Preußische Union

1. Kurzbeschreibung

Die „Preußische Union“ war ein seit 1817 bestehender Zusammenschluss der evangelisch-lutherischen und der evangelisch-reformierten Kirche in Preußen, der in seinen Nachfolgeeinrichtungen bis 2003/2006 existierte.

2. Geschichte und Organisation

Entstehung und Entwicklung im 19. Jahrhundert

Am 27. September 1817 rief König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) die lutherischen und reformierten Gemeinden seines Staatsgebietes dazu auf, das kommende 300. Jahresfest der Reformation gemeinsam zu feiern, so wie er selbst es in der Hof- und Garnisonkirche in einer vereinigten „evangelisch-christlichen Gemeine“ in Potsdam mit Abendmahl feiern werde. Der Aufruf war kein Erlass, sondern die Einladung, „aus der Freiheit eigener Ueberzeugung“ sich der Union anzuschließen, „in der Einigkeit der Herzen, nach ächt biblischen Grundsätzen“. Der Aufruf bezweckte die gottesdienstliche Gemeinschaft reformierter und lutherischer Gemeinden, eine „wahrhaft religiöse Vereinigung“ der nur noch „durch äußere Unterschiede getrennten protestantischen Kirchen“ (so das Missverständnis des aufgeklärten Königs), aus der konsequent eine einheitliche Verwaltung beider hervorgehen sollte.[1]

Tatsächlich folgte in den nächsten Jahrzehnten auf Druck der Regierung die große Mehrheit der Gemeinden in den preußischen Provinzen Rheinland, Westfalen, Brandenburg, der Kirchenprovinz Sachsen, Pommern, Schlesien, Posen, West- und Ostpreußen dem königlichen Aufruf, doch gab es auch Widerstände innerhalb Preußens von lutherischer Seite (Bildung von Kirchenparteien) und Abtrennungen von der preußischen Kirche (1830 Abspaltung der sog. Altlutherischen Kirche in Schlesien).  

An der Spitze der preußischen Kirche stand bis 1918 der König als summus episcopus, der ihr 1822 eine einheitliche Agende verordnete (woran sich erheblicher Widerstand entzündete). Die innere Leitung der Kirche erfolgte synodal durch Generalsynoden bzw. Provinzialsynoden in den einzelnen Provinzen unter einem Präses oder Bischof. Ihre Beschlüsse bedurften aber königlicher Genehmigung. Als geistliche Vertreter des Königs in einer Kirchenprovinz wurden 1829 Generalsuperintendenten ernannt, die den bereits 1815 gebildeten Konsistorien vorstanden. Die zentrale Verwaltung erfolgte zunächst durch das Kultusministerium, seit 1850 durch den neu gebildeten Evangelischen Oberkirchenrat mit Sitz in Berlin unter der Leitung seines Präsidenten.

Die Anerkennung der presbyterial-synodalen Rheinischen Kirchenordnung im Jahr 1835 führte allmählich zu einem ausgewogeneren Verhältnis des spannungsvollen Miteinanders von konsistorialen und synodalen Elementen (1873 Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die sechs östlichen Provinzen, 1876 Generalsynodalordnung für die acht älteren Provinzen). Die Kirche finanzierte sich neben Pacht, Anlage von Kapitalien, Kollekten und Gebühren für Amtshandlungen durch einen staatlichen Zuschuss (als Folge der Säkularisation von 1803) und die Erhebung einer jährlich festgelegten Kirchensteuer (Kirchengesetz von 1905).

Die im innerdeutschen Krieg 1866 zu Preußen gekommenen, mehrheitlich lutherischen Gebiete Königreich Hannover, Herzogtum Nassau, Kurfürstentum Hessen, Freie Stadt Frankfurt und Schleswig-Holstein wurden der preußischen Kirche nicht angegliedert, sondern behielten ihre Kirchenordnung oder erhielten eine eigene Verfassung.

Neuorganisation nach dem Ersten Weltkrieg

Als König Wilhelm II. (1859–1941) nach dem verlorenen Weltkrieg 1918 auf den Thron verzichtete, musste auch die kirchliche Verfassung Preußens neu geregelt werden. Eine verfassunggebende Kirchenversammlung beschloss am 29. September 1922 die Verfassungsurkunde für die „Evangelische Kirche der altpreußischen Union“ (APU) unter der Leitung eines Kirchensenats und des Evangelischen Oberkirchenrats.  

Die Kirchenwahlen 1933, die zu einer Mehrheit der Kirchenpartei der „Deutschen Christen“ und der Einsetzung eines kommissarischen Kirchenpräsidenten im Evangelischen Oberkirchenrat führten, riefen den Protest und die Bildung der „Bekennenden Kirche“ (Barmer Synode 1934) hervor.

Nachfolgeeinrichtungen nach dem Zweiten Weltkrieg

Mit dem Kriegsende 1945 und den deutschen Gebietsverlusten im Osten verlor die Evangelische Kirche der Altpreußischen Union ein Drittel ihres Kirchengebietes. Die preußischen Kirchenprovinzen formierten sich zunächst als selbstständige Landeskirchen, doch als mit dem 27. Februar 1947 der Staat Preußen aufgehoben wurde, beschlossen die Kirchen von Rheinland, Westfalen, Berlin-Brandenburg, der Kirchenprovinz Sachsen, von (Rest-)Pommern und der schlesischen Oberlausitz 1952 die weitere Zusammenarbeit unter dem Namen „Evangelische Kirche der Union“ (EKU). Für die Ausführung  der Beschlüsse der Synode war nun der „Rat“ der EKU unter seinem Präses verantwortlich und wurde darin von der Kirchenkanzlei in Berlin als Büro unterstützt. Der Rat sah seine Aufgabe in der theologischen Beratung der angeschlossenen Kirchen, der Vergegenwärtigung des Erbes der Barmer Theologischen Erklärung von 1934, der Zusammenarbeit mit anderen Unionskirchen und der Bildung von Arbeitskreisen und Kommissionen für gemeinsame Aufgaben.

2003 wurde die EKU in die größere „Union der Evangelischen Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland“ überführt (UEK), zu der weitere Unionskirchen gehörten (Baden, Pfalz). 2006 endete die Arbeit der Kirchenkanzlei in Berlin.

3. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • J. F. Gerhard Goeters, Joachim Rogge: Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Union. Ein Handbuch. Bd. 1–3. Leipzig 1992–1999.
  • Iselin Gundermann, Dietrich Meyer, Hartmut Sander (Hg.): Evangelische Kirche der preußischen Union 1817–2003. Ein Bild und Textband. Berlin 2013 (Veröffentlichungen des Ev. Zentralarchivs in Berlin 11).
  • Albrecht Beutel (Hg.): Protestantismus in Preußen. Lebensbilder aus seiner Geschichte. Bd. 1–5. Frankfurt/M. 2009–2013.
  • Joachim Rogge: Art. Evangelische Kirche der Union. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 10 (1982), S. 677–683.
  • Joachim Rogge: Der Weg einer Kirche. Die Evangelische Kirche der Union zwischen 1817 und 1995. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 75 (1996), S. 227–244.
  • Klaus Wappler: Der theologische Ort der preußischen Unionsurkunde vom 27.09.1817. Berlin 1978 (Theologische Arbeiten 35).

Anmerkung

[1] Zit. nach dem Abdruck des Aufrufs in Goeters/Rogge: Geschichte. Bd. 1, S. 91f. (auch in Gundermann/Meyer/Sander: Evangelische Kirche, S. 13f).

Zitation

Dietrich Meyer: Preußische Union. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2019. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32785 (Stand 03.04.2019).

Nutzungsbedingungen für diesen Artikel

Copyright © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk entstand im Rahmen des Projekts „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ und darf vervielfältigt und veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie:

Wenn Sie fachliche Hinweise oder Ergänzungen zum Text haben, wenden Sie sich bitte unter Angabe von Literatur- und Quellenbelegen an die Redaktion.

(Stand: 19.01.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page