Südost-Institut, Regensburg

1. Kurzbeschreibung der Institution

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Wissenschaftszentrum Ost- und Südosteuropa
Regensburg (WiOS)

Das Südost-Institut, eine außeruniversitäre Einrichtung zur Erforschung der Geschichte und Gegenwart Südosteuropas, wurde 1930 in München gegründet. 2007 wurde es auf Beschluss der bayerischen Staatsregierung von München nach Regensburg verlegt, wo es Bestandteil des Wissenschaftszentrums Ost- und Südosteuropa Regensburg sowie An-Institut der Universität Regensburg wurde. Nach Zusammenlegung mit dem Osteuropa-Institut änderte es mit Wirkung vom 1. Januar 2012 seinen Namen in "Institut für Ost- und Südosteuropaforschung" (IOS).

2. Aufgaben

Im Verlauf seiner mehr als achtzigjährigen Geschichte (siehe Pkt. 4) veränderten sich die Aufgaben des Südost-Instituts. In den letzten Jahren war es vor allem in folgenden Tätigkeitsfeldern aktiv: Forschung zur Geschichte Südosteuropas mit einem zeitlichen Fokus auf das 19. und 20. Jahrhundert sowie einer regional-vergleichenden Perspektive; Herausgabe einer historischen (Südost-Forschungen) und einer gegenwartsorientierten Zeitschrift (Südosteuropa) sowie einer historisch orientierten Buchreihe (Südosteuropäische Arbeiten); Erstellung von Grundlagenwerken (z. B. Lexikon der Geschichte Südosteuropas und Geschichte Südosteuropas, hg. v. K. Clewing und O. Schmitt); Betrieb einer Fachbibliothek und Aufbau elektronischer Forschungsumgebungen; Organisation von wissenschaftlichen Veranstaltungen; Lehre an der Universität Regensburg. Diese Aufgaben werden in dem neuen Institut weitergeführt. Finanziert wurde das Südost-Institut durch das bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst; darüber hinaus wurden Drittmittel eingeworben.

3. Organisation

Das Südost-Institut wurde von der Stiftung für wissenschaftliche Südosteuropaforschung, einer Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Regensburg (bis 2007 in München), betrieben; die Stiftung existiert weiter, seit dem 1. Januar 2012 unter dem Namen "Stiftung für wissenschaftliche Ost- und Südosteuropaforschung", die das Institut für Ost- und Südosteuropaforschung trägt. Höchstes Stiftungsorgan war der Stiftungsrat, der u. a. das Direktorium des Instituts, bestehend aus dem Direktor und seinem Stellvertreter, bestellte. Die Direktoren des Instituts waren zumeist zugleich Professoren an einer bayerischen Universität.

4. Geschichte

Das Südost-Institut wurde am 23. Juni 1930 in München von Vertretern der bayerischen und der Reichsregierung im Kontext der revisionistisch motivierten historischen Beschäftigung mit den deutschen Bevölkerungsgruppen außerhalb des Deutschen Reiches gegründet. Geographisch lag die Aufgabe des Südost-Instituts zu Beginn weniger in Südosteuropa als in der Tschechoslowakei, in Österreich und in Südtirol. Der "Südosten" im Namen der Einrichtung ("Institut zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten") war zunächst eng entlang der Reichsgrenzen definiert. Erster Leiter des Instituts war Karl Alexander von Müller (1882–1964), seit 1928 Professor an der Universität München und Anhänger des Nationalsozialismus. 1933 erschien der erste Band der Buchreihe des Instituts, die bis 1942 den Namen Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten in München und des Instituts für ostbairische Heimatforschung in Passau, seither den auch heutigen noch aktuellen Namen Südosteuropäische Arbeiten trägt (bis 2011 143 Bände).

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Standort des Südost-Instituts
in München bis 2007.

Nach dem nationalsozialistischen Verbot der Beschäftigung mit Südtirol und unter der treibenden Kraft des ab 1935 am Institut beschäftigten, aus Ungarn stammenden Fritz Valjavec (1909–1960; 1937 Geschäftsführer und ab 1943 stellvertretender Leiter des Instituts) verschob sich noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs der Schwerpunkt hin zu Südosteuropa und der Geschichte und Gegenwart seiner Staaten. Dies drückte sich nicht zuletzt in der starken Hinzuziehung führender südosteuropäischer Wissenschaftler in der 1935 gegründeten Institutszeitschrift und in deren Umbenennung (1940) von Südostdeutsche Forschungen in Südost-Forschungen aus. Valjavec sah das Südost-Institut als Organ einer "kämpfenden Wissenschaft" an, hatte aber zugleich genuines Interesse an der Geschichte Südosteuropas. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Südost-Institut in das Auslandswissenschaftliche Institut (DAI) an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin und somit in die Strukturen der SS eingegliedert. Seine geringe Finanzierung deutet freilich darauf hin, dass ihm in diesem Kontext keine hohe Bedeutung zugemessen wurde. Bei einem Bombenangriff am 25. April 1944 wurde das Institutsgebäude getroffen und ein großer Teil der Bibliothek zerstört.

Formal existierte das Institut über das Kriegsende hinaus, faktisch nahm es seine Tätigkeit erst 1951 wieder auf. Die Wiederbelebung verdankte sich Fritz Valjavec, der trotz seiner vorherigen Beteiligung an der nationalsozialistischen Politik die bayerische Staatsregierung zu einer Wiederaufnahme der Förderung brachte.[1] Eine am 26. Juli 1951 abgehaltene Stiftungsratssitzung markiert den Wiederbeginn der Tätigkeit des Südost-Instituts, anfangs unter dem Namen "Münchner Institut für Kulturforschung", den sich das Institut im März 1945 gegeben hatte. Gefördert wurde das Institut vom Freistaat Bayern und dem Bundesministerium des Innern (ab 1977 durch das Auswärtige Amt).

In der wissenschaftlichen und personellen Ausrichtung gab es bis zum Tode Fritz Valjavec', der als geschäftsführender Direktor (bis 1955) bzw. Direktor (ab 1955) die Institutsarbeit auch nach dem Krieg maßgeblich bestimmte, Kontinuitäten aus der Zeit vor 1945; zur Geschichte trat aber nun vermehrt auch die Gegenwart Südosteuropas hinzu. Angesichts des Kalten Kriegs wurde die Untersuchung der aktuellen Lage der kommunistisch regierten Länder der Region forciert, wofür eine eigene Gegenwartsabteilung gegründet wurde. Von dieser Abteilung wurden ab 1952 die Zeitschrift Wissenschaftlicher Dienst Südosteuropa (ab 1982 Südosteuropa) und ab 1957 die Buchreihe Untersuchungen zur Gegenwartskunde Südosteuropas (bis 2006, insgesamt 37 Bde.) herausgegeben. Ab 1956 besorgte das Institut die Südosteuropa-Bibliographie (bis 1991), die Zugang zu in Zeiten des Kalten Kriegs sonst schwer erhältlichen bibliographischen Informationen verschaffte.

Unter dem neuen Institutsleiter Mathias Bernath (1920–2013; Institutsleiter ab 1960) setzte sich die Expansion des Instituts fort. Dank Förderungen der DFG konnten das Biographische Lexikon zur Geschichte Südosteuropas (1974–1981) und die Historische Bücherkunde Südosteuropa (1978–1988) erstellt und veröffentlicht werden. An beiden Werken beteiligten sich zahlreiche Wissenschaftler aus der Region und aus westlichen Ländern, was die Bedeutung des Instituts für den wissenschaftlichen Austausch über die Blockgrenzen hinweg aufzeigte. Mit dem Einstieg des Auswärtigen Amtes als institutioneller Förderer (1977) konnten in der Gegenwartsabteilung weitere Länderreferate eingerichtet werden. Besondere Aufmerksamkeit genoss das Südost-Institut in den 1990er Jahren dank seiner Analysen zu den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien sowie zu den Umbrüchen in Südosteuropa.

Der Beginn des 21. Jahrhunderts bedeutete eine Zäsur für das Institut: 2000 wurden die Mitarbeiter der Gegenwartsabteilung des Instituts in die neu geschaffene Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP) überführt und der Bund beendete seine Förderung. 2002 beschloss die bayerische Staatsregierung, das Institut aus München nach Regensburg zu verlegen (gemeinsam mit dem Osteuropa-Institut und dem Institut für Ostrecht). Im Gefolge des Umzuges und in Vorbereitung der zum 1. Januar 2012 vollzogenen Zusammenlegung mit dem Osteuropa-Institut erhöhte der Freistaat Bayern seine Zuwendung, was eine personelle Aufstockung erlaubte. Das Institut initiierte ein sechsbändiges Handbuch zur Geschichte Südosteuropas. Dieses Projekt, ebenso wie auch die Schriftenreihen und Forschungsvorhaben des Südost-Instituts, werden unter dem neuen Institutsnamen "Institut für Ost- und Südosteuropaforschung" fortgeführt.

Direktoren des Südost-Instituts: Karl Alexander von Müller (1930–1935), Fritz Machatschek (1936–1945/51), Karl August Fischer (1951–1955), Fritz Valjavec (1955–1960), Mathias Bernath (1960–1990), Edgar Hösch (1990–2007), Björn Hansen (kommissarisch, 2007–2008), Ulf Brunnbauer (2008–2011).

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Mathias Bernath: Das Südost-Institut. Rückschau und Ausblick. In: Südosteuropa 31 (1982), S. 375–379.
  • Konrad Clewing: Das Südost-Institut – zu Geschichte und Funktionen einer spezialisierten außeruniversitären Einrichtung. In: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Berichtsjahr 2007. München 2008, S. 29–36.
  • Karl Nehring: Geschichte des Südost-Instituts. In: Südost-Institut München 1930–1990. Mathias Bernath zum siebzigsten Geburtstag. München 1990 (Südosteuropa-Bibliographie, Ergänzungsband 2), S. 21–31.
  • Gerhard Seewann: Das Südost-Institut. In: Mathias Beer, Gerhard Seewann (Hg.): Südostforschung im Schatten des Dritten Reichs. Institutionen - Inhalte - Personen. München 2004 (Südosteuropäische Arbeiten 119), S. 49–92.
  • Krista Zach: Die Anfänge der deutschen Südosteuropaforschung und die Münchner Zeitschrift "Südost-Forschungen". In: Tübinger geographische Studien 128 (2000), S. 267–301.

Jubiläumsschriften und Periodika

Weblinks

Anmerkungen

[1] Fritz Valjavec, seit 1933 NSDAP-Mitglied, hatte seine Kontakte zu Vertretern der deutschen Bevölkerungsgruppen in Südosteuropa in den Dienst der „Gegnerforschung“ der SS gestellt. 1941 war er im Rang eines SS-Untersturmführers dem „Einsatzkommando der deutschen Sicherheitspolizei und des SD – Einsatzkommando 10b der Einsatzgruppe D“ in der Bukowina zugeordnet. Inwieweit Valjavec im Juli 1941 an der Massenerschießung von Juden in Czernowitz/Černivci beteiligt war, ist umstritten. Vgl. dazu Norbert Spannenberger: Südost-Forschung im Dienst der SS – Zur Biographie von Fritz Valjavec 1909−1945. In: Südosteuropa Mitteilungen 54 (2014), Sonderheft, S. 60−73, hier S. 72f.; und Klaus Popa: Fritz Valjavec. In: Ingo Haar, Michael Fahlbusch (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. München 2008, S. 697−700, hier S. 698f.

Zitation

Ulf Brunnbauer: Südost-Institut, Regensburg. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/53868.html (Stand 02.11.2021).

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OME-Redaktion (Stand: 30.07.2024)  | 
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