Steiermark

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Steiermark

Amtliche Bezeichnung

Steiermark

Anderssprachige Bezeichnungen

slowen. Štajersko; lat. Styria, Stiria

Etymologie

Steyr (= Stadt in Oberösterreich), Mark (= Grenzland)

2. Geographie

Lage

Die Steiermark liegt am Südostrand der Alpen und ist von vier aus dem Mittelalter stammenden Ländern (Kärnten, Salzburg, Österreich ob der Enns/Oberösterreich, Österreich unter der Enns/Niederösterreich) und von dem im 20. Jahrhundert konstituierten Burgenland (ehem. Deutsch-Westungarn) umgeben. Aufgrund dieser Position kreuzen sich auf dem Territorium der Steiermark die Wege zwischen dem oberen Donau- (Bayern) und dem Balkanraum sowie zwischen dem mittleren Donauraum (Pannonien/Ungarn) und Oberitalien und bewirken, dass germanische, romanische, slawische und magyarische Elemente ihre Spuren hinterlassen haben.

Topographie

Der nördliche Teil ist hochalpin (bis zu ca. 3.000 m. ü. NHN), der mittlere Teil bergig (bis ca. 1.500 m. ü. NHN), während der Süden und Südosten aus Flach- und Hügelland besteht (bis ca. 600 m. ü. NHN). 1910 umfasste die Steiermark 22.423 km2.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Die Steiermark ist eines der neun Bundesländer der Republik Österreich.

Historische Geographie

Bis 1919 gehörte zur Steiermark der Großteil des heutigen Ostslowenien (Untersteiermark), weshalb das Land bis zu diesem Zeitpunkt um ungefähr ein Drittel größer war.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Wappentier ist der Steirische Panther (weiß auf grünem Grund). Die Landesfarben sind grün-weiß. Landespatron ist der hl. Josef (seit 1784).

Vor- und Frühgeschichte

Die frühesten Funde menschlicher Besiedelung gehen auf die Altsteinzeit zurück und beziehen außer dem Hochgebirge alle Teile des Landes ein, lassen aber keine konkreten Schlüsse einer interregionalen Vernetzung zu. Im Lauf der Bronze- und Eisenzeit und noch mehr infolge der Einwanderung keltischer Stämme im 3. Jahrhundert kam es vermehrt zu nun auch belegbaren Austauschprozessen. Von 15 v. Chr. bis zum Zusammenbruch des Weströmischen Reiches (476 n. Chr.) gehörte das Land als Teil der Provinz Noricum dem Imperium Romanum an, wodurch die wesentlichsten Entwicklungsimpulse von Südwesten kamen. Mit dem Durchzug der germanischen Langobarden von Pannonien nach Oberitalien und dem Zuzug der Slawen (bis in die Gebirgstäler) und Awaren (bis ins Flachland) von Südosten aus erfolgte in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts ein massiver Bevölkerungsaustausch bzw. eine weitgehende Neubesiedlung.

Mittelalter

Die Politik des Karolingischen (später: Heiligen Römischen) Reiches führte zur Errichtung von Grenzmarken am Südostrand der Alpen in Front zum mittleren Donauraum, wo im 6.–8. Jahrhundert die Awaren, ab dem ausgehenden 10. Jahrhundert die Magyaren herrschten. Aus dem mehrfach umgestalteten Markengürtel bildete sich im 12. Jahrhundert die Steiermark heraus, deren Leitung das Adelsgeschlecht der Traungauer (Oberösterreich, Zentrum: Steyr) innehatte. Mit dessen Aussterben im Jahr 1192 übernahmen die in Österreich ob und unter der Enns (später: Ober- und Niederösterreich) regierenden Babenberger das Land. Nach dem Aussterben dieser Regentenfamilie (1246) bemühten sich zunächst die Könige von Böhmen und Ungarn um dieses Erbe, doch übertrug der römisch-deutsche König Rudolf von Habsburg das Lehen (1278) seiner eigenen Familie. Im 15. Jahrhundert residierte der römisch-deutsche Kaiser Friedrich III. zeitweilig in Graz. Die Grafen von Cilli (slowen. Celje) traten im Spätmittelalter gegen die Habsburger als Kontrahenten um die Landesherrschaft auf, doch endete dieser Konflikt mit der Ermordung des Grafen Ulrich (1456). Die Grafen von Cilli spielten auch als Magnaten im mittelalterlichen Königreich Ungarn eine wichtige Rolle, Barbara von Cilli (1390–1451) wurde als Gattin Sigismunds von Luxemburg sogar ungarische, böhmische und römisch-deutsche Königin.

Neuzeit

Mit der Übernahme der böhmischen und ungarischen Länder durch die Habsburger im Jahr 1526 gleichwie durch die Streifzüge der Osmanen seit dem auslaufenden 15. Jahrhundert änderte sich die Lage des Landes. Der Grenzlandstatus zum muslimisch gewordenen 'Balkan' zog einerseits die verstärkte Zusammenarbeit mit den benachbarten Herzogtümern Kärnten und Krain sowie dem Königreich Kroatien (als Teil Ungarns) nach sich, um die Abwehr gegen die Türken zu organisieren (Militärgrenze in Kroatien-Slawonien); andererseits wuchs hierdurch auch der Einfluss von Wien als Sitz der Hofbehörden und die von dort ausgehende Vernetzungspolitik der sog. Erblande. Eine Schlüsselperiode für die Steiermark stellt die Zeit zwischen 1564 und 1619 dar, während deren infolge einer Erbteilung die Landeshauptstadt Graz zur Residenz der innerösterreichischen Linie der Dynastie erhoben wurde. Deshalb unterlagen auch die Herzogtümer Kärnten und Krain, die Grafschaften Inner-Istrien und Görz sowie die Stadt Triest einem gemeinsamen Regime. Diese interregionalen Bande blieben auch später, wenngleich in abnehmender Bedeutung, erhalten. Eine neue Situation entstand im 19. Jahrhundert, als die slowenische Nationalbewegung ein vereintes Slowenien anstrebte (1848 ff.), wodurch der traditionelle Landesverband in Frage gestellt wurde und sich zwischen dem deutschen und dem slowenischen Teil der Bevölkerung ein Konflikt anbahnte.

Zeitgeschichte

Infolge des Friedensvertrages von St. Germain (1919) wurde der südliche, mehrheitlich von Slowenen besiedelte Teil der Steiermark an das neu gegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (später: Königreich Jugoslawien) angegliedert. Die bedrängte Lage der auf untersteirischem Boden verbliebenen deutschsprachigen Minderheit, die hauptsächlich in den Städten Marburg/Maribor, Cilli/Celje und Pettau/Ptuj lebte, belastete das österreichisch-jugoslawische Verhältnis. Nach dem Überfall des Dritten Reiches auf Jugoslawien 1941 wurde die Untersteiermark in den Reichsgau Steiermark (bis 1945) eingegliedert. Die Machtübernahme der von Kommunisten beherrschten Partisanenbewegung bewirkte die Vertreibung, Inhaftierung oder Liquidierung tausender Deutsch-Untersteirer. Die (österreichische) Steiermark stand von 1945 bis 1955 unter britischer Besatzung, ehe infolge der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages am 15. Mai 1955 die britische Armee abzog. 1978 kam es unter Mitwirkung der steiermärkischen Landespolitik zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria, die die Zusammenarbeit benachbarter Regionen unterschiedlicher politischer Systeme ermöglichte. Der Zerfall Jugoslawiens (1991) und die Aufnahme Sloweniens in die Europäische Union (2004) lösten zwar Bemühungen zur Vergangenheitsbewältigung aus, doch kam es zu keiner offiziellen Anerkennung der Reste der ehemaligen deutschen Volksgruppe auf slowenischem Boden.

Verwaltung und Verfassung

Die Steiermark, deren alpiner Kernraum sich im 11. Jahrhundert aus dem Verband des Herzogtums Kärnten herauslöste, stieg 1180 zum Herzogtum auf. Nach mehrmaligem Wechsel der Landesherrschaft wurde das Land ein Bestandteil der sog. habsburgischen 'Erblande'. Ab dem österreichisch-ungarischen Ausgleich (1867) gehörte die Steiermark zu den in der Cisleithanischen Reichshälfte der Donaumonarchie liegenden Kronländern. Infolge des Zerfalls des Gesamtstaates 1918 wurde das Land zu einem der neun Bundesländer der Republik Österreich.

Das Herzogtum war im Rahmen der ständischen Landesverfassung über Jahrhunderte in Viertel untergliedert, denen die einzelnen Grundherrschaften zugeordnet waren. Jene Struktur verlor im 18. Jahrhundert infolge der Verwaltungsreformen von Maria Theresia und Joseph II. an Bedeutung. Die ständische Landesverfassung wurde mit Adaptionen in der Verfassungsära (1848/49, 1860–1918) in die Gesamtstaatsverfassung eingegliedert. Infolge der Aufhebung der Grunduntertänigkeit (1848/49) wurden die Grundherrschaften in die neu geschaffenen Gemeinden überführt. Nach dem Ersten Weltkrieg verblieben 17 der 26 Bezirke bei Österreich.

Bevölkerung

Die Bevölkerung der Steiermark umfasste 1910 1.394.699 Landesbewohner, von diesen lebten innerhalb der Untersteiermark 403.981 Slowenen (83%) und 73.148 Deutsche (15%). Die Bevölkerung war und ist räumlich ungleich verteilt, da der bergige Norden immer weitaus dünner besiedelt war als das Hügel- und Flachland im Süden. Die Urbanisierung und Industrialisierung im 19. Jahrhundert bewirkten eine Verlagerung vom Dorf in die Stadt bzw. die Migration aus der Untersteiermark in den Großraum Graz (Landeshauptstadt, Industrie) und in die obersteirische Montanindustriezone von Leoben-Donawitz.

Wirtschaft

Die Wirtschaftskraft des Landes beruht auf der geographischen Lage zwischen Mittelmeer und Zentraleuropa (Handel, Gewerbe), auf der Palette verschiedener Ressourcen (Weide- und Ackerbauflächen, Forste, Edelmetall-, Erz- und Kohlevorkommen, Salzgewinnung, Wasserkraft), auf dem Vorhandensein unterschiedlicher Klimazonen (Wintersport im Norden, Weinanbau im Süden) und auf den technischen Innovationen (Eisenverhüttung, Fahrzeugbau, wissenschaftlich-technologische Forschung), die vor allem auf die seit dem 19. Jahrhundert bestehenden Fachschulen zurückgehen und den industriellen Sektor des Landes gefestigt haben. Ab dem 19. Jahrhundert hat schrittweise auch der Tourismus eine Rolle zu spielen begonnen, wie die Thermalbäder in der Ost-, Süd- und Untersteiermark und Luftkurorte belegen.

Gesellschaft

Bis ins 19. Jahrhundert war die Gesellschaft in der Steiermark gemäß feudalen Traditionen ständisch strukturiert (Adel, Kirche, Stadtbürger, Bauern). Mit dem Bergbau (Silber, Salz, Erz, Kohle) und der Eisenverarbeitung kam schon in älterer Zeit eine kleine Unternehmerschicht hinzu, die mit der Industrialisierung durch Zuwanderung aus West und Ost Zuwachs erfuhr. Der Großteil der Bewohner waren grunduntertänige Bauern, die nach der Bauernbefreiung (1848/49) mehrheitlich nur über kleine bis kleinste Bodenflächen verfügten und daher nach Zusatzerwerb in den Märkten und Städten suchten. Dennoch kam es zu keiner großen Emigration nach Übersee wie im benachbarten Deutsch-Westungarn (ab 1921 Burgenland). Die ethnische Struktur weist im Wesentlichen zwei große Gruppen aus: die Deutschen (Kolonisten aus Bayern im Früh- und Hochmittelalter und später aus verschiedenen Gegenden Zugezogene) und die Slowenen (Alpenslawen und deren Nachfahren). Während die Alpenslawen in den nördlichen und mittleren Landesteilen im Lauf des Mittelalters von den deutschen Zusiedlern assimiliert wurden, behielten sie im Unterland ihre Mehrheit, wenngleich sich in den dortigen Städten und Märkten größere oder kleinere deutsche Sprachinseln bildeten. Ökonomische Anreize bewirkten im 19. und 20. Jahrhundert assimilatorische Prozesse in Richtung beider Ethnien. Im Jahr 1900 entfielen in der Steiermark 70,50% auf die Deutsch-Österreicher (983.252 Personen) und 29,37% auf die slowenischen Österreicher (409.684 Personen).

Religions- und Kirchengeschichte

Die Christianisierung der Steiermark, die vom Erzbistum Salzburg und dessen Missionszentren ausging, setzte im 8. Jahrhundert ein und endete im 11. Jahrhundert. Die Schaffung eigener Diözesen (Seckau 1218 für das Oberland und Teile des Unterlandes, Lavant 1228 für Teile des Unterlandes) spiegelt die Zunahme regionaler kirchlicher Autonomie wider. Markante Einschnitte brachte die Reformation, da der Großteil der Bewohner zum protestantischen Glauben übertrat. Mit der Etablierung der Jesuiten-Universität wurde Graz jedoch eines der wichtigsten Zentren der Gegenreformation, zumal der hierfür hauptverantwortliche Ferdinand II. (1578–1637) in Graz geboren war. Eine tiefe Zäsur der kirchlichen Entwicklung führte auch die Reformpolitik Josephs II. (1741–1790) herbei, in deren Folge viele Klöster säkularisiert und eine Neuregulierung der Pfarrsprengel eingeführt wurde. Vor dem Ersten Weltkrieg lebten im Herzogtum Steiermark ca. 1,4 Mio. Katholiken, ca. 22.000 Lutheraner und ca. 3.000 Personen israelitischen Glaubens.

Besondere kulturelle Institutionen

Das Universalmuseum Joanneum, Graz, feierte 2011 seinen 200-jährigen Bestand. Es repräsentiert nicht nur eine Sammlung zu verschiedenen Sachbereichen (Kunst, Archäologie, Volkskunde, Mineralien usw.), sondern auch einen Bildungsauftrag im Interesse der Bewohner, dessen Leitfigur Erzherzog Johann (1782–1859) geworden ist, einer der Brüder von Franz I. (1768-1835). Die Steiermärkische Landesbibliothek ist aus einer 1812 gegründeten Leseanstalt hervorgegangen; ihre Bestände beziehen sich auf alle historischen Landesteile. Das Steiermärkische Landesarchiv ist das größte Regionalarchiv Österreichs mit über den Rahmen der Steiermark hinausgehenden Beständen. Der Musikverein für Steiermark sowie die Grazer Oper verfolgen seit ihrer Gründung (1815 bzw. 1899) das Ziel, das einheimische Publikum mit dem Schaffen ernster Musik vertraut zu machen.

Bildung

Das Bildungsprofil beruht vorwiegend auf den in der Steiermark bestehenden Universitäten: Im österreichischen Teil sind dies die 1585 in Graz gegründete Karl-Franzens-Universität (wieder eröffnet 1827), ebenfalls in Graz die Technische Universität (gegründet 1811, erweitert 1874) und die Universität für Musik und Darstellende Kunst (gegründet 1963 als Akademie) sowie in Leoben die Montanuniversität (gegründet 1840, erweitert 1975). Im slowenischen Teil des ehemaligen Herzogtums Steiermark gehen die ersten Fakultäten der Universität Maribor (dt. Marburg) auf das Jahr 1975 zurück. Zu den Einzugsgebieten dieser akademischen Lehrstätten zählt nicht nur das regionale Umfeld, sondern auch, in quantitativer Abstufung, alle Länder des europäischen Südostens.

Alltagskultur

Die Alltagskultur wird traditionellerweise von vier Säulen getragen − von der Volkskultur (Stadtfeste, Musik- und Tanzveranstaltungen, Ausstellungen zu ländlich-dörflichen Themen, steirische Küche, steirische Weine); von der 'bürgerlichen' Kultur (Konzerte, Opern, Lesungen, Ausstellungen, Museen); von der Sportkultur (u. a. Internationale Schi- und Schisprungwettkämpfe, Rennsport) und von der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Ungarn, Kroatien, Slowenien und Nordostitalien (Triest und Friaul-Julisch Venetien) (Gastronomie, Festivals, Kunstausstellungen, Wirtschaftsmessen).

Musik

Zu den bekanntesten Komponisten des Landes zählen Johann Josef Fux (1660–1741), der zum Hofkapellmeister am Wiener Hof aufgestiegen ist, Anselm Hüttenbrenner (1794–1868), der mit Ludwig van Beethoven und Franz Schubert zusammenarbeitete, und Hugo Wolf (1860–1903), der aus der untersteirischen Kleinstadt Windischgrätz/Slovenj Gradec stammte. In den Jahrzehnten um 1900 prägte der gebürtige Oberösterreicher Wilhelm Kienzl (1857–1941) als Komponist und Direktor des Musikvereins die steirische Musikszene. Die neue Musik wird mit dem 'Steirischen Herbst' abgedeckt, der 1967 initiiert worden ist und u. a. der Pflege avantgardistischer Musik dient. Eine große Rolle spielen auch die Volksmusikkapellen, die in allen Landesteilen eine generationenübergreifende Funktion ausüben.

Buch- und Druckgeschichte

Wichtigste Speicherorte für die Buchgeschichte sind die Klosterbibliotheken (z. B. besitzt Stift Admont die größte Klosterbibliothek der Welt) sowie die Universitätsbibliothek (ca. 3 Mio. Bände) und die Steiermärkische Landesbibliothek (über 700.000 Bände) in Graz. Die Entwicklung des steirischen Buchdrucks setzte in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein und erreichte mit der Grazer Offizin Widmannstetter (1585–1806) ihren Höhepunkt. Danach konnten nur die Druckhäuser Leykam und Kienreich (beide Graz) eine gewisse regionale Bedeutung behalten.

Literatur

Eine landestypische Literaturszene entwickelte sich erst im 19. und 20. Jahrhundert. In der Gründerzeit spendete die ins Hintertreffen geratende Welt des Dorfes Inspiration für die Heimatdichtung (z. B. Peter Rosegger, Hans Kloepfer, Paula Grogger, Max Mell u. a.). Vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich angesichts der nationalen Bewegung eine neue literarische Strömung, in der der Grenzlandgedanke und die interethnischen Beziehungen aufgegriffen wurden (Anastasius Grün, Rudolf Hans Bartsch u. a.). In den 1960er Jahren entstand rund um das Forum Stadtpark in Graz ein neuer Kreis von Literaten, der bewusst sozialkritisch-avantgardistische Wege eingeschlagen hat (Peter Handke, Wolfgang Bauer, Barbara Frischmuth u. a.). Die Literaten auf steirisch-slowenischem Boden bekamen vor allem für den Aufbau einer überregionalen slowenischen Literatur Bedeutung (z. B. Stanko Vraz, Franz Miklosich).

Militärgeschichte

Das Unterland der Steiermark war über Jahrhunderte den kriegerischen Vorstößen der Magyaren ausgesetzt, weshalb sich eine stabile Landesgrenze zum Königreich Ungarn erst spät herausgebildet hat; viele heute noch bestehende Burganlagen gehen auf jene Periode zurück. Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stieg die Gefahr durch die bis nach Bosnien und Kroatien vorgedrungenen Osmanen, wodurch ab dem frühen 16. Jahrhundert kontinuierliche Verteidigungsmaßnahmen nicht nur entlang der südlichen Landesgrenze nötig wurden, sondern auch zugunsten der Landeshauptstadt Graz. Die größte Gefahr bestand 1532, als die Hauptarmee Sultan Süleymans des Prächtigen das Land auf dem Rückzug nach Konstantinopel heimsuchte, und 1683, zur Zeit der Zweiten Wiener Türkenbelagerung. Diese Umstände führten zur Errichtung des sog. Landeszeughauses (Arsenal), das zu den weltweit größten Sammlungen von Waffen aus dem 16. und 17. Jahrhundert zählt. Während der Kuruzzenkriege (1703–1711) stießen die 'Malkontenten' aus Ungarn vor und brandschatzten wiederholt die östlichen Randgebiete. In den Napoleonischen Kriegen operierte die französische Armee mehrmals im Lande und belagerte 1809 Graz. 1945 drang die Rote Armee der Sowjetunion von Osten her in die Steiermark vor, ehe die britischen Alliierten die Besatzung des Landes (ebenso wie in Kärnten bis 1955) übernahmen. Zu Verletzungen des Luftraums kam es 1991, als die jugoslawische Volksarmee im Kampf gegen das um seine Unabhängigkeit ringende Slowenien die österreichische Grenze mehrfach überflog.

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

Die Memorialkultur setzte in der Periode des sog. Vormärz ein, als es darum ging, an die Franzosenkriege zu erinnern. Weitere Anlässe für die Aufstellung von Denkmälern und Gedenktafeln beruhten auf der Gemeinnützigkeit vieler Errungenschaften in den Städten, Kurorten und auch in den Dörfern. Weitere Impulse für Gedächtnisarbeit gingen auf den Ersten und Zweiten Weltkrieg zurück, als viele Gefallene zu beklagen waren.

Auch die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg aus Jugoslawien übersiedelten, geflohenen oder vertriebenen Deutschen trugen zur Gedächtniskultur bei (etwa mit der Gottscheer Gedenkstätte in Graz-Mariatrost). Auf dem Boden der slowenischen Steiermark beruhten die Initiativen einerseits auf der Befreiung von der habsburgischen bzw. der 'deutschen' Herrschaft (1918/19) und andererseits auf dem Sieg der kommunistischen Partisanenbewegung (1945 ff.) zunächst über die 'faschistischen', dann über die bürgerlichen Kräfte.

4. Diskurse

Der bislang unsystematisch geführte Diskurs spiegelt den historischen Antagonismus zwischen Deutschen und Slowenen bzw. zwischen Reichs- und Nationalgeschichte wider und weist fünf Themenfelder auf: 1. die Bereitschaft bzw. Nichtbereitschaft der politischen Führung der Habsburgermonarchie (westliche Reichshälfte), den slowenischen Autonomiebedürfnissen entgegenzukommen; 2. die dominierende Rolle der deutschen Bevölkerung in der Untersteiermark in den letzten Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit; 3. der Umgang des kommunistischen Jugoslawiens bzw. Sloweniens mit der deutsch-untersteirischen Bevölkerung ab Ende des Zweiten Weltkrieges in Hinblick auf Wiedergutmachung und Anerkennung einer deutschen Minderheit im heutigen Slowenien; 4. die Frage des 'österreichischen' Anteils an der Drangsal der slowenischen Bevölkerung 1941–1945; 5. die quantitative und qualitative Rolle der slowenischen Minderheit in der österreichischen Steiermark, die nur unzureichend rezipiert wird. Die Forschung in allen einschlägigen Archiven und unter komparatistischen Gesichtspunkten lässt ein ausgereiftes und ausgewogenes Bild der offenen Fragen erwarten, doch ist die Diskursbereitschaft nicht allzu hoch einzuschätzen, da die Politik der Republiken Österreich und Slowenien im Gegensatz zur Frage der slowenischen Minderheit in Kärnten möglichen Kontroversen aus dem Weg geht.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Feliks J. Bister, Peter Vodopivec (Hg.): Kulturelle Wechselseitigkeit in Mitteleuropa. Deutsche und slowenische Kultur im slowenischen Raum vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg. Ljubljana 1995 (Wissenschaftliche Bibliothek Österreich-Slowenien 1).
  • Janez Cvirn: Trdnjavski trikotnik. Politično orientacija Nemcev na Spodnjem Štajerskem (1861-1914) [Das Festungsdreieck. Die politische Orientierung der Deutschen in der Untersteiermark (1861-1914)]. Maribor 1997.
  • Joseph Desput (Hg.): Vom Bundesland zur europäischen Region. Die Steiermark von 1945 bis heute. Graz 2004 (Geschichte der Steiermark 10).
  • Die Steiermark. Brücke und Bollwerk. Landesausstellung 1986, Katalog. Graz 1986 (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs 16).
  • Harald Heppner (Hg.): Slowenen und Deutsche im gemeinsamen Raum. Neue Forschungen zu einem komplexen Thema. München 2002 (Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission 38).
  • Klaus-Jürgen Hermanik: Eine versteckte Minderheit. Mikrostudie über die Zweisprachigkeit in der steirischen Kleinregion Soboth. Weitra [2007] (Bibliothek der Provinz).
  • Joachim Hösler: Slowenien. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Regensburg 2006 (Ost- und Südosteuropa - Geschichte der Länder und Völker).
  • Stefan Karner: Die Steiermark im 20. Jahrhundert: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Graz u. a. 2000.
  • Stefan Karner, Gerald Schöpfer (Hg.): Als Mitteleuropa zerbrach. Zu den Folgen des Umbruchs in Österreich und Jugoslawien nach dem Ersten Weltkrieg. Graz 1990 (Unserer Zeit Geschichte 1).
  • Martin Moll: Kein Burgfrieden. Der deutsch-slowenische Nationalitätenstreit in der Steiermark 1900-1918. Innsbruck 2007.
  • Andreas Moritsch (Hg.): Alpen-Adria. Zur Geschichte einer Region. Klagenfurt u. a. 2001.
  • Dušan Nećak, Božo Repe: Slowenien. Klagenfurt u. a. 2006 (Wieser Geschichte: Europäischer Osten).
  • Othmar Pickl (Hg.): 800 Jahre Steiermark und Österreich 1192-1992. Der Beitrag der Steiermark zu Österreichs Größe. Graz 1992 (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 35).
  • Hans Pirchegger: Geschichte der Steiermark. Mit besonderer Rücksicht auf das Kulturleben. Graz 1949 (Neudruck 1976).
  • Nova Revija (Hg.): Slovenski zgodovinski atlas. Ljubljana 2011.
  • Helmut Rumpler, Arnold Suppan (Hg.): Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien (1848-1941). Wien, München 1988 (Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropainstituts 13).
  • Gerhard Sewann: Steiermark. In: Edgar Hösch, Karl Nehring, Holm Sundhaussen (Hg.): Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Wien u. a. 2004, S. 661-663.
  • Christian Stenner (Hg.): Slowenische Steiermark. Verdrängte Minderheit in Österreichs Südosten. Wien u. a. 1997 (Zur Kunde Südosteuropas II/23).
  • Peter Štih, Vasko Simoniti, Peter Vodopivec: Slowenische Geschichte. Gesellschaft, Politik, Kultur. Graz 2008 (Veröffentlichung der Historischen Landeskommission für Steiermark 40).
  • Arnold Suppan (Hg.): Zwischen Adria und Karawanken. Berlin 1998 (Deutsche Geschichte im Osten Europas).
  • Ferdinand Tremel: Land an der Grenze. Eine Geschichte der Steiermark. Graz 1966.
  • Peter Vodopivec: Od Pohlinove slovnice do samostojne države. Slovenska zgodovina od konca 18. stoletja do konca 20. stoletja [Vom Wörterbuch Pohlins bis zum selbständigen Staat. Slowenische Geschichte vom Ende des 18. bis zum Ende des 20. Jh.s]. Ljubljana 2006.
  • Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848-1918 (= Die Völker des Reiches 3). Wien 1980. Teil 1, S. 248-255; Teil 2, S. 801-838.

Periodika

  • Mittheilungen des Historischen Vereins für Steiermark, Graz (1850 ff., fortgesetzt als Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, Graz [1906 ff.]).
  • Historischer Verein für Steiermark (Hg.): Blätter für Heimatkunde, Graz (1923 ff.).Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs, Graz (1-53/54; 1951-2004).
  • Veröffentlichungen der Steirischen Landeskommission, Graz (1896 ff.).
  • Časopis za zgodovino in narodopisje [Zeitschrift für Geschichte und Volkskunde], Maribor (1904 ff.).
  • Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf, Eisenstadt (1972 ff.)

Zitation

Harald Heppner: Steiermark. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/54159.html (Stand 07.03.2012).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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