Olmütz/Olomouc

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Olmütz

Amtliche Bezeichnung

tsch. Olomouc

Anderssprachige Bezeichnungen

lat. Ebrurum oder Olomucium; mährisch-hannakisch Olomóc oder Holomóc; poln. Ołomuniec

Etymologie

Die Herkunft des erstmals 1055 in der Chronik des Cosmas von Prag bezeugten Namens „Olomucz“ ist umstritten. Am wahrscheinlichsten ist die Erklärung, dass sich „Olomouc“ von den beiden alttschechischen Wörtern „holy“ (= kahl) und „mauc“ (= Berg) ableitet, während die Ableitung von dem hypothetischen Personennamen „Olomút“ (assimiliert in der Endung zu c „Dorf in Olomuts Besitz“ bedeutend) in der Forschung keine Anerkennung gefunden hat.

2. Geographie

Lage

Olmütz liegt auf 49° 36’ nördlicher Breite, 17° 16’ östlicher Länge, 76 km nordöstlich von Brünn/Brno und 252 km östlich von Prag/Praha.

Topographie

Die sechstgrößte Stadt der Tschechischen Republik liegt in der fruchtbaren Hanna-Ebene (Haná) in Mittelmähren, in einer Flussaue der Mittleren March (Střední Morava) an der Einmündung der Feistritz (Bystřice). Die Stadtmitte erhebt sich dabei 219 m über N.H.N.

Region

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Tschechien. Verwaltungssitz der Region Olmütz (Olomoucký kraj); bis 1641 Hauptstadt Mährens. Seit 1526 mit den Ländern der Wenzelskrone habsburgisch, fungierte Olmütz seit 1850 als Bezirkshauptstadt (ebenso seit 1918 in der Ersten Tschechoslowakischen Republik). 1939-1945 gehörte Olmütz zum Protektorat Böhmen und Mähren.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert zeigt das Wappen auf blauem Schild einen goldgekrönten rot-weiß geschachteten Adler mit goldener Bewehrung (mährischer Adler), nach 1558 begleitet in den vier Ecken von je einer goldenen Majuskel „S“, „P“, „Q“, „O“ („Senatus populusque Olomucensis“ = „Senat und Volk von Olmütz“).

Königin Maria Theresia (1717–1780) ließ 1758 das Wappen mit dem österreichischen Bindenschild und den Initialen „FMT“ als Mittelschild (babenbergischer Schild) in Anerkennung der Standhaftigkeit der Festung Olmütz gegen die preußischen Truppen unter König Friedrich II. (1712–1786) ausschmücken. Die Initialen standen für Kaiser Franz I. (1708–1765) und die Kaiserin („Francisus, Maria Theresia“). Nach 1918 trat an die Stelle des Mittelschilds mit Buchstaben vorübergehend nur ein weißes Rechteck, 1993 kehrten die Buchstaben SPQO in das Wappen zurück.

Mittelalter

Keramikfunde verweisen auf eine nördlich des Michaelsberges gelegene frühslawische Siedlung vor der Mitte des 7. Jahrhunderts. Nachfolgend setzte eine dauerhafte Besiedlung im Gebiet der heutigen Vorstadt Povel, rund zwei km südlich des Petersberges, ein. Auf dem Petersberg selbst entstand im Zuge großmährischer Zentralisierungsbestrebungen um 800 ein Burgwall als Zentralort. Nach dessen Zerstörung zu Beginn des 10. Jahrhunderts wurde dieser hier sowie auf dem Wenzelsberg neu errichtet und bildete den Ausgangspunkt für die Entstehung der Přemyslidenburg, in deren Umfeld sich Kaufleute und Handwerker aus der Umgebung sowie neu herbeiströmende Kolonisten niederließen.

Die Burg auf dem Petersberg diente nach der endgültigen Inkorporation Mährens in das Herzogtum Böhmen 1019/20 als Sitz des Olmützer Teilfürsten Břetislav I. (um 1005–1055), seit 1034 Herzog von Böhmen. Dessen Sohn Otto der Schöne (gest. 1087) begründete 1061 zusammen mit seinem Bruder Konrad (um 1035–1092) die Dynastie der mährischen Přemysliden und begann noch vor 1070 mit der Errichtung eines neuen weltlichen Sitzes auf dem nördlichen Wenzelsberg. Nach dem Aussterben des hiesigen Přemyslidenzweiges um 1200 ging jedoch dessen Bedeutung zurück, nach 1253 verlor die Burg ihre Funktion ganz. 1306 wurde hier König Wenzel III. (1289–1306) als letzter Repräsentant der Hauptlinie der přemyslidischen Dynastie ermordet.

Parallel zum Bedeutungsverlust der Fürstenburg nahm jedoch die Verdichtung der Siedlungen im Westen zu, die durch Verschmelzung zur Stadt erwuchsen und deren Mittelpunkt die teilweise in ältere Zeit zurückreichenden Kirchen bildeten. Für die topographische Entwicklung der Stadt ist zudem die wohl noch im 12. Jahrhundert erfolgte Anlage der beiden Marktplätze (Oberring und Niederring) entscheidend.

Unter König Wenzel I. (um 1205–1253) erfolgte zwischen 1239 und 1248 die Lokation der Stadt Olmütz zu Magdeburger Recht. 1352 bestätigte Markgraf Johann Heinrich von Mähren (1322–1375) die Stellung von Olmütz als Oberhof für die Städte Magdeburger Rechts in Mähren. Letzteres wurde erst um 1709 durch böhmisches Stadtrecht abgelöst. 1261, 1278 und 1291 erhielt die Stadt Markt- und Zollprivilegien.

Im 1271 genannten Rat erscheinen fast ausschließlich Bürger mit deutschen Namen (in vorhussitischer Zeit ¾-Mehrheit). Aus Sachsen ist wohl die ansonsten in Böhmen und Mähren einzigartige Bestimmung übernommen, dass nur Deutsche in den Rat gewählt werden sollen. Erst für 1343 ist der erste tschechische Ratsherr mit Namen Milota bezeugt. Der dominierende Einfluss des deutschen Patriziats spiegelte sich in der ablehnenden Haltung gegenüber dem Hussitismus wider, der Olmütz an die Spitze der antihussitisch gesinnten Städte Mährens treten ließ.

Bereits seit dem 13. Jahrhundert tagten die mährischen Stände und das Landgericht abwechselnd in Olmütz und Brünn. 1314 bezeichnete König Johann von Luxemburg (1296–1346) Olmütz als Hauptstadt der Markgrafschaft Mähren. 1479 schlossen Wladislaw II. Jagiello von Böhmen und Ungarn (1456–1516) und Matthias Corvinus (1443–1490) den Olmützer Vertrag, der die bestehende Doppelherrschaft in den Ländern der Böhmischen Krone legalisierte.

Neuzeit

Die lutherische Reformation fand in Olmütz rasch Verbreitung. Während der Bischof den katholischen Glauben repräsentierte, stand ein erheblicher Teil der Bürger auf Seiten des Protestantismus. Spätestens seit 1602 beherrschten jedoch die Katholiken erneut das Rathaus.

Im Böhmischen Ständeaufstand 1618–20 stand Olmütz auf Seite der ständischen Freiheiten. Im September 1622 wurde der Besitz der verbliebenen Repräsentanten des Ständedirektoriums aus den Reihen der Bürger konfisziert. Mit der Überführung der Landtafeln nach Brünn 1641 büßte Olmütz seine Stellung als Hauptstadt der Markgrafschaft Mähren ein. Die schwedische Besatzung 1642-50 hatte katastrophale Folgen für die Stadt: Nach dem Abzug waren von den 700 Häusern der Stadt nur noch 168 bewohnbar. Zudem wüteten 1643 Feuersbrünste, drei große Hungersnöte und 1645 eine Pestepidemie. 1655 wurde Olmütz zur Festung erklärt, im 18. Jahrhundert schrittweise ausgebaut und mit einer ständigen Besatzung versehen.

Im Revolutionsjahr 1848 beherbergte Erzbischof Maximilian Joseph Freiherr von Sommerau-Beeckh (1769–1853) den wegen der Unruhen in Wien geflohenen kaiserlichen Hof. Im erzbischöflichen Palais übertrug Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) am 2. Dezember 1848 dem 18-jährigen Franz Joseph I. (1830–1916) die Regierung. 1848 schufen Deutsche und Tschechen jeweils eigene politische Organisationen (Lípa slovanská, Eintracht und Concordia).

1850 geriet Olmütz in den Fokus der europäischen Öffentlichkeit, da hier die sogenannte Olmützer Punktation (auch „Olmützer Vertrag“) geschlossen wurde, ein diplomatisches Abkommen zwischen Preußen, Österreich und Russland über die Beendigung des preußisch-österreichischen Konflikts von 1848/50, in dem Preußen vorläufig auf seinen Führungsanspruch verzichtete.

Unter den liberalen Bürgermeistern Josef von Engel (1830–1900) und Karl Brandhuber (1846–1934) galt die Devise: „Olmütz lieber klein, aber deutsch!“.

1886 hob Kaiser Franz Joseph I. den Festungsstatus auf. Trotz der nationalen Abschottungspolitik des Rathauses (bis 1918 regierten ausschließlich deutsche Bürgermeister die Stadt) verstärkte sich in Olmütz im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der tschechische Bevölkerungsanteil.

Zeitgeschichte

Nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik 1918 ging die Stadtverwaltung, auch in Folge der Eingemeindung von 13 umliegenden Dörfern und der Bildung von Groß-Olmütz, in tschechische Hände über.

Bei den Parlamentswahlen 1935 stimmten 14,9 Prozent der Einwohner für Konrad Henleins (1898–1945) Sudetendeutsche Partei (SdP). Am 15. März 1939 besetzten mit der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren Soldaten der 5. Heeresgruppe der Deutschen Wehrmacht Olmütz und wurden dabei von der deutschen Stadtbevölkerung mehrheitlich bejubelt. Die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung erreichte in Olmütz 1942 ihren Höhepunkt, nachdem in der Schule in der Halkova-Straße ein Internierungslager eingerichtet worden war. Von Juni/Juli des Jahres bis März 1945 ließen die Besatzer 3.498 Juden in vier Wellen nach Theresienstadt transportieren, von wo aus sie meist in Vernichtungslager deportiert wurden. Protektorats- beziehungsweise Besatzungsbehörden standen 1939–45 der Stadtverwaltung vor.

Die Rote Armee marschierte am 8. Mai 1945 in Olmütz ein. Mit Kriegsende wurde die verbliebene deutsche Bevölkerung zunächst in Internierungslagern konzentriert (u. a. Lager Neu-Hodolein/Nové Hodolany) und dann bis 1946 gewaltsam vertrieben. Gegenüber 1938 sank die Einwohnerzahl von Olmütz so um etwa 17.000, Ende 1946 gab es nur noch 2.000 Deutsche in Olmütz (zumeist aus Mischehen), von denen aber lediglich 84 als „Antifaschisten“ anerkannt wurden.[1]

Heute ist die Universitäts- und Kulturstadt Olmütz neben Ostrau/Ostrava das wichtigste Wirtschafts- und Verkehrszentrum in Nordmähren, seit der Verwaltungsreform im Jahre 2000 Verwaltungssitz der Region und Sitz eines der beiden tschechischen Obergerichte. Seit 1971 steht die Altstadt unter Denkmalschutz.

Bevölkerungsentwicklung

Zeit Einwohner[2]
15. Jahrhundert ca. 3.500–4.000
1640 30.000
1650 1.675
1880 20.176 (12.879 Deutsche, 6.123 Tschechen)
1919 23.622 (9.772 Tschechen, 8.019 Deutsche, 1.010 Juden)
1930 66.440 (darunter 14.617 Deutsche, 2.189 Juden)
1950 63.878
1980 102.112
2011 100.043 (2006: 0,15 % Deutsche)

Wirtschaft

Zunftmäßig organisiertes Handwerk und Gewerbe (v. a. Tuchhandel) prägte das Bild von Olmütz bis weit in die Neuzeit, ebenso lokaler und Fernhandel (Polen, Baltikum, Russland). 1841 erhielt Olmütz durch die Verbindung Olmütz–Prerau/Přerov einen Eisenbahnanschluss, vier Jahre später folgte die Strecke Olmütz–Prag. Eine Industriearbeiterschaft fehlte zunächst fast völlig. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erlangten vor allem Metall-, Leder- und Lebensmittelindustrie (u. a. Zuckerwerk der Unternehmerfamilie Primavesi) Bedeutung.

Gesellschaft

1910 bestanden 288 deutsche (174) und tschechische (114) Vereine. Die Deutschen engagierten sich unter anderem im Turnverein (1851 gegründet), im Musikverein (1851) und im Gewerbeverein (1885), die Tschechen im Sokol (Der Falke, 1869), in der Matice školská (Schulischer Mutterfonds, 1872) und in der Česká obchodnická beseda (Tschechische Handelsakademie, 1902). Das Kulturleben bestimmten zudem die 1900 gegründete Gesellschaft der Kunstfreunde in Olmütz, die 1923 entstandene Olmützer Zweigstelle der Prager Jednota filosofická (Philosophische Gesellschaft), die sich um einen Dialog zwischen deutschen, tschechischen und jüdischen Intellektuellen bemühte, und 1910–1930 der intellektuelle „Engelmann-Kreis“.

Religions- und Kirchengeschichte

Im Jahre 1063 initiierte der böhmische Herzog Vratislav II. (um 1035–1092) die Neugründung des einstigen großmährischen Bistums Olmütz. Erster Bischof wurde der aus dem bayerischen Kloster Niederaltaich stammende Benediktinermönch Johannes (gest. 1085). Der Olmützer Teilfürst Otto der Schöne stiftete, gemeinsam mit seiner Gemahlin Eufemia (um 1045/55–1111), 1078 unweit der Olmützer Burg das zunächst mit Benediktinern aus Prag-Břevnov besetzte und nachfolgend mehrfach mit Besitz ausgestattete Benediktinerkloster St. Stephan (seit dem 12. Jahrhundert: Hradisch [Hradisko]).

Bereits seit dem deutschfreundlichen Bruno von Schauenburg (um 1205–2181) residierten die Metropoliten hauptsächlich in Kremsier/Kroměříž und nach der Eroberung durch die Hussiten 1432 in der neu erbauten Burg Wischau/Vyškov, während Kapitel und Generalvikar im Wesentlichen in Olmütz verblieben. Als entschiedener Gegner des Hussitismus profilierte sich landesweit Bischof Johann der Eiserne (eigentlich von Bucca, gest. 1430), der sich auch militärisch im Kampf gegen die „Häretiker“ engagierte. Bischof Stanislaus von Thurzo (1470–1540) machte Olmütz zu einem Zentrum humanistischer Gelehrsamkeit.

In schneller zeitlicher Abfolge ließen sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts alle wichtige Orden in Olmütz nieder: 1213 entstand das Augustiner-Nonnenstift St. Jakob (nach der Aufhebung 1524 an die Minoriten übergegangen). Vermutlich 1250 folgten die Franziskaner, spätestens 1237 die Dominikaner zu St. Michael. Die Gründung des Klarissenklosters St. Klara stand möglicherweise im Zusammenhang mit den Plänen einer Erhöhung des Olmützer Bistums zum Erzbistum, die aber erst 1777 realisiert wurden. 1287 folgte die Errichtung des Dominikanerinnenklosters St. Katharina. Die katholische Restauration nach der hussitischen Revolution führte zu weiteren Ordensniederlassungen: Seit 1434 bildeten die Augustinerchorherren aus Landskron/Lanškroun und Prossnitz/Prostějov, die in Olmütz Zuflucht vor den Hussiten gesucht hatten, einen eigenen Konvent, der 1492/93 die Allerheiligenkapelle als Sitz übertragen erhielt. Nachfolgerin der von den Hussiten zerstörten Kartause Dolein wurde 1443 die Kartause Mariä Himmelfahrt in Olmütz. Bald nach den Besuchen des Franziskanerpredigers Johannes Kapestran (1386-1456) entstanden 1457-68 am nordwestlichen Stadtrand Kirche (heute Mariä Unbefleckte Empfängnis) und Kloster der Franziskaner-Barfüßer (Bernhardiner).

Die Reformation Martin Luthers fand in Olmütz breite Aufnahme. 1528 endeten mehrere Täufer auf dem Scheiterhaufen. Die Olmützer Bischöfe standen gegenüber dem religiösen Zersetzungsprozess anfänglich ganz im Hintergrund, erst Bischof Wilhelm Prusinovsky (1534–1572) rief die Jesuiten in die Stadt, die 1566/67 in das vormalige Minoritenkloster einzogen. In den Jahren 1782–84 wurde ein Großteil der Klöster im Zuge der von der Aufklärung getragenen Josephinischen Reformen aufgehoben. Mit dem Prämonstratenserkloster Hradisch wurde die Propstei Heiligenberg säkularisiert, das Kloster selbst Sitz des Josephinischen Generalseminars zur Priesterausbildung. Als Vizerektor und späterer Rektor wirkte hier 1787–90 Josef Gobrovsky (1753–1829), der Begründer der slawischen Altertumswissenschaft. Seit 1795 diente das Kloster als Militärlazarett, das Jesuitenkolleg als Kaserne.

1140 berichten die Quellen erstmals von niedergelassenen Juden. 1454 wurden diese wie in allen königlichen Städten Mährens vertrieben. Erst nach 1848 konnten sie sich wieder dauerhaft in Olmütz niederlassen. 1895–97 wurde auf dem Platz am Theresientor (heute Palachovo náměstí) nach Plänen des Wiener Architekten Jakob Gärtner (1861–1921) eine Synagoge im orientalisch-byzantinischen Stil erbaut, die nach dem Einmarsch der Wehrmacht in der Nacht zum 16. März 1939 niederbrannte. Nach der Deportation der Juden während des Zweiten Weltkriegs kam es erst in Folge der Samtenen Revolution 1991 zur Gründung einer neuen eigenständigen jüdischen Gemeinde.

Bildung und Wissenschaft

Bereits Bischof Protasius von Boskowitz und Černahora (gest. 1482) zeigte sich dem Humanismus gegenüber aufgeschlossen. Stanislaus Thurzó von Béthlenfalva (1470–1540), seit 1497 Bischof, machte Domkapitel und Landeshauptstadt Olmütz zu einem humanistisch-geprägten länderübergreifenden Sitz neulateinischer Dichtung, philologischer Gelehrsamkeit und geschichtlicher Forschung. Zum Olmützer Humanistenkreis gehörten unter anderem Stephan Taurinus (Olomucensis, ca. 1485–1519), der in seiner Stauromachia zugleich ein Lobgedicht auf Olmütz verfasste, Augustin Käsbrot (Augustinus Olomucensis, 1467–1513) sowie die Celtis-Schüler Gregor Nitsch und Martin Sinapinus, die 1502 die bis 1511 bestehende Gelehrtengesellschaft „Sodalitas litteraria Marcomannia“ (auch Meierhofiana) gründeten. Johannes Dubravius (1486–1553), Humanist und Diplomat, war seit 1541 Bischof von Olmütz, und trat als Geschichtsschreiber (Historia regni Bohemiae, 1552), aber auch als Autor einer Anweisung zur Fischzucht und Fischereitechnik (De piscinis, 1596) hervor. Er nahm zugleich als Vertreter des böhmischen Königs und späteren Kaisers Ferdinand I. (1503–1564) an den böhmischen Landtagen teil und verhandelte mit den Ständen über die Türkenhilfe.

1573 wurde die von den Jesuiten errichtete Schule durch Papst Gregor XIII. (1502–1585) und Kaiser Maximilian II. (1527–1576) als Universität privilegiert; diese zweitälteste Hochschule in den Böhmischen Ländern wurde bis zur Aufhebung des Ordens 1773 durch die Jesuiten verwaltetet. 1778 erfolgte ihre Verlegung nach Brünn. In den 1880er Jahren nach Olmütz zurücktransferiert gewann die Anstalt erst 1827 erneut den Status einer Universität (k. k. Franzens-Universität), bevor 1860 die komplette Auflösung erfolgte. Erhalten blieb lediglich die selbständige (seit 1919 Kyrill- und Method-) Theologische Fakultät. Nach Schließung aller tschechischen Hochschulen im Protektorat Böhmen und Mähren nahm die Alma mater erst 1946 unter dem Namen Palacký-Universität ihre Tätigkeit wieder auf.

In der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielten deutsche Schulen eine wichtige Rolle, insbesondere das k. k. deutsche Staatsgymnasium sowie die 1854 gegründete k. k. deutsche Ober-Realschule. Absolventen des Staatsgymnasiums waren unter anderem der Philosoph und Mathematiker Edmund Husserl (1859–1938), der in Olmütz geborene österreichische Schriftsteller Franz Spunda (1890–1963) sowie der spätere Exponent des Nationalsozialismus Arthur Seyß-Inquart (1892–1946). 1869 wurde das tschechische Slawische Gymnasium gegründet, 1895 die tschechische Mädchenanstalt. 1900 zog im sogenannten Elisabethinum die deutsche Anstalt ein, die der bedeutende Repräsentant des Olmützer Kulturlebens, Josef Föhner (1849–1933), leitete.

1746 gründete Joseph Freiherr von Petrasch (1714–1772) in Olmütz die „Societas incognitorum eruditorum in terris Austriacis“, eine aufgeklärte Gelehrtengesellschaft, als erste dieser Art in den habsburgischen Ländern mit in- und ausländischen Mitgliedern. Die Gesellschaft diente der Förderung der Wissenschaften und gab die Zeitschrift Ollmützer Monathlichen Auszüge Alt- und neuer Gelehrter Sachen heraus.

Die Anfänge der Olmützer Studienbibliothek (heute Wissenschaftliche Bibliothek in Olmütz [Vědecká knihovna v Olomouci]) sind mit dem Einzug der Jesuiten in Olmütz 1566 verbunden.

Kunstgeschichte und Architektur

Auf dem Areal des Wenzelsberges entstand seit 1104–07 die große Basilika St. Wenzel. Die ursprünglich romanische Basilika wurde 1184–99 erweitert und ist in ihrem Kern in der später mehrfach umgestalteten Domkirche erhalten geblieben. Parallel zur Hauptachse der Basilika wurde im Nordosten unter Beteiligung rheinischer Bauhandwerker der romanische Bischofspalast errichtet. Bereits 1204 durch eine Feuersbrunst schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde der im 13. Jahrhundert erneuerte und als Nationaldenkmal geltende Bau nach dem Zweiten Weltkrieg umfassend renoviert und rekonstruiert. Bischof Bruno von Schauenburg ließ die 1268 geweihte ältere Johanneskapelle im Stil der westfälischen Gotik vor dem Bischofspalast errichten.

Die Rivalität zwischen Brünn und Olmütz fand ihren sichtbaren Ausdruck auch in den großen sakralen Neubauten und der aufwendigen Ausstattung der beiden Hauptkirchen St. Jakob in Brünn und St. Mauritz in Olmütz. Nach der verheerenden Feuersbrunst 1398 wurde drei Jahre später der Neubau von St. Mauritz mit der Errichtung eines Turms begonnen. Wiederholt durch Brände unterbrochen zog sich der Ausbau des gewaltigen dreischiffigen Langhauses fast eineinhalb Jahrhunderte hin. Die 1246–75 für die Dominikaner neu erbaute frühgotische Hallenkirche St. Michael ist, ebenso wie der aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammende gotische Kreuzgang des Klosters, in wichtigen Teilen bis heute erhalten. Zu den bekanntesten Werken der Spätgotik gehören neben der Pfarrkirche St. Mauritz die Hieronymuskapelle im Rathaus (vor 1488) und das Barfüßerkloster.

Vor 1530 entstanden im Renaissancestil die äußere Doppeltreppe und das Portal des Rathauses, die Grabkapelle des Olmützer Bürgers Wenzel Edelmann (gest. 1572?) an der Südseite des Chores von St. Mauritz (vor 1572), die Familiengruft Bischofs Stanislaus Pavlovskýs (gest. 1598) am Chor des Domes (Stanislauskapelle, 1582–91) sowie zahlreiche Bürgerhäuser und Adelspalais an Ober- und Niederring (u. a. Edelmann-Palais am Oberring, 1572–86; Hauenschild-Palais am Niederring, 1583).

Nach dem Dreißigjährigen Krieg und dem Abzug der Schweden wurde die Stadt barock umgestaltet. So entstand unter anderem die bischöfliche (heute erzbischöfliche) Residenz (1665–69). Das Prämonstratenserkloster Hradisch erhielt seine heutige Gestalt 1659–1736. Hierzu zählte auch die 1629–33 etwa 8 km nordöstlich von Olmütz auf einem Höhenrücken von dem Olmützer Bürger Jan Andrysek (1595–1673) errichtete Wallfahrtskirche Heiligenberg (Svatý Kopeček), die 1670–90 ihr heutiges Aussehen erhielt. In Olmütz selbst entstanden seit dem Ende des 17. Jahhrunderts zahlreiche barocke Brunnen (u.a. Herkules- und Cäsarbrunnen auf dem Oberring, Neptun- und Jupiterbrunnen auf dem Niederring sowie der Tritonenbrunnen vor dem Klarissenkloster). Zur Erinnerung an die Pestepidemie 1713–15 wurden 1716–54 die monumentale Dreifaltigkeitssäule auf dem Obbering und 1716–27 die Mariensäule auf dem Niederring errichtet.

Theater- und Musikgeschichte

Bereits seit dem 17. Jahrhundert traten deutsche und italienische Wandertruppen in Olmütz auf. 1770 wurde das erste richtige Theater als Königlich städtisches Nationaltheater oberhalb der Fleischbänke auf dem Niederring 25 eröffnet, schon 1828 begann der Bau eines neuen Theatergebäudes nach Plänen des Wiener Architekten Josef Kornhäusel (1782–1860). Das Olmützer Königliche Stadttheater war 1883 eines der ersten Engagements des jungen, damals noch unbekannten Kapellmeisters Gustav Mahler (1860-1911). In Olmütz wurde der Operettenkomponist Leo Fall (1873–1925) geboren. Am Theater debütierten oder wirkten unter anderem Leo Slezak (1873–1946), Adele Sandrock (1863–1937) und Tilla Durieux (1880–1971). Zur Inthronisation des Erzbischofs Rudolf von Österreich (1788–1831) in der Olmützer Kathedrale komponierte Ludwig van Beethoven (1770–1827) seine Missa solemnis.

Literatur- und Pressegeschichte

Aus dem 12. Jahrhundert stammt der berühmte liturgische Codex Horologium Olomucense (1142/43). Mit dem Humanismus in Olmütz um 1500 waren auch die Anfänge des Buchdrucks verbunden (1499, Matthias Preinlein [zwischen 1486–1499 bezeugt]).

Seit 1848 erschienen das Olmützer Lokal-Anzeigeblatt sowie die Olmützer Zeitschrift, seit 1877 die literarische und heimatkundliche Zeitschrift Moravia, bevor 1882 Redaktion und Druck nach Brünn übersiedelten. Seit 1880 kam die Zeitung Mährisches Tagblatt hinzu. Unter den tschechischen Periodika erlangte vor allem seit 1872 die Beseda Bedeutung.

Zu den wichtigsten deutschsprachigen aus Olmütz stammenden Autoren zählte Franz Spunda (1890-1963). Die Atmosphäre in Olmütz vor und nach 1945 hat Peter Härtling (1933–2017), der in Olmütz 1942–45 die Schule besuchte, in seinen Romanen Nachgetragene Liebe (1980) und Leben lernen (2003) sowie in seiner Erzählung Božena (1994) eindrucksvoll beschrieben.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Arcibiskup Theodor Kohn (1893–1904). Neklidný osud talentovaného muže [Erzbischof Theodor Kohn (1893-1904). Das bewegte Schicksal eines talentierten Mannes]. Ausstellungskatalog. Olmütz 2013.
  • Josef Föhner: Olmützer Erinnerungen. Olmütz 1930.
  • Martin Hájek: Odsun Němců z Olomouce [Die Vertreibung der Deutschen aus Olmütz]. Olomouc 2014.
  • Johann Kux: Geschichte der königlichen Hauptstadt Olmütz bis zum Umsturz 1918. Reichenberg/Olmütz 1937.
  • Lukáš Motyčka, Veronika Opletalová (Hg): Literární procházky německou Olomoucí – Literarische Wanderungen durch das deutsche Olmütz. Olomouc 2012.
  • Jindřich Schulz (Hg.): Dějiny Olomouce [Geschichte der Stadt Olmütz], 2 Bde. Olomouc 2009.
  • Vladimír Spáčil (Hg.): Nejstarší městská kniha olomoucká z let 1343–1420 [Das älteste Olmützer Stadtbuch aus den Jahren 1343–1420]. Olomouc 1982.
  • Libuše Spáčilová: Deutsche Testamente von Olmützer Bürgern. Entwicklung einer Textsorte in der Olmützer Stadtkanzlei in den Jahren 1416–1566. Wien 2000.
  • Libuše Spáčilová, Vladimír Spáčil: Památná kniha olomoucká (Kodex Václava z Jihlavy) z let 1430–1492 [Das Olmützer Memorialbuch. Der Codex des Wenzel von Iglau aus den Jahren 1430–1492]. Olomouc 2004.
  • Peter Wörster: Humanismus in Olmütz. Landesbeschreibung, Stadtlob und Geschichtsschreibung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Marburg 1994.

Periodika

  • Historická Olomouc: Sborník příspěvků [Das historische Olmütz: Sammelband].
  • Olomoucký archivní sborník [Olmützer Archiv-Almanach].
  • Ročenka Státního okresního archivu v Olomouci [Jahrbuch des Staatlichen Bezirksarchivs in Olmütz] (1993–2002).

Weblinks

Anmerkungen

[1] Karel Konečný: Od Košického vládního programu k únoru 1948 [Vom Kaschauer Regierungsprogramm bis zum Februar 1948]. In: Jindrich Schulz (Hg.): Dějiny Olomouce [Geschichte der Stadt Olmütz], Bd. 2, S. 275–290, hier S. 278.

[2] Daten nach: Oldřich Juryšek: Dějiny Olomouce 1017–1920 [Geschichte der Stadt Olmütz 1017–1920]. Olomouc 2008; und: „Olomouc“. URL: cs.wikipedia.org/wiki/Olomouc (Abruf 25.08.2014).

Zitation

Thomas Krzenck: Olmütz/Olomouc. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2014. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32500 (Stand 30.07.2021).

Nutzungsbedingungen für diesen Artikel

Copyright © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk entstand im Rahmen des Projekts „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ und darf vervielfältigt und veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie:

Wenn Sie fachliche Hinweise oder Ergänzungen zum Text haben, wenden Sie sich bitte unter Angabe von Literatur- und Quellenbelegen an die Redaktion.

(Stand: 19.01.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page