021).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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