Russland/Russisches Reich

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Russland, Russisches Reich, Russländisches Reich[1]

Amtliche Bezeichnung

Russkoe carstvo (1547–1721), Rossijskaja Imperija (1721–1917)

Lateinische Bezeichnung

Russia

Etymologie

Die Bezeichnung Rossija ist erstmals 1517 überliefert. Es handelt sich um eine gräzisierende Ableitung von der älteren Bezeichnung Rus'. Rus' und das dazugehörige Adjektiv russkij bezogen sich ursprünglich im Frühmittelalter auf die Skandinavier, die im Kiever Reich die Oberschicht bildeten, wurde aber bald zur Bezeichnung für das Reich selbst.

2. Geographie

2.1 Lage

Das Russische Reich erstreckte sich vom östlichen Mitteleuropa (Königreich Polen) und der Ostsee bis an die Pazifikküste, vom nördlichen Polarkreis bis über den Kaukasus und nach Zentralasien.

2.2 Topographie

Russland ist von der sprichwörtlichen Weite seines Raumes geprägt. Den größten Teil des europäischen Russland (westlich des Ural) bildet das osteuropäische Tafelland, das durch geringe Höhenunterschiede gekennzeichnet ist. Die Flüsse, darunter der größte Strom Europas, die Wolga, entwässern nach Norden (Weißes Meer), Nordwesten (Ostsee), Süden (Schwarzes Meer, Asowsches Meer) und Südosten (Kaspisches Meer).

Östlich und südlich des Ural, der wegen seiner leichten Passierbarkeit nur mit Abstrichen als natürliche Grenze zu betrachten ist, erstrecken sich die weiten Steppenlandschaften Westsibiriens und Turkestans (heute Kasachstans). Sie werden im Süden und Südosten von den Hochgebirgen Persiens, Zentralasiens und der Mongolei eingerahmt. Im Osten schließt sich das Mittelsibirische Bergland an. Ostsibirien und Russisch Fernost (zwischen Lena und Pazifik) sind gebirgig.

In diesem riesigen Territorium sind von Süden nach Norden parallel zu den Breitengraden extrem unterschiedliche Vegetationszonen anzutreffen: Wüste, Steppe, Mischwald, Taiga und Tundra. Die landwirtschaftlich nutzbaren Gebiete (Steppen- und Mischwaldzone) verengen sich jenseits des Ural keilförmig. Ein großer Teil Sibiriens liegt in der Zone des Dauerfrostbodens und ist daher nur mit großen Schwierigkeiten für Siedlung und Wirtschaft nutzbar.

2.3 Historische Geographie

Räumliche Ausdehnung

Das Russische Reich hatte um 1900 seine größte territoriale Ausdehnung. Im Westen grenzte es an das Deutsche Reich und an die Habsburgermonarchie, im Nordwesten an Schweden und Norwegen, im Süden hatte es bis an die Grenzen von Persien und Afghanistan expandiert, und im Fernen Osten reichte es bis an den Pazifik. Zum Herrschaftsgebiet des Zaren gehörten im Westen der größere Teil Polens, das Baltikum, Finnland und Bessarabien. Im Osten waren die Russen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert nach Amerika vorgedrungen, hatten Alaska in Besitz genommen und in Kalifornien Stützpunkte gegründet. Die Präsenz in "Russisch-Amerika" endete 1867 mit dem Verkauf Alaskas an die Vereinigten Staaten von Amerika. Mit 22,4 Mio. km2 war das Russische Reich der größte Flächenstaat der Erde – die Vereinigten Staaten von Amerika um mehr als das Doppelte übertreffend. Eine größere Fläche nahm nur das Britische Empire unter Einrechnung seiner Kolonien ein.

Bevölkerung

Auf diesem Territorium lebten laut der Volkszählung von 1897 etwa 125,7 Mio. Menschen, beinahe vier Fünftel davon im europäischen – diesseits des Ural gelegenen – Teil des Reiches. Die riesigen Landmassen Sibiriens und Mittelasiens waren erst sehr dünn besiedelt bzw. aufgrund der natürlichen Bedingungen in weiten Teilen unbewohnbar. Die auf das gesamte Reich bezogene Bevölkerungsdichte war daher mit 5,8 Einwohnern je Quadratkilometer sehr gering. In Zentralrussland betrug die Bevölkerungsdichte 17,1 Einwohner je Quadratkilometer – im Vergleich der Großmächte ein geringer Wert.

Land – Stadt

Der überwiegende Teil der Bevölkerung (86,6 Prozent) lebte um 1900 auf dem Land. Nur 16,8 Mio. Menschen (13,4 Prozent der Gesamtbevölkerung) wohnten in Städten, wobei viele der 932 als "Städte" klassifizierten Siedlungen nach mitteleuropäischen Maßstäben wenig urbanen Charakter aufwiesen, sondern lediglich aufgrund ihrer Funktion als administratives Zentrum eines Kreises oder Bezirks zu den Städten gerechnet wurden. Nur 19 Städte hatten mehr als 100.000 Einwohner: Darunter waren die Millionenstädte St. Petersburg/Sankt-Peterburg (1,3 Mio.) und Moskau/Moskva (1,0 Mio.) die größten, gefolgt von Warschau/Warszawa (638.000), Odessa/Odesa (405.000), Lodz/Łódź (315.000), Riga/Rīga (rund 280.000) und Kiew/Kyïv (247.000). Deutlich darunter rangierten Charkow/Charkiv (175.000), Wilna/Vilnius (160.000), Tiflis/Tbilisi (161.000), Taschkent/Toşkent (156.000), Saratow/Saratov (137.000), Kasan/Kazan' (132.000), Jekaterinoslaw/Dnipropetrovsk (121.000), Rostov am Don (120.000), Astrachan/Astrachan' (113.000), Baku (112.000), Tula (111.000), Kischinau/Chişinău (109.000). Der Schwerpunkt der städtischen Siedlungen lag im europäischen Reichsteil. Abgesehen von den beiden Hauptstädten, die eine Sonderrolle spielten, befanden sich die Großstädte aber überwiegend in der nichtrussischen Peripherie, besonders im russischen Teilungsgebiet Polens und in der Ukraine.

Nationalitäten

Das Russische Reich war ein multinationales Imperium. Die Volkszählung von 1897 bestimmte die ethnische Zugehörigkeit durch die Frage nach der Muttersprache. Auf der Grundlage dieser Erhebung bezifferte die offizielle Statistik den Anteil der "Russen" an der Gesamtbevölkerung des Reiches auf zwei Drittel. Dabei ist aber zu beachten, dass unter "Russen" auch Ukrainer und Weißrussen subsumiert wurden, deren Existenz als eigenständige Nationalitäten nicht anerkannt war, wenngleich sie über ihre "Dialekte" als Untergruppen in den Volkszählungsergebnissen aufscheinen. Berücksichtigt man diese Differenzierung, dann betrug der Anteil der Russen an der Gesamtbevölkerung nur 48 Prozent (55,7 Mio.). An zweiter Stelle folgten die Ukrainer mit knapp 18 Prozent (22,4 Mio.), an dritter die Polen mit 6 Prozent (7,9 Mio.), an vierter die Weißrussen/Belarussen mit 5 Prozent (5,9 Mio.). Mehr als jeweils eine Million Angehörige hatten folgende Nationalitäten: Juden (5,1 Mio.), Tataren (3,7 Mio.), Kasachen (3,1 Mio.), Deutsche (1,8 Mio.), Litauer (1,7 Mio.), Letten (1,4 Mio.), Georgier (1,4 Mio.), Baschkiren (1,3 Mio.), Armenier (1,2 Mio.), Moldauer (1,1 Mio.), Esten (1,0 Mio.). Die restlichen etwa 11 Mio. verteilten sich auf zahlreiche weitere kleinere Ethnien. Insgesamt erfasste die Volkszählung von 1897 mehr als 130 Sprachen. In konfessioneller Hinsicht waren die Verhältnisse übersichtlicher: Knapp 70 Prozent entfielen auf die Russisch-Orthodoxe Kirche, 11,7 Prozent auf Muslime, 9,1 Prozent auf Katholiken, 4,1 Prozent auf Juden, 2,8 Prozent auf Protestanten und der Rest auf kleine religiöse Minderheiten.

Expansion und Migrationen

Die multiethnische und multikonfessionelle Struktur des Reiches verweist auf eine sukzessive, über mehrere Jahrhunderte verlaufende Expansion und auf Migrationsprozesse. Das erste ostslawische Reich, die im 9. Jahrhundert entstandene Kiever Rus', war im 12. und 13. Jahrhundert in Teilfürstentümer zerfallen und um 1240 unter die Herrschaft der Mongolen geraten. In weiterer Folge wurde das Großfürstentum Moskau zum Nukleus einer neuen Staatlichkeit, vereinigte im 14./15. Jahrhundert die übrigen Teilfürstentümer unter seiner Führung und konnte sich 1480 von der Mongolenherrschaft befreien. Dieser als "Sammeln der russischen Länder" bezeichnete Expansionsprozess ging unter Ivan IV. mit der Eroberung der Khanate Kazan' (1552) und Astrachan' (1556) in die Inkorporation von Territorien über, die nicht von Slawen besiedelt waren. Damit begann eine Expansion nach Osten und Süden, die mit einer kontinuierlichen Ausdehnung des Siedlungsgebietes der Russen durch Kolonisation verbunden war. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts erfolgte die Eroberung Sibiriens, im 18. Jahrhundert wurde die nördliche Schwarzmeerküste in Besitz genommen und es kam im Zuge der Nordischen Kriege und der Teilungen Polens auch zur Expansion nach Westen. Im 19. Jahrhundert gelangte die Ausweitung des Staatsgebietes mit der Eroberung des Kaukasus und Zentralasiens an ihr Ende.

Verweise auf im Lexikon behandelte Länder, die bis 1917 zum Russischen Reich gehörten

3. Geschichte und Kultur - Russland

Periodisierung

Die Geschichte Russlands wird, abweichend von der Periodisierung in Mittelalter und Neuzeit, in Epochen eingeteilt, die sich auf die Herrschaftsbildungen beziehen: Auf die Kiever Rus' (9.–13. Jahrhundert) folgt die Periode der Mongolenherrschaft (13.–15. Jahrhundert), während der sich der Aufstieg Moskaus als neues Machtzentrum vollzog. Das Moskauer Reich (15.–17. Jahrhundert) bildet die Epoche, in der Russland durch Expansion und Zentralisierung seinen Charakter stark veränderte. Mit der Verlegung der Hauptstadt von Moskau in das neu gegründete St. Petersburg 1711 und der von Peter I. in Angriff genommenen beschleunigten Modernisierung Russlands nach westeuropäischem Vorbild beginnt die Epoche des Petersburger Imperiums, die bis zum Revolutionsjahr 1917 dauerte.

16.–17. Jahrhundert

Die Krönung Ivans IV. (1533–1584) zum Zaren im Jahre 1547 markiert in Kombination mit den Maßnahmen zur Verdichtung und Zentralisierung der Herrschaft einen neuen Staatsbildungsprozess. Richtung Osten stieß die Expansion nur auf geringen Widerstand, im Westen jedoch geriet Moskau in Konkurrenz zu den starken Nachbarn Schweden und Polen-Litauen. Im Zusammenhang mit den daraus resultierenden Konflikten und dem Aussterben der Dynastie der Rurikiden sowie wirtschaftlichen und sozialen Problemen geriet der Moskauer Staat um 1600 in eine schwere Krise, die als die Zeit der Wirren (Smuta) bezeichnet wird. Nach der Wahl von Michail Romanov (1613–1645) zum neuen Zaren konnten die Verhältnisse langsam wieder stabilisiert werden. Die Dynastie der Romanov blieb bis 1917 auf dem Thron.

Das 17. Jahrhundert war gekennzeichnet von einer Festigung der Autokratie, die sich im Gegensatz zu den absolutistischen Regimen Westeuropas nicht erst gegen konkurrierende Machtansprüche des Adels durchsetzen musste. Der russische Adel war ein Dienstadel, der keine regionalen Herrschaften und auch keine ständische Repräsentation ausbildete. Die Städte spielten als Machtfaktor ebenfalls keine Rolle, da sich in Russland das Prinzip der städtischen Freiheit nicht durchsetzte und kein Bürgertum entstand. Die Bauern waren im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts sukzessive in Leibeigenschaft geraten. Die Verfestigung der Leibeigenschaft erfolgte im 17. Jahrhundert, indem die Schollenbindung 1649 gesetzlich festgeschrieben wurde. Parallel zu diesem Prozess kam es das gesamte Jahrhundert hindurch immer wieder zu sozialen Unruhen und Volksaufständen.

Der Zugang zur Ostsee blieb dem Moskauer Reich durch die regionale Vorherrschaft Schwedens verwehrt. Gegenüber Polen-Litauen, das sich während der Smuta massiv in die inneren Verhältnisse Moskaus eingemischt hatte, gerieten die Russen hingegen in die Position des Stärkeren. Den Wendepunkt markiert die Einverleibung des Hetmanats der Zaporoger Kosaken (Ukraine) nach einem polnisch-russischen Krieg im Waffenstillstand von Andrusovo 1667.

Peter I. und Katharina II.

Mit der Expansion nach Südwesten war auch eine begrenzte Öffnung gegenüber Einflüssen aus Westeuropa verbunden. Diese schon im 17. Jahrhundert begonnene Entwicklung erhob am Beginn des 18. Jahrhunderts Peter I. (1689–1725) zum erklärten Programm seiner Herrschaft. Umfassende Reformen, die den Staat effektiver machen sollten, und die Erringung der Vorherrschaft im Ostseeraum durch den Sieg über Schweden im Großen Nordischen Krieg 1721 gingen Hand in Hand. Das Russische Reich wurde nun zu einer europäischen Großmacht und maß sich an den europäischen Konkurrenten und Partnern. Peter I. und seine Nachfolger(innen) bemühten sich, Russland nach dem Vorbild der westlichen absolutistischen Staaten administrativ, ökonomisch, militärisch und kulturell zu modernisieren. Eine wichtige Rolle kam in diesem Prozess ausländischen Fachleuten zu, die auf allen wichtigen Gebieten, vom Militär über Wissenschaft und Bildungswesen bis zur Architektur tätig waren.

Wegweisende Reformen initiierte Katharina II. (1762–1796), die sich von den Ideen der Aufklärung leiten ließ und die Autokratie durch die Schaffung eines ständischen Unterbaus gesellschaftlich unterfüttern wollte. Die schon von ihrem Vorgänger und Ehemann Peter III. dekretierte Befreiung des Adels von der Dienstpflicht wurde bestätigt und setzte zusammen mit der Privilegierung des Adels dessen Kräfte für ein eigenmotiviertes Engagement im Dienste des Staates frei. Der Preis für das Bündnis zwischen Autokratie und Adel war die Verfestigung der bäuerlichen Leibeigenschaft, da die adeligen Gutswirtschaften auf der Arbeitskraft der Leibeigenen basierten. Der Ansatz Katharinas, mit der Gnadenurkunde für die Städte ein Bürgertum zu schaffen, erreichte sein Ziel nicht. Die Städte und ihre Bewohner verblieben weiterhin in Abhängigkeit vom Staat.

Außenpolitisch und territorial konnte Russland unter Katharina II. seine Stellung im Konzert der europäischen Mächte weiter festigen: Erfolgreiche Kriege gegen das Osmanische Reich und die Teilungen Polens brachten große Gebietsgewinne im Süden und Westen. Katharinas Enkel Alexander I. (1801–1825) konnte diese Politik durch den Sieg über Napoleon 1812 ebenso fortsetzen wie den Ausbau des Behördenapparats und der Administration.

Dekabristenaufstand und Nikolaus I.

Nach seinem Tod kam es 1825 zu einem Putschversuch liberaler Offiziere, der sog. Dekabristen. Diese Revolutionäre verkörperten das wachsende Selbstbewusstsein des Adels sowie den Einfluss westlicher politischer Ideen, mit denen sie durch die Napoleonischen Kriege in Berührung gekommen waren. Der neue Zar Nikolaus I. (1825–1855) reagierte mit einer repressiven Politik, die darauf abzielte, die Autokratie zu festigen und revolutionäre Regungen im Keim zu ersticken. Als "Gendarm Europas" intervenierte Nikolaus I. 1848 in Ungarn, um die Habsburger bei der Niederschlagung der Revolution zu unterstützen.

Die Großen Reformen

Die Niederlage Russlands im Krimkrieg (1853–1856) offenbarte massive strukturelle Schwächen und gab den Anstoß für ein umfassendes Reformprogramm. Die Großen Reformen Alexanders II. (1855–1881) brachen auf vielen Gebieten mit alten Traditionen und verpflanzten moderne rechtsstaatliche Prinzipien nach Russland: 1861 wurde die Leibeigenschaft aufgehoben, 1863–1865 das Bildungswesen reformiert, 1864 eine grundlegende Justizreform durchgeführt und mit dem Zemstvo – parallel zur staatlichen Verwaltung – eine gewählte Selbstverwaltung auf Gouvernements- und Kreisebene geschaffen, 1870 die Selbstverwaltung der Städte gestärkt, 1874 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Damit beschritt Russland den Weg in Richtung auf einen effektiven Institutionen- und Rechtsstaat nach westeuropäischem Muster.

Im Gefolge dieser Reformen traten allerdings gravierende Probleme auf: Die von oben betriebene Verpflanzung westlicher Prinzipien kollidierte mit der Realität der Verhältnisse im Land, die sich nicht kurzfristig umkehren ließen. Indem die Autokratie an ihrem Machtmonopol festhielt und jegliche Form von Vertretungsorgan auf der Ebene des Staates abblockte, geriet sie zunehmend in Widerspruch zu Kräften aus der Gesellschaft, die sich gerade im Ergebnis der Reformen allmählich herausbildeten.

Korrektur der Reformen und Industrialisierung

Alexander III. (1881–1894) reagierte auf diese Probleme, die in den 1870er Jahren in der Aktivität revolutionärer Terroristen kulminiert hatten, mit einer Korrektur der Reformen. In ökonomischer Hinsicht wurde in den 1890er Jahren unter der Ägide des Finanzministers Sergej Vitte staatlicherseits die Industrialisierung vorangetrieben, ausgehend von der Einschätzung, dass Russland gegenüber den anderen Großmächten im Rückstand sei und Gefahr laufe, zur Peripherie abzusinken. Die Industrialisierung schritt zwischen 1890 und 1914 mit hohen Wachstumsraten voran, wobei ein großer Teil auf den Staat (Eisenbahnbau) sowie auf ausländische Investitionen und das Engagement ausländischer Unternehmer entfiel. Um 1900 waren 37 Prozent des Aktienkapitals in Russland im Besitz von Ausländern. An der Spitze standen Franzosen, gefolgt von Briten, Deutschen und Belgiern. Die hohen Wachstumsraten dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die russische Industrie in absoluten Zahlen immer noch weit hinter den führenden westlichen Ländern lag und Russland nach wie vor ein Agrarland war. 1913 waren nur 1,9 Prozent der Bevölkerung (3,1 Mio.) in der Industrie beschäftigt.

Revolution 1905 und Staatsduma

Die Industriearbeiter in den großen Städten waren es aber, die trotz ihres geringen Anteils an der Bevölkerung aufgrund der schlechten Lebensverhältnisse zu einem sozialen Unruhepotential wurden und sich als empfänglich für die revolutionäre Propaganda erwiesen. Zusammen mit dem Aufbegehren liberaler Kräfte im Adel und in den Bildungsschichten mündeten die sozialen Probleme in die Revolution von 1905, die im Zusammenhang mit dem unglücklich verlaufenden Krieg gegen Japan ausbrach. Zar Nikolaus II. (1894–1917) sah sich gezwungen, eine Konstitution und eine gewählte Volksvertretung (Staatsduma) zu gewähren. Die Befugnisse dieses Parlaments waren ebenso beschränkt wie das Wahlrecht, aber ungeachtet dieser Defizite veränderten sich die politische Kultur und Öffentlichkeit in Russland nach 1906 nachhaltig. Auch in der ungelösten Agrarfrage wurde mit den Reformen des Ministerpräsidenten Pjotr Stolypin (1862–1911) ab 1906 neue Wege beschritten.

Erster Weltkrieg und Revolutionen 1917

Das Zarenreich war zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf vielen Gebieten von einer Wandlungsdynamik erfasst, hielt aber den Belastungen des Ersten Weltkriegs nicht stand. Im Februar 1917 musste Nikolaus II. abdanken, aber auch die demokratischen Kräfte (Provisorische Regierung), die sich nun mit den sozialistischen Revolutionären (Petrograder Sowjet) die Macht teilten, scheiterten und verloren den Rückhalt in der Bevölkerung. Im Oktober 1917 rissen die Bolschewiki unter der Führung Vladimir Lenins die Macht an sich und gaben sie nicht wieder aus der Hand. Das Russische Reich versank 1918 im Chaos des Bürgerkriegs und wurde erst nach dessen Ende in Form der Sowjetunion in neuer Gestalt wiedererrichtet.

4. Deutsche im Russischen Reich

Siedlungsgeographie

Deutsche Auswanderung nach Russland im 18. und 19.
Jahrhundert [© Ingenieurbüro für Kartographie
J. Zwick, Gießen]

Die erste allgemeine Volkszählung von 1897 verzeichnete für das Territorium des Zarenreiches 1,8 Mio. Einwohner deutscher Muttersprache (1,4 Prozent der Gesamtbevölkerung). 76 Prozent waren Lutheraner, 13,5 Prozent Katholiken, 3,7 Prozent Mennoniten, 3,6 Prozent Reformierte, 3,2 Prozent gehörten anderen Konfessionen an. Mehr als drei Viertel der Deutschen lebten auf dem Land, 57,7 Prozent waren in der Land- und Forstwirtschaft tätig. Die wichtigsten Siedlungsgebiete der Deutschen waren die untere Wolga (326.861 Deutsche in den Gouvernements Saratov und Samara), das sog. Schwarzmeergebiet (377.798 in den Gouvernements Cherson, Taurien, Ekaterinoslav, Bessarabien und Dongebiet), Russisch-Polen (407.274 in den sog. Weichselgouvernements), Wolhynien (171.331), die Ostseeprovinzen (165.627 in den Gouvernemts Livland, Estland und Kurland) und die beiden Hauptstädte St. Petersburg (46.550) und Moskau (17.717). Darüber hinaus arbeiteten deutsche Handwerker, Unternehmer, Gewerbetreibende, Ärzte, Apotheker, Offiziere, Beamte und Gelehrte – um typische Berufe zu nennen – beinahe über das gesamte Reich verstreut. Bäuerliche Kolonisten hatten sich in einer Reihe weiterer kleinerer Siedlungsgebiete und Streusiedlungen niedergelassen. Nicht unerwähnt bleiben dürfen auch die zahlreichen aus deutschen Fürstenhäusern stammenden Ehepartner der russischen Herrscher(innen) des 18. und 19. Jahrhunderts.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts verschob sich der Siedlungsschwerpunkt der Deutschen infolge mehrerer Umstände nach Osten: Eine wirtschaftlich bedingte Migration bäuerlicher Kolonisten aus ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten an der Wolga und am Schwarzen Meer Richtung Nordkaukasus, Südural, ­Sibirien und Mittelasien hatte schon um die Jahrhundertwende eingesetzt. Nach dem Ersten Weltkrieg schieden die Deutschen Polens, der baltischen Länder, Westwolhyniens und Bessarabiens gemeinsam mit den Territorien, in denen sie lebten, aus dem Verband des Russischen Reiches aus. Die in der Sowjetunion verbliebenen Deutschen wurden 1941 aus ihren Siedlungsgebieten westlich des Ural nach Mittelasien und Sibirien deportiert und über große Territorien zerstreut.

Deutsche Fachleute im 15.–18. Jahrhundert

Bei den Deutschen im Russischen Reich handelte es sich um Angehörige sehr unterschiedlicher Gruppen, die außer der Sprache nur wenig miteinander gemein hatten. Anwerbungen von Bergleuten, Handwerkern und militärischen Fachleuten sind bereits aus dem 15. Jahrhundert bekannt. Im 16. Jahrhundert entstand die Ausländervorstadt oder "deutsche Vorstadt" (nemeckaja sloboda) Moskaus. Einen Aufschwung erfuhr die Anwerbung ausländischer Spezialisten, darunter auch Deutsche, unter Peter I., der mit ihrer Hilfe die Modernisierung Russlands nach westlichem Vorbild voranzutreiben suchte. Das ganze 18. Jahrhundert hindurch waren Deutsche, zusammen mit anderen westlichen Ausländern, als Fachkräfte in Russland präsent. Bei diesen Spezialisten handelte es sich allerdings zu einem großen Teil um Personen, die nur zeitweilig in Russland lebten und nach ihrer Tätigkeit wieder in die Heimat zurückkehrten.

Ostseeprovinzen und Polen

Im 18. Jahrhundert vergrößerte sich aber auch die Zahl der russischen Untertanen deutscher Sprache. Im Zuge seiner Expansion nach Westen erwarb das Zarenreich Territorien mit einem deutschen Bevölkerungsanteil: Im Zusammenhang mit dem Großen Nordischen Krieg unterstellten sich die von den deutschbaltischen Ritterschaften dominierten Ostseeprovinzen 1710 dem russischen Kaiser. Die Vorfahren der Deutschbalten waren teilweise seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts in Livland, Estland und Kurland ansässig. Der zahlenmäßig kleine deutschbaltische Adel stellte die agrarische Elite der Ostseeprovinzen, während das kaufmännische Bürgertum das Patriziat der Städte bildete. Hinzu kam, neben einer dünnen Schicht von Bauern und Handwerkern, eine kulturgeschichtlich bedeutende Bildungselite, die sog. Literati. Die Deutschbalten spielten bis 1917 eine überproportionale Rolle im Offizierskorps und im Beamtenapparat des Zarenreiches. Die dritte Teilung Polens 1795 brachte einen großen Teil der Deutschen Polens unter russische Hoheit. Die Deutschen Polens waren sowohl auf dem Land als auch in den Städten ansässig, wo sie mancherorts, z. B. in Lodz/Łódź, einen bedeutenden und ökonomisch wichtigen Anteil der Bevölkerung ausmachten.

Einladungsmanifest von Katharina II. und Ansiedlung an der Wolga

Bild


Einladungsmanifest
Katharinas der II. 1763
[Hessisches Staatsarchiv
Marburg, Best. 4e, 1807]

Die Geschichte der Russlanddeutschen im engeren Sinne, also derjenigen Kolonisten, deren Nachfahren bis heute in Russland leben bzw. inzwischen als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen sind, begann um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Das berühmte Einladungsmanifest Katharinas II. von 1763 legte den Grundstein für die Einwanderung mehrerer Zehntausend Deutscher an die Wolga. Katharina folgte dem damals in Europa modernen Beispiel staatlicher Kolonisationspolitik, dünn besiedelte Regionen mit Einwanderern zu erschließen und durch die Vermehrung der Bevölkerung (Impopulation) den Wohlstand und die Einnahmen des Staates zu steigern.

Katharina II. schickte Anwerber ins Ausland, um das Manifest bekannt zu machen. Jedem, der bereit war, sich auf unbebautem Land anzusiedeln, versprach sie die Zuteilung von Land, einen Vorschuss zum Bau von Häusern und die Anschaffung von Vieh und Geräten, eine 30-jährige Abgaben­freiheit, freie Wahl des Wohnortes, innere Selbstverwaltung, freie Religionsausübung und Freiheit vom Militärdienst auf ewige Zeiten.

Herkunftsländer

Da Österreich, Preußen, Frank­reich und Spanien selbst siedlungspolitische Projekte ver­folgten, verboten sie ihren Einwohnern die Auswanderung. Das Gleiche galt für etliche deutsche Kleinstaaten. Das Manifest Katharinas konnte daher nur in den freien Reichs­städten und in einigen süd- und westdeutschen Herrschaften verbreitet werden. Dort trafen die russischen Werber auf lebhaftes Interesse. Vor allem die Bevölke­rung in Hessen hatte kurz zuvor so stark unter dem Sieben­jährigen Krieg gelitten, dass viele an Aus­wanderung dachten, um dem Elend zu entrinnen. Die Werbeagenten wurden nach der Zahl der Auswanderungs­willigen bezahlt und erzeugten durch skrupellose Verspre­chungen ein regelrechtes Aus­wande­rungsfieber, sodass die Aufnahmelager über­lastet waren und die russische Regierung 1766 vorläufig die Anwerbung ein­stellte.

Ansiedlungen im Schwarzmeergebiet

Das zweite große Siedlungsgebiet von Deutschen im Zarenreich entstand einige Jahrzehn­te später am Schwarzen Meer, in der heutigen Südukraine, auf der Krim und in Bessara­bien. Diese Landstriche hatten bis zur Eroberung durch die Russen unter türkischer Herrschaft gestanden und waren nur dünn besiedelt. 1785 erließ die russische Regierung einen neuerlichen Aufruf, um ausländische Kolo­nisten ins Land zu holen. Die Ansied­ler kamen diesmal vor­wiegend aus Westpreußen, aus Württem­berg, Baden, dem Elsass und der Pfalz. Die Aus­wanderungsgründe waren teils wirt­schaftliche Not und die Folgen der Napoleonischen Kriege, teils waren sie religiö­ser Art, wie zum Beispiel bei den württembergischen Pietisten oder bei den Menno­niten aus Westpreußen, einer prote­stantischen Glaubensgemeinschaft, die nach dem Prinzip der Gewaltfreiheit lebte, Militärdienst ablehnte und deshalb auswandern wollte, als ihre Siedlungsgebiete von Preußen annektiert wurden.

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Das heutige Marx, eine 1766 gegründete Siedlung an
der Wolga, erhielt zunächst den Namen Katharinenstadt
bzw. Baronsk [In: Karl Stumpp: Die Rußlanddeutschen,
zweihundert Jahre unterwegs, 1964, S. 52].

Im Wolgagebiet erhielten die Ansiedler je Familie umgerechnet rund 30 Hektar Land zugeteilt, im Schwarzmeergebiet 65 bis 70 Hektar. Die russi­schen Behörden waren in der zweiten Phase der Anwerbung wählerischer und setzten bestimmte Kriterien fest, wer einwandern durfte und wer nicht. Man musste entweder ein verheirateter Bauer sein oder ein Handwer­k gelernt haben und ein gewisses Vermögen besitzen. Die russische Regierung erhoffte sich von der Einwanderung Impulse für die eigene Wirtschaft. Die Ansiedler sollten den russischen Bauern in Landwirt­schaft und Handwerk ein Beispiel geben. Sie wurden in planmäßig angelegten neu gegründeten Dörfern angesiedelt, die in der Regel zu geschlossenen Bezirken zusammengefasst waren. Im Jahre 1819 wurde die Ansiedlung seitens der Regierung grundsätzlich eingestellt, doch kamen auch danach noch Einwanderer ins Land, die allerdings nicht mehr mit einer Zutei­lung von Land durch die Regierung rechnen konnten. Die Zahl der im Schwarz­meergebiet angesiedelten Deutschen betrug insgesamt rund 50.000.

Weitere Siedlungsgebiete

Neben diesen zwei großen Siedlungsgebieten an der Wolga und am Schwarzen Meer entstanden noch einige kleinere, zum Beispiel im Kaukasus und in der Nähe von St. Peters­burg. Unabhängig von der staatlichen Ansiedlungsaktion ließen sich auch in den größeren Städten Russlands deutsche Handwerker und Gewerbe­treiben­de nieder, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem bedeutenden Faktor des Wirtschaftslebens wurden und teilweise große Fabriken aufbauten, die ganz Russland mit bestimmten Produkten belieferten. In der entlegensten Provinz konnte man auf deutsche Ärzte, Apotheker oder Bäcker treffen. Städte mit nennenswertem deutschem Bevölkerungsanteil waren St. Petersburg, Moskau, Saratov und Odessa. Eine letzte große Einwanderungswelle brachte in den 1860er bis 1880er Jahren mehrere Zehntausend Deutsche nach Wolhynien. Bei ihnen handelte es sich mehrheitlich um deutsche Bauern aus Polen, die weiter nach Osten wanderten, aber auch um Einwanderer aus Preußen. Sie wurden nicht vom Staat angeworben, sondern kamen auf eigene Faust ins Land und kauften oder pachteten Land auf privatrechtlicher Grundlage.

Wirtschaftliche Entwicklung

Die Entwicklung der deutschen Kolonien im 19. Jahrhundert verlief an der Wolga und im Schwarzmeergebiet recht unterschiedlich. Beiden gemeinsam waren an­fängliche Schwierig­kei­ten durch das ungewohnte Klima, fehlende Infrastruk­tur und organisatorische Unzuläng­lichkeiten der Ansiedlungsbehörde. Die aus Deutschland mitgebrachten landwirt­schaftlichen Kenntnisse waren vielfach unter den Klima- und Bodenbedin­gungen der russischen Steppe wertlos. Zudem befanden sich besonders unter den Wolgadeutschen viele unqua­lifizierte Personen, die vorher gar nicht in der Landwirtschaft ge­arbeitet hatten. Von einer mustergültigen Wirtschafts­weise, von der die anderen Bauern hätten lernen können, konnte in der An­fangsphase keine Rede sein. Die Ansied­ler mussten vielmehr ums nackte Über­leben kämpfen und über­nahmen notgedrungen Methoden und Arbeitsweisen der Einheimischen. Erst später kam es zu einem neu erarbeiteten wirtschaftlich-technischen Fort­schritt, der die Kolonien von der Umgebung abhob. Gemeinsam war beiden Siedlungsgebieten auch ein starkes Bevölkerungs­wachs­tum infolge einer hohen Kinderzahl.

Von den russischen Bauern unterschieden die Kolonisten die wei­terge­hende Selbstverwaltung der Gemein­den, das Steuersystem und die Agrarver­fassung. In den russischen Dörfern war es üblich, von Zeit zu Zeit den gesamten Grundbesitz nach der Zahl der Familienmitglieder neu zu verteilten. Das führte dazu, dass die Pro-Kopf-Anteile immer kleiner und die Höfe immer weniger leistungsfähig wurden. Den ausländischen Kolonisten schrieb die Behörde hingegen vor, den Hof samt dem dazugehörigen Landquantum jeweils unge­teilt zu vererben. Dieses System schützte den Besitz vor Zersplitterung, warf aber das Problem auf, dass die ausgesteu­erten Söhne anderwärtig ihren Lebens­unterhalt suchen mussten.

Bild

Inserat der Pflugfabrik Höhn
[Odessaer Kalender 1909, S. 216].

Im Zusammenhang mit dieser Problematik entstand der deutliche Unter­schied zwischen dem Wolgagebiet und dem Schwarzmeergebiet. Während die Schwarzmeer­deutschen die von der Ansiedlungsbehörde verordnete Regelung beibehielten, wichen die Wolgadeut­schen unter dem Einfluss der dortigen Kolonialverwaltung bereits 1785 vom Prinzip des ungeteilten Vererbens ab und übernahmen das russische System der periodi­schen Umverteilun­gen. Dadurch kam es mit der Zeit zu einer Zersplitte­rung des Besitzes und zur Entstehung von sehr kleinen Höfen, die nur mit Mühe rentabel wirt­schaften konnten. Als Ausgleich verlegten sich viele Kolonisten auf den Getreidehan­del, auf Gewerbe und Industrie und erlangten darin große Bedeutung. Trotzdem verlief die wirtschaftliche Ent­wicklung bei weitem nicht so erfolg­reich wie im Schwarz­meergebiet. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war das Wolgagebiet sogar wiederholt von Hungersnöten betroffen.

Im Schwarzmeergebiet vollzog sich hingegen nach den Schwierigkeiten der ersten Jahr­zehnte ein deutlicher wirtschaftlicher Aufschwung. Seit den 1830er Jahren gingen die Kolonisten des Schwarzmeergebietes allmählich von der Schafzucht zum Getreidebau über. Schneller als die anderen Bauern erkannten sie die Chancen, die sich aus der durch die Industrialisierung gestiegenen Nachfrage nach Weizen in Europa und den verbes­serten Verkehrsver­bindungen ergaben. Seit dieser Zeit ist eine ausgeprägte ökonomische Überlegenheit der deutschen Kolonisten gegenüber ihrer Umwelt zu beobachten, die sich in einer starken Aus­dehnung des deutschen Grundbe­sitzes äußerte. So entstanden zahlreiche Toch­ter­siedlungen, zunächst im Schwarzmeer­gebiet, auf der Krim, im Nord­kaukasus, später auch am Ural und in Sibirien.

Politische und administrative Veränderungen

In politischer Hinsicht fanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wichtige Ver­änderun­gen statt. Die Großen Reformen unter Alexander II. zielten unter anderem auf die administrative Vereinheitlichung des Reiches und die Beseitigung der rechtlichen Sonderstellung verschiedener Gruppen der Bevölkerung. Im Kontext dieser Unifizierungspolitik wurden die Ostseeprovinzen stärker in das Reich integriert und einige ihrer bisherigen Sonderrechte abgeschafft. Der deutschbaltische Adel empfand diese Maßnahmen als Verletzung seiner verbrieften Rechte und zunehmend auch als Russifizierung. Umgekehrt gerieten die Deutschbalten wegen ihres Festhaltens an alten Privilegien in den 1860er Jahren ins Schussfeld der nationalistischen Publizistik.

1871 wurden die bäuerlichen Ausländeransiedlungen ("Kolonien") in die allgemeine Verwaltung eingegliedert. Bis dahin hatten sie einer eigenen Behörde unter­standen, die mit den deutschen Dörfern in deutscher Sprache verkehrte. Nun mussten sie den Schrift­verkehr mit den überge­ordneten Behörden in russischer Sprache abwickeln. Die Rechtslage der Kolonisten wurde an jene der übrigen Bauern angeglichen, die Kolonisten konnten aber ihre Sonderstellung in wichtigen Bereichen wahren. Von einer völligen Gleichschaltung mit den russischen Bauern kann nicht gesprochen werden. 1874 wurde in Russland die allgemeine Wehrpflicht einge­führt. Dadurch verloren die Kolonisten das letzte der ihnen bei der Ansied­lung gewährten Privilegien, die Freiheit vom Kriegs­dienst. In der Folge wanderten viele, vor allem, aber nicht nur, Mennoniten, nach Amerika aus.

Nationalistische Ängste

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gerieten die deutschen Kolonisten parallel zur Verschlechte­rung der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland nach dem Berliner Kongress von 1878 ins Kreuz­feuer der Kritik russischer Nationalisten. Die Angriffe entzündeten sich zunächst an der Einwanderung deutscher Bauern in die militärisch sensiblen Grenzregionen Wolhyniens. Die russischen Nationalisten wie auch die örtlichen Behörden und die Regierung befürchteten eine Überfremdung der Grenzgebiete, sahen darin ein Risiko für den Fall eines Krieges gegen Deutschland oder die Habsburgermonarchie. Es kam zu einem Pressefeldzug gegen die Wolhyniendeutschen, der schließlich auch die Schwarzmeerdeutschen einbezog.

Nach jahrelangen Erörterungen erließ die Regierung 1887 ein Gesetz, das allen ausländischen Untertanen in den westlichen Grenzgouvernements den Erwerb von Eigentums- und Nutznießungsrechten auf Immobilien außerhalb der Städte verbot. 1892 wurde das Verbot für das Gouvernement Wolhynien auf alle Personen ausländischer Herkunft ausgedehnt, einschließlich derjenigen, die inzwischen schon die russische Staatsangehörigkeit erworben hatten. Diese Verschärfung musste jedoch bereits drei Jahre später aus wirtschaftlichen Gründen zurückgenommen werden.

Im Schwarzmeergebiet war die Lage etwas anders. Die Nationalisten, und nicht nur sie, hatten schon länger mit Argwohn die Ausdehnung des deutschen Grundbesitzes beobachtet. Man beschuldigte die Deutschen, sie würden alles Land aufkaufen und die russischen Bauern durch das Hochtreiben der Bodenpreise zugrunde richten. Russische Nationalisten wollten sich auch nicht mit der Tatsache abfinden, dass die Deutschen ihre Sprache, Religion und Kultur bewahrt hatten. Trotz verschiedener Petitionen örtlicher Organe hielt jedoch die Regierung keine Gesetze zur Einschränkung des Grunderwerbs der Schwarzmeerdeutschen für erforderlich.

Nach einigen Jahren der Beruhigung lebten die Angriffe gegen die deutschen Kolonisten 1909 wieder auf. Abermals wurden die Russlanddeutschen zu Leidtragenden der außenpolitischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland nach dessen Schützenhilfe für Österreich-Ungarn in der Frage der Annexion Bosniens und der Herzegowina, die in Russland als Brüskierung empfunden wurde. Innenminister Stolypin ließ eine Gesetzesvorlage zur Verschärfung der Grunderwerbsbeschränkungen in den Grenzgebieten ausarbeiten; weder er noch seine Nachfolger konnten sich damit jedoch in der Duma durchsetzen.

Gründe für die geringe Assimilation

Die Vorwürfe von russischer Seite, die Deutschen würden sich nicht assimilie­ren und sich von der umwohnenden Bevölkerung absondern, entsprachen weitge­hend den Tatsachen. Diese Erscheinungen beruhten auf den Modalitäten der Ansiedlung, dem von der Regie­rung geschaffenen rechtlichen Unterschied zwischen privilegierten Kolonisten und leib­eigenen Bauern sowie auf dem Religions- und Kulturunterschied. Die offensichtliche Rückständigkeit der russischen und ukrainischen Bauern bot den deutschen Kolonisten keinen Anreiz zur Assimilierung. Relativ schnell assimilierten sich die Deutschen hingegen in der städtischen Umgebung, doch fiel das bei dem geringen Anteil der Stadtbewohner unter den Russlanddeut­schen nicht allzu sehr ins Gewicht.

Die im Vergleich mit den deutschen Auswanderern in anderen Ländern bemerkens­werte Resistenz gegenüber der Assimilation an das Staatsvolk beruhte unter anderem auf den günstigen Bedingungen des muttersprachli­chen Schulwesens. Da es zur Zeit der Einwanderung in Russland kein umfassendes Schulsystem gab, konnten sich die Deutschen ihre Schulen selbst organisie­ren, ohne dass sich die Behörden einmisch­ten. Die Dorfschulen waren im wesent­lichen Kirchenschulen. Sie standen auf einem sehr primitiven Niveau, sorgten aber immerhin dafür, dass fast alle Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen in deut­scher Sprache lernten. Analphabeten gab es in den deutschen Dörfern – im Gegensatz zu den russischen – nur wenige. Russisch wurde bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht einmal als Fremd­sprache unter­richtet und danach auch nur spärlich. 1881 wurden die Koloni­stenschulen jedoch der russischen Schulbehörde unterstellt, die 1891 die russische Unter­richts­sprache einführte. Ziel dieser Maßnahme war nicht, die Deutschen zu entnatio­nalisie­ren, sondern sie zur Erlernung der Staatssprache zu zwingen. 1907 wurde das Gesetz deutlich abge­schwächt und das Deutsche als Unterrichtssprache wieder zu­gelassen.

Diskriminierungen im Ersten Weltkrieg

Mit dem Ausbruch des Ersten Welt­krieges kam es in Russland zu einer regelrechten Deutschenhetze. Die russische Regierung bezeichnete es als notwendig, gegen die Deut­schen nicht nur außerhalb, sondern auch in­nerhalb Russlands zu kämp­fen. Im August 1914 wurde der Ge­brauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit verbo­ten; 1915 wurden die deut­schen Zeitungen, von denen es eine Reihe gegeben hatte, einge­stellt; es durften keine Bücher in deutscher Sprache mehr gedruckt werden. Vereinzelt wurden evangelische Pastoren nach Sibirien verbannt, weil sie weiterhin in deutscher Sprache gepredigt hatten.

1915 kam noch eine wirtschaftliche Diskriminierung hinzu: Die sog. Liquida­tionsgesetze bestimmten, dass die Deutschen in einer Zone von rund 150 Kilometern entlang der Grenzen und der Küsten ihren Grund­besitz innerhalb weniger Monate veräußern mussten. Die Bodenpreise fielen infolge des Zwangsverkaufs auf einen Bruchteil des Vor­kriegswertes, sodass die Verkaufs­bedingungen einer Enteignung gleichka­men. Mehr als 100.000 Deutsche, vor allem aus Wolhy­nien, einige auch aus Bes­sarabien, wurden nach Sibirien deportiert, weil man sie als Gefahrenquelle einschätzte. In Wolhy­nien wurden auch die Liquidationsgesetze weitgehend vollzogen, während man im Schwarzmeergebiet mit Hinblick auf die Getreidever­sorgung vorsichtiger war und bis 1917 nur einen Teil des deutschen Besitzes liquidierte.

Revolutionsjahr 1917

Erleichterung brachte für einige Monate die Februarrevolution des Jahres 1917. Die Proviso­rische Regierung setzte im März 1917 die Liquidationsgesetze vorläufig außer Kraft, hob sie jedoch nicht auf. Trotz der diskriminierenden Maßnahmen waren die Russlanddeutschen gegenüber der zaristischen Regierung bis zum Schluss loyal geblieben. Der politische Umschwung durch die Februarrevolu­tion weckte auch bei ihnen neue Hoffnungen und sie versicherten die Proviso­rische Regierung ihrer uneingeschränkten Loyalität, obwohl deren Haltung gegenüber den Deutschen zweideutig blieb.

Die Oktoberrevolution 1917 bewirkte eine völlige Kehrtwende im Verhältnis der Russ­landdeutschen zum Staat. Die Machtübernahme der Bolschewiki war für viele Deutsche ein traumatisches Erlebnis mit Requi­sitio­nen, Plünderungen und Er­schießun­gen. Das führte dazu, dass die deutschen und österreichischen Truppen, die im Februar 1918 in die Ukraine einrückten, als Befrei­er und Retter aus der Not empfangen wurden. Im Wolga­gebiet war die Lage etwas anders, da sich dort aufgrund der anderen Sozial- und Berufs­struktur auch Teile der deutschen Unterschichten den Bolschewiki anschlossen.

Politik Deutschlands

In Deutschland hatte der Krieg vor allem in nationalistischen Kreisen das Interesse an den Russlanddeutschen geweckt. Im Rahmen der Diskussion über die Kriegsziele Deutschlands erschienen zahlreiche Denkschriften über die Zukunft der Deutschen in Russland. Übereinstimmend liefen sie darauf hinaus, dass die Deutschen in Russland dem Untergang geweiht seien. Man müsse sie daher nach Kriegsende evakuieren und in den Gebieten ansiedeln, die Deutschland nach dem Sieg annektieren wollte. Dabei dachte man vor allem an das Baltikum.

Die deutsche Regierung bezog sie in Überlegungen ähnlicher Art ein. In einem Zusatz­vertrag zum Friedens­vertrag mit Russland wurde das Recht der Russland­deutschen auf Rückwanderung festgeschrie­ben. In den Monaten der deutschen Besetzung der Ukraine, als theoretisch die Möglichkeit einer Umsiedlung gegeben war, stellte sich aber heraus, dass die deutsche Reichsregierung wegen der Ernährungslage und aus anderen Gründen nicht an einer Massenrückwan­derung inter­essiert war und gegenüber den ver­schiedensten Projekten auf Zeitgewinn arbeitete. Die Oberste Heeresleitung sympathisierte einige Wochen lang mit dem von einigen Führern der Russland­deutschen geäußerten Gedanken der Konzentration aller Deutschen in einem ge­schlossenen Siedlungsgebiet am Schwar­zen Meer; die Reichsregierung lehnte im Juni 1918 nach anfänglich unklarer Haltung derartige Pläne ab. Das Ende des Krieges im Westen und der Abzug der deutschen Truppen Ende 1918 machten schließlich alle Überlegungen hinfällig.

5. Diskurse und Kontroversen zur Kultur und Geschichte der Deutschen im Russischen Reich

Wer ist Russlanddeutscher?

In der Literatur über die Deutschen im Russischen Reich herrscht nicht immer Klarheit darüber, wer überhaupt als Deutscher bzw. als Russlanddeutscher gelten kann. Im Falle der bäuerlichen Kolonisten ist diese Frage in der Regel leicht zu beantworten, da sie als Angehörige einer Gruppe fassbar sind und vor 1917 in diesem Milieu gemischtnationale Ehen, Assimilation und Akkulturation keine große Bedeutung hatten. Bei der städtischen Bevölkerung liegen die Verhältnisse komplizierter, denn sie zerfiel in sehr unterschiedliche Kategorien: Da gab es Handwerker, Gewerbetreibende oder Personen, die über den Erwerb von Bildung aus den bäuerlichen Kolonien in die Stadt gezogen waren. Sie waren russische Staatsangehörige und dauerhaft in Russland ansässig. Ein beträchtlicher Teil der Deutschen in den Städten Russlands kam aber aus dem Ausland, besaß eine deutsche Staatsangehörigkeit und hielt sich nur vorübergehend, etwa als Geschäftsmann, Arzt oder Pfarrer, in Russland auf. Diese Personen konnten durchaus eine Identifizierung mit Russland entwickeln, sie hielten aber die Verbindung mit ihrem Heimatland aufrecht und kehrten wieder dorthin zurück. Sowohl die einen wie auch die anderen waren (zumindest für eine gewisse Zeit) "Deutsche im Russischen Reich", aber nur die einen waren "Russlanddeutsche". Ihre Geschichten können nicht einfach zu einer gemeinsamen Geschichte vereint werden, hatten aber eine gemeinsame Schnittmenge, denn sie kommunizierten miteinander, trafen sich in Vereinen, sprachen eine gemeinsame Sprache.

Komplizierend kommt hinzu, dass in den Städten Mischehen zwischen Deutschen und Russen (oder Angehörigen anderer Nationalitäten) sowie Assimilation, Akkulturation und Konfessionswechsel eine größere Rolle spielten. Deutsche Familiennamen und selbst deutsche Vornamen sind daher nur ein Indiz, aber kein sicherer Beleg für eine deutsche kulturell-ethnische Identität oder Selbstzuordnung. Viele Träger deutscher Namen hatten zwar deutsche Vorfahren, sprachen aber Russisch, waren russisch-orthodox getauft oder fühlten sich nicht als Deutsche. Diese unklaren Verhältnisse stellen den Historiker häufig vor Probleme, wenn es etwa darum geht, die personelle Zusammensetzung von Behörden, Selbstverwaltungsorganen oder Firmen zu beurteilen oder Aussagen über den Grad der Integration von Deutschen in die russische Gesellschaft zu treffen. Der gerne beschrittene Weg über die Namen ist äußerst unzuverlässig. Das gilt im Besonderen für den höheren Staatsdienst und die Armee. Die vielen Träger von deutschen Namen in diesen Milieus hatten deutsche Vorfahren wie Finanzminister Sergej Vitte (Witte; 1849–1915), Innenminister Vjačeslav fon Pleve (von Plehwe; 1846–1904) oder General Pëtr Vrangel' (Wrangel; 1878–1928), können jedoch nicht unbesehen als "Deutsche" reklamiert werden; es muss vielmehr in jedem Einzelfall geprüft werden, inwieweit eine "deutsche" Identität vorhanden war.

Frage der Identität

Überhaupt ist die Identität als "Deutscher" oder "Russlanddeutscher" ein schwieriges Kapitel, das häufig zu vereinfacht dargestellt wird. Selbst bei den bäuerlichen Kolonisten, die nach objektiven Kriterien (Sprache, Kultur, Konfession, Abstammung) Deutsche waren, ist es problematisch, vor 1914 von "Russlanddeutschen" zu sprechen. Die deutschen Dörfer bewahrten zwar bis nach dem Ersten Weltkrieg ihren geschlossenen Charak­ter. Die Geschlossenheit war al­lerdings weniger eine ethnische als eine konfessionelle. Die Kon­fession war in jeder Hinsicht das bestimmende Gruppenmerkmal und zog scharfe Trennlinien zwischen Lutheranern, Mennoniten, Reformierten und Katholiken. Gegen­über den orthodo­xen Russen und Ukrainern erfüllte dieses konfessionelle Gruppenbe­wusstsein eine nationale Funktion, weil es Mischehen verhinderte. Gleichzei­tig verzögerte es jedoch das Entstehen eines nationalen Gruppenbewusstseins der Russlanddeutschen, das erst als ein Bewusstsein der gemeinsam erlittenen Verfolgung im Ersten Weltkrieg entstehen und sich durch die Deportation 1941 verfestigen sollte.

Bei den Deutschbalten war deutschnationales Gedankengut schon im 19. Jahrhundert anzutreffen, und es bestanden intensive Kontakte nach Deutschland, aber daneben gab es auch ein starkes Standesbewusstsein, das die deutschbaltischen Adeligen von den bäuerlichen Kolonisten abgrenzte. Als die Deutschbalten in der Revolution von 1905 in Konflikt mit den lettischen und estnischen Bauern gerieten, suchten sie einerseits Rückhalt bei ihren russischen Standesgenossen, versuchten andererseits ihre Stellung durch die Ansiedlung deutscher Bauern aus anderen Teilen des Russischen Reiches zu stärken.

Aspekte einer vergleichenden Betrachtung

Die vergleichende Betrachtung der Deutschen und anderer ethnischer Gruppen hat in der jüngsten Forschung eine Veränderung erfahren. Traditionell ist es in der Literatur üblich, die Unterschiede hervorzuheben und zu zeigen, worin sich etwa die deutschen Kolonisten von den russischen oder ukrainischen Bauern abhoben. Schon die Zeitgenossen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts hatten die deutschen Dörfer als Inseln der Andersartigkeit beschrieben. Russische Durchreisende erzählten von "deutscher Ordnung" und Sauberkeit und charakterisierten die Kolonisten als fleißiger und nüchterner als ihre Nachbarn. Auch die Kolonisten selbst legten Wert darauf, sich von den russischen und ukrainischen Bauern abzugrenzen. Sie fühlten sich ihnen überlegen, charakterisierten sie als armselig, rückständig und dem Alkohol verfallen, stilisierten sich im Kontrast dazu selbst gerne als "Musterlandwirte".

Dass zwischen den Kolonisten und ihrer Umwelt Unterschiede bestanden, ist unstrittig, vor allem was die rechtliche Lage, die ökonomische und soziale Entwicklung oder auch das Schulwesen betrifft. Ohne diese Sachverhalte in Abrede zu stellen, wurde in der neueren Forschung die Frage aufgeworfen, ob nicht jenseits der bekannten Ethnostereotype und realen strukturellen Unterschiede auch Gemeinsamkeiten über die ethnischen und konfessionellen Gruppen hinweg bestanden. Besonders im Hinblick auf kulturelle Faktoren, Lebensweisen, Einstellungen, Prägungen und Verhaltensweisen relativiert sich manche bisher als Besonderheit wahrgenommene Eigenart der deutschen Kolonisten und erscheint weniger als ethnisches Spezifikum denn als Variante einer russländisch-bäuerlichen Lebensweise.

6. Bibliographische Hinweise

Gesamtdarstellungen und Einführungen

  • Thomas M. Bohn, Dietmar Neutatz (Hg.): Studienhandbuch Östliches Europa. Bd. 2: Geschichte des Russischen Reiches und der Sowjetunion. 2., überarb. Aufl. Köln u. a. 2009.
  • Carsten Goehrke: Russland. Eine Strukturgeschichte. Paderborn u. a. 2009.
  • Heiko Haumann: Geschichte Rußlands. München 1996.
  • Manfred Hellmann, Gottfried Schramm, Klaus Zernack (Hg.): Handbuch der Geschichte Rußlands. 4 Bde. Stuttgart 1981–2002.
  • Geoffrey A. Hosking: Russland. Nation und Imperium 1552–1917. Berlin 2003.
  • Andreas Kappeler: Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. München 1992.
  • Maureen Perrie, Dominic Lieven (Hg.): The Cambridge History of Russia. 3 Bde. Cambridge u. a. 2008 [auch online im Volltext verfügbar].
  • Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Rußlands. München 1997.
  • Hans-Joachim Torke (Hg.): Lexikon der Geschichte Rußlands. Von den Anfängen bis zur Oktober-Revolution. München 1985.

Zeitschriften

  • The Russian Review
  • Rossijskaja istorija (1992–2008: Otečestvennaja istorija, 1957–1992: Istorija SSSR)

Literatur zu den Deutschen im Russischen Reich

  • Baltische Bibliographie. Marburg 1995ff.
  • Detlef Brandes, Margarete Busch, Kristina Pavlović, Victor Dönninghaus: Bibliographie zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. 2 Bde. München 1994–2000 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 4, 13).
  • V. F. Dizendorf (Hg.): Nemcy v istorii Rossii. Dokumenty vysšich organov vlasti i voennogo komandovanija 1652–1917 [Die Deutschen in der Geschichte Russlands. Dokumente der höchsten Machtorgane und der Militärbefehlshaber]. Moskva 2006.
  • Alfred Eisfeld u. a.: Die Russlanddeutschen. 2., erw. u. akt. Aufl. München 1999 (Vertreibungsgebiete und vertriebene Deutsche 2).
  • Ingeborg Fleischhauer: Die Deutschen im Zarenreich. Zwei Jahrhunderte deutsch-russischer Kulturgemeinschaft. Stuttgart 1986.
  • Victor Herdt, Dietmar Neutatz (Hg.): Gemeinsam getrennt. Bäuerliche Lebenswelten des späten Zarenreiches in multiethnischen Regionen am Schwarzen Meer und an der Wolga. Wiesbaden 2010 (Veröffentlichungen des Nordost-Instituts 7).
  • Nemcy Rossii. Ėnciklopedija [Die Russlanddeutschen. Enzyklopädie]. 4 Bde. Moskva 1999–2006.
  • Gert von Pistohlkors (Hg.): Baltische Länder. Berlin 1994 (Deutsche Geschichte im Osten Europas).
  • Gerd Stricker (Hg.): Russland. Berlin 1997 (Deutsche Geschichte im Osten Europas).

Anmerkungen

[1] "Russländisches Reich" ist die genauere Übersetzung der offiziellen russischen Bezeichnung. Sie bringt den Vielvölkercharakter des Imperiums und die im Russischen übliche Differenzierung zwischen russkij und rossijskij zum Ausdruck. Ersteres Adjektiv ist auf das Ethnikum und die Sprache bezogen, letzteres auf den Staat.

[2] Vgl. den Sammelband von Herdt, Neutatz: Gemeinsam getrennt.

Zitation

Dietmar Neutatz: Russland/Russisches Reich. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2013. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p41372 (Stand 01.09.2020).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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