Bessarabien

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Bessarabien

Anderssprachige Bezeichnungen

rum. Basarabia, ukr. und russ. Bessarabija

Etymologie

Die Landschaft am Nordwestufer des Schwarzen Meeres, zwischen den Flüssen Dnister (auch Dnjestr; rum. Nistru), Pruth (rum. Prut) und Donau (rum. Dunărea) gelegen, trug erst infolge des Bukarester Friedensvertrages von 1812 offiziell den Namen „Bessarabien“. Als selbstständige Gebietsbezeichnung erschien „Bessarabien“ erstmals in den russisch-türkischen Friedensverträgen des aus­gehenden 18. Jahrhunderts neben „Moldau“ und „Walachei“. Damit kennzeichnete man Südbessarabien, das die Rumänen „Tataria“ oder „Bugeac“ (Budschak, tatar. Winkel/Dreieck) nannten. Der Name erinnerte an das walachische Fürstengeschlecht Basarab, dessen Gebiet zeitweise auch die Region jenseits des Pruths und nördlich der Donaumündung umfasste.

2. Geographie

Siehe auch „Moldau“.

Lage

Das Gebiet Bessarabiens umfasste eine Fläche von ca. 45.000 km²; seine Nord-Süd-Ausdehnung betrug ca. 200 km, seine Ost-West-Ausdehnung im Uferbereich des Schwarzen Meeres ebenfalls ca. 200 km, dagegen hatte es im Norden eine Breite von nur ca. 22 km. Im Nordwesten reichte Bessarabien bis an die historischen Landschaften Bukowina (auch Buchenland; rum. Bucovina, ukr. Bukovyna) und Galizien (poln. Galicja, ukr. Galyčyna), im Nordosten an Podolien (rum. Podolia, ukr. Podillja) heran. Im Süden grenzte die Donau mit ihren Mündungsarmen Bessarabien zur Dobrudscha (rum. Dobrogea, bulg. Dobrudža) hin ab. Die bessarabische Schwarzmeerküste erstreckte sich von der Donaumündung bis zum Dnister-Liman, der Mündungslagune des Dnister.

Topographie

Das Landschaftsbild Südbessarabiens ist – bis auf einen etwa 45 km breiten, völlig ebenen Streifen entlang der Schwarzmeerküste – hügelig-wellig und durch Steppen charakterisiert. Den nördlichen Teil Bessarabiens kennzeichnen die Ausläufer der Karpaten.

Historische Geographie

Seit dem 14. Jahrhundert gehörte das Gebiet Bessarabiens zum Fürstentum Moldau und stand damit ab dem 16. Jahrhundert unter osmanischem Einfluss. Der südliche Teil, die Budschak-Region, wurde 1484 dem Osmanischen Reich angegliedert. Ab 1812 bis zum Zusammenbruch des Russischen Reiches bildete die Region zwischen den Flüssen Pruth und Dnister das westlichste und kleinste Gouvernement Neu-Russlands mit der Hauptstadt Kischinau/Chişinău und trug den Namen „Bessarabien“. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ist die staatliche Zugehörigkeit Bessarabiens insbesondere zwischen dem Fürstentum und späterem Königreich Rumänien auf der einen und dem Russischen Reich beziehungsweise der Sowjetunion auf der anderen Seite umkämpft (s. Abschnitt „Geschichte und Kultur“). 1917 wurde mit der Demokratischen Republik Moldau erstmals ein eigenständiger Staat auf dem Gebiet Bessarabiens gegründet, der allerdings bereits 1918 wieder in den rumänischen Staat integriert wurde. 1940/41 und dann erneut ab dem Sommer 1944 wurde in Nord- und Mittelbessarabien (inklusive der östlich des Dnister gelegenen Gebiete der heutigen Region Transnistrien) die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (Moldavskaja Sovetskaja Socialističeskaja Respublika; MSSR) gegründet, Südbessarabien gehörte der Ukrainischen Sowjetrepublik an. Gegenwärtig ist Südbessarabien Teil der Republik Ukraine, während Nord- und Mittelbessarabien sowie Transnistrien die Republik Moldau bilden.

3. Geschichte und Kultur

Vor- und Frühgeschichte

Bessarabien war schon im Altertum Durchzugsgebiet verschiedener Völker, beispielsweise der Griechen, der Skythen, der Sarmaten, der Römer, der Thraker, der Goten, der Hunnen und der Slawen, die Spuren ihrer jeweiligen Kultur hinterließen. Exemplarisch deutlich wird dies an den verschiedenen historischen Benennungen der heute ukrainischen Stadt Bilhorod-Dnistrousjkyj/Bilhorod-Dnistrovs’kyj (türk. Akkerman, rum. Cetatea Albă), die um 600 v. Chr. am Westufer des Dnister-Limans als griechische Stadt Tyras gegründet, von den Römern Alba Julia und von slawischen Stämmen zur Zeit der Völkerwanderung Belgorod („weiße Stadt“) genannt wurde. Griechen und Skythen waren in vorchristlicher Zeit durch enge wirtschaftliche und kulturelle Kontakte verbunden. Die Grabhügel der Skythen im südlichen Bessarabien, die sogenannten Kurgane, zeugen von der großen Kultur dieses Volkes. Ukrainische Ausgrabungen haben über 20 größere und kleinere Grabhügel nachgewiesen. Von der Ausdehnung des Römischen Reiches im Nordosten künden die beiden Trajanswälle in Südbessarabien.

Neuzeit

Ab dem späten 15. beziehungsweise 16. Jahrhundert stand das Fürstentum Moldau, zu dem die Region Bessarabien gehörte, ebenso wie das Fürstentum Walachei unter osmanischer Suzeränität. Zar Alexander I. (reg. 1801–1825) gelang es im Russisch-Türkischen Krieg 1806–1812, Bessarabien zu erobern. Mit dem Frieden von Bukarest am 16./28. Mai 1812 musste das Osmanische Reich das ostmoldauische Gebiet jenseits des Pruths an das Russische Reich abtreten.

Nach der Niederlage im Krimkrieg 1853–1856 verlor Russland den südwestlichen Teil Bessarabiens an das Fürstentum Moldau. Es erhielt das Ismailer und das Kaguler Gebiet erst auf dem Berliner Kongress 1878 zurück, trotz heftiger Proteste seitens des seit 1859 aus den beiden Fürstentümern Moldau und Walachei entstandenen Fürstentums Rumänien. Bessarabien blieb danach bis 1917 in den Grenzen von 1812 ein Teil des Russischen Reiches.

20. Jahrhundert

Infolge des Zerfalls des Russischen Reiches im Revolutionsjahr 1917 war Bessarabien für kurze Zeit politisch selbstständig. Im April gründeten rumänische Intellektuelle die Nationale Moldauische Partei (Partidul Naţional Moldovenesc), die die Einheit aller Rumänen propagierte und das politische Geschick Bessarabiens entscheidend mitbestimmen sollte. Sie setzte die Bildung eines Landesrates (Sfatul Ţării) durch, der rumänisch dominiert – 70 Prozent delegierte Rumänen und 30 Prozent Nichtrumänen – war. Bei seiner ersten Sitzung am 4. Dezember kam es bereits zu Spannungen zwischen den ethnischen Vertretern. Der Landesrat proklamierte am 15. Dezember 1917 die Autonomie Bessarabiens als Moldauische Demokratische Republik im Rahmen der Russischen Sowjetrepublik. Eine Regierung wurde ernannt, allgemeines Wahlrecht, garantierte Minderheitenrechte und die Landreform – einschließlich des Verbots der Kolonisierung Bessarabiens – angekündigt.

In dieser Zeit begann die Auflösung der Ostfront, und russische Truppenteile über­schwemmten das angrenzende Bessarabien, was nahezu anarchische Zustände hervorrief. Am 4. Januar 1918 beriet der unterbesetzte Landesrat, ob man um rumänische Militärhilfe bitten sollte, da er um seine innenpolitische Macht bangte. Am 20. Januar 1918 trafen sich einige Mitglieder des Landesrats unter konspirativen Bedingungen und beschlossen, rumänische Einheiten anzufordern. Aus Furcht vor revolutionären Übergriffen hatte die rumänische Regierung aber bereits am 12. Januar 1918 die Intervention in Bessarabien geplant, und am 20. Januar 1918 setzten sich die Truppen in Bewegung. Bessarabien befand sich unter Kriegsrecht. Wer den Einmarsch als Okkupation kritisierte, wurde mundtot gemacht.

Am 6. Februar 1918 erklärte eine Mehrheit im Landesrat die Unabhängigkeit von Russland. In einem geheimen Zusatzprotokoll des vorläufigen Friedensvertrags von Buftea hatten die Mittelmächte Rumänien freie Hand in Bessarabien gelassen. Für die rumänische Regierung war der Anschluss Bessarabiens beschlossene Sache. Letztlich stimmte auch der Landesrat in seiner Sitzung am 9. April 1918 in Anwesenheit hochrangiger rumänischer Regierungsvertreter der bedingten, dann am 10. Dezember 1918 der bedingungslosen Angliederung an Rumänien zu.

Mit Kriegsende und den Pariser Friedensverträgen konnte das Königreich Rumänien sein Territorium und die Bevölkerungszahl verdoppeln. Die Angliederungen Siebenbürgens, der Bukowina, Bessarabiens sowie von Teilen des Banats (ung. Bánság), die vor dem Ersten Weltkrieg zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn oder zu Russland gehört hatten, verwandelten das werdende Großrumänien in einen multiethnischen Staat mit etwa 30 Prozent nichtrumänischen Einwohnern. Russland war an der Friedenskonferenz nicht beteiligt und lehnte die Abtrennung Bessarabiens weiterhin ab.

Im Süden des Kreises Akkerman kam es 1924 zu einem Aufstand in Tatar Bunar/Tatarbunary, in dem sich politische, soziale und ethnische Probleme überlagerten. Der rumänischen nationalliberalen Regierung lieferte der Aufstand die Legitimation, um schließlich die Kommunistische Partei zu verbieten und politische „Säuberungsaktionen“ durchzuführen. Unter den verfolgten Linken befanden sich viele Juden und Slawen. Die Kommunisten hatten einen Volksentscheid für Bessarabien und die Bukowina über die territoriale Zugehörigkeit der Regionen gefordert. Um die Ansprüche auf Bessarabien aufrechtzuerhalten, errichtete die Sowjetunion als Antwort auf die Niederschlagung des Aufstands bei Tatar Bunar im Oktober 1924 die Autonome Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik, die in dem schmalen Gebietsstreifen östlich des Dnisters mit der Hauptstadt Tiraspol, später Balta, auf dem Gebiet der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik (USSR) entstand. Zehn Jahre später nahm die Sowjetunion zwar diplomatische Beziehungen zu Rumänien auf, aber die Bessarabienfrage blieb ausgeklammert. Die bedrohte Grenzlage brachte es mit sich, dass Bessarabien bis auf die Regierungszeiten der Nationalen Bauernpartei 1928–1933 unter Kriegsrecht stand, was starke Beeinträchtigungen für die Zivilgesellschaft bedeutete (Zeitungszensur, Einschränkung der Versammlungsfreiheit etc.).

Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs schlossen das Deutsche Reich und die Sowjetunion einen Nichtangriffspakt, der in seinem „Geheimen Zusatzprotokoll“ die vorläufige Aufteilung der Interessensphären beider Länder beinhaltete und unter anderem Bessarabien dem Machtbereich der Sowjetunion überließ. Im Juni 1940 informierte der sowjetische Außenminister Vjačeslav Michajlovič Molotov (1890–1986) den deutschen Gesandten in Moskau/Moskva, dass die „Bessarabische Frage“ keinen Aufschub mehr dulde, und stellte der rumänischen Regierung das Ultimatum, Bessarabien und die Nordbukowina an die Sowjetunion abzutreten beziehungsweise binnen dreier Tage zu räumen. Bereits am 28. Juni 1940, vor Ablauf der Frist, besetzten sowjetische Truppen die Bukowina. Rumänisches Militär und zivile Angestellte verließen diese Gebiete überstürzt und panikartig, da wenig Zeit für einen geordneten Rückzug blieb.

Vom 2. August 1940 bis Juni 1941 bildete Bessarabien mit der Autonomen Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik die eigenständige Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (MSSR). Während der sowjetischen Herrschaft zwischen Juni 1940 und Juni 1941 wurden viele Rumänen als „Klassenfeinde“ in Lager deportiert.

Nachdem die Rote Armee Bessarabien im Juni 1940 eingenommen hatte, wurde die Umsiedlung sämtlicher Angehöriger der deutschen Minderheit ins Deutsche Reich vereinbart. Die Volksdeutsche Mittelstelle führte die Umsiedlung der 93.342 Deutschen aus Bessarabien durch. Die Umsiedler wurden absichtlich nicht gemeinsam angesiedelt, da sie im „deutschen Volkskörper“ aufgehen sollten.

Im Juni 1941 eroberte die rumänische Armee als Bündnispartner des Deutschen Reichs Bessarabien zurück. Sie verübte – unterstützt von der deutschen Einsatzgruppe D – einen Massenmord an der jüdischen Bevölkerung. Von einer Viertelmillion Juden aus der Vorkriegszeit waren nur noch 56.000 am Leben, als die vom rumänischen Diktator Ion Antonescu (1882–1946) bereits am 21. Juni 1941 verfügte Deportation aller Juden Bessarabiens und der Bukowina in das rumänische Besatzungsgebiet Transnistrien zwischen Dnister und südlichem Bug verwirklicht wurde. In Transnistrien starb die Hälfte der Juden aus Bessarabien durch Hunger und Mangelkrankheiten.

Drei Jahre blieb das Gebiet unter rumänischer Verwaltung, bis die Sowjetarmee Bessarabien 1944 erneut besetzte (s. dazu den Beitrag „Republik Moldau“).

Politische Geschichte der Bessarabiendeutschen

Nach der Februarrevolution 1917, als sich die Deutschen in Russland als Gesamtheit organisieren durften, konnte sich auch unter den Deutschen Bessarabiens ein eigenständiges politisches Leben entwickeln. Aus dieser Arbeit ging nach dem Ersten Weltkrieg der Deutsche Volksrat für Bessarabien hervor. In den rumänischen Parlamenten waren die Bessarabiendeutschen anfangs durch mehrere Personen in unterschiedlichen Parteien vertreten. Als sie dann der Deutschen Parlamentspartei und deren Wahlkartellen mit der jeweiligen Regierungspartei folgten, sprang für die Bessarabiendeutschen stets nur ein Listenplatz heraus. Diesen nahm ab 1926 bis zum Ende der parlamentarischen Zeit 1937 der evangelische Oberpastor Daniel Haase (1877–1939) ein, der ab 1926 eine ganze Reihe Führungsämter in seiner Person vereinte.

Da bereits 1921 ein Deutscher in Tatar Bunar von Slawen ermordet worden war, kämpften 1924 deutsche Kolonisten gemeinsam mit rumänischen Soldaten gegen die Aufständischen, deren Anführer aus Sowjetrussland stammten. Die Regierung der Nationalliberalen Partei versprach danach, den Einsatz der Deutschen durch Zugeständnisse im Schulbereich zu honorieren. Doch Haase erlangte keine ausreichende Unterstützung für die deutschen Volksschulen. Die zwischen 1928 und 1933 regierende Nationale Bauernpartei kündigte zwar an, die Subventionen zu zahlen, zu denen sich der rumänische Staat im Minderheitenschutzvertrag 1919 verpflichtet hatte. Doch durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise konnten ihre Regierungen seit 1930 nicht einmal die Gehälter der rumänischen Beamten voll ausbezahlen. Die seit 1934 regierenden Nationalliberalen förderten wieder vor allem rumänische Schulen. Einige Deutsche erhofften sich einen sozialen Aufstieg durch die Ausbildung an der evangelischen Lehrerbildungsanstalt in Sarata. Doch die Absolventen wurden von den staatlichen Volksschulen selten eingestellt. Analog zur bereits in Bessarabien verbreiteten „Nationalsozialistischen Selbsthilfebewegung der Deutschen in Rumänien“ (NSDR), bildete sich Anfang 1933 die „Bessarabische Deutsche Erneuerungsbewegung Volksdienst“, die vor allem von Intellektuellen in Tarutino getragen wurde.

Der bessarabische Zweig der Nationalsozialistischen Selbsthilfebewegung mit seinem Gauleiter, dem Lehrer an der Wernerschule (siehe unten) Johannes Wagner (1891–1967), verstand den „Volksdienst“ zunächst nur als Konkurrenz und weigerte sich, gemeinsam mit diesem gegen Haases „Ämterhäufung“ vorzugehen. Aus Sicht des „Volksdienstes“ stand einem Zusammengehen mit der „Selbsthilfe“ nichts im Wege, außer dem verweigerten Einsatz für Haases politische Demission.

Die Landesführung der NSDR in Hermannstadt/Sibiu, seit Dezember 1933 „Nationale Erneuerungsbewegung der Deutschen in Rumänien“ (NEDR), ordnete schließlich ein Zusammengehen mit dem „Volksdienst“ an, offenbar auch in der Hoffnung, dadurch der NS-Bewegung in Bessarabien mehr Mitglieder zuzuführen. Die Rechnung ging auf. Der „Volksdienst“ löste sich auf, und fast sämtliche Mitglieder traten in die NEDR ein, was eine Sogwirkung auf weitere potentielle Mitglieder aus der Lehrerschaft ausübte.

Im Verein mit der NEDR wurde Haase im Februar 1934 zur vorzeitigen Niederlegung des Volksratsvorsitzes gezwungen. Die anschließenden Neuwahlen in die volkspolitischen Körperschaften führten zu einem Wahlsieg der NEDR. Weil Wagner auf staatlichen Druck das Amt als Gauleiter niederlegen musste, wollte er weiterhin Lehrer an der Wernerschule bleiben, bestimmte Fritz Fabritius (1883–1957) auf Anraten des Tarutinoer Rechtsanwalts Artur Fink den Leiter des Wirtschaftsverbandes Otto Broneske (1899–1989) zu dessen Nachfolger. Das neue „Volksprogramm“ war bis in Einzelheiten dem siebenbürgisch-sächsischen vom 1. Oktober 1933 entlehnt. Auch nach Auflösung der NEDR im Juni 1934 arbeiteten die neu zusammengesetzten Volksräte, ab Herbst 1935 Gauräte, weiter.

Eine starke Konkurrenz erwuchs dem neuen Gaurat nicht in der radikal-nationalsozialistischen DVR (Deutsche Volkspartei in Rumänien), die sich in Bessarabien unter der Führung von Rechtsanwalt Artur Fink ab Januar 1936 formierte, sondern durch die rechtsradikale Cuzapartei und nach Auflösung derselben 1935 durch die Fusion mit Octavian Gogas (1881–1938) Agrarpartei (Partidul Naţional-Agrar) durch die National-Christliche Partei (Partidul Naţional-Creştin). Die antisemitische und Minderheiten gegenüber feindlich eingestellte Liga zu Christlich-Nationaler Verteidigung (Liga Apărării Naţionale Creştjne [LANC]) Alexandru C. Cuzas (1857–1946) hatte für Bessarabien ein Sonderprogramm erarbeitet und eine deutsche Sektion gegründet, deren Vorsitzender der Gemeindearzt in Beresina Robert Koch (geb. 1898) war. Der Zulauf zu dieser Partei und ihre Mitgliederzahl waren weitaus größer als bei der DVR. Man warb mit ähnlichen Parolen und Emblemen wie die Nationalsozialisten und betonte die gemeinsame christliche Grundlage im Kampf gegen das Judentum.

Die bessarabiendeutsche politische Landschaft erfuhr durch das Eindringen des Nationalsozialismus eine weitere Zersplitterung. Das angestrebte Ideal einer einheitlichen „Volksgemeinschaft“ schwand proportional mit ihrer zunehmenden Propagierung und der versuchten gewaltsamen Durchsetzung.

Bevölkerung und Wirtschaft

Der Handel zwischen Russland, Polen und den rumänischen Fürstentümern lag im 18. Jahrhundert in den Händen der Griechen, Armenier und Juden. Das südliche Bessarabien war bis 1812 zwar spärlich besiedelt, aber keineswegs menschenleer. Der Russisch-Türkische Krieg 1806–1812 hatte die dort einstmals ansässigen, dem islamischen Glauben angehörenden Nogajer Tataren aus diesem Gebiet verdrängt. Zar Alexander I. ließ den Budschak vor allem mit Deutschen, Bulgaren und Gagausen, einem türkisch sprechenden Volksstamm, aufsiedeln.

Die Einwanderung deutschsprachiger Bevölkerungsteile nach Bessarabien markierte das Ende einer längeren Kolonisationspolitik der russischen Krone, die zur Besiedelung neu eroberter und brachliegender Ländereien betrieben worden war. Im Zuge dieser Siedlungspolitik entstanden ab 1814 bis zum Ersten Weltkrieg 150 Siedlungen, deren Bewohner überwiegend aufgrund wirtschaftlicher Motive aus- beziehungsweise weitergewandert waren. Die ersten Ortsgründungen 1814 waren Tarutino/Tarutine, Borodino und Krasna/Krasne. In den deutschen Siedlungen lebten außer Lutheranern, die den Hauptanteil stellten, auch Katholiken – Krasna, Emmental/Pervomaisc, Larga und Balmas/Balmaz – und Reformierte – Schabo (Siedlung mit deutsch- und französischsprachigen Schweizern) und Hoffnungstal. Religiös motivierte Einwanderungen ließen die Orte Teplitz/Tepliza (1817) und Sarata (1822) entstehen. Alle Siedler hatten Privilegien erhalten, nicht zuletzt war ihnen freie Religionsausübung gestattet. Lediglich die Mission unter der orthodoxen Bevölkerung war den Andersgläubigen strengstens verboten.

Bereits im 18. Jahrhundert waren russische Leibeigene nach Bessarabien geflohen, und orthodoxe Sondergruppen wie Altgläubige (Raskolniki), später Lipowaner genannt, hatten sich in die Sümpfe der Donaumündung zurückgezogen.

In den mittleren und nördlichen Regionen Bessarabiens siedelten vor allem orthodoxe Moldauer beziehungsweise Rumänen. Unter ihnen fanden sich Großgrundbesitzer, freie Bauern und abhängige landlose Bauern. Rumänische Adlige, die in Bessarabien geblieben waren, wurden 1818 den russischen Adligen rechtlich gleichgestellt. Sie waren später in der Verwaltung tätig und assimilierten sich vielerorts an russische Kreise.

Ukrainer hatten sich im Norden und im Süden Bessarabiens niedergelassen, wo sie bei rumänischen oder russischen Gutsbesitzern, später auch bei deutschen Bauern arbeiteten. Eigene Landparzellen wie die Kolonisten erhielten sie nicht.

Nach 1812 verdichtete sich die jüdische Bevölkerung vor allem im Norden und in den Städten. Sie verdiente sich zumeist mit Handelsgeschäften ihren Lebensunterhalt. Jüdische Getreidehändler wickelten gewöhnlich den Vertrieb des in Bessarabien geernteten Getreides ab.

Mit Aufhebung der Provinzautonomie 1828 wuchs die russische Bevölkerung in den Städten, wo sie oft anstelle rumänischer Beamter in der Verwaltung und der Justiz arbeitete. Russisch blieb die einzige Amtssprache. Lediglich die deutschen Kolonisten unterstanden bis 1871 der Kolonialbehörde und verwalteten sich weitgehend autonom.

Unter den Einwohnern Bessarabiens fühlten sich vor allem die Rumänen einem Assimilationsdruck ausgesetzt, zumal die Zahl der rumänischen Volksschulen kontinuierlich sank und ab 1867 nur noch in russischer Sprache unterrichtet wurde. Ab den 1870er Jahren durften keine rumänischen Publikationen mehr eingeführt werden. Zudem waren die Rumänen mit der gesamten orthodoxen Bevölkerung der russisch-orthodoxen Kirche eingegliedert, und Ende der 1880er Jahre wurde die Liturgie nur noch in Kirchenslawisch zelebriert, das die Bauern nicht verstanden.

Im Zuge der großen Reformen im Russischen Reich unter Zar Alexander II. (1818–1881) wurde mit Gesetz vom 4. Juni 1871 das Fürsorgekomitee, die Behörde für die ausländischen Ansiedler, aufgelöst. Bis 1873 waren die Selbstverwaltungsorgane der Deutschen, die Gebiets- und Schulzenämter, in das Zemstvo-System eingegliedert und Russisch als Kanzlei- und Verkehrssprache eingeführt.

Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1874, die vier bis sechs Jahre dauerte, bedeutete für die ehemaligen deutschen Kolonisten den Verlust eines ihrer wichtigsten Privilegien. Als Folge davon setzten größere Auswanderungen aus Bessarabien ein: über die Pruth/Jalpug-Grenze ins benachbarte Rumänien oder über die Donau in die Dobrudscha, aber auch nach Nord- und Südamerika. In den Kriegen, die Russland nach 1874 führte, kämpften Bessarabiendeutsche auf russischer Seite, zunächst im Krieg gegen die Türken 1877/78, dann im Russisch-Japanischen Krieg 1904/05 und schließlich auch im Ersten Weltkrieg.

Kontakte zu anderen Ethnien wie Bulgaren, Ukrainern, Rumänen, Russen, Juden oder kleineren Minderheiten, die teilweise in Nachbardörfern lebten, beschränkten sich im ländlichen Bereich bis zur Weltkriegszeit auf wirtschaftlichen Austausch und Handel. Von Bulgaren bezog man sein Gemüse, jüdischen Händlern verkaufte man die landwirtschaftlichen Überschüsse, Ukrainer waren als Saison- oder Jahresarbeiter angestellt und Russen begegnete man in der Verwaltung. In Marktorten wie Tarutino, Arzis und Sarata trafen sich Bauern, Handwerker und Kleinhändler zu Geschäftsabschlüssen, Vieh- und Warenhandel.

Die Landfrage bildete eines der wichtigsten Probleme Anfang der 1920er Jahre. Im Januar/Februar 1915 hatte die russische Regierung sämtlichen deutschen Landbesitz enteignet und die Deportation der deutschen Bevölkerung in östliche Landesteile vorgesehen. Wolhyniendeutsche und die Deutschen in Nordbessarabien waren bereits zwangsumgesiedelt. Ein heftiger Wintereinbruch 1916 und der Ausbruch der Februarrevolution 1917 verhinderten den Abtransport der Bessarabiendeutschen. Zwar annullierte die provisorische Regierung 1917 die Enteignungen, ebenso die rumänische Regierung 1919, aber bis zur Durchführung der Agrarreform durften keine Besitzveränderungen stattfinden, also keine Erbübertragungen, Verkäufe etc. Nachdem das gesamtrumänische Parlament der bessarabischen Agrarreform zugestimmt hatte, begann man ab 1920 mit der Enteignung des landwirtschaftlichen Besitzes, der 100 ha überstieg. Landlose erhielten sechs bis acht ha zugeteilt, zu wenig, um damit allein eine Familie ernähren zu können. Prozesse um enteignetes Land konnten sich bis Ende der 1920er Jahre hinziehen. Durch die Agrarreform verloren die Deutschen in Bessarabien rund 64.000 ha (25 Prozent) ihres früheren Landbesitzes.

Einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Landwirtschaft verhinderten zunächst verschiedene Missernten und die ab 1930 in Rumänien durchschlagende Weltwirtschaftskrise. Neue Absatzmärkte für landwirtschaftliche Produkte aus Bessarabien, die zuvor über Odessa/Odesa ins gesamte Russische Reich gingen, mussten erst erschlossen und die Transportwege in die westlichen Landesteile ausgebaut werden. Die Eisenbahnen liefen in russischer Spurbreite und mussten erst auf mitteleuropäischen Standard umgestellt werden. Noch 1930 existierten nur ca. 165 km gute, befestigte Straßen. Überschüssiges Getreide konnte über Brăila oder Galatz/Galaţi verschifft werden, aber man musste lange Anfahrtswege zu den Frachthäfen in Kauf nehmen.

Einen Wirtschaftsverband gründete die deutsche Bevölkerung Bessarabiens 1921 in Tarutino, um den Zwischenhandel in den eigenen Reihen zu halten und den Großhandel mit landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten aufzubauen. Noch 1930 arbeitete die Mehrheit der Deutschen in der Landwirtschaft und in Handwerksberufen (95 Prozent). Eine mittelständische Industrie fand sich vor allem in Marktorten wie Tarutino, Sarata, Arzis und aufstrebenden Gemeinden.

Die rumänische Volkszählung von 1930 zählte gut 2,8 Millionen Menschen auf dem Gebiet Bessarabiens, deren Mehrheit (56,2 Prozent) die moldauische, rumänischsprachige Bevölkerung stellte. Darüber hinaus siedelten im Land größere Minderheitengruppen wie Russen (12,3 Prozent), Ukrainer (11 Prozent), Juden (7,2 Prozent) und Bulgaren (5,7 Prozent), Gagausen (3,4 Prozent) und Roma. Die seit 1814 eingewanderten Deutschen hatten einen Anteil von 2,8 Prozent an der Gesamtbevölkerung Bessarabiens und konzentrierten sich im Süden, wo sie 15 bis 16 Prozent der Einwohnerschaft des Kreises Akkerman ausmachten.[1]

In den 22 Jahren der rumänischen Herrschaft versuchten besonders die Regierungen der Nationalliberalen Partei, durch rumänische Schulen die Minderheiten zu rumänisieren. Doch das gelang nur unzureichend, denn in den Städten wurde weiterhin vor allem Russisch und Jiddisch gesprochen. Die rumänischen Zeitungen konnten sich trotz Subventionen nicht halten, dagegen erschienen mehrere russische Blätter und eine jiddische Tageszeitung.

Kirchen- und Schulgeschichte

Die deutschsprachige und die jüdische Bevölkerung unterhielten eigene Kirchenschulen, in denen muttersprachlicher Unterricht, wenn auch seit 1890 mit Einschränkungen, stattfinden konnte. Eine Lehrerbildungsanstalt bestand in der deutschen Kolonie Sarata seit 1844, und weiterführende Schulen für Mädchen und Jungen eröffnete man nach 1905 in Tarutino. Deutsche und Juden wiesen die höchsten Alphabetisierungsraten im multiethnischen Bessarabien auf, während die Moldauer/Rumänen den niedrigsten Bildungsstand hatten.

Die lutherischen Gemeinden Bessarabiens waren bis 1918 in die Evangelisch-Lutherische Kirche in Russland eingebunden. Mit der Besetzung Bessarabiens durch rumänisches Militär ab Frühjahr 1918 waren die 121 lutherischen Kirchengemeinden in Bessarabien mit 66.385 Seelen von ihrer Kirchenleitung in St. Petersburg/Sankt Peterburg/Leningrad abgeschnitten. Zwangsläufig musste man nun über eine kirchliche Neuordnung nachdenken, die zum vertraglichen Anschluss – seit 1927 unter einer gemeinsamen Kirchenordnung – an die Evangelische Kirche Augsburger Bekenntnis in Siebenbürgen beziehungsweise in Rumänien führte. Der Zusammenschluss unter einer Kirchenordnung löste unter der lutherischen Bevölkerung Bessarabiens einen Kirchenstreit aus, der erst nach zehn Jahren völlig beigelegt werden konnte.

Der Tarutinoer Kirchenbezirk bildete unter den an die siebenbürgische Kirche angeschlossenen lutherischen Kirchen und Gemeinden den zahlenmäßig größten Bezirk. 1927 zählte man rund 71.000 Seelen in 127 Kirchengemeinden. Bis 1940 hatte sich die Zahl der Kirchengemeinden auf 142 und die Seelenzahl auf 82.213 erhöht, die in 12 Kirchspielen und drei selbstständigen Pfarrgemeinden betreut wurden. 50 Prozent der lutherischen Kirchspiele umfassten mehr als zehn Gemeinden. In den Kirchspielsorten amtierte jeweils ein Pastor, in den übrigen Gemeinden versahen sogenannte „Küsterlehrer“ pastorale wie schulische Aufgaben. Diese nicht ordinierten „Hilfsgeistlichen“ vor Ort übten bis auf die Feier des Heiligen Abendmahls, der Konfirmation und der kirchlichen Trauung sämtliche pastoralen Dienste aus. Die Finanzierung der gesamtkirchlichen Arbeit hatte sich Ende der 1920er Jahre zu einer schweren Finanzkrise in der bessarabischen lutherischen Kirche ausgewachsen.

Die Mehrheit der deutschen Volksschulen war in den 1920er Jahren dem Sog einer schleichenden Verstaatlichung erlegen. Diesen Prozess begünstigten die ungeklärte Rechtslage der „Kirchengemeindeschulen“, divergierende schulpolitische Ziele von Konsistorium und Volksrat einerseits, Lehrkräften und Lehrerverein andererseits, fehlende Finanzmittel in Gemeinden und Konsistorium sowie staatliche Zentralisierungs- und Rumänisierungsbestrebungen. Während 1926/27 noch 18 Prozent (23) aller Volksschulen als Kirchenschulen arbeiteten, sank ihr Bestand bis 1931 auf nur mehr 2,3 Prozent (Alexanderfeld/Alexanderfeld, Neu-Dennewitz/Swetlyi, Sofiewka/Sofievca) von ca. 126.

Die Mehrzahl bessarabiendeutscher Elementarschullehrer arbeitete daher bis 1939 in staatlichen Volksschulen. Ihre Ausbildung hatten sie noch überwiegend an der Lehrerbildungsanstalt in Sarata, genannt Wernerschule, absolvieren können. Ab 1934 weigerte sich die rumänische Regierung, Wernerschulabsolventen in den deutschen Volksschulen anzustellen, womit der Deutsch- und Religionsunterricht zurückgedrängt und die pädagogischen Klassen der Wernerschule ausgedünnt wurden.

Die drei höheren Schulen, die Wernerschule sowie die beiden Gymnasien in Tarutino, hatten sich einer Verstaatlichung widersetzt und blieben in kirchlicher Trägerschaft. Lediglich die Wernerschule in Sarata konnte mit dem Schulgeld 90 Prozent ihres Haushalts bestreiten, die beiden Gymnasien waren existentiell auf Zuschüsse angewiesen, die vom Centralvorstand der Gustav-Adolf-Stiftung in Leipzig und vor allem vom VDA (Verein, später Volksbund für das Deutschtum im Ausland) aus Deutschland kamen. Erst unter totalitären Bedingungen erhielten die deutschen Gemeinden in Bessarabien einen Großteil ihrer Kirchenschulen und Schulgebäude zurück, doch die im Herbst 1940 erfolgte Umsiedlung der Bessarabien-, Bukowina- und Dobrudschadeutschen ins Deutsche Reich beendete nicht nur diese Entwicklung, sondern das gesamte Siedlungsgeschehen.

Kulturelle Betätigungen der Deutschen

Ein bescheidenes kulturelles und literarisches Wirken entfaltete sich im Rahmen der Musik-, Bildungs- und Kulturvereine, die insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg in den deutschen Gemeinden Bessarabiens ins Leben traten. Ortschroniken wurden geschrieben, poetische und Prosa-Literatur entstanden, die in den bessarabiendeutschen Zeitschriften und Kalendern veröffentlicht wurden. 1922 gründete man ein Heimatmuseum in Sarata, das die eigene Geschichte reflektierte und darstellte.

Im November 1919 erschien erstmals die Deutsche Zeitung Bessarabiens. Ab Feb­ruar 1935 publizierte der Deutsche Volks- respektive Gaurat für Bessarabien ein eigenes Wochenblatt, das Deutsche Volksblatt. Beide Zeitungen erschienen bis 1940 und erweiterten im Laufe der Zeit ihr Angebot um berufs- oder gruppenspezifische Beilagen, zum Beispiel für Lehrer, Landwirte, Frauen. Ebenfalls ab 1935 veröffentlichte die Gaujugendführung des Volksrats ein Jugendblatt, Die Jugend, das ab 1938 in allen deutschsprachigen Gebieten Rumäniens verbreitet war. Den Bessarabischen Beobachter, 1932 als Sprachrohr der deutschen Kultur- und Berufsvereine entstanden, übernahm schon am 15. Oktober 1933 die Nationalsozialistische Selbsthilfebewegung der Deutschen in Rumänien als Kampfblatt der N.S.D.R. Mit Auflösung der NSDR beziehungsweise NEDR im Juli 1934 durch die rumänische Regierung verschwand diese Zeitung.

Von 1920 bis 1939 erschien ununterbrochen der Deutsche Volkskalender für Bessarabien. Jahrbuch der Deutschen in Bessarabien. Ab 1936 publizierte das Deutsche Volksblatt den Deutschen Bauernkalender. Vier Kalenderjahrgänge (1922, 1925, 1932 und 1933) produzierte der Sarataer Buchhändler Albert Knauer (geb. 1890) mit seinem Heimatkalender für die deutschen Bewohner Bessarabiens und der Dobrudscha.

Ab 1. Januar 1936 gab das Tarutinoer Konsistorium den Sonntagsgruß. Christlicher Wegweiser für das deutsche Volk in Bessarabien mit erbaulichen narrativen Texten wie amtlichen Nachrichten aus dem Bezirkskonsistorium heraus.

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

Zum Erhalt von Geschichte und Kultur der Bessarabiendeutschen gründeten Bessarabiendeutsche am 25. Mai 1952 das Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien, das auch gegenwärtig einige Etagen im Heimathaus in Stuttgart für Ausstellungsfläche, Bibliothek, Archiv und Verwaltungsräume in Anspruch nimmt. Nach 1991 begannen ehemalige Umsiedler, in ihren Herkunftsorten Kirchen und Schulgebäude zu restaurieren. Daher sieht man heute dort mehr Spuren der Deutschen als zur Zeit der Sowjetunion, als die meisten Gebäude zweckentfremdet waren. Die Fusion von Hilfskomitee, Landsmannschaft und Heimatmuseumsverein zu einem einzigen Bessarabiendeutschen Verein erfolgte 2005. Die Aufarbeitung und Tradierung der eigenen Geschichte hat außer den im Heimatmuseum gesammelten materialen Resten viele Ortschroniken, Erlebnisberichte im seit 1949 erscheinenden Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien sowie literarische und wissenschaftliche Abhandlungen hervorgebracht. Mit der Einrichtung einer Historischen Kommission 2009 intensivierte man die Auseinandersetzung mit den eigenen Verstrickungen in die nationalsozialistische Geschichte. Forschungsarbeiten entstanden zu „verschwundenen“ Umsiedlern, die der Euthanasie zum Opfer fielen, und zum Einfluss der NS-Ideologie auf die Bessarabiendeutschen anhand der in Bessarabien erschienenen Presseerzeugnisse.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Detlef Brandes: Von den Zaren adoptiert. Die deutschen Kolonisten und Balkansiedler in Neurußland und Bessarabien 1751–1914. München 1993 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 2).
  • Luminiţa Fassel: Das deutsche Schulwesen in Bessarabien (1812–1940). Eine komparativ-historische und sozio-kulturelle Untersuchung. München 2000 (Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks, Reihe B, Wissenschaftliche Arbeiten 75).
  • Mariana Hausleitner: Deutsche und Juden in Bessarabien 1814–1941. Zur Minderheitenpolitik Russlands und Großrumäniens. München 2005 (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Wissenschaftliche Reihe 102: Geschichte und Zeitgeschichte).
  • Dirk Jachomowski: Die Umsiedlung der Bessarabien-, Bukowina- und Dobrudschadeutschen. Von der Volksgruppe in Rumänien zur „Siedlungsbrücke“ an der Reichsgrenze. München 1984 (Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission 32).
  • Cornelia Schlarb: Tradition und Wandel. Die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Bessarabien 1814–1940. Köln u. a. 2007 (Studia Transylvanica 35).
  • Ute Schmidt: Die Deutschen aus Bessarabien. Eine Minderheit aus Südosteuropa (1814 bis heute). 3., unveränd. Aufl. Köln 2006.
  • Ute Schmidt: Bessarabien. Deutsche Kolonisten am Schwarzen Meer. Potsdam 2008 (Potsdamer Bibliothek östliches Europa – Geschichte).
  • Olga Schroeder: Die Deutschen in Bessarabien 1914–1940. Eine Minderheit zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Stuttgart 2012 (Schriften des Heimatmuseums der Deutschen aus Bessarabien 45).
  • Stefanie Wolter: NS-Einfluss auf die Deutschen in Bessarabien. Eine Pressedokumentation. Stuttgart 2013 (Schriften des Heimatmuseums der Deutschen aus Bessarabien 46).

Bibliographien

  • Olga Schröder-Negru: Bibliographie zur Geschichte und Kultur der Bessarabiendeutschen 1918–1940. Düsseldorf 2001 (Forschungen zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen 11).
  • Flavius Solomon: Identitate etnică şi minorităţi în Republica Moldova. O bibliografie [Ethnische Identität und Minderheiten in der Republik Moldova. Eine Bibliografie]. Iaşi 2001.

Periodikum

Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien (1949ff.).

Weblinks

www.bessarabien.de/ (Bessarabiendeutscher Verein e. V.)

Anmerkungen

[1] Vgl. Hildrun Glass: Zerbrochene Nachbarschaft. Das deutsch-jüdische Verhältnis in Rumänien (1918–1938). München 1996 (Südosteuropäische Arbeiten 98), S. 50–54.

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Zitation

Cornelia Schlarb: Bessarabien. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2014. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32551 (Stand 04.07.2022).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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