Kamenz/Kamieniec Ząbkowicki

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Kamenz, Camenz, Camenz in Schlesien

Amtliche Bezeichnung

poln. Kamieniec Ząbkowicki (früher: Kamieniec nad Ochną, Kamieniec nad Nysą)

2. Geographie

Lage

50˚ 31' nördlicher Breite, 16˚52' östlicher Länge. Kamenz liegt 72 km südlich von Breslau/Wrocław und 10 km südlich von Frankenstein/Ząbkowice Śląskie.

Topographie

In der Nähe der Mündung des Pausenbaches/Budzówka in die Glatzer Neisse/Nysa Kłodzka im Sudetenvorland.

Region

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Gemeinde im Landkreis Frankenstein (Powiat Ząbkowice Śląskie) in der Woiwodschaft Niederschlesien (Województwo dolnośląskie), Polen.

3. Geschichte und Kultur

Mittelalter

Im Zusammenhang mit der Befestigung der böhmischen Landesgrenzen durch Břetislav II. wurde die Burg Kamenz 1096 erstmals urkundlich erwähnt. 1137 gelangte Kamenz zu den Piasten; ab 1200 unterstand die Region dem schlesischen Geschlecht der Pogarell/Pogorzelowie, ab 1290 dem Herzogtum Schweidnitz-Jauer und ab 1322 dem Herzogtum Münsterberg.

Das schlesische Adelsgeschlecht Pogarell brachte den Orden der Augustiner-Chorherren vom Breslauer Sandstift nach Kamenz: Vinzenz von Pogarell stiftete 1210 die Propstei und wurde erster Propst. Das Kloster erhielt Grundbesitz von Vinzenz' Bruder Janusz aus Michelau/Michałów, Wälder in der Nähe von Banau/Dzbanów und Felder bei Peilau/Pilawa vom schlesischen Herzog Heinrich dem Bärtigen (1230). Nach dem Tod des Breslauer Abtes Ullrich kehrte Vinzenz 1243 nach Breslau zurück und wurde Abt des Klosters der hl. Jungfrau Maria auf dem Sand. Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten und dem Verfall geistlicher Werte wurden die Chorherren gegen ihren Willen aus Kamenz entfernt und 1247 durch Zisterzienser aus Leubus/Lubiąż ersetzt - eine Entscheidung des Bischofs Thomas I., die von Papst Innozenz IV. 1251 bestätigt wurde. Die Zisterzienser waren wirtschaftlich sehr erfolgreich und konnten den Klosterbesitz erweitern und ausbauen (u. a. Neubau der Kirche und des Klosterkomplexes im 14. Jahrhundert). Der Münsterberger Herzog Bolko II. übertrug dem Kloster 1333/34 die sog. oberen Herrschaftsrechte (u. a. Laienjurisdiktion). Im Jahre 1352 verkaufte sein Sohn Nikolaus der Kleine Kamenz an den böhmischen König Karl IV.; ab 1451 gehörte Kamenz wieder zum Herzogtum Münsterberg. Im Zuge der Hussitenkriege erlitt das Kloster zwischen 1425 und 1428 schwere Zerstörungen.

Neuzeit

Die Entwicklung des Klosters stagnierte infolge der Hussitenkriege, der Reformation im 16. Jahrhundert, des Dreißigjährigen Krieges und nicht zuletzt der Pestepidemie von 1633, die nur ein Drittel der Bevölkerung überlebte. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erlebte das Kloster unter den Äbten Augustin von Neudeck (1681–1702) und Gerhard Woywoda (1702–1732) einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung, der sich unter anderem im Um- bzw. Ausbau der Klostergebäude niederschlug. 1742 kam Kamenz infolge der Schlesischen Kriege Friedrichs II. zu Preußen. Nach der Säkularisation des Klosters 1810 gelangte das Klosterinventar (Archiv, Bibliothek, Kunstdenkmäler) zu großen Teilen nach Breslau; die Kirche selbst wurde eine katholische Pfarrkirche. Im Jahre 1812 wurde Kamenz von Friederike Louise Wilhelmine von Oranien, Frau von Wilhelm I. der Niederlande, erworben. 1835 entstand die erste Schule. 1872 wurde Kamenz selbständige Dorfgemeinde; es gab ein Standesamt, eine Apotheke und eine Arztpraxis. Der Bahnhof mit dem Namen Kamenz befand sich seit 1873 im benachbarten Gallenau/Goleniów.

1838–1873 wurde in Kamenz eine repräsentative Residenz für Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau und ihren Gatten Albrecht von Preußen errichtet. Das Schloss wurde 1945/46 von sowjetischen Soldaten eingenommen, geplündert und niedergebrannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung der deutschen Bevölkerung siedelten sich Bewohner der ehemaligen polnischen Ostgebiete und anderer Teile Polens in Kamenz an.

Religions- und Kirchengeschichte

1848 wurde eine evangelische Schule eingeweiht. 1882 bis 1885 erfolgte der Bau der evangelischen Kirche der hl. Dreifaltigkeit als Stiftung von Prinzessin Marianne nach einem Entwurf von Ferdinand Martius. Das ev. Dekanat Kamenz bestand 1869 aus insgesamt neun Pfarrgemeinden: Baitzen/Byczeń, Briesnitz/Brzeźnica, Kamenz/Kamieniec Ząbkowicki, Frankenberg/Przyłęk, Heinrichswalde/Laski, Hemmersdorf/Ożary, Maifritzdorf/Mąkolno, Reichenau/Topola und Wartha/Bardo.

Kunstgeschichte

Die in Kamenz seit 1210 anwesenden Augustiner-Chorherren bauten hier die erste romanische Kirche, deren Existenz 1216 und 1230 urkundlich bestätigt wird. Mit dem Bau des gotischen Klosters wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts begonnen. 1350 wurden die Kirche und das Klostergebäude fertiggestellt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Kirche barockisiert und im Jahre 1722 wieder geweiht. Die Altargemälde Mariä Himmelfahrt und Hl. Dreifaltigkeit stammen von Michael Willmann, die Gemälde des St.-Benedikt-Altars und des St.-Bernhard-Altars von Johann Christoph Lischka. 1702–1732 wurde die Maria-Magdalena-Friedhofskirche gebaut.

Nach einem Brand 1817 wurde die Klosterkirche wiederhergestellt; das Klostergebäude wurde zum großen Teil abgerissen. Im erhaltenen Prälatenflügel befindet sich seit 1992 eine Außenstelle des Staatlichen Archivs Breslau (Archiwum Państwowe w Kamieńcu Ząbkowickim).

1838 wurde mit dem Bau des neugotischen Schlosses nach dem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel begonnen, realisiert von Ferdinand Martius. Die 1945 ruinierte Anlage wird seit 1988 wiederaufgebaut. Peter Joseph Lenné schuf die Gartenanlagen 1858–1868.

Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

Im Jahre 1260 wurden Pilz/Plice, Johnsbach/Janowiec, Riegersdorf/Potworów, Grochwitz/Grochowiska, Baumgarten/Braszowice, Pawelwitz/Pawłowice, Rosewitz/Różana, Schönheide/Przedborowa, Kleutsch/Kluczowa, Habendorf/Owiesno, Schrom/Śrem und Reichenau/Topola, 1300 Wolmsdorf/Sosnowa dem Kloster angeschlossen. Eine wirtschaftliche Hochphase hängt mit der Ansiedlung der Leubuser Zisterziensermönche zusammen. 1340 erhielt das Kloster das Recht des freien Handels auf dem Klosterplatz.

1681 wurden das Abtschloss, eine Brauerei, eine Bäckerei, eine Gaststätte und ein neues Vorwerk gebaut. Seit 1835 wurde Porzellan hergestellt. 1874 entstand die Bahnanbindung nach Frankenstein/Ząbkowice; nach dem Bau anderer Verbindungsstrecken wurde Kamenz zu einem wichtigen Bahnverkehrsknoten. 1886 existierten eine Dampfmühle, eine Brennerei, eine Holzfabrik, ein Gasthof, eine Molkerei, eine Post, eine Ziegelei und später auch eine Glasschleiferei.

Bevölkerung

Die Zahl der Einwohner betrug: 1784: 988; 1885: 935; 1929: 2.600; 1939: 2.510; 1970: 3.884; 2006: 4.200; 2011: 4.600.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Ernst Badstübner, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.), Sławomir Brzezicki, Christine Nielsen (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. München, Berlin 2005, S. 415-419.
  • Marek Gaworski: Kamieniec Ząbkowicki 1096–2006. Na szlaku cystersów [Kamenz 1096–2006. Auf der Zisterzienserroute]. Strzelce Opolskie 2006.
  • Stefan Gnaczy: Kamieniec Ząbkowicki zaprasza [Kamenz lädt ein]. Kamieniec Ząbkowicki 2011.
  • Klosterdämmerung - vom Umbruch zum Aufbruch. 200 Jahre Säkularisation in Schlesien am Beispiel der Zisterzienserklöster. Ausstellungskatalog/Zmierzchklasztorów - odprzełomu do czasów najnowszych. 200 lat sekularyzacji na Śląsku na przykładzie klasztorów cystersów. Katalog wystawy. Königswinter-Heisterbacherrott 2011, S. 82-93.
  • Joachim Menzel: Kamenz. In: Hugo Weczerka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Schlesien. Stuttgart 1977 (Kröners Taschenausgabe 316), S. 213-215.
  • 900 Jahre Kamenz: Spuren deutscher und polnischer Geschichte - 900 lat Kamieńca Ząbkowickiego: ślady niemieckiej i polskiej historii. Görlitz 1996.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Vgl. Gnaczy: Kamieniec Ząbkowicki (2011).

Zitation

Anna Adamczyk: Kamenz/Kamieniec Ząbkowicki. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32222 (Stand 30.07.2021).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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