Himmelwitz/Jemielnica

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Himmelwitz

Amtliche Bezeichnung

poln. Jemielnica, dt. Himmelwitz

Etymologie

Als namensgebend wird die slawische Benennung für Mistel (jemela) vermutet.

2. Geographie

Lage

Das Dorf liegt nordöstlich von Groß Strehlitz/Strzelce Opolskie und nordwestlich von der mittelalterlichen Burg Tost/Toszek.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Republik Polen; Hauptort der gleichnamigen Landgemeinde im Landkreis Groß Strehlitz/Powiat Strzelecki in der Woiwodschaft Oppeln/Województwo opolskie.

3. Geschichte und Kultur

Bild

Wappen der Gemeinde
Himmelwitz/Jemielnica
[Foto: Wikimedia Commons
Matthiasp CC BY-SA 3.0].

 

Gebräuchliche Symbolik

Auf dem Wappen steht ein Zisterziensermönch auf blau-gelbem Grund (einflussreiche Rolle des hiesigen Klosters). Zu seiner Linken ist Getreide dargestellt (landwirtschaftlicher Charakter der Gemeinde). Zur Rechten des Mönchs steht ein mistelbewachsener Baum (Ortsname).

Historische und heute gebräuchliche Bezeichnungen

Der Ortsname im Laufe der Jahrhunderte in verschiedenen Quellen: Gemelnici (1225), Jemelnicha (1285), Gemelnitz (1302), Gemmelniche (1310), Gemilnicz (1364), Gemelnitz (1366), Gimmelnycz (1401), Giemelnicz (1485), Jemmelnitz (1608), Himmelwitz (1616), Gimmelwitz (1677), Gemelnicium (1699), Himmelwitz (1776), Химмельвиц (Chimmel'vic; 1945), Imielnica (1945), Jemielnica (1947), Jemielnica/Himmelwitz (2006).

Allgemeine Geschichte

Der Ort wurde am 29. November 1225 erstmals urkundlich erwähnt.[1] Aufgrund häufiger Brände und auch Aktenvernichtung sind aus der Gründungszeit nur wenige Daten vorhanden. Das Himmelwitzer Zisterzienserkloster wurde 1283 durch Herzog Boleslaus I. von Oppeln gestiftet und vor 1289 mit etwa 20 Ordensbrüdern des Klosters Rauden besiedelt.[2] Das Kloster zählte zu den ärmsten in Schlesien. "Erst mit Herzog Albert von Groß Strehlitz, dem 'zweiten Fundator', der 1361 dem Stift mehrere Dörfer und Mühlen schenkte",[3] verbesserte sich die Situation; dennoch erlangte es nie die kulturelle Bedeutung von Leubus/Lubiąż oder Rauden/Rudy. Im Jahr 1428 wurde das Kloster von Hussiten niedergebrannt. Mit dem Kloster ist der Name des in Görlitz geborenen Abtes Johannes Nucius (Amtszeit 1591–1620) verbunden, der auch als Komponist wirkte. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Kloster mehrfach von Hussiten überfallen und ausgeplündert.[4] Im 17. Jahrhundert zählte das Dorf ungefähr 500 Einwohner, vorwiegend Bauern, Gärtner und Häusler. Der Personenstand reduzierte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufgrund der Pest und der Schlesischen Kriege um etwa 15 Prozent. Während eines verheerenden Brandes im Jahr 1733 wurden das Kloster, die Klosterkirche, 22 Bauernhöfe sowie das Dach der Pfarrkirche zerstört. Anschließend wurden die Abtei und die dreischiffige Basilika im barocken Stil von Grund auf erneuert, erweitert und im heutigen Erscheinungsbild aufgebaut. Zwei Altarbilder der Stiftskirche werden dem berühmten Barockmaler Michael Willmann (1630–1706) zugeschrieben.[5]

Die 1750 gegründete, bis 1801 bestehende klösterliche Lateinschule, in welcher sowohl polnische als auch deutsche Schüler unterrichtet wurden, hatte einen guten Ruf; 1790 zählte sie 80 Schüler.[6]

Bild

Klosterkirche in Himmelwitz/Jemielnica
[Foto: Wikimedia Commons Ludek CC BY-SA].

 

Während der Napoleonischen Kriege wurde das Kloster 1813/14 in ein Lazarett umgewandelt. Die 500 während einer Typhusepidemie dort verstorbenen französischen Soldaten wurden auf dem benachbarten Friedhof beigesetzt. 1810 wurde die Säkularisation des Klosters durch die preußische Staatsregierung umgesetzt und die Klosterkirche zur Pfarrkirche umgewidmet. Einige Gebäudeteile des Stifts blieben erhalten, die übrigen verfielen oder wurden abgetragen; ein Großteil der Bücher und Manuskripte des Klosterbestands gelangte in die Universitätsbibliothek Breslau/Wrocław. 1826 erwarb Graf Andreas Maria von Renard den Klosterbesitz. Die barocke Klosterkirche blieb bis heute nahezu unversehrt. 1818 wurde die Gemeinde Himmelwitz in den neu gebildeten Landkreis Groß Strehlitz eingegliedert, welchem sie bis 1945 angehörte. Im April 1945 führte die provisorische polnische Verwaltung den Ortsnamen Imielnica ein, 1947 wurde der Ort in Jemielnica umbenannt und 1950 der Woiwodschaft Oppeln angegliedert. Im Juni 1945 wurden 100 deutsche einheimische Familien in ein Lager für Auszusiedelnde in Blottnitz/Błotnica Strzelecka abtransportiert.[7] Himmelwitz ist ein Gründungsort der Deutschen Minderheit in Oberschlesien; im Restaurant von Richard Urban fanden ab 1988 die ersten Treffen der Minderheit der Oppelner Region statt.

Bevölkerung und Gesellschaft

Die schlechte wirtschaftliche Lage führte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu Abwanderungen in die Industriemetropolen Oberschlesiens, ins westliche Deutschland und in die USA. In der oberschlesischen Volksabstimmung 1921 stimmten 50,7 Prozent der Einwohner für die polnische, 49,3 Prozent für die deutsche Zugehörigkeit. Die Himmelwitzer Bevölkerung wuchs entgegen dem allgemeinen Bevölkerungsrückgang in Schlesien infolge von Auswanderungen von 1.656 im Jahr 1910 auf 2.686 im Jahr 1939 an. Im Jahr 2006 hatte Himmelwitz 3.500 Einwohner. Der Ort ist auch im 21. Jahrhundert noch ländlich geprägt, obwohl die meisten Bewohner mittlerweile im Industrie- und Dienstleistungssektor außerhalb ihrer Gemeinde tätig sind. 2002 gaben in der nationalen Volkszählung 53,1 Prozent der Einwohner die polnische und 32,7 Prozent eine andere Nationalität an. Von diesen votierten 24,3 Prozent für die deutsche, 8,1 Prozent für die offiziell nicht anerkannte schlesische Nationalität. 14,2 Prozent ordneten sich keiner Nationalität zu.[8] Am 28. August 2006 wurde in der Gemeinde Deutsch als zweite Amtssprache eingeführt. Seit dem 14. November 2008 trägt der Ort neben dem polnischen auch den deutschen Ortsnamen; die zweisprachigen Ortstafeln wurden im Oktober 2010 aufgestellt.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Ernst Badstübner, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.), Sławomir Brezicki, Christine Nielsen (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen: Schlesien. München, Berlin 2005, S. 404–407.
  • Heinrich Grüger: Die Zisterzienser in Schlesien und ihre Bedeutung für barocke Kultur und Frömmigkeit. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 44 (1986), S. 67–81.
  • Georg-Paul Krusch (Hg.): Chronik des Zisterzienser Stiftes, der Pfarrei und der Gemeinde Himmelwitz. o.O. 1985.
  • Józef Pater (Hg.): Schematismen des Fürstbistums Breslau 1724 und 1738. Köln u. a. 1994 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 26), S. 125f.
  • Jerzy Rajman: Die Gründung der Zisterzienserabtei Himmelwitz auf dem Hintergrund der Siedlungsgeschichte im Raum von Groß Strehlitz und Tost. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 49 (1991), S. 231–255.
  • Nicola Remig, Inge Steinsträßer (Red.): Ausstellungskatalog Klosterdämmerung (vom Umbruch zum Aufbruch; 1810–2010). 200 Jahre Säkularisation in Schlesien am Beispiel der Zisterzienserklöster. Königswinter-Heisterbacherrott 2011, S. 130–141.
  • Andreas Rüther: Region und Identität. Schlesien und das Reich im späten Mittelalter. Köln 2010 (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte 20).
  • Alfred Sabisch: Himmelwitz. In: Hugo Weczerka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Schlesien. Stuttgart 1977 (Kröners Taschenausgabe 316), S. 186f.
  • Joanna Seydak: Die Zisterzienserabtei Himmelwitz. In: Ulrich Knefelkamp, Wolfgang F. Reddig (Hg.): Klöster und Landschaften: Zisterzienser westlich und östlich der Oder. Begleitband zur Ausstellung der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) 1998. Frankfurt/O 1999, S. 176–177.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Vgl. Colmar Grünhagen (Hg.): Regesten zur schlesischen Geschichte. Bd. 1: Bis zum Jahre 1250. 2., umgearb. und verm. Aufl. Breslau 1884 (Codex Diplomaticus Silesiae 7), S. 153.

[2] Vgl. Wilhelm Wattenbach (Hg.): Urkunden der Klöster Rauden und Himmelwitz, der Dominicaner und Dominicanerinnen in der Stadt Ratibor. Breslau 1859 (Codex Diplomaticus Silesiae 2), S. 79.

[3] Ausstellungskatalog Klosterdämmerung, S. 130.

[4] Vgl. Grüger: Die Zisterzienser, S. 72.

[5] Vgl. Sabisch: Himmelwitz, S. 186.

[6] Ulrich Seng: Die Schulpolitik des Bistums Breslau im 19. Jahrhundert. Wiesbaden 1989 (Studien der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund 4), S. 346.

[7] Vgl. die Liste der inhaftierten Personen im Archiwum Państwowe w Opolu/Staatsarchiv Oppeln (Sig. 45/0210/000).

[8] Vgl. Główny Urząd Statystyczny [Zentralamt für Statistik]: Wyniki Narodowego Spisu Powszechnego Ludności i Mieszkań 2002 w zakresie deklarowanej narodowości oraz języka używanego w domu [Ergebnisse der nationalen Volkszählung zu Bevölkerung und Wohnen 2002 im Hinblick auf erklärte Nationalität und Familiensprache], Warszawa.

Zitation

Felicitas Söhner: Himmelwitz/Jemielnica. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32414 (Stand 30.07.2021).

Nutzungsbedingungen für diesen Artikel

Copyright © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk entstand im Rahmen des Projekts „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ und darf vervielfältigt und veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie:

Wenn Sie fachliche Hinweise oder Ergänzungen zum Text haben, wenden Sie sich bitte unter Angabe von Literatur- und Quellenbelegen an die Redaktion.

(Stand: 19.01.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page