Kalotscha/Kalocsa

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Kalotscha, Kollotschau

Amtliche Bezeichnung

ung. Kalocsa

Lateinische Bezeichnung

Colocia

Etymologie

Bezüglich der Herkunft des Ortsnamens existiert eine Reihe von Theorien. Der Humanist Petrus Ransanus nahm an, dass der Name auf das vormals auf diesem Gebiet ansässige Volk der Colotiana zurückgeht. Laut der mehrheitlich akzeptierten Theorie leitet sich die Bezeichnung von dem slawischen Wort kaluzsni her und verweist auf die sumpfige Beschaffenheit des Gebiets.

2. Geographie

Lage

Kalotscha liegt auf 46o 32' nördlicher Breite, 18o 59' östlicher Länge, 120 km von Budapest entfernt.

Topographie

Kalotscha liegt im Gebiet zwischen Donau und Theiß, auf der linken Seite der Donau im Zentrum des Sárköz von Kalotscha. Der Vajas, ein Nebenfluss der Donau, durchfließt die Stadt.

Region

Südliche Große Ungarische Tiefebene (Dél-Alföld)

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Republik Ungarn. Kalotscha gehört zum Komitat Bács-Kiskun (Bács-Kiskunmegye) und zum Kleingebiet Kalotscha (Kalocsai Kistérség). Die Stadt ist Sitz des Erzbistums Kalocsa-Kecskemét, das auch für die in diesem Gebiet siedelnden römisch-katholischen Deutschen zuständig war.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Im roten Feld des Stadtwappens ist eine Burgmauer mit zwei Basteien und einem Tor zu sehen. Auf beiden Basteien steht jeweils ein Storch mit einer goldenen Schlange im Schnabel. Über der Burgmauer befindet sich ein Malteserkreuz (Symbol des Erzbistums). Im unteren Teil des Wappenschildes ist eine blaue Fläche als Symbol der für die Stadtgeschichte wichtigen Donau abgebildet.

Archäologische Bedeutung

In Kalotscha wurden Gräber aus der Bronzezeit und aus der Zeit der ungarischen Landnahme entdeckt.

Mittelalter

Seit Ende des 9. Jahrhunderts herrschten hier die Arpaden. Nach dem Sieg über die "Schwarzen Ungarn" (Ungri Nigri) gründete König Stephan I. (der Heilige) zeitgleich das Erzbistum Kalotscha und das Bistum Fünfkirchen/Pécs.

König Ladislau I. (1077–1095) gründete das zweite Zentrum des Erzbistums in Batsch/Bács mit dem Ziel, die südlichen Einflussgebiete Ungarns für die römisch-katholische Kirche zu missionieren. Die Burg wurde im 14. Jahrhundert errichtet und war durchgehend im Besitz des Erzbistums. 1405 wurde die Stadt zur Minderstadt erhoben. Zwei Erzbischöfe verloren ihr Leben in Schlachten zur Verteidigung Ungarns: Ugrin Csák bei Muhi (1242) im Kampf gegen die Mongolen und Pál Tomori bei Mohatsch/Mohács (1526) gegen die Osmanen.

Neuzeit

Die Siedlung wurde 1529 von den Osmanen besetzt; sowohl der Klerus als auch ein Teil der Bewohner konnten entkommen. Beim Abzug der Osmanen 1686 wurde die Burg samt umliegenden Gebäuden zerstört. Mit der Wiedererrichtung des Erzbistums 1710 begann der Neuaufbau der Ortschaft. Ungarn und Südslawen aus umliegenden Komitaten siedelten sich in Kalotscha an, das 1713 erneut die Rechte einer Minderstadt erhielt. Nachdem 1872 der Status einer Minderstadt abgeschafft worden war, wurde Kalotscha 1875 zur Großgemeinde; 1921 erhielt es den Rang einer Stadt.

Zeitgeschichte

Obwohl Kalotscha von den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs nicht direkt betroffen war, verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum im 20. Jahrhundert. Infolge der kommunistischen Machtübernahme kam es 1951 zu einem Schauprozess gegen Erzbischof József Grősz, in dessen Verlauf mehrere Kleriker hingerichtet wurden. Dank ihrer Landwirtschaftsunternehmen begann sich die Stadt in der Zeit nach 1961 wieder zu entwickeln.

Verwaltung

Selbstverwaltung der Stadt Kalotscha.

Bevölkerung

Aufgrund von Steuerkonskriptionen aus dem 16. und 17. Jahrhundert wird geschätzt, dass der Ort damals ca. 600–700 Einwohner hatte. 1880 waren 92,52 % der 15.789 Einwohner ungarischer und 2,57 % deutscher Sprachzugehörigkeit. 1910 lebten nur noch 11.727 Menschen hier, davon sprachen 97,02 % Ungarisch und 2,17 % Deutsch.[1] 2011 lebten in Kalotscha 17.165 Personen. Die ethnische Zusammensetzung (2001): Ungarn: 95,2 %; Sinti und Roma: 3,4 %; Deutsche: 1,2 %; Kroaten: 0,3 %; Serben und Slowaken: jeweils 0,2 %.[2]

Wirtschaft

Ein wichtiges Unternehmen der Stadt ist die Kalotschaer Gewürzpaprika GmbH (Kalocsai Fűszerpaprika Zrt.) für die Verarbeitung der in der Umgebung produzierten Paprika.

Religions- und Kirchengeschichte

Konfessionelle Zugehörigkeit der Bewohner: 1880: 95,52 % römisch-katholisch, 3,68 % mosaisch, unter 1 % reformiert; 1910: 93,03 % römisch-katholisch, 5,05 % mosaisch, 1,49 % reformiert;[3] 2001: 68,6 % römisch-katholisch, 6,9 % reformiert, 1 % evangelisch-lutherisch, 22,4 % konfessionslos.[4]

Besondere kulturelle Institutionen

Die erzbischöfliche Bibliothek von Kalotscha verfügt mit 130.000 Bänden über die älteste und größte Sammlung der Region. Weitere Einrichtungen: Erzbischöfliche Schatzkammer, Theater, Paprikamuseum.

Bildung und Wissenschaft

Das erste Gymnasium in Kalotscha wurde 1764 gegründet, bis 1859 von den Piaristen, danach von den Jesuiten geführt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine pädagogische Schule, später eine Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik gegründet. Heute besteht in Kalotscha zudem das Hl.-Stephan-Gymnasium (Szent István Gimnázium). Das Diözesanarchiv (Kalocsai Főegyházmegyei Levéltár) bewahrt wichtige Quellen zur Kirchengeschichte der Region, auch der deutschen Siedler, auf.

Alltagskultur

Im 19. Jahrhundert wurden Erzeugnisse der Volkskunst aus Kalotscha (z. B. Holzschnitzerei, Wandmalerei, Hafnerei) in weiten Kreisen bekannt. Die traditionelle Stickerei aus Kalotscha genießt heute internationale Anerkennung.

Kunstgeschichte

Erzbischof Ádám Patachich (1776–1784) ließ den erzbischöflichen Palast und das Schloss im Barockstil errichten; auch die erzbischöfliche Bibliothek und das Priesterseminar sind mit seinem Namen verbunden. Erzbischof Gábor Patachich (1733–1745) ließ die Kathedrale im Stil des italienischen Barock bauen. Die dreischiffige Basilika mit zwei Türmen erhielt ihre heutige Form während der Umbauarbeiten zwischen 1910 und 1912.

Musik

Der mit Kardinal Lajos Haynald (1867–1891) befreundete Pianist und Komponist Franz Liszt hielt sich wiederholt in Kalotscha auf und gab hier Konzerte.

4. Diskurse/Kontroversen

Gegenwärtig gibt es eine Kontoverse bezüglich der Gründung des Erzbistums Kalotscha. Die Mehrheit der beteiligten Historiker ist sich einig, dass Kalotscha um 1002 als Bistum gegründet und einige Jahre später, mit der Erweiterung der Kirche, zur Erzdiözese erhoben wurde. Neuere Forschungen lassen indes annehmen, dass König Stephan I. das kirchliche Zentrum im Jahr 1009 gegründet und sofort zum Erzbistum erhoben hat.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • István Boros: Bibliothek des Münsters von Kalocsa. Budapest 1994.
  • László Koszta: State Power and Ecclesiastical System in Eleventh Century Hungary. In: István Petrovics, Sándor László Tóth (Hg.): "In my spirit and thought I remained a European of Hungarian origin". Medieval Historical Studies in Memory of Zoltán J. Kosztolnyik. Szeged 2010, S. 67-78.
  • László Koszta (Hg.): Kalocsa történetéből [Aus der Geschichte von Kalotscha]. Kalocsa 2000.
  • Antal Molnár: Le Saint-Siège, Raguse et les missions catholiques de la Hongrie Ottomane 1572–1647. Rome, Budapest 2007 (Bibliotheca Academiae Hungariae-Roma, Studia 1).
  • Kálmán Tímár: Liszt Ferenc és Kalocsa. Adatok Kalocsa zenetörténetéhez. [Franz Liszt und Kalotscha. Beiträge zur Musikgeschichte Kalotschas]. Kalocsa 1936.
  • Tamás Tóth: La rinascita della Chiesa d'Ungheria dopo la conquista turca nell'attività di Gábor Patachich e di Ádám Patachich, Arcivescovi di Kalocsa-Bács (1733–1784). Roma 2006.
  • József Török, László Legeza: A kalocsai érsekség évezrede [Das Jahrtausend der Erzdiözese Kalotscha]. Budapest 1999.
  • József Udvardy: A kalocsai érsekek életrajza (1000–1526) [Das Lebensbild des Erzbischofs von Kalotscha (1000–1526)]. Köln 1991 (Dissertationes Hungaricae ex historia Ecclesiae 11).

Weblinks

Anmerkungen

[1] Ernő Deák: Königliche Freistädte - Munizipalstädte. Das Städtewesen der Länder der ungarischen Krone (1780–1918). Teil 2: Ausgewählte Materialien zum Städtewesen A. Wien 1989 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen der Kommission für Wirtschafts-, Sozial- und Städtegeschichte 4), S. 717-718.

[2] Zsuzsanna Józsa (Hg.): A Magyar Köztársaság helységnévtára 2003 [Das Ortsverzeichnis der Republik Ungarn]. Budapest 2003.

[3] Deák: Königliche Freistädte, S. 718.

[4] Zsuzsanna Józsa (Hg.): A Magyar Köztársaság helységnévtára 2003 [Das Ortsverzeichnis der Republik Ungarn 2003]. Budapest 2003.

Zitation

Tamás Fedeles: Kalotscha/Kalocsa. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32221 (Stand 30.07.2021).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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