Brüx/Most
1. Toponymie
Deutsche Bezeichnung
Brüx
Amtliche Bezeichnung
tschech. Most
Lateinische Bezeichnung
Pons
2. Geographie
Lage
Brüx liegt auf 50° 30' nördlicher Breite, 13° 38' östlicher Länge, ca. 35 km südwestlich von Aussig/Ústí nad Labem.
Region
Staatliche und administrative Zugehörigkeit
Tschechien. Die Stadt Brüx liegt in der Region Aussig (Ústecký kraj) im ehemaligen Bezirk Brüx (Okres Most).
3. Geschichte und Kultur
Wappen
Das Stadtwappen zeigt spätestens seit dem 14. Jahrhundert eine dreibogige Brücke mit zwei Brückentürmen, einen bewehrten und gekrönten Löwen mit doppeltem, gedrehtem Schwanz sowie einen Stern.
Mittelalter
Die von Cosmas von Prag in seiner Chronica Bohemorum (um 1120/25) erwähnte "Brücke (pons) von Gnevin beim Fluss Belina" (II. Buch, Kap. 11) bezieht sich vermutlich nicht nur auf die Brücke selbst, sondern auch auf die in der Nähe der Burg Landeswarte/Hněvín gelegene Siedlung des späteren Brüx an der Biela (Bílina); die Existenz einer Stadt (urbs) an der Biela wird auch von einem sächsischen Chronisten 1140 bestätigt (MGH SS 6, S. 684). Seit Ende des 12. Jahrhunderts verwalteten die Herren von Hrabaschitz (Grabissa) die Burg und den Burgbezirk, die Coiata von Hrabaschitz im Jahre 1227 dem Prager Kloster Zderas/Zderaz überließ. Im Laufe des 13. Jahrhunderts fiel der Ort an die Přemysliden. Die eigentliche planmäßige Gründung der "königlichen" Stadt – eine Gründungsurkunde ist nicht überliefert – wird mit einer Urkunde Wenzels I. von 1263 in Verbindung gebracht, in der der deutsche Name "Pruks" zum ersten Mal erwähnt wird. Die Verleihung und Bestätigung städtischer Privilegien durch König Otakar I. Přemysl (1273), Johann von Böhmen (1327) und Karl IV. (1361ff.) sind belegt, darunter das für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt zentrale Straßenzwangs- und Stapelrecht sowie das Bannmeilenrecht zum Schutz des städtischen Handwerks (beide 1273). Während der Hussitenkriege (1414–1434) blieb Brüx – bis 1459 in Pfandschaft der Herzöge von Sachsen – katholisch.
Neuzeit
Eine Zäsur in der Stadtgeschichte markierte der Stadtbrand von 1515, dem die gesamte Altstadt zum Opfer fiel. Der Neubau der Stadtpfarrkirche (Mariae Himmelfahrt) begann 1517; das Rathaus wurde im 16. Jahrhundert als Renaissancebau vollendet. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden große Teile der Stadt zerstört und sie verlor wirtschaftlich und kulturell an Bedeutung. 1613 lassen sich erste Hinweise auf die Entstehung des Montanwesens finden. Ein Stadtbrand vernichtete 1820 wichtige Bausubstanz aus der frühen Neuzeit. Der Stadtausbau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umfasste eine Kaserne (1852), ein Krankenhaus (1855) und eine Synagoge (1868). Mit der Anbindung an das Eisenbahnnetz 1870 (Aussig-Teplitzer Eisenbahn) wurde die Voraussetzung für die Industrialisierung (Zuckerfabrik, Porzellanmanufaktur, Stahlwerk, Brauerei) und für den Ausbau des Montanwesens geschaffen, der letztendlich zum Niedergang der historischen Stadt Brüx führte. Ein Grubeneinsturz 1895 (die sog. Schwimmsandkatastrophe) zerstörte weite Teile der Stadt.
Zeitgeschichte
Aufgrund des reichhaltigen Braunkohlevorkommens unter der historischen Stadt Brüx wurde 1964 der Abriss der Altstadt beschlossen, der ab 1967 umgesetzt wurde. Von den Sprengungen blieben ein Villenviertel aus dem 19. Jahrhundert und einige Gebäude aus den 1920er Jahren in der Nähe des Burgbergs verschont. Bereits 1964 war mit dem Bau der "neuen" Stadt Most wenige Kilometer südöstlich der ursprünglichen Siedlung begonnen worden. 1975 wurde die Dekanatskirche Mariae Himmelfahrt als einziges historisches Gebäude auf Schienen in die neu entstandene Stadt verschoben.
Bevölkerung
Aufzeichnungen des 16. Jahrhunderts deuten auf eine deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit und eine tschechischsprachige Minderheit hin, die jedoch im gesamten sozialen Querschnitt vertreten war. Die Stadt war im 16. Jahrhundert konfessionell gemischt. Im 19. Jahrhundert zog das expandierende Montanwesen zahlreiche tschechische Arbeitskräfte nach Brüx und die Einwohnerzahl erhöhte sich von knapp 5.000 im Jahr 1857 auf etwa 21.500 im Jahr 1900. Die für das späte 19. Jahrhundert geschätzte Quote von etwa zehn Prozent tschechischen Einwohnern stieg bis 1930 auf knapp 50 Prozent. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden ca. 17.000 deutsche Stadtbewohner vertrieben. Bis 1947 erreichte die Bevölkerungszahl wieder annähernd das Vorkriegsniveau. 2011 zählte Brüx ca. 67.500 Einwohner.
Kunstgeschichte
Nach dem Stadtbrand von 1515 wurde die Kirche Mariae Himmelfahrt (Dekanal- oder Dekanatskirche) ab 1517 als spätgotische Hallenkirche nach Entwürfen des aus Schweinfurt stammenden Baumeisters Jacob Heilmann errichtet. Das dreischiffige Langhaus mit umlaufenden Emporen, polygonalem Chorschluss und Kapellen zwischen den eingezogenen Strebepfeilern wird über den Seitenschiffen von einem Netzgewölbe, über dem Mittelschiff von einem Schlingrippengewölbe überspannt. Die Kirche, die die Gewölbelösung Benedikt Rieds im Vladislav-Saal der Prager Burg zitiert (1493/94–1502), steht in enger stilistischer Verbindung zur ebenfalls von Heilmann gewölbten Annenkirche in Annaberg-Buchholz (Sachsen). Infolge des Kohleabbaus, dem die historische Stadt Brüx zum Opfer fiel, wurde die Kirche 1975 um etwa einen Kilometer transloziert. Im Kircheninneren befindet sich heute eine Dauerausstellung zur Kunst des Mittelalters und der Renaissance in Nordwestböhmen; in der Krypta sind Werke zeitgenössischer Künstler zu sehen.
Die Dekanatskirche, die Minoritenkirche und die Piaristenkirche befanden sich im alten Brüx an den drei Hauptplätzen der Altstadt; die Wenzelskirche (Kreuzherrenorden) und die Evangelische Kirche lagen am Rand der Altstadt.
Gedächtnis- und Erinnerungskultur
Das "städtische Gedächtnis" von Brüx erfuhr zwei entscheidende Zäsuren: zum einen die Vertreibung von ca. 17.000 Deutschen und die sukzessive Neubesiedlung nach 1945, zum anderen die Vernichtung der historischen Stadtstruktur der auf etwa 50.000 Einwohner gewachsenen Kleinstadt ab 1967 infolge des Braunkohleabbaus und die Neugründung der Stadt Most wenige Kilometer entfernt. Die translozierte Dekanatskirche, ein kultureller Fremdkörper am Rande der "modernen" Stadt, wurde als Exemplum staatlicher Denkmalpflege kommuniziert.
Das Städtische Theater (Městské divadlo v Mostě, Grundsteinlegung 1979) und das Magistratsgebäude (Magistrát města Most) bilden das Stadtzentrum der neuen Stadt Most. Straßen- und Platznamen ("1., 2. Platz") sowie historische Versatzstücke (Brunnen, Pestsäule) erinnern an das historische Brüx.
Die Brüxer Heimatstube in Erlangen (vgl. www.bkge.de/heimatsammlungen/45132.html) thematisiert in ihrer Sammlung vor allem die Montantradition und die Zerstörung der Stadt im 20. Jahrhundert sowie die Verlagerung der Dekanatskirche, die im kollektiven Gedächtnis der Deutschen aus Brüx eine wichtige Rolle spielt.
4. Bibliographische Hinweise
Literatur
- Jan Klápště: Das mittelalterliche Most und das Moster Land: Die Stadt und ihre Region. In: Jana Kubková (Hg.): Život v archeologii středověku. Sborník příspěvků věnovaných Miroslavu Richterovi a Zdeňku Smetánkovi [Das Leben in der Archäologie des Mittelalters. Festschrift für Miroslav Richter und Zdeněk Smetánka]. Praha 1997, S. 327–341.
- [o. A. ] Přesun kostela v Mostě [Die Verschiebung der Kirche in Brüx]. Praha 1976.
- Kurt Oberdorfer: Brüx – die Stadt an der Brücke. Beiträge zur Geschichte einer nordwestböhmischen Stadt. München 1958.
- Bohumír Roedl: Brüx. In: Joachim Bahlcke, Winfried Eberhard, Miloslav Polívka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Böhmen und Mähren. Stuttgart 1998 (Kröners Taschenausgabe 329), S. 79–81.
Weblinks
- www.mesto-most.cz/ (mehrsprachige Internetpräsenz der Stadt Most)
- www.kostel-most.cz/ (tschechischsprachige Seite zur Geschichte der Dekanatskirche)
- www.muzeum-most.cz/ (mehrsprachige Seite des Brüxer Regionalmuseums/Oblastní muzeum v Mostě)
- www.herder-institut.de/bildkatalog/index/index?searchfield_parameter=br%C3%BCx&newperspective=thumbnails (Abbildungen zu Brüx im Bildarchiv des Herder-Instituts, Marburg)
Zitation
Marco Bogade: Brüx/Most. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL ome-lexikon.uni-oldenburg.de/54187.html (Stand 02.03.2021).
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