Grünberg/Zielona Góra

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Grünberg in Schlesien

Amtliche Bezeichnung

poln. Zielona Góra

Anderssprachige Bezeichnungen

tschech. Zelená Hora

2. Geographie

Lage

51° 56′ nördlicher Breite, 15° 30′ östlicher Breite, ca. 120 km westlich von Posen/Poznań, 160 km nordwestlich von Breslau/Wrocław und 86 km südöstlich von Frankfurt/Oder entfernt; historisch und kulturell liegt Grünberg in Niederschlesien, genauer an seiner nördlichen Grenze; administrativ gehört die Stadt heute zur Woiwodschaft Lebuser Land (poln. Województwo lubuskie) und ist seit 1999 Sitz des regionalen Parlaments (Woiwodschaftstag, poln. sejmik wojewódzki).

Topographie

Das Stadtgebiet befindet sich auf sieben Hügeln im Norden der flachen Hügellandschaft „Grünberger Höhen“ (poln. Wał Zielonogórski), am Rand des Odertals. Kaum 15 km nordöstlich der Stadt schmiegt sich die Oder an die Ausläufer der Endmoränenzüge an und ändert dadurch ihren Lauf von einer nördlichen in nordwestliche Richtung. Der Süden der Grünberger Höhen, die sich als Höhenzug zwischen Oder und Bober erstrecken, ist größtenteils von Waldflächen geprägt.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Grünberger Wappen befindet sich auf einem Schild spanischer Art und ist eines der Stadtsymbole. Auf grünem Hintergrund ist ein Abschnitt einer weißen Stadtmauer mit Zinnen zu sehen. In der Mitte befindet sich ein geöffnetes Stadttor mit hochgezogenem Gitter; darüber stehen drei Türme. Die Türme rechts und links außen haben fünf Fensteröffnungen, drei unten und zwei oben; zwischen den Fensterreihen befindet sich ein trapezförmiges graues Dach. Den Abschluss der Außentürme bilden jeweils drei Zinnen mit Spitzdach. Der kleinere Turm in der Mitte wird von drei Zinnen gekrönt. Darüber befindet sich ein Wappenschild mit gelbem Hintergrund, auf dem ein schwarzer Adler mit einer halbmondförmigen silbernen Schärpe dargestellt ist. Auf dem Schild ruht ein Helm mit Zierrat. Der schwarze Adler auf gelbem Hintergrund symbolisiert die historische Zugehörigkeit Grünbergs zu Schlesien. Vor dem Zweiten Weltkrieg war das Grünberger Wappen ähnlich. Es unterschied sich jedoch in folgenden Details: Es gab keinen Mittelturm. Die Turmdächer waren rot. Es gab drei statt fünf Fensteröffnungen (zwei unten, eine oben). In der Mitte über der Stadtmauer befand sich ein frontal dargestellter silberner Helm, über dem ein goldener Halbmond, mit der konkaven Seite nach unten, schwebte. Das geöffnete Stadttor war nicht schwarz, sondern golden und war von zwei Toren umschlossen.

Die Stadt Grünberg besitzt auch eine eigene Flagge, die als zweites Stadtsymbol gilt. Die Flagge ist rechteckig im Verhältnis 5:8 und ist in drei Streifen unterteilt. Der erste, senkrechte Streifen ist gelb, der obere waagerechte ist weiß und der untere waagerechte grün. Die Farben Gelb, Weiß und Grün nehmen Bezug auf das Stadtwappen.

Vor- und Frühgeschichte

Erste archäologische Spuren aus der Gegend um Grünberg lassen sich auf 4500 v. Chr. datieren und stammen von Jägern aus der älteren bis mittleren Steinzeit, die entlang der Oder jagten. Früheste Besiedlungsspuren wurden auf die Jungsteinzeit datiert (4500–1700 v. Chr.). Die Siedler kamen aus der Gegend der mittleren Donau und waren in der Lage, das Land zu bestellen. Im Zeitraum 900–700 v. Chr. entstanden in der Region erste Wallburgen. Die Siedlungen in dem Raum wurden durch Skythen-Einfälle im 6. Jahrhundert v. Chr. zerstört. Funde aus der Römerzeit (ca. 4. Jahrhundert v. Chr.) bezeugen die damalige Existenz von Handelswegen in der Region um Grünberg.

Mittelalter

Die Ursprünge der Stadt gehen auf das Mittelalter zurück. Die bisher ältesten archäologischen Siedlungsbelege wie Reste von Gebrauchsgegenständen aus Ton werden auf das 14. bzw. 15. Jahrhundert datiert. Sicher ist aber, dass die ersten Siedler bereits zur Zeit der Herrschaft von Heinrich I., „dem Bärtigen“, (ca. 1165–1238; ab 1201 Herzog von Schlesien, ab 1232 Princeps von Polen) vor allem aus Deutschland und Flandern in diese Gegend kamen, die zum Herzogtum Glogau gehörte. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Stadt als „Grunenberg“ in einem Dokument des schlesischen Piasten Heinrich III. von Glogau (1251/60–1309). Zu der Zeit besaß sie bereits erste städtische Privilegien. Die vollen Stadtrechte erhielt Grünberg jedoch erst im Jahre 1323. Zwei Jahre zuvor wurde mit dem Bau des Rathauses begonnen. Nach den Verträgen von Trentschin (1335) und Namslau (1348) fiel Schlesien und damit auch die Stadt Grünberg in den Herrschaftsbereich der böhmischen Krone. Im Jahre 1349 erreichte die Pest die Stadt. Der Pandemie fielen drei Viertel der Stadtbewohner zum Opfer. Im Laufe des 15. Jahrhunderts erholte sich die Einwohnerzahl und erreichte um 1480/90 etwa 2.000. Im 15. Jahrhundert wurde auch mit dem Bau einer Stadtmauer begonnen.

Neuzeit

Nach dem Tod des böhmischen Königs Ludwig II. in der Schlacht bei Mohatsch/Mohács (1526) ging die böhmische Krone an Ferdinand I. (1503–1564) über und Grünberg kam somit in den Herrschaftsbereich der österreichischen Habsburger. Das 16. und 17. Jahrhundert waren für Grünberg eine Zeit des Auf- und Abschwungs. Im Jahre 1528 zerstörte ein verheerender Brand fast die gesamte Stadt, neben den Wohnhäusern auch das Rathaus und Teile der Kirchen St. Hedwig und St. Johannes, deren Grundsteine im 13. Jahrhundert gelegt worden waren. Man begann sogleich mit dem Wiederaufbau des Rathauses und der Kirchen.

Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden in der Stadt ein Krankenhaus, der städtische Friedhof und die Dreifaltigkeitskirche errichtet. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) wurde die Stadt stark in Mitleidenschaft gezogen. Mehrmals zogen die sich bekämpfenden Truppenteile durch die Stadt, was nicht nur materielle Schäden verursachte, sondern auch Menschenleben forderte. Von Dezember 1621 bis März 1622 waren kaiserliche Truppen in der Stadt stationiert, welche marodierten und das Hab und Gut der Bewohner zerstörten. Im Jahre 1626 wurde die Stadt durch die kaiserlichen Soldaten in Brand gesetzt, sodass die Gebäude innerhalb der Stadtmauern fast vollständig zerstört wurden. Die Front ging in den Folgejahren noch mehrmals mit Plünderungen und Bratschatzungen über die Stadt hinweg. Zu einem weiteren verheerenden Brand in Grünberg kam es kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg (1651), bei dem die Kirche St. Johannes bis auf die Grundmauern niederbrannte.

Zu den dunklen Kapiteln der Grünberger Geschichte zählen die 1640 unter schwedischer Besatzung beginnenden und über zwei Jahrzehnte andauernden Hexenprozesse. Erst ein kaiserlicher Erlass von 1669 setzte den Hexenprozessen in Grünberg ein Ende.

1740 kam Grünberg als Teil Schlesiens zu Preußen. Zwischen 1746 und 1748 wurde die evangelische Kirche „Zum Garten Christi“ errichtet, die heute zur römisch-katholischen Pfarrei der Muttergottes von Tschenstochau gehört. In den Jahren 1768–1770 wurden weitere Pfarrgebäude und eine evangelische Schule erbaut.

19. Jahrhundert

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts und während der Napoleonischen Kriege war Grünberg neuerlich von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen. Anfang November 1806 kamen 3.000 napoleonische Soldaten mit ihren Verbündeten aus Bayern, Sachsen und Württemberg nach Grünberg, was eine große Belastung für die Stadt darstellte, zumal die Einwohner auch während des Russlandfeldzugs (1812) zum materiellen und finanziellen Tribut verpflichtet waren. Infolge der napoleonischen Besatzung wuchs die Verschuldung der Stadt auf 44.363 Taler. Die Stadt benötigte 40 Jahre, um die Schulden wieder auszugleichen, was in erster Linie durch Erhöhung von Verbrauchssteuern und den Verkauf von Stadteigentum gelang.

Zeitgeschichte

Ende des 19. Jahrhunderts erlebte Grünberg eine wirtschaftliche Blüte. Dadurch verdoppelte sich die Einwohnerzahl in den letzten 20 Jahren des 19. Jahrhunderts nahezu. Diese Entwicklung bremste der Erste Weltkrieg aus. Wie in ganz Deutschland kam es auch in Grünberg nach dem Ende des Krieges zu Unruhen und Protesten. Die Arbeiter versammelten sich in Produktionsstätten, die Veteranen auf den Straßen zu Protestkundgebungen. Gründe für die Proteste waren in erster Linie die Teuerung sowie die hohe Arbeitslosigkeit.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde der Bürgermeister Grünbergs, Ernst Busse, seines Amtes enthoben und verhaftet. Ab 1939 arbeiteten in Grünbergs Textilindustrie Zwangsarbeiter aus Polen und später aus anderen europäischen Ländern. Im Februar 1942 wurde in der Deutschen Wollenwaren Manufaktur AG ein Arbeitslager für jüdische Frauen aus Polen und Tschechien errichtet, im Juni 1944 wurden daraus Außenstellen des Konzentrationslagers Groß Rosen (Grünberg I und II).

Am 14. Februar 1945 zog die Rote Armee ohne Kampf in die Stadt ein. Von den 4.000 Grünbergern, die in der Stadt geblieben waren, begingen viele Selbstmord. Am 4. Juni wurde Jan Klementowski als Grünberger Regierungsvertreter eingesetzt und am 6. Juni übergaben die Sowjets die Stadtverwaltung an Polen und an Bürgermeister Tomasz Sobkowiak. Am 24. Juni begannen die sogenannte „wilde Vertreibung“ der deutschen Bevölkerung; weitere Zwangsaussiedlungen auf Grundlage der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz folgten ab Herbst 1945. Nach Grünberg zogen neue Bewohner, vor allem Ausgesiedelte aus Ostpolen, das der Sowjetunion einverleibt wurde, und Übersiedler aus anderen Regionen Polens sowie polnische Rückkehrer aus Frankreich, Rumänien und Jugoslawien.

Im Jahr 1950 wurde Grünberg zur Hauptstadt der Woiwodschaft Lebuser Land. Damit setzte ein Aufschwung der Stadt ein, die sich zum kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum der Region entwickelte.

Bevölkerung

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts zählte Grünberg etwa 800 Einwohner. Aufgrund einer Pest- und Pocken-Epidemie starben bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts fast alle Bewohner. Die Einwohnerzahl wuchs in den nächsten Jahrhunderten nur langsam und stieg bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nie über 5.000.

Jahr Einwohnerzahl
1302 800
1314 100
1488 2.000
1631 5.000
1679 2.100
1740 3.494
1760 4.510

Bevölkerungsentwicklung in Grünberg (14.–18. Jahrhundert)[1]

Dies änderte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1800 lebten 8.321 Menschen in der Stadt, doch bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung Grünbergs weiterhin nur langsam. Aufgrund von mehreren Epidemien, die die Stadt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts heimsuchten (1802 Pocken, 1812–1813 Typhus, 1823–1824 Scharlach, 1855 Cholera), und wegen schwacher Konjunktur musste die Stadt in der ersten Hälfte des Jahrhunderts sogar einen Bevölkerungsrückgang verzeichnen. Ein weiterer Grund hierfür war die Einführung von Zöllen auf Textilprodukte, was zum Beispiel zur Emigration von 170 Tuchmacherfamilien aus Grünberg in den Jahren 1822/1823 führte.

Die Situation änderte sich ab den 1870er Jahren. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges verdoppelte sich die Einwohnerzahl auf über 20.000, was auf eine gute Konjunktur, die Entwicklung moderner Industrieanlagen und die Entstehung neuer Arbeitsplätze zurückgeführt werden kann.

 Jahr Einwohnerzahl
1800 8.321
1825 8.852
1831 9.318
1836 9.247
1840 10.672
1852 10.864
1855 10.603
1861 10.557
1864 10.559
1871 11.735
1875 12.211
1885 14.395
1890 16.092
1895 18.528
1900 20.983
1905 21.630
1910 23.168

Bevölkerungsentwicklung in Grünberg (1810–1910)[2]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es im Jahre 1945 zur Zwangsaussiedlung der in Grünberg verbliebenen deutschen Bevölkerung. Im Dezember 1945 lebten 12.236 Polen und 2.671 Deutsche in der Stadt. Die Einwohnerzahl wuchs daraufhin rasant und überstieg 1947 mit 25.820 bereits den Vorkriegsstand. 1950 lebten 31.134 Menschen in der Stadt, die hauptsächlich aus Großpolen oder den durch die Sowjetunion annektierten Gebieten Ostpolens stammten. 2015 waren laut dem statistischen Amt der Stadt 138.711 Personen in Grünberg gemeldet.[3]

Juden in Grünberg

Bis ins 19. Jahrhundert war die Zahl der Juden in der Stadt so gering, dass sie keine eigene Glaubensgemeinde bilden konnten. Erst nach dem Erlass des preußischen Judenedikts (1812) kam es zur Ansiedlung neuer jüdischer Familien in der Stadt und zum langsamen, doch stetigen Anwachsen der jüdischen Bevölkerung. 1848 machten Juden ca. drei Prozent der Stadtbevölkerung aus. Ein Teil der jüdischen Gemeindemitglieder spielte auch ökonomisch eine wichtige Rolle in Grünberg. So war der Kaufmann S. S. Abraham der reichste Mann der Stadt. Dieser Teil der Gemeinde war wesentlich am Bau der Synagoge am Glasserplatz (heute: plac Powstańców Wielkopolskich [Platz der Großpolnischen Aufständischen]) beteiligt. Heute steht hier das Gebäude der Grünberger Philharmonie. Im Februar 1882 war mit dem Bau begonnen worden, obwohl zu dem Zeitpunkt die Zahl der Gemeindemitglieder sank. Die Synagoge wurde 1883 fertiggestellt und im April geweiht. Erster Rabbi wurde Leopold Samter. Die jüdische Gemeinde in Grünberg gehörte zur Strömung des progressiven Judentums. 1901 betrug die Anzahl der Gemeindemitglieder 153 Personen, 1930 waren es 45 und fünf Jahre später nur noch 30. Am Vormittag des 10. November 1938 wurde die Grünberger Synagoge in Brand gesetzt, die jüdischen Geschäfte und Werkstätten wurden geplündert, die Bürger jüdischen Glaubens auf dem Neumarkt zusammengetrieben und gefoltert.[4] Die Reste der Synagoge wurden auf Befehl der Stadtregierung abgetragen, das Gelände wurde an die Gemeinde verkauft. Ein Jahr später übernahm die Reichsvereinigung der Juden die Verwaltung des jüdischen Friedhofs. Im selben Jahr erfolgte die Auflösung der Grünberger Jüdischen Gemeinde. Die wenigen Juden, die in der Stadt verblieben waren, wurden durch unterschiedliche Schikanen dazu gebracht, ihr Hab und Gut zu verkaufen und die Stadt zu verlassen. Damit hörte die Gemeinde nicht nur formal, sondern auch faktisch auf zu existieren.

Wirtschaft

Das 19. Jahrhundert war für Grünberg eine Zeit des Wandels, der in erster Linie durch die Industrialisierung bedingt war. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellten Weinbau und Tuchherstellung die Hauptwirtschaftszweige dar. In den 1820er Jahren waren 841 Meister in der Textilbranche tätig. Ihre Zahl sank ab da jedoch kontinuierlich. Hauptgrund für den Niedergang der Branche waren Zölle, die Russland auf Textilimporte aus Deutschland eingeführt hatte, jedoch auch der hohe Wollpreis im Vergleich zu den Preisen der Textilerzeugnisse sowie die billige Konkurrenz aus England, die ihre Betriebe bereits auf maschinelle Produktion umgestellt hatte. Viele Grünberger Handwerker aus der Textilbranche wanderten deshalb in das Königreich Polen ab und ein Teil trug so zum Aufschwung der Textilindustrie in Lodz/Łódź bei. Der Industrialisierungsprozess nahm ab den 1870er Jahren an Fahrt auf, auch bedingt durch den Eisenbahnanschluss. Die Zahl der Fabrikanlagen zur Textilherstellung stieg. Im Jahre 1873 arbeiteten dort 1.790 Beschäftigte, 1888 waren es bereits 2.991. Grünberg behauptete in der Zeit seine Stellung als eines der wichtigsten Zentren der Textilherstellung in Deutschland.

Zur zweitwichtigsten Gewerbebranche in Grünberg wurde im 19. Jahrhundert die Metallherstellung. Sie besaß zwar keine Tradition in Grünberg, doch die gute Infrastruktur sowie der Zugang zu billigen Arbeitskräften begünstigten ihre Entwicklung. Zu den wichtigsten Werken gehörte hier die Fabrik Beuchelt & Co, die mit ihren Erzeugnissen u. a. am Bau der Eisenbahnlinie Damaskus-Bagdad sowie an der Flugzeughalle in Berlin-Tempelhof beteiligt war. Im Jahre 1896 begann die Fabrik zudem mit dem Eisenbahnbau.

Zu den traditionell wichtigsten Wirtschaftszweigen der Stadt gehörte der Weinbau. Um 1900 gab es in und um Grünberg zwischen 1.400 und 1.500 Hektar Weinbauflächen. Auch in diesem traditionellen Gewerbe nahm im 19. Jahrhundert die Industrialisierung Einzug. Hier sind v. a. die Werke Grempler & Co. zu erwähnen, die als erste in Deutschland mit der industriellen Herstellung des Schaumweins begannen und damit das französische Monopol brachen. Ihre Weinerzeugnisse erhielten Preise auf den Weltausstellungen in Paris (1855), London (1862) und Wien (1873).

Ein wichtiger Faktor war auch die Braunkohle. Entdeckt wurden die Braunkohlelager um Grünberg von Carl Adolph Pohlenz im Jahre 1838. Ähnlich wie die Steinkohle in Oberschlesien wurde die Braunkohle in Grünberg zum Betrieb von Dampfmaschinen in den Fabriken benutzt, aber auch als Heizmaterial in den Privathäusern. Die Braunkohle trug wesentlich zur Entwicklung der Industriebetriebe in Grünberg bei. Vor allem die letzten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts waren für die Stadt eine Zeit der dynamischen industriellen Entwicklung.

Der wirtschaftliche Aufschwung wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Ende 1918 waren in Grünberg 22.868 Personen gemeldet, davon waren 2.100 arbeitslos. Die Inflation hemmte den wirtschaftlichen Aufschwung zusätzlich. Um keine qualifizierten Arbeiter zu verlieren, führten einige Betriebe in Grünberg im Jahre 1924 Kurzarbeit ein. Davon betroffen waren v. a. die metallverarbeitenden Betriebe wie Beuchelt & Co., die nach dem Krieg ihre Absatzmärkte in den deutschen Kolonien und im östlichen Europa verloren. Die Finanzkrise des Jahres 1929 traf auch die Grünberger Textilindustrie. Im Jahre 1931 verloren 1.500 Arbeiter, ein Drittel der Arbeiter in der Branche, ihren Arbeitsplatz.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in der Stadt relativ schnell, noch mit Hilfe deutscher Fachleute, die kommunalen Einrichtungen wie Krankenhäuser wieder in Betrieb genommen. Im Dezember 1945 arbeiteten bereits über 300 Handwerksbetriebe, 150 Geschäfte und 26 Restaurants, Bierkeller und Cafés. Langsamer gestaltete sich der Wiederaufbau der Fabriken, da ein Teil der Maschinen als Reparationsleistung abgebaut und in die UdSSR verbracht wurde. Im Januar 1946 wurde eine Druckerei in Betrieb genommen, die unter anderem Schulbücher für größere Verlagshäuser in Posen und Warschau/Warszawa herstellte. Die ehemaligen Werke Grempler & Co. wurden zunächst von der sowjetischen an die polnische Regierung übergeben und änderten im Verlauf der nächsten Jahrzehnte mehrmals ihren Namen. In den 1970er Jahren wurden Weine aus Grünberg nach Australien und Ungarn sowie in die Vereinigten Staaten exportiert. Die Textilherstellung blieb auch in den Nachkriegsjahren unter kommunistischer Herrschaft weiterhin ein wichtiger Wirtschaftszweig der Stadt. Ein Beispiel hierfür ist die 1947 gegründete Fabrik „Polska Wełna“ (dt. „Polnische Wolle“).

Die wirtschaftlich-politische Transformation in den 1990er Jahren hatte zum einen den Niedergang vieler Betriebe zu Folge, zum anderen entwickelten sich neue Wirtschaftszweige wie die IT-Branche sowie die Produktion von Holzerzeugnissen. Die Nähe zu Deutschland ist dabei ein nicht zu unterschätzender Faktor. In Grünberg wird – nach Jahren des Stillstands – wieder Wein produziert, womit die Stadt zu den nördlichsten Weinanbaugebieten Europas gehört.

Religions- und Kirchengeschichte

Die Mehrheit der Grünberger war im 19. Jahrhundert deutsch und evangelisch. Es gab eine kleine jüdische Gemeinde und eine ebenso zahlenmäßig geringe polnische Minderheit, die 1905 gerade einmal 127 Personen umfasste.

          Protestanten    Katholiken    andere christliche
     Gemeinschaften
      Juden    Sonstige    insgesamt
1800 6.204 2.117 0 0 0 8.321
1838 8.021 1.200 0 198 0 9.419
1861 8.885 1.307 35 320 0 10.557
1900 17.950 2.747 132 153 1 20.983

Konfessionelle Zugehörigkeit (1800–1900) in Grünberg[5]

Kunstgeschichte und Architektur

Zu den Baudenkmälern Grünbergs zählen neben Fragmenten der mittelalterlichen Stadtmauer mit dem sog. Hungerturm aus dem 15. Jahrhundert zahlreiche Kirchengebäude sowie der Alte Marktplatz mit dem Rathaus.

Dreifaltigkeitskirche (poln. Kościół pw. św. Trójcy)

Auf dem Gelände des heutigen Plac Słowiański befand sich einst der Dreifaltigkeitsfriedhof, der im 16. Jahrhundert außerhalb der Stadtmauern angelegt wurde. 1591 begann man dort mit dem Bau einer Friedhofskirche. Die Dreifaltigkeitskirche war die älteste evangelische Kirche der Stadt. Sie wurde auch „polnische Kirche“ genannt, weil hier die polnischen Protestanten ihre Gottesdienste feierten. Während der Gegenreformation stand die Kirche unter der Verwaltung der katholischen Pfarrei, jedoch diente sie sowohl Katholiken als auch Protestanten als Friedhofskirche. 1809 wurde der Ausbau der Stadt und somit die Liquidierung des Friedhofs beschossen. Als Folge wurde auch die Dreifaltigkeitskirche abgebaut. Bei Erdarbeiten Anfang der 1990er Jahre traf man auf die Überreste des Friedhofs, darunter auf 30 Särge.

Katholische Stadtpfarrkirche St. Hedwig (poln. Konkatedra św. Jadwigi)

Die Stadtpfarrkirche St. Hedwig (bis zum 15. Jahrhundert St. Nikolaus) ist seit 1992 eine Konkathedrale. Die Kirche ist das älteste erhaltene Gebäude Grünbergs. Mit dem Bau wurde 1272 begonnen. Er wurde 1294 beendet. Nach einem Brand 1419 wurde die Kirche im gotischen Stil wiederaufgebaut. Nach der Reformation wurde sie 1544 protestantisch. Zu weiteren Bränden kam es 1582 und 1651. Nach letzterem wurde die Kirche stark umgebaut. Die gotischen Fenster wurden zugemauert und kleinere halbrunde Fenster ausgehoben. Im 18. Jahrhundert brach der Kirchturm zusammen und zerstörte Teile des Presbyteriums und des nördlichen Kirchenschiffs. Der wiederaufgebaute Kirchenturm wurde 1832 noch einmal erhöht. Seither blieb die Gestalt der Konkathedrale unverändert.

Rathaus

Den zentralen Platz am Alten Markt nimmt das Rathaus aus dem 15. Jahrhundert ein. Sein heutiges Aussehen ist das Ergebnis unterschiedlicher Umbauten, die nach mehreren Bränden im 16. und 17. Jahrhundert das Rathaus veränderten. Ursprünglich war es ein gotischer Bau. 1777 wurde der Ostflügel hinzugefügt, 1846 folgte der Nord- und später der Südflügel. Der Rathausturm hat eine Höhe von 54 Metern. Der letzte Umbau fand 1919 statt. Es wurden Veränderungen am Dach vorgenommen und der Nordflügel erhielt eine dritte Etage. Heute beherbergt das Rathaus das Polnisch-Deutsche Zentrum zur touristischen Werbung und Information (poln. Polsko-Niemieckie Centrum Promocji i Informacji Turystycznej).

Bildung und Kultur

Ab 1806 entwickelte sich ein Schulnetz, das von Sondereinrichtungen für Schüler mit Behinderung über Armenschulen bis hin zu Realschule und Gymnasium reichte. Das erste Stadttheater wurde 1931 eröffnet. 1965 wurde in Grünberg eine Technische Hochschule (später: Polytechnische Schule) sowie 1971 die Hochschule für Lehrerbildung (ab 1973 Pädagogische Hochschule) gegründet. Beide fusionierten 2001 zur Grünberger Universität (poln. Uniwersytet Zielonogórski). Die Grünberger Universität ist die größte staatliche Universität in der Woiwodschaft Lebus. 1974 wurde das Symphonische Orchester Grünberg (poln. Zielonogórska Orkiestra Symfoniczna) zum Grünberger Philharmonischn Orchester (poln. Filharmonia Zielonogórska).

1975 wurde eine öffentliche Bibliothek eröffnet. Die Stadt beherbergt zudem zahlreiche Museen wie das Regionalmuseum des Lebuser Landes (poln. Muzeum Ziemi Lubuskiej), ein ethnographisches Freilichtmuseum, ein Militärmuseum sowie ein Naturkundemuseum und eine Galerie.

Zu den kulturellen Hauptereignissen zählt die alljährliche Weinlese (poln. Winobranie) Anfang September mit zahlreichen Veranstaltungen in der Altstadt, die Besucher und Touristen anlocken.

Literatur

Zu bekannten deutschsprachigen Literaten, die in Grünberg geboren wurden, gehören der Poet und Journalist Otto Bierbaum (1865–1910), der Dramatiker und Erzähler Eberhard König (1871–1949) sowie der Heimatdichter Paul Petras (1860–1941). In der polnischsprachigen Literatur taucht Grünberg zunehmend auf, etwa im Thriller „Piętno“ (Das Brandmal) von Przemysław Piotrowski, im historischen Kriminalroman von Krzysztof Koziołek „Wzgórze Piastów“ (Piastenhügel) oder im historischen Roman „Winne miasto“ (Weinstadt bzw. Schuldige Stadt) von Zofia Mąkosa.

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

In Grünberg gibt es über 50 Denkmäler und Skulpturen. Viele Denkmäler der Vorkriegszeit, die mit der deutschen Staatlichkeit in Verbindung gebracht wurden, wurden liquidiert, wie etwa das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Plac Bohaterów (früher: Kaiser Wilhelm Platz). 1945 wurde an der Stelle ein Denkmal zu Ehren der gefallenen Soldaten der Roten Armee errichtet. Heute werden Stimmen laut, die die Liquidierung dieses kommunistischen Denkmals fordern. Unter den Grünbergern hingegen beliebt ist die Skulptur des kleinen Reitpferdes vor dem Palmenhaus, obwohl sie aus der Zeit des Dritten Reiches stammt und für eine Wehrmachtsabteilung erstellt wurde. Vielerorts trifft man in der Stadt auf Bacchus-Darstellungen (poln. bachusiki), die auf die Weinbautradition der Stadt hinweisen. Auf dem Platz vor der Kirche der Muttergottes von Tschenstochau (poln. Matki Boskiej Częstochowskiej) steht seit 2018 ein Denkmal des Heiligen Urban I., des Schutzpatrons der Weinberge, des Weins und der Winzer sowie der Stadt Grünberg.

4. Diskurse und Kontroversen

Von einigen polnischen Historikern[6] wird die Meinung vertreten, dass eine slawische Siedlung auf einem „grünen Berg“ (poln. zielona góra) die Vorläuferin der Stadt Grünberg gewesen sei. Die ersten deutschen Siedler hätten sich dort, wo heute die Altstadt ist, niedergelassen, den slawischen Namen übernommen, nur ins Deutsche als „Grünberg“ übersetzt. Andere Autoren führen die Gründung der Stadt allein auf deutsche Siedler zurück. Fakt ist jedoch, dass sich beide Meinungen bisher weder archäologisch noch urkundlich eindeutig beweisen lassen. Die Ursprünge der Besiedlung bleiben weiterhin im Dunkeln.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Joachim Bensykiewicz et al.: Początki i najstarsze dzieje Zielonej Góry. In: Studia Zielonogórskie [Die Anfänge und die älteste Geschichte Grünbergs]. 1995, Bd. 1, S. 19–34.
  • Zbigniew Bujkiewicz: Dzieje społeczno-gospodarcze Zielonej Góry w XIX i początkach XX wieku [Die sozial-wirtschaftliche Geschichte Grünbergs im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts]. In: Wojciech Strzyżewski (Hg.): Historia Zielonej Góry. Dzieje miasta w XIX i XX wieku [Geschichte Grünbergs. Die Stadtgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert], Band 2. Zielona Góra 2012, S. 93–166.
  • Zbigniew Bujkiewicz: Zielonogórska Gmina Żydowska 1813–1942 [Grünbergs jüdische Gemeinde 1813–1942]. Zielona Góra 2017.
  • Krzysztof Garbacz: Zielona Góra. Spacer z przeszłością [Zielona Góra. Ein Spaziergang mit Geschichte]. Zielona Góra 2017.
  • Igor Myszkiewicz: Signum Temporis. Zielonogórskie Pomniki i Rzeźby Plenerowe [Ein Zeichen der Zeit. Denkmäler und Außenskulpturen in Grünberg]. Zielona Góra 2015.
  • Hugo Schmidt: Geschichte der Stadt Grünberg. Grünberg 1922.
  • Otto Wolff: Geschichte der Stadt Grünberg in Niederschlesien von ihrer Entstehung bis zur Einführung der Reformation. Grünberg 1848.
  • Wojciech Strzyżewski (Hg.): Historia Zielonej Góry. Dzieje miasta w XIX i XX wieku [Geschichte Grünbergs. Die Stadtgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert], Band 2. Zielona Góra 2012.
  • Hieronim Szczegóła: Pierwsze lata polskiej Zielonej Góry 1945–1950 [Die ersten Jahre des polnischen Zielona Góra 1945–1950]. In: Wojciech Strzyżewski (Hg.): Historia Zielonej Góry. Dzieje miasta w XIX i XX wieku [Geschichte Grünbergs. Die Stadtgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert], Band 2. Zielona Góra 2012, S. 387–440.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Nach: Panoramadarstellung der Stadtgeschichte, in: Muzeum Ziemi Lubuskiej [Museum des Lebuser Landes], Zielona Góra, Oktober 2018.

[2] Nach: Zbigniew Bujkiewicz: Dzieje społeczno-gospodarcze Zielonej Góry w XIX i początkach XX wieku [Die sozial-wirtschaftliche Geschichte Grünbergs im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts], in:  Wojciech Strzyżewski: Historia Zielonej Góry. Dzieje miasta w XIX i XX wieku [Die Geschichte Grünbergs. Die Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert]. Zielona Góra 2012, S. 103.

[3] Nach: Zielona Góra. Miasto połączonych możliwości. Statystyczny portret w latach 2010–2015 [Grünberg. Eine Stadt der verbindenden Möglichkeiten. Ein statistisches Porträt der Jahre 2010–2015], online verfügbar unter zielonagora.stat.gov.pl/opracowania-biezace/opracowania-sygnalne/inne-opracowania/zielona-gora-miasto-polaczonych-mozliwosci-statystyczny-portret-w-latach-2010-2015,7,1.html (letzter Zugriff: 09.11.2020).

[4] Einige der jüdischen Bewohner emigrierten später in die USA, andere gingen in die Niederlande oder auch nach Berlin. Einer davon war z. B. Erich Bick. Er ging in die Niederlande. Nach der Besetzung der Niederlande wurde er nach Ausschwitz transportiert und starb dort im April 1942. Der letzte Vorsteher der Gemeinde, Adolf Selowsky (Berlin), starb in Treblinka.

[5] Nach Zbigniew Bujkiewicz: Dzieje społeczno-gospodarcze Zielonej Góry w XIX i początkach XX wieku [Die sozial-wirtschaftliche Geschichte Grünbergs im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts], in: Wojciech Strzyżewski: Historia Zielonej Góry. Dzieje miasta w XIX i XX wieku [Die Geschichte Grünbergs. Die Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert]. Zielona Góra 2012, S. 104.

[6] Diese Meinung vertreten z. B. E. Łychowska, J. Bensykiewicz oder J. P. Majchrzak. Diese Version erscheint auch in der Stadtchronik von O. Wolff aus dem Jahre 1848. H. Schmidt (1922) hält sie hingegen für eine Legende.

Zitation

Izabela Błaszczyk: Grünberg/Zielona Góra. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2021. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32523 (Stand 13.09.2021).

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