Republik Moldau
1. Toponymie
Deutsche Bezeichnungen
Republik Moldau oder Moldaurepublik, inoffiziell auch Moldawien oder Moldova
Amtliche Bezeichnung
rum. Republica Moldova
Etymologie
Die Region Moldau und daran anschließend die Republik Moldau sind nach dem Fluss Moldau (rum. Moldova) benannt, der durch die historische rumänische Provinz Moldau (im Nordosten Rumäniens gelegen) fließt, das heutige Staatsgebiet der Republik Moldau aber nicht mehr berührt. Die umgangssprachliche Bezeichnung „Moldawien“ geht auf die abgekürzte Übersetzung aus dem Russischen von „Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik“ (Moldavskaja Sovetskaja Socialističeskaja Respublika; MSSR) zurück.
2. Geographie
Lage
Topographie
Zum Landschaftsbild des zwischen den Flüssen Pruth (rum. Prut) im Westen und Dnister (auch Dnjestr; rum. Nistru) im Osten gelegenen Großteils des heutigen Staatsgebiets vgl. den Beitrag „Bessarabien“.
Unter „Transnistrien“ wird heute ein schmaler Gebietsstreifen entlang des östlichen Ufers des Dnister verstanden. Dagegen umfasste das rumänische Besatzungsgebiet „Transnistrien“ während des Zweiten Weltkrieges die ukrainische Ebene um Odessa/Odesa, die im Süden von der Schwarzmeerküste, im Osten vom südlichen Bug (ukr. Piwdenny Buh) und im Westen vom Dnister begrenzt wurde.
Historische Geographie
Das Staatsgebiet der heutigen Republik Moldau deckt sich weitgehend mit der östlichen Hälfte des historischen Fürstentums Moldau, die 1812 an das Kaiserreich Russland fiel und mit dem Namen „Bessarabien“ bezeichnet wurde. Nach dem Zerfall des Russischen Reiches wurde im Dezember 1917 die Demokratische Republik Moldau gegründet. Nachdem sie von der rumänischen Armee im Januar 1918 eingenommen worden war, erklärte ein Teil der Mitglieder des Landesrats (Sfatul Țării) am 27. März 1918 den Anschluss an das Königreich Rumänien. Die sowjetrussische Regierung erkannte die Abtrennung des ehemaligen russischen Gouvernements Bessarabien nicht an und errichtete 1924 aus propagandistischen Gründen die kleine Autonome Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik innerhalb der Ukrainischen SSR, die sich aus Gebieten östlich des Dnister zusammensetzte. Am 2. August 1940 wurde Bessarabien nach der Besetzung durch die sowjetische Rote Armee mit der Autonomen Moldauischen SSR zur eigenständigen Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik (MSSR) zusammengeschlossen, die bis Juni 1941 bestand. Zwei große Distrikte im Süden Bessarabiens wurden der Ukrainischen SSR zugeschlagen. Im Herbst 1940 wurde die deutsche Minderheit auf das Gebiet des Deutschen Reiches umgesiedelt.
Als dessen Bündnispartner konnte Rumänien im Sommer 1941 das Gebiet von der Sowjetunion zurückerobern. Im April 1944 stießen sowjetische Truppen bis nach Kischinau/Chişinău vor. Nach der vollständigen Einnahme Bessarabiens durch die Rote Armee im August 1944 wurde dort erneut die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (MSSR) errichtet. Die Grenzziehung wurde bei der Pariser Friedenskonferenz 1947 bestätigt. Die Republik wird seit der Erhebung des Rumänischen – laut Verfassung (1994) „Moldauischen“ – zur Amtssprache als „Republik Moldau“ (Republica Moldova) bezeichnet. Nach dem gescheiterten Putsch in Moskau/Moskva proklamierten am 27. August 1991 die moldauischen Parlamentsabgeordneten die Unabhängigkeit der Republik Moldau. Dagegen wandte sich eine Bewegung der slawischen Minderheit, die einen kleinen Gebietsstreifen, hauptsächlich östlich des Flusses Dnister, zur „Transnistrischen Moldauischen Sozialistischen Republik“ (Pridnestrovskaja Moldavskaja Respublika) erklärte. Diese Republik mit der Hauptstadt Tiraspol wurde jedoch als eigenständiges Staatswesen international nicht anerkannt.
Verweise auf im Lexikon behandelte Regionen
3. Geschichte und Kultur
Gebräuchliche Symbolik
Die 1990 noch zu Zeiten der Sowjetrepublik eingeführte Staatsflagge war anfangs stark umstritten, weil die Moldauische Volksfront die blau-gelb-rote Trikolore wählte, die mit der rumänischen Flagge identisch ist. Die Fahnen unterscheiden sich nur geringfügig durch das Wappen: Das Staatswappen der Republik Moldau zeigt einen braunen Adler mit einem Kreuz im Schnabel sowie einen Stierkopf – das Wappentier des ehemaligen Fürstentums Moldau – auf rot-blauem Grund. Im Wappen Rumäniens ist der Adler gelb eingefärbt, der moldauische Stierkopf symbolisiert nur eine von insgesamt fünf abgebildeten historischen Provinzen Rumäniens.
Geschichte der Republik Moldau ab 1944
Die Geschichte der Republik Moldau ist eng mit der Region Bessarabien verknüpft, die seit der zweiten Gründung der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik (MSSR) 1944 bis heute größtenteils zum Staatsgebiet der Moldauischen Republik zählt. (Zur Geschichte der Moldauischen Republiken bis 1944 vgl. den Beitrag „Bessarabien“).
Unmittelbar nach der Einnahme des Gebietes durch die Rote Armee deportierte der NKVD viele Amtspersonen, die der Kollaboration mit den rumänischen Behörden bezichtigt wurden. Die Posten in der Verwaltung übernahmen zumeist Russen und Ukrainer aus anderen Teilen der Sowjetunion. Nach 1945 wurden viele erfolgreiche Bauern verbannt, denen Widerstand gegen das neue Abgabensystem angelastet wurde. Dieses System sowie eine außergewöhnliche Dürre führten 1946/47 zu einer Hungersnot, der nach Schätzungen bis zu 200.000 Menschen in der MSSR zum Opfer fielen. Am 5./6. Juli 1949 wurden wohlhabende Bauern, Händler und Angehörige verbotener Sekten mitsamt ihren Familien nach Kasachstan und Sibirien deportiert. Durch die Repression machte die Kollektivierung der Landwirtschaft schnelle Fortschritte: 1950 wurde verkündet, dass 97 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in „Gemeineigentum“ überführt worden waren.[1] Zwischen 1950 und 1952 führte Leonid Brežnev (1906–1982) die Kommunistische Partei der MSSR; er und die meisten seiner Nachfolger sprachen nicht Moldauisch/Rumänisch. Ivan Bodiul (1918–2013), der Generalsekretär der Partei zwischen 1961 und 1980, profilierte sich durch besonders scharfes Vorgehen gegen traditionelle Strukturen. So wurden in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts viele Kirchen und Klöster enteignet.
In den 1960er Jahren erholte sich der Agrarsektor und aus der Republik wurden landwirtschaftliche Produkte – besonders Wein, Kognak und Tabak – in die gesamte Sowjetunion ausgeführt. Gleichzeitig begann eine forcierte Industrialisierung, vor allem bei der Verarbeitung von Lebensmitteln. Aufgrund des steigenden Arbeitskräftebedarfs kamen viele Slawen in die Republik. Der Anteil der Moldauer an der Gesamtbevölkerung sank von 65,4 Prozent im Jahr 1959 auf 63,9 Prozent im Jahr 1979. Durch den Kinderreichtum der Moldauer erreichten sie 1994 einen Anteil von 64,5 Prozent.[2]
Der soziale Aufstieg und die Besetzung von Führungspositionen waren für Slawen einfacher, da die offizielle Kommunikation ausschließlich in Russisch stattfand. Immer mehr Moldauer besuchten weiterführende Schulen, in denen in russischer Sprache unterrichtet wurde. Die urbanisierten Moldauer waren zumeist zweisprachig, auf dem Land dominierte weiterhin Moldauisch. Bei Volkszählungen wurde dies nicht als Rumänisch bezeichnet und einige Sprachwissenschaftler behaupteten sogar, dass es eine eigenständige ostromanische Sprache mit starken slawischen Einflüssen sei. Bis 1989 wurde Moldauisch in kyrillischer Schrift geschrieben, wodurch der Zugang zu Publikationen aus Rumänien erschwert war. Mit Rumänien gab es nur einen begrenzten Kulturaustausch und Reiseverkehr.
Im Zuge der national orientierten Außenpolitik Rumäniens begannen seit 1964 Bukarester Historiker den rumänischen Charakter Bessarabiens zu betonen. Dagegen unterstrichen Historiker der MSSR, dass dieses Gebiet durch die Einfügung in das Russische Reich seit 1812 eine andere Entwicklung als Rumänien vollzog. Nicolae Ceauşescu (1918–1989), der Staats- und Parteiführer Rumäniens, besuchte 1976 die MSSR und akzeptierte die Nachkriegsgrenzen. Doch als er sich 1989 explizit gegen das Reformprogramm von Michail Gorbačev wandte, erhob er Gebietsansprüche. In der MSSR boykottierte Semion Grossu, der seit Dezember 1981 die Kommunistische Partei führte, ebenfalls die Reformen von Gorbačev.
Im Juni 1988 entstand die Demokratische Bewegung, die anfangs vor allem Glasnost durchsetzen wollte. Durch die Lockerung der Zensur wurde nun thematisiert, dass die Bildung der MSSR eine Folge des Molotov-Ribbentrop-Paktes von 1939 war. Einige national orientierte Gruppen forderten danach die Anerkennung des Moldauischen als Amtssprache, sie konnten breite Bevölkerungsteile mobilisieren. Per Akklamation beschloss eine „Große Nationalversammlung“ die Einführung der neuen Amtssprache. Mit Unterstützung der Moldauischen Volksfront wurde im Juli 1989 Mircea Snegur Präsident des Obersten Sowjet der MSSR. Eine Mehrheit im Sowjet verabschiedete am 31. August 1989 das neue Sprachgesetz, obwohl Abgeordnete der russischen Bewegung Edinstvo (Einheit) und des kleinen Turkvolkes der Gagausen dagegen protestierten. Wegen tätlicher Angriffe verließen viele Vertreter der slawischen Bevölkerung im Mai 1990 den Obersten Sowjet.
Nach dem gescheiterten Putsch in Moskau proklamierte die Mehrheit im Obersten Sowjet am 28. August 1991 die unabhängige Republik Moldau. Sie folgte damit dem Vorbild der Volksfronten im Baltikum, die das ebenfalls in jenen Tagen taten. Snegur wurde im September 1991 Präsident der Republik Moldau. Nach der Einführung des Moldauischen beziehungsweise Rumänischen als Amtssprache wurden viele Russophone aus staatlichen Institutionen hinausgedrängt.
Mit Unterstützung der 14. sowjetischen Armee, die später 14. russische Armee hieß, bauten radikale Slawen und Gagausen militärische Einheiten auf. Diese wandten sich vor allem gegen Bestrebungen einiger Anführer der Volksfront, die Republik an Rumänien anzuschließen. Zwischen März und Juli 1992 kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit vielen Todesopfern. Der russische Präsident Boris El’cin (Jelzin; 1931–2007) und der moldauische Präsident Snegur vereinbarten einen speziellen Status für Transnistrien, abgesichert durch eine gemeinsame Kontrollkommission. Die OSZE errichtete in Kischinau eine Mission zur Konflikteindämmung, die versuchte, die Kontakte zwischen den zerstrittenen Parteien aufrechtzuerhalten. Die Spannungen konnten im Fall der Gagausen entschärft werden, indem ihnen 1994 vertraglich weitgehende Rechte zur autonomen Verwaltung zugestanden wurden. In ihrem Siedlungsgebiet im Süden der Republik Moldau um die Stadt Comrat/Komrat wurde Gagausisch neben Rumänisch Amtssprache. Gegenüber den Vertretern der slawischen Minderheiten aus dem Gebiet der Moldauischen Republik Transnistrien besteht bis heute ein Spannungszustand.
2004 wurden separate Volkszählungen von der Regierung der Republik Moldau und in Transnistrien durchgeführt, die deutliche Unterschiede zeigen. In der Republik Moldau wurde folgende Struktur ermittelt: Moldauer (und Rumänen) 77,9 Prozent, Ukrainer 8,34 Prozent, Russen 5,94 Prozent, Gagausen 4,36 Prozent, Bulgaren 1,94 Prozent und alle anderen unter 2 Prozent; in der Enklave der Separatisten Transnistriens: Moldauer 32 Prozent, Ukrainer 28,8 Prozent, Russen 30,37 Prozent, Gagausen 0,7 Prozent, Bulgaren 2,5 Prozent und kleinere Gruppen.[3]
Aufgrund der interethnischen Konflikte kam die Neugestaltung der Wirtschaft in der Republik Moldau nur langsam voran. Zwei Drittel des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens wurde seit den 1990er Jahren schrittweise privatisiert. Doch mit Parzellen von im Durchschnitt unter drei Hektar kann der Markt nicht ausreichend versorgt werden. Die wichtigsten Industriebetriebe befinden sich in Transnistrien, und die Republik Moldau ist auf Energielieferungen aus Russland angewiesen. Ein Viertel der 4,3 Millionen Moldauer arbeitet im Ausland, viele davon in Russland. Deren Überweisungen sind neben finanziellen Hilfsprojekten der Europäischen Union die wichtigsten Einnahmen des Staates. Ein besonderes Merkmal der Republik ist, dass die 1993 neu gegründete Kommunistische Partei sehr viele Unterstützer hat, daher stellte sie zwischen 2001 und 2009 die Regierung. Diese Partei setzt sich für intensive wirtschaftliche Beziehungen mit Russland ein. Sie kritisiert, dass die moldauische Regierung im Juni 2014 ein Abkommen zur Assoziierung mit der Europäischen Union schloss, ohne die Bevölkerung durch ein Referendum zu befragen.
4. Bibliographische Hinweise
Literatur
- Anuarul Statistic al Republicii Moldova [Statistisches Jahrbuch der Republik Moldau]. Chişinău 1994.
- Iulian Fruntaşu: O istorie etnopolitică a Basarabiei 1812–2002 [Eine ethnopolitische Geschichte Bessarabiens 1812–2002]. Chişinău 2002.
- Stefan Ihrig: Wer sind die Moldawier? Rumänismus versus Moldawanismus in Historiographie und Schulbüchern der Republik Moldova 1991–2006. Stuttgart 2008 (Soviet and post-Soviet politics and society 76).
- Anton Moraru: Istoria românilor. Basarabia şi Transnistria 1812–1993 [Geschichte der Rumänen. Bessarabien und Transnistrien 1812–1993]. Chişinău 1995.
- Claus Neukirch: Die Republik Moldau. Nations- und Staatsbildung in Osteuropa. Münster 1996 (Osteuropa 9).
- Elena Şişcanu: Basarabia sub regimul bolşevic 1940–1952 [Bessarabien unter dem bolschewistischen Regime 1940–1952]. Bucureşti 1998.
- Dareg A. Zabarah: Nation- and Statehood in Moldova. Ideological and political dynamics since the 1980s. Wiesbaden 2011.
Handbücher und Periodika
- Klaus Bochmann, Vasile Dumbrava, Dietmar Müller, Victoria Reinhardt (Hg.): Die Republik Moldau. Republica Moldova. Ein Handbuch. Leipzig 2012.
- Flavius Solomon: Identitate etnică şi minorităţi în Republica Moldova. O bibliografie [Ethnische Identität und Minderheiten in der Republik Moldau. Eine Bibliografie]. Iaşi 2001.
Anmerkungen
[1] Neukirch: Republik Moldau, S. 69f.
[2] Anuarul statistical [Statistisches Jahrbuch]. 1994, S. 64.
[3] Demografia Republicii Moldova: ro.wikipedia.org/wiki/Demografia_Republicii_Moldova (Abruf 03.11.2020).
Zitation
Mariana Hausleitner: Republik Moldau. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2014. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32628 (Stand 03.11.2020).
Nutzungsbedingungen für diesen Artikel
Copyright © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk entstand im Rahmen des Projekts „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ und darf vervielfältigt und veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie: ome-lexikon@uol.de
Wenn Sie fachliche Hinweise oder Ergänzungen zum Text haben, wenden Sie sich bitte unter Angabe von Literatur- und Quellenbelegen an die Redaktion.