Fürstenstein/Książ

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Schloss Fürstenstein, seltener: Burg Fürstenstein

Andere Bezeichnungen

Fürstenberg, Fürstenburg, Vorstinburg, Vorstenberech, Wistenberch

Amtliche Bezeichnung

Zamek Książ

Etymologie

Nachweisbar seit dem 13. Jahrhundert wird die Burg in den Quellen als Vorstinburg (dieser Name kann sich auch auf die Alte Burg auf dem benachbarten Hügel beziehen), später als Fürstinsteyn (1367) bezeichnet, was einerseits auf ihren fürstlichen Besitzer, andererseits auf die Lage des Anwesens auf einem Felsen bzw. einer Anhöhe Bezug nimmt.[1] 

2. Geographie

Lage

50°50'31,90″ nördlicher Breite, 16°17'29,64″ östlicher Länge

Der Schlosskomplex Fürstenstein liegt inmitten des Waldenburger Berglandes auf dem Fürstenberg (auf dem Gebiet des Landschaftsschutzparks Fürstenberg), nördlich der Stadt Waldenburg/Wałbrzych, im Süden, Westen und Nordwesten umgeben von der Schlucht des Flusses Polsnitz (Pełcznica), ca. 70 km südwestlich von Breslau/Wrocław.

Region

Niederschlesien

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Stadtteil von Wałbrzych, einer kreisfreien Stadt in der Woiwodschaft Niederschlesien (1973 eingemeindet, vorher Bestandteil der Gemeinde Liebichau/Lubiechów).

3. Geschichte und Kultur

Mittelalter Die erste Burg in dieser Gegend soll bereits im 10. Jahrhundert errichtet worden sein;[2] an der Stelle eines hölzernen Vorgängers ließ Herzog Bolko I. von Jauer und Schweidnitz (um 1253–1301) in den Jahren 1288–1292 eine gemauerte Anlage bauen, vermutlich da die bisherige Residenz in Freiburg/Świebodzice den Anforderungen einer Schutzburg nicht mehr genügte. Nachdem Herzog Bolko II. (1308–1368) kinderlos verstorben war, kam Fürstenstein mit dem gesamten Herzogtum Schweidnitz-Jauer unter die Herrschaft der böhmischen Krone; die Burg wurde anschließend von königlichen Landeshauptmännern verwaltet: ab 1386 von Benesch von Chustnik (gest. 1410), ab 1401 von Jan von Chotěmice (gest. nach 1442) und ab 1430 von Hermann von Czettritz (gest. 1454). Während der Hussitenkriege in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde Fürstenstein abwechselnd von verschiedenen Parteien eingenommen und teilweise zerstört. 1464 erwarb Fürstenstein der böhmische König Georg von Podiebrad (1420–1471), der die Burg seinen Verwaltern, Birka von Nassidel, später Hans von Schellendorf überließ. Insbesondere letzterer erlangte in der Gegend traurige Berühmtheit als Raubritter. Die Burg wurde daraufhin 1482 von den Truppen des ungarischen Königs Matthias Corvinus (1443–1490) besetzt, der in Fürstenstein seinen Heerführer Georg von Stein (gest. 1497) als Landeshauptmann einsetzte.

Neuzeit

1497 verpfändete König Wladislaw/Władysław II. von Böhmen und Ungarn (1456–1516) die Herrschaft über Fürstenstein zusammen mit den Burgen Freudenburg und Hornschloss an den böhmischen Kanzler Johann von Schellenberg, 1503 kam sie in den Besitz der Familie von Haugwitz und wurde schließlich 1509 durch Konrad von Hoberg erworben. Im Besitz der aus der Gegend von Meißen stammenden Familie, die sich nach 1628 Hohberg und ab 1740 Hochberg schrieb und 1683 in den Stand der Reichsgrafen erhoben wurde, blieb Fürstenstein bis zum 16. Dezember 1943 zuerst als Pfandbesitz, ab 1605 als erblicher Besitz. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde das Anwesen teilweise zerstört. 1738 erwarb Conrad Ernst Maximilian von Hochberg (1682–1742) die benachbarte Stadt Waldenburg und Ober Waldenburg/Podgórze mit dem gleichnamigen Schloss. 1772 wurde die Herrschaft Fürstenstein Fideikommiss, 1840 zur freien Standesherrschaft des Fürstentums Schlesien. 1847 erbte Graf Hans Heinrich X. (1806–1855) von seinen Verwandten mütterlicherseits das oberschlesische Fürstentum Pleß; die umfangreichen Besitztümer, die im Zuge der Industrialisierung – insbesondere durch den Betrieb mehrerer Steinkohlebauwerke – erheblich vergrößert werden konnten, machten die Familie zu einer der reichsten im Deutschen Kaiserreich.

20. Jahrhundert

1944 wurde das Schloss durch die NS-Regierung beschlagnahmt und an die Organisation Todt übergeben, ein Teil der Räume wurde im Stil des ‚Dritten Reiches‘ unter der Leitung des Architekten Hermann Giesler (1898–1987) umgestaltet mit dem Ziel, dort einen „Führersitz“ unter dem Namen „Gästehaus Waldwiese“ einzurichten. Anschließend wurde es zu einem Stützpunkt im Projekt „Riese“ – einem komplexen Bunker- und Stollensystem im Eulengebirge – umgebaut. Der Bau der großteils unterirdischen Anlagen erfolgte durch Häftlinge des KZ Groß-Rosen, die in dem speziell zu diesem Zweck eingerichteten Außenlager (AL) Fürstenstein in der Nähe des Schlosses untergebracht waren. Am 8. Mai 1945 wurde Fürstenstein von sowjetischen Truppen besetzt, die bis zum 30. Juni 1946 im Schloss stationiert waren. Die Reste der Inneneinrichtung, die nach Ausverkauf, Verlagerung nach Waldenburg (Heimatmuseum für das Waldenburger Bergland und Schloss Waldenburg - Sitz von Waldenburger Bergwerks-AG, WABAG) sowie nach Breslau (Schlossmuseum sowie Staats- und Universitätsbibliothek) bzw. Evakuierung nach Rohnstock/Roztoka und Breslau übriggeblieben waren, wurden entwendet, zerstört oder geplündert. Die Bestände der berühmten Bibliothek wurden in die Sowjetunion ausgeführt. Nach dem Abzug der Roten Armee befand sich das weitgehend verfallene Anwesen in der Obhut des polnischen Zentralverbandes für Kohleindustrie (Centralne Zjednoczenie Przemysłu Węglowego, 1946–1947) und des kommunistischen Jugendverbandes „Związek Walki Młodych“ [Kampfverband der Jugend] (ab 1947). Ab 1971 – nach umfassenden Renovierungsmaßnahmen – wurde es vom Kreiszentrum für Sport, Touristik und Erholung in Wałbrzych übernommen, im Schloss wurde ein Komplex aus Hotel und Ausstellungsflächen eingerichtet. 1986–1990 befand sich dort der Sitz des woiwodschaftlichen Kultur- und Kunstzentrums „Zamek Książ’’, seit 1990 gehört es als eigenständige GmbH der Stadt Wałbrzych. 2015 wurde es im Rahmen des von der Beitragsautorin geleiteten Projekts „Metamorphosen der Burg Fürstenstein“ durch das Nationalmuseum Breslau mit passenden Kunstwerken ausgestattet, darunter Bilder, die ursprünglich aus dem Schloss stammten.

Architektur

Das Schloss wurde im Lauf seiner über siebenhundertjährigen Geschichte mehrmals umgebaut und erlebte eine funktionale und gestalterische Umwandlung von einer befestigten Burg zu einer prunkvollen repräsentativen Residenz. Die mittelalterliche Anlage, deren Form heute noch im unregelmäßigen Grundriss des Schlosskomplexes ablesbar ist, bestand aus der im Südwesten auf einem Felsen gelegenen Hauptburg mit hohem Bergfried auf quadratischem Grundriss und der von Nordwest angrenzenden, durch einen tiefen Wassergraben getrennten, von Wällen, Gräben und Basteien umschlossenen Vorburg (der „niederen Burg“), die im Nordosten durch den von zwei Türmen flankierte Niederhof zugänglich war. Nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges erfolgte der grundlegende Umbau zu einer barocken Residenz; die beschädigten Befestigungen wurden 1646–1648 geschleift, im Südosten und Südwesten wurden Terrassengärten angelegt. Unter Hans Heinrich II. von Hohberg (1639–1698) wurden in mehreren Bauphasen 1670–1672, 1678–1680 und 1684–1685 die Wohn- und Repräsentationstrakte um- und ausgebaut. Unter seinem Nachfolger Conrad Ernst Maximilian (1682–1742) wurde die Anlage 1705–1742 nach Plänen des Baumeisters Felix Anton Hammerschmied zu einem repräsentativen Ensemble umgestaltet. Zwischen dem Torgebäude und der neuen Fassade entstanden symmetrisch angelegte Nebengebäude. Die Brücke über den Graben und der Ehrenhof wurden mit Figuren von Johann Georg Schenck verziert, die vier Elemente und vier Temperamente personifizieren. Um den Bergfried herum entstanden zwei fünfgeschossige Seitenflügel, die den Hauptflügel mit prunkvollem Treppenhaus und dem Maximiliansaal (Skulpturen von Johann Georg Schenck, Stuckarbeiten von Paolo Ramelli, Marmorierung von Ignazio Provisore [gest. 1743]) flankierten. Diesen repräsentativen Hauptraum der Anlage schmückt das Deckenfresko von Felix Anton Scheffler (1701–1760) „Athene besucht die Musen auf dem Helikon“ von 1732 – die Krönung des gesamten ikonografischen Programms aus Motiven der Metamorphosen von Ovid, das Fürstenstein als Sitz der Wissenschaft und Kunst glorifizierte. In den folgenden Jahren wurden die Umbauarbeiten am Schloss und seiner Umgebung (Sommerpavillon nach Plänen von Hammerschmidt) fortgesetzt. Hans Heinrich VI. von Hochberg (1768–1833) ließ 1797–1800 einen romantischen Landschaftspark nach Entwürfen von Christian Wilhelm Tischbein (1751–1824) anlegen, mit sog. Wilder Promenade, einer malerischen Strecke über den Hellbach, die auf beiden Seiten des Flusses in der Polsnitz-Schlucht verlief. Auf den Resten einer mittelalterlichen Festung wurde eine künstliche neugotische Ruine, die sog. „Alte Burg“ (1794–1797), errichtet, anlässlich des Besuchs des Königspaars Friedrich Wilhelm III. Hohenzollern (1770–1840) und seiner Gattin Luise (1776–1810) wurde dort 1800 ein Ritterturnier veranstaltet. 1883 wurde unter Hans Heinrich XI, (1833–1907) der Sommerpavillon von Hammerschmidt in ein Familienmausoleum umgestaltet, 1897 wurde die Majoratsbibliothek in das Torgebäude verlegt.

Eine weiteres großes Umgestaltungs- und Erweiterungsprojekt wurde 1908–1927 unter Hans Heinrich XV. (1861–1938) begonnen, doch wegen des Bankrotts des Bauherrn nicht vollendet. Nach Plänen von Ludwig Scheinert und Humbert Walcher von Molthein (1865–1926) wurden im Norden und Westen zwei Neurenaissance-Flügel L-förmig um einen langgestreckten Innenhof ergänzt, der Bergfried wurde erhöht und mit neuem Helm versehen, die Innenräume wurden radikal umgestaltet, die Anlage wurde mit modernen Pferdestallungen und einem Palmenhaus ausgestattet. Die Terrassengärten, die Vorburg und die Landschaftsumgebung mit der Waldhütte „Ma Fantaisie“ (1943 abgerissen) der Fürstin Daisy (Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, genannt Daisy, 1873–1943) bekamen damals ihre endgültige Form.

Im Zuge der während der NS-Zeit durchgeführten Maßnahmen ging ein Teil der ursprünglichen Inneneinrichtung verloren.

Das monumentale, malerisch gelegene Schlossgebäude, das seit dem Mittelalter bewohnt ist, gilt in Verbindung mit der Landschaftsplanung als eines der wertvollsten Kulturdenkmäler Schlesiens mit zentraler touristischer Bedeutung.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Artur Boguszewicz: Corona Silesiae. Zamki Piastów fürstenberskich na południowym pograniczu księstwa jaworskiego, świdnickiego i ziębickiego do połowy XIV wieku [Die Krone Schlesiens. Die Schlösser der Fürstenberger Piasten im südlichen Grenzgebiet von Jauer, Schweidnitz und Münsterberg in Schlesien bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts]. Wrocław 2010.
  • Karl Johann Endemann: Das Kunst- und Naturalienkabinett zu Fürstenstein. In: „Schlesische Heimatblätter” 1910, Nr. 6, S. 145–146.
  • Michael Früchtel: Der Architekt Hermann Giesler. Leben und Werk (1898–1987), Institut für Baugeschichte, Kunstgeschichte und Restauration mit Architekturmuseum, München 2007, S. 275–278.
  • Ewa Grochowska-Sachs: Das ikonographische Programm des barocken Umbaues der Schloss- und Parkanlage Fürstenstein in Schlesien. In: Rainer Sachs (Hg.): Amator scientiae: Festschrift für Dr. Peter Ohr. Breslau 2004, S. 205–234.
  • Artur Hryniewicz: Wałbrzych-Książ/Fürstenstein. In: Ernst Badstübner, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. Bearb. v. Sławomir Brezicki u. Christine Nielsen. München u. a. 2005, S. 987–992.
  • Paul Kerber: Geschichte des Schlosses und der freien Standesherrschaft Fürstenstein in Schlesien. Nach zum größten Theile bisher unbenutzten Fürstensteiner Archivalien und anderen sicheren Geschichtsquellen bearbeitet. Breslau 1885.
  • Stanisław Klimek, Krzysztof Kułaga: Schloss Fürstenstein. Architektur und Geschichte. Wrocław 2001.
  • John W. Koch: Schloß Fürstenstein. Erinnerungen an einen schlesischen Adelssitz. Eine Bilddokumentation. Würzburg 1989.
  • Joachim Köhler: Fürstenstein. In: Hugo Weczerka (Hg.): Schlesien (Handbuch der Historischen Stätten) Stuttgart 1977, S. 112–114.
  • Beata Lejman: The Metamorphoses of Książ Castle. Wrocław 2015.
  • Beata Lejman (Hg.): Geschmack des Lebens auf Schloss Fürstenstein im Objektiv von Louis Hardouin, dem Küchenchef der Familie von Hochberg. Wrocław 2017.
  • Beata Lejman (Hg.), Książ. Pamiętajmy o ogrodach! [Fürstenstein. Denken wir an die Gärten! Zusammenfassung in deutscher Sprache]. Wrocław 2017.
  • Beata Lejman (Hg.), Książ utracony. Książ ocalony [Fürstenstein verloren, wiederrettet; Zusammenfassung in deutscher Sprache]. Wrocław 2020.
  • Romuald M. Łuczyński, Janusz Moniatowicz: Schloß Fürstenstein. Jelenia Góra 2006.
  • Jerzy Polak: Kunstkabinett w Książu [Das Kunstkabinett in Fürstenstein]. In: Materiały Muzeum wnętrz zabytkowych w Pszczynie VI [Materialien des Museums der historischen Innenräume in Pszczyna VI]. Pszczyna 1990, S. 55–61.
  • Carl Weigelt: Die Grafen von Hochberg vom Fürstenstein. Ein Beitrag zur vaterländischen Kulturgeschichte. Breslau 1896. 
  • Ezechiel Zivier: Fürstenstein 1509–1909. Festschrift zur Feier des 400-jährigen Besitzes der freien Standherrschaft Fürstenstein durch die Reichsgrafen von Hochberg. Kattowitz 1909.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Vgl. Stanisława Sochacka (Hg.): Słownik etymologiczny nazw geograficznych Śląska [Etymologisches Wörterbuch der geografischen Namen Schlesiens]. Opole 1970–2011. Bd. 6, S. 70–71f.; Boguszewicz 2010.

[2] Spuren einer früheren Burganlage in der Nähe des heutigen Schlosses – im Bereich der sog. „Alten Burg“, einer 1797–1800 errichteten künstlichen Ruine, wurden während archäologischer Grabungen in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts gefunden. Vgl. Boguszewicz 2010.

Zitation

Beata Lejman: Fürstenstein/Książ. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2021. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32378 (Stand 30.07.2021).

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