Beuthen O.S./Bytom

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Beuthen O.S.

Amtliche Bezeichnung

poln. Bytom

Etymologie

„Bytom“ und alle Ableitungen des Namens gehen auf einen Personennamen zurück, der nicht eindeutig überliefert ist. Eine mögliche Ableitung des Stadtnamens von dem slawischen „hier gewesen“ (resp. poln. „być“ = sein) gründet auf einer Legende und gilt als falsch.

2. Geographie

Lage

50° 21′ nördlicher Breite, 18° 55′ östlicher Länge, 10,4 km von Hindenburg/Zabrze, 13 km von Kattowitz/Katowice und 20 km von Gleiwitz/Gliwice entfernt.

Topographie

Beuthen liegt im Zentrum des Oberschlesischen Hochlands auf 249–330 m ü. NHN. Der Trockenberg (Sucha Góra) ist mit 330 m ü. d. M. der höchste Punkt der Stadt; eine andere Erhebung ist der St. Margarethenhügel. Der größte Teil der Stadt befindet sich innerhalb des sogenannten Miechowitzer Hochlands, das im Osten in das Siemianowitzer Hochland übergeht. Das Miechowitzer Hochland besteht aus Schiefer- und Sandgestein mit Steinkohle- und Eisenflözen. In der Beuthener Mulde, die sich im Norden des Hochlandes befindet, liegen Triasgesteine mit Dolomit, in welchem Zink, Blei und Eisen vorkommen. Die Stadt wird im Norden durch die Flüsse Drama, Scharley (Szarlejka) und die Brinitz (Brynica), im Süden durch das Beuthener Wasser (Bytomka) umgrenzt.

Region

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Polen. Beuthen ist eine kreisfreie Stadt in der Woiwodschaft Schlesien (letzte Reform von 1999) und gehört zur Diözese Gleiwitz des römisch-katholischen Erzbistums Kattowitz.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Stadtwappen geht auf ein Stadtsiegel von 1350 zurück und wurde offiziell 1886 eingeführt. Es ist gespalten, links befindet sich ein nach rechts gewendeter Bergmann mit einer Hacke in der Hand auf silbernem Hintergrund. Rechts befindet sich ein halber goldener Adler auf blauem Grund.

Mittelalter

Beuthen wurde zum ersten Mal zwischen 1123 und 1125 vom päpstlichen Legaten Kardinal Aegidius von Tusculum als Bitom in einer Privilegsbestätigung für das Kloster Tyniec bei Krakau/Kraków erwähnt und entwickelte sich vom Margarethenhügel aus, wo um 1170 der Burgkastellan seinen Sitz hatte. Eine Siedlung an dieser Stelle ist durch archäologische Funde bereits für das 11. Jahrhundert belegt. Seit 1254 besaß die nach dem Mongoleneinfall neu aufgebaute Stadt das Magdeburger Stadtrecht; damit verlagerte sich das Zentrum vom Margarethenberg zum heutigen Kern um den Ring (zentraler Platz in der Altstadt) mit dem typischen gitterförmigen Straßennetz der Lokationsstädte. 1281 wurde Beuthen Sitz des schlesischen Herzogs Kasimir II. (von Cosel und Beuthen, 1256/1257–1312), der 1289 wegen seiner politischen Affinität zu Prag als erster schlesischer Herzog dem böhmischen König Wenzel II. (gest. 1305) huldigte. Nachdem 1355 die männliche Linie der schlesischen Piasten ausgestorben war, kam es zu Streitigkeiten um das Herzogtum. Diesen Auseinandersetzungen, vom Schiedsgericht Kaiser Karls IV. (1316–1378) in seiner Eigenschaft als böhmischer Landesherr entschieden, folgte 1369 die Trennung Beuthens von Cosel: Herzogtum und Stadt wurden unter den Herzögen von Teschen und Oels aufgeteilt.

1475 gab es in Beuthen einen Großbrand, 1476 wurde die Stadt von dem böhmischen und ungarischen König Matthias Corvinus (1443–1490) erobert. 1498 erwarb Herzog Johann II. (1476–1532) Beuthen und verband es mit seinem Herzogtum Oppeln; nach seinem Tod fiel es an die böhmische Krone zurück.

Neuzeit

1526 kam Beuthen als böhmisches Territorium zum Habsburgerreich. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde es 1627 von dänischen Truppen geplündert, 1643 von Schweden überfallen. Von Kaiser Ferdinand II. (1578–1637) als Pfand an Lazarus Henckel von Donnersmarck (1551–1624) verliehen, erwarb dieser die Stadt 1629. Der Kaiser erhob Beuthen 1697 zur Freien Standesherrschaft. 1742 wurde Beuthen preußisch.

19. und 20. Jahrhundert

In den Napoleonischen Kriegen wurde Beuthen in Mitleidenschaft gezogen: 1813 wurden ca. 300 Verwundete in die Stadt gebracht, die eine Typhusepidemie auslösten.

Innerhalb der preußischen Provinz Schlesien gehörte die Stadt 1815–1919 zum Regierungsbezirk Oppeln, 1919–1938 sowie 1941–1945 zur neu gebildeten Provinz Oberschlesien. 1818 wechselte der Landrat seinen Sitz von Tarnowitz/Tarnowskie Góry nach Beuthen; seit 1. April 1890 bildete die Stadt einen eigenen Stadtkreis.

Im frühen 19. Jahrhundert setzte mit dem Ausbau des Hüttenwesens ein stetiger wirtschaftlicher Aufschwung ein, der die Stadt rapide anwachsen ließ. 1885 hatte Beuthen 26.484, 1900 bereits 51.004 Einwohner.[1]

Am 9. November 1918 brach in Beuthen die Revolution aus. Bis zum 24. November 1918 war Anton Bias (1876–1945) Vorsitzender des örtlichen Soldatenrates. Am 20. März 1921 fand die Volksabstimmung über den Verbleib Oberschlesiens im Deutschen Reich statt. Von 39.991 Beuthener Wählern sprachen sich 29.889 (74,7 Prozent) für den Verbleib bei Deutschland aus, während von den 106.611 Wählern aus dem Umland 62.965 (59,1 Prozent) für die Zugehörigkeit zu Polen votierten.[2]

Der auf die Abstimmung folgende Dritte schlesische Aufstand forderte in Beuthen Todesopfer. Letztlich verblieb Beuthen als Grenzstadt im Deutschen Reich, nahm zahlreiche Deutsche aus dem östlichen, an Polen abgetretenen Teil Oberschlesiens auf und wurde Sitz verschiedener Institutionen der Verwaltung, Wirtschaft und Kultur.

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde Oberbürgermeister Dr. Adolf Knakrick (1886–1959; Zentrum) seines Amtes enthoben. Nach dem Überfall auf Polen und der Annexion der Woiwodschaft Schlesien durch das „Dritte Reich“ wurde Beuthen am 8. Oktober 1939 aus dem Regierungsbezirk Oppeln aus- und in den Regierungsbezirk Kattowitz eingegliedert. Während des Zweiten Weltkrieges bestimmten Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterbaracken das Stadtbild. Beuthen wurde zur „judenfreien“ Stadt erklärt; der erste nachgewiesene Transport von Juden in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz erfolgte am 15. Februar 1942 gerade aus Beuthen. Am 27. Januar 1945 wurde Beuthen von der Roten Armee eingenommen, wobei es zu Massenerschießungen und Gewaltakten gegen die Zivilbevölkerung kam. Am 15. Februar 1945 begann die Verschleppung vieler männlicher Einwohner im Alter zwischen 17 und 50 Jahren in die UdSSR, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten.

Ab Januar 1945 wurden zahlreiche Bewohner ins Reichsinnere evakuiert, viele Männer waren als Soldaten an den Fronten; es folgten Flucht sowie später Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bewohner Beuthens.[3]

Die folgende Polonisierung sogenannter Autochthoner und die Ansiedlung polnischer Vertriebener aus den sowjetisch gewordenen Ostgebieten des Polens der Vorkriegszeit änderten endgültig die bisherige Gesellschaftsstruktur in nationaler und sozialer Hinsicht. Der ethnischen Umstrukturierung folgte 1951 eine administrative Umgestaltung, im Zuge derer der Landkreis aufgelöst und Beuthen kreisfreie Stadt wurde (Eingemeindung von Bobrek, Hohenlinde/Łagiewniki, Karf/Karb, Miechowitz/Miechowice und Schomberg/Szombierki). 1975 folgten die Eingemeindungen von Friedrichswille/Górniki, Radzionka/Radzionków, Roitza/Rojca, Stollarzowitz/Stolarzowice und Trockenberg/Sucha Gora. 1998 erklärte sich Radzionkau/Radzionków zur selbständigen Stadt.

Die 1980er Jahre waren von Wohnungsmangel, industriell bedingter Umweltverschmutzung und Versorgungsengpässen bestimmt. Das Stadtbild wandelte sich mit der Errichtung neuer Plattenbauten und dem Abriss großer Areale der Altstadt aufgrund von Gebäudeschäden durch den Kohleabbau. In der Solidarność-Ära kam es auch in Beuthen zu mehreren Arbeiterstreiks, die zur Ausrufung des Kriegszustands führten. Am 27. Mai 1990 wurden in Beuthen zum ersten Mal nach 1945 freie Stadtratswahlen abgehalten.

Bevölkerung

Die Bevölkerungsentwicklung in Beuthen[4]:

1925: 62.543
1933: 102.413
1939: 101.084
1946: 93.179
1960: 182.578
1970: 187.500
1980: 234.292
1989: 229.851
2000: 201.942
2012: 162.596

Wirtschaft

Am Beginn der wirtschaftlichen Entwicklung Beuthens stehen der Holz- und Eisenhandel; noch 1933 gab es in Beuthen 58 Holzgroßhandels- und 102 Eisen-, Stahl- und Metallbetriebe. Bereits 1136 wurde bei Beuthen Silber gefördert und ab dem 13. Jahrhundert parallel das Bleivorkommen wirtschaftlich genutzt. Nach einem Streit um das Alleinförderrecht für Galmei zwischen Lazarus Henckel von Donnersmarck und Kasper Pielhrzym (1592–1684), dem Eigentümer von Bobrek, begann ab 1704 der moderne Steinkohlebergbau. 1755 entstand die erste Zeche in Orzegow/Orzegów; es folgten weitere Gründungen, unter anderem 1822 der Grube Florentine in Hohenlinde und der Hohenzollerngrube in Schomberg. 1930 gab es in der Stadt (ohne Landkreis) zwei Zechen: die Heinitzgrube (seit 1856) und die Carsten-Zentrum-Grube (seit 1876). Zu Beuthens Großindustriellen gehörten die Beuthen-Siemianowitzer Linie der Familie Henckel von Donnersmarck und Karl Godulla (1781–1848) in Bobrek, Miechowitz und Schomberg. 1890 erwarb die Bergwerksgesellschaft „Georg von Giesches Erben“ die Heinitzgrube. Für die Stadt blieben die Zinkhütten und zinkverarbeitenden Betriebe von Bedeutung: 1921 gründete Edgar Henckel von Donnersmarck (1859–1939) „The Henckel von Donnersmarck-Beuthen Estates Limited“ und ließ 1919 die Beuthengrube erbauen. Während des Zweiten Weltkriegs stiegen die Förderquoten der acht Steinkohlezechen in Beuthen samt Landkreis von 14.231.734 Tonnen 1940 auf 16.656.266 Tonnen 1943; ebenso nahm die Förderung der Bleizinkerze zu.

Bis 1989 arbeiteten in Beuthen außer den genannten Zechen die Hubertushütte in Hohenlinde und die Julienhütte in Bobrek, ferner waren die Kraftwerke „Miechowitz“ und „Oberschlesien“ in Schomberg in Betrieb. Gegenwärtig fördern noch die 2005 fusionierten Zechen „Centrum“ und „Bobrek“ als Bergwerk Steinkohle. 2011 waren hier 3.383 Personen beschäftigt; das Fördervolumen betrug 2010 2,2 Millionen Tonnen.

Hohe Arbeitslosigkeit ist infolge der wirtschaftlichen Umgestaltung zum permanenten Problem geworden: Im Januar 2007 betrug sie 21 Prozent, im Januar 2013 20,7 Prozent. Ihre Folgen zeigen sich auch im Stadtbild, denn die Stadt- und die Selbstverwaltung konnten aufgelöste Großbetriebe zumal Zechen, die bis 1989 Betriebswohnungen, Sport-, Kultur- und Bildungseinrichtungen etc. unterhalten hatten, als Träger sozialer Aufgaben nicht ersetzen.

Gesellschaft

Die Entwicklung zur modernen Industriestadt im 19. und 20. Jahrhundert war begleitet von sozialen und nationalen Spannungen: Die Industrialisierung der Stadt mit einem starken Bevölkerungszuwachs, dürftige Behausungen und Wohnungsnot waren genauso wie die Auseinandersetzung um die polnische Sprache politische Reizthemen. Dabei spielte auch die römisch-katholische Kirche eine zentrale Rolle, öffnete sie sich doch spätestens 1891 sozialen Problemen und befand sich in Preußen im Kulturkampf. Ihr Einfluss auf die nationale Zuschreibung der Bevölkerung war groß und bestimmend: Als die preußische Nationalversammlung im Mai 1848 in Berlin Vertreter für das Frankfurter Parlament wählte, wurde der polnische Wahlkreis von dem Beuthener Pfarrer Josef Schafranek (Józef Szafranek, 1807–1874) vertreten. Polnische Zeitungen erschienen, polnische Vereine wie der Polski Klub Narodowy wurden ins Leben gerufen. 1910 gaben 58,3 Prozent der Stadtbewohner Deutsch und 38,1 Prozent Polnisch als Muttersprache an; der Rest entfiel auf Zweisprachigkeit.[5] In der sogenannten Plebiszitzeit und während der schlesischen Aufstände erreichte die politische Agitation auf beiden Seiten den Höhepunkt und ordnete soziale Fragen nationalen Erklärungsmustern unter. Beuthen war seitdem auch durch seine grenznahe Lage geprägt: Es existierten ein Hauptzollamt mit 18 Grenzübergängen und ein Bahnhofsgleis für „Zwischen-Auslandsverkehr“.

Die Stadt wurde durch Bergwerksunfälle erschüttert (die größten 1923 Grube Heinitz, 1932 Grube Preußen). 1929 traf die Weltwirtschaftskrise die Stadt, 1930 betrug die Arbeitslosigkeit unter den bisherigen Bergleuten 26,9 Prozent, betroffen waren auch die Galmei-Förderung und folglich die Zinkproduktion mit einer Arbeitslosigkeit von 28 Prozent beziehungsweise 45 Prozent.

1925 fasste die NSDAP Fuß in der Stadt, 1933 stimmten bei den Parlamentswahlen 51,9 Prozent der Beuthener für die NSDAP, 25,4 Prozent für das Zentrum und 5,8 Prozent für Kommunisten. Die Arbeitslosigkeit sank, der Druck auf Stadtbewohner polnischer Option erhöhte sich zugleich, folglich verringerte sich die Zahl derjenigen, die polnisch-sprachige Heilige Messen besuchten, von 30,8  Prozent im Jahr 1933 auf 7,8 Prozent 1938.

Ein Teil der einberufenen Wehrmachtsoldaten wurde zur Bergarbeit abkommandiert, die Arbeitszeiten wurden verlängert und nach 1941 kamen die ersten sogenannten „Ostarbeiter“, die mit Kriegsgefangenen in den Zechen arbeiteten – auf diese Zeit datieren die Baracken im Stadtbild, die noch lange nach 1945 bestanden.

Die Abwanderung von sogenannten deutschen Aussiedlern in die DDR ab den 1950er Jahren, vor allem jedoch nach Westdeutschland ab 1970 und insbesondere Ende der 1980er Jahre sowie parallel dazu der politisch motivierte Gang ins Exil von polnischen Beuthenern trugen zu Bevölkerungsverlusten bei, die gleichwohl mit der Anwerbung von Arbeitskräften für die Zechen ausgeglichen werden konnten.

Viel gravierender wurde der Bevölkerungsverlust aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage der Stadt seit den 1990er Jahren infolge der wirtschaftspolitischen Reformen. Damit einher ging der Zusammenbruch zahlreicher lokalkultureller Verbände und Vereine, die bis dato die Infrastruktur der staatlichen Betriebe (Zechen, Eisenhütten, etc.) genutzt hatten und von diesen finanziell unterstütz worden waren.

In Beuthen wirken der Verband der Vertriebenen aus den Ostgebieten der Republik Polen, der Deutsche Freundschaftskreis im Bezirk Schlesien und die Autonomiebewegung Schlesiens.

Pressewesen

Ab 1875 erschien die Beuthener Zeitung, die 1919 in Ostdeutsche Morgenpost umbenannt wurde. Ferner gab es die Oberschlesische Grenz-Zeitung (ab 1881) und die Informationsblätter Beuthener Stadtblatt (ab 1872) sowie das Beuthner Kreisblatt (ab 1843). Überdies wurden Zeitungen in polnischer Sprache herausgegeben, zum Beispiel ab 1848 der Dziennik Górnośląski (Oberschlesisches Tagesblatt), denn Beuthen war vor 1918 das Zentrum der polnischen Presse in Oberschlesien. Dafür stand das Presseimperium von Adam Napieralski (1861–1928), in dem nicht nur der Katolik, sondern auch zahlreiche Regionalzeitungen in Beuthen erschienen.

Religions- und Kirchengeschichte

  1830[6] 1845[7] 1861[8] 1871[9]
Katholiken 92,3 % 75,7 % 77,0 % 79,1 %
Protestanten 6,4 % 6,9 % 9,9 % 13,5 %
Juden 1,3 % 17,43 % 13,1 % 7,3 %

1170 ist das erste gemauerte Kirchengebäude in Beuthen nachgewiesen, in dem zunächst Benediktiner, dann Prämonstratenser und die Breslauer Norbertiner (Prämonstratenser) wirkten. 1268 kam der Ordo Fratrum Minorum nach Beuthen, die St.-Nikolaus-Kirche wurde erbaut und das Minoritenkloster begründet. 1231 wurde die gotische Marienkirche fertiggestellt, 1432 besetzten Hussiten die Stadt und plünderten die Marienkirche. Da der Hussitismus in Beuthen offensichtlich an Einfluss gewonnen hatte, entsandte Papst Nikolaus V. (1397–1455) 1451 Johannes Capistranus (1386–1456) nach Schlesien; 1454 bemühte dieser sich, die Beuthener Bevölkerung zum katholischen Glauben zu bekehren. Noch vor dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) erstarkte der Protestantismus in Beuthen. Die Marienkirche war zwischen 1565 (offiziell ab 1569) und 1632 (offiziell bis 1629) eine protestantische Kirche. Zwischen 1852 und 1857 wurde sie im neugotischen Stil renoviert und dient heute als römisch-katholische Stadtpfarrkirche. Das Minoritenkloster wurde 1810 im Zuge der Säkularisation aufgelöst und zur Schule, die Minoritenkirche ab 1833 zur evangelischen Pfarrkirche umfunktioniert. Letztere löste man 1945 stillschweigend auf, woraufhin die Kirche von polnischen Ausgesiedelten aus der Ukraine als katholische Adalbertkiche (Kościół św. Wojciecha) genutzt wurde. Zu Zahlen der konfessionellen Zusammensetzung in der Zeit nach 1945 fehlen Quellen, was bis 1989 weniger nationalistische als viel mehr systempolitische Gründe hatte.

Im Mai 1653 bat der Beuthener Standesherr Graf Gabriel Henckel von Donnersmarck (1609–1666) den Stadtrat, Juden zu erlauben, eine Wirtschaft in der Stadt zu führen. Am 6. Januar 1656 erhielten jüdische Flüchtlinge aus dem Königreich Polen die Erlaubnis, sich in Beuthen niederzulassen. 1722 lebten 37, 1800 bereits 188, 1846 920, 1914 2.579 und 1936 3.148 Juden in der Stadt.[10] Die jüdische Gemeinde Beuthen konstituierte sich 1790, hatte aber bereits ab 1783 einen eigenen Friedhof und seit 1809 eine eigene Synagoge, die 1869 durch einen Neubau ersetzt wurde.

Beuthen gehörte bis 1821 zum (Erz-)Bistum Krakau, dann zur Diözese Breslau/Wrocław. Die katholische Kirche reorganisierte 1935 die Grenzen des Dekanats Beuthen und teilte es in das Stadtdekanat und das Miechowitzer Dekanat auf. Kirchenrechtlich verblieb Beuthen bis 1972 im Erzbistum Breslau, dann gehörte es bis 1992 dem Bistum Oppeln/Opole an. Seitdem ist Beuthen Teil der neugegründeten Diözese Gleiwitz des Erzbistums Kattowitz.

Zahlreiche römisch-katholische Kirchen entstanden im späten 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, unter anderem St. Trinitatis (1884), St. Hyazinth (1920) und St. Barbara (1928–1931). 1901 wurde die Schrotholzkirche aus Milkutschitz O/S in den Beuthener Stadtpark überführt; sie fiel 1986 einem Brand zum Opfer.

Bildung und Wissenschaft

Die erste (katholische Pfarrei-)Schule in Beuthen wird auf 1428 datiert. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es eine jüdische Schule, 1830 eine zweite. 1843 entstand eine evangelische Schule. 1867 wurde das erste Gymnasium, das spätere Königliche Hindenburggymnasium, eröffnet, 1906 folgte das Katholische Lehrerseminar und 1930 die Pädagogische Akademie. Ab 1927 gab es eine Fachschule für soziale Berufe und ab 1932 auch ein polnisches Gymnasium. Die Staatliche Baugewerkschule existierte zwischen 1922 und 1945 in Beuthen. Die seit 1945 bestehende Musikschule – in den Gebäuden des Cieplik´schen Konservatoriums (gegründet 1910) untergebracht – ist ein zweistufiges Gymnasium. Zudem sind seit 1955 eine allgemeinbildende Ballettschule und ein Fachgymnasium in Beuthen ansässig. Gegenwärtig (2012) hat Beuthen sieben Gymnasien und drei Technische Fachoberschulen, seit 1997 auch eine private Hochschule für Wirtschaft und Verwaltung.

Besondere kulturelle Institutionen

Das 1901 eröffnete Oberschlesische Landestheater war ab 1945 Wirkungsstätte für polnische Künstler des Opernhauses Lemberg/Lwów und ist seitdem auch Oper der Stadt Beuthen (Opera bytomska). 1925 wurde die Städtische Gemäldegalerie gegründet. Ab 1910 setzte sich der Beuthener Geschichts- und Museumsverein für einen Museumsbau ein, der mit dem 1932 eröffneten Oberschlesischen Landesmuseum schließlich realisiert werden konnte. Das im Mai 1946 neu gegründete Oberschlesische Museum (Muzeum Górnośląskie) steht in dessen Tradition. Seit 2009 sind ein Automobilmuseum und das Erlebnismuseum „Oberschlesische Schmalspurbahnen“ in der Stadt angesiedelt.

In Beuthen findet jährlich das Festival „Teatromania“ statt. Bedeutender kultureller Bestandteil ist die Pflege der Bergmanns- als Volkskultur mit zahlreichen Zechenorchestern.

Sport

Hervorzuheben ist der „Spiel- und Sportverein 09“ mit seiner Fußballmannschaft „Beuthen 09“, die in den 1930er Jahren oft oberschlesischer und südostdeutscher Meister wurde; es bestanden zahlreiche weitere deutsche und einige polnische Fußballvereine vor 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden mit „GKS Szombierki“ (polnischer Meister 1980) und „Polonia Bytom“ (polnischer Meister 1954, 1962) zwei polnische Fußballvereine gegründet.

4. Kontroversen

Die meisten Kontroversen zur Stadtgeschichte drehen sich um die nationale (polnische oder deutsche) Interpretation der sozialpolitischen Wirklichkeit, tangieren also Fragen nationaler Identität. Vor allem ältere entsprechende Deutungen beziehen sich dabei unter anderem auf die politisch-administrative Zugehörigkeit Beuthens, also auf dessen kirchenrechtliche Bindung an das polnische Bistum Krakau einerseits und den weltlichen Anschluss an das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) andererseits. Diese Interpretationen aus dem nationalen Paradigma werden auch um das Thema der Volksabstimmung 1921 aufgestellt.

Seit den 1990er Jahren gilt die Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion zunehmend möglicher lokaler Identität, was sich in der sozialpolitischen Realität in der Gründung von Vereinen, Gruppierungen und Parteien ausdrückt.

Aktuell sind zudem Debatten um die Deutung der städtischen Wirtschaftsgeschichte zu beobachten, die angesichts der Bergschäden an der Oberfläche und der durch sie verursachten Zerstörung der Bausubstanz der Altstadt auf eine generelle Bewertung des extensiven Steinkohlebergbaus unterhalb der Stadt abzielen.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Gabriela Bożek (Hg.): Bytom i jego dziedzictwo w 750-lecie nadania praw miejskich [Beuthen und seine Geschichte zur 750-Jahr-Feier der Verleihung der Stadtrechte]. Bytom 2004.
  • Jan Drabina: Historia Bytomia. Od średniowiecza do współczesności 1123–2010 [Geschichte Beuthens. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart 1123–2010]. Bytom 2010.
  • Jan Drabina (Hg.): Z dziejów dzielnic Bytomia [Aus der Geschichte der Stadt Beuthen]. Bytom 1991.
  • Wacław Długoborski (Hg.): Bytom. Zarys rozwoju miasta [Beuthen. Überblick über die Entwicklung der Stadt]. Warszawa 1979.
  • Karl Kasperkowitz (Hg.): Die deutsche Stadt Beuthen O/S und ihre nächste Umgebung. Berlin-Friedenau 1925.
  • Peter Maser: Jüdische Gemeinden in Oberschlesien – Beuthen. In: Peter Maser, Adelheid Wieder (Hg.): Juden in Oberschlesien, T. 1. Berlin 1992, S. 72–86.
  • Alfons Perlick (Hg.): Beuthen O/S. Ein Heimatbuch des Beuthener Landes. Dortmund 1962.
  • Sebastian Rosenbaum, Dariusz Węgrzyn (Hg.): Wywózka. Deportacja mieszkańców Górnego Śląska do obozów pracy przymusowej w Związku Sowieckim w 1945 r. Faktografia – konteksty – pamięć [Abschiebung. Die Deportation der Bewohner von Oberschlesien in Zwangsarbeitslager in der Sowjetunion im Jahre 1945. Faktographie – Kontexte – Erinnerung]. Katowice 2014.
  • Hugo Solger: Der Kreis Beuthen in Oberschlesien mit besonderer Berücksichtigung der durch Bergbau und Hüttenbetrieb in ihm hervorgerufenen eigenthümlichen Arbeiter- und Gemeine-Verhältnisse. Breslau 1860.
  • Barbara Szczypka-Gwiazda: Pomiędzy praktyką a utopią. Trójmiasto Bytom – Zabrze – Gliwice jako przykład koncepcji miasta przemysłowego czasów Republiki Weimarskiej [Zwischen Praxis und Utopie. Die Dreistädteeinheit Beuthen – Hindenburg – Gleiwitz als Beispiel der Konzeption der Industriestadt während der Weimarer Republik]. Katowice 2003.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Alfons Perlick (Hg.): Beuthen O/S. Ein Heimatbuch des Beuthener Landes. Dortmund 1962, S. 24; diese Zahlen (etwas ungenauer im Diagramm dargestellt) auch in: W. Immerwahr: Geschichtlicher Rückblick. In: Karl Kasperkowitz (Hg.) Die deutsche Stadt Beuthen O/S und ihre nächste Umgebung. Berlin-Friedenau 1925, S. 11–18, hier S. 15.

[2] Józef Larisch: Historia Szombierek [Geschichte Schombergs]. Bytom 2011, S. 85.

[3] Zwischen dem 15. Juni 1945 und Ende 1947 wurden 25.059 Beuthener ausgesiedelt, also war unabhängig von den früheren Evakuierungen und der Kriegsgefangenschaft zahlreicher Männer jeder dritte Stadteinwohner betroffen (vgl. Jan Drabina: Bytom powojenny 1945–2002 we wspomnieniach i na fotografiach [Beuthen 1945–2002 in Nachkriegserinnerungen und Fotos]. Bytom 2002, S. 40f.).

[4] Mitteilung der Stadtverwaltung Beuthen/Bytom über aktuelle Bevölkerungszahlen an den Autor vom 23. Aug. 2012. Ferner siehe Literaturhinweise.

[5] Drabina: Historia Bytomia [Geschichte Beuthens]. S. 208.

[6] Johann G Knie: Alphabetisch-statistisch-topographische Übersicht der Dörfer, Flecken, Städte und andern Orte der Königl. Preuss. Provinz Schlesien nebst beigefügter Nachweisung von der Eintheilung des Landes nach den Bezirken der drei königlichen Regierungen, den darin enthaltenen Fürstenthümern und Kreisen, mit Angabe des Flächeninhaltes, der mittlern Erhebung über die Meeresfläche, der Bewohner, Gebäude, des Viehstandes usw. Breslau 1830, S. 57.

[7] Johann G Knie: Alphabetisch-statistisch-topographische Übersicht der Dörfer, Flecken, Städte und andern Orte der Königl. Preuss. Provinz Schlesien nebst beigefügter Nachweisung von der Eintheilung des Landes nach den Bezirken der drei königlichen Regierungen, den darin enthaltenen Fürstenthümern und Kreisen, mit Angabe des Flächeninhaltes, der mittlern Erhebung über die Meeresfläche, der Bewohner, Gebäude, des Viehstandes usw. Breslau 1845, S. 786.

[8] Felix Tries: Topographisches Handbuch von Oberschlesien. Breslau 1865, S. 318.

[9] F. Sulimierski, B. Chlebowski, W. Walewski (Hg.): Słownik geograficzny Królestwa Polskiego i innych krajów Słowiańskich [Geographisches Wörterbuch des Polnischen Königreichs und anderer slawischer Länder] Bd. I. Warszawa 1880, S. 519.

[10] Maser: Jüdische Gemeinden in Oberschlesien, S. 73, 76.

Zitation

Roman Smolorz: Beuthen/Bytom. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2014. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32424 (Stand 30.07.2021).

Nutzungsbedingungen für diesen Artikel

Copyright © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk entstand im Rahmen des Projekts „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ und darf vervielfältigt und veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie:

Wenn Sie fachliche Hinweise oder Ergänzungen zum Text haben, wenden Sie sich bitte unter Angabe von Literatur- und Quellenbelegen an die Redaktion.

(Stand: 19.01.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page