Raab/Győr

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Raab

Amtliche Bezeichnung

ung. Győr

Anderssprachige Bezeichnungen

lat., in römischer Zeit: Arrabona, seit dem Mittelalter: Iaurinum; slowak. Ráb

2. Geographie

Lage

Raab liegt auf 47o 41' nördlicher Breite, 17o 38' östlicher Länge, 120 km von Budapest und Wien, 80 km von Pressburg/Bratislava entfernt.

Topographie

Ortschaft an der Mündung der Raab (Rába) und der Rabnitz (Rábca) in die Kleine Donau (Mosoni Duna) im Osten der Kleinen Ungarischen Tiefebene (Kisalföld).

Region

West-Transdanubien (Nyugat-Dunántúl)

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Ungarn. Raab ist Sitz des Komitats Raab-Wieselburg-Ödenburg (Győr-Moson-Sopron Megye), Zentrum des Kleingebiets Győr und Sitz des römisch-katholischen Bistums Raab/Győr.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Im rechten, blauen Feld des seitlich gebogenen Scheibenschildes ist der hl. Erzmärtyrer Stephan, der Patron der Stadt, zu sehen. In der Rechten hält er einen Stein (Hinweis auf seine Steinigung), in der Linken einen Palmenzweig (Symbol des Martyriums). In der oberen Hälfte des zweigeteilten linken Schildbereichs befindet sich auf blauem Grund eine steinerne Burg mit Turm und offenem Tor; im unteren Feld sind auf rotem Grund drei silberne Wellen dargestellt, welche die Flüsse der Stadt symbolisieren.

Beinamen

Wegen seiner drei Flüsse wird Raab "Stadt der Flüsse" genannt.

Archäologische Bedeutung

In römischer Zeit standen hier ein Militärlager am Donau-Limes und die blühende Stadt Arrabona (daher die deutsche Bezeichnung von Stadt und Fluss Raab). Später wurde die Ortschaft u. a. von Hunnen, Awaren und Franken besiedelt.

Mittelalter

Zur Zeit der ungarischen Landnahme ließ sich auf diesem Gebiet der Stamm der Arpaden nieder. König Stephan I. (der Heilige) gründete hier Anfang des zweiten Jahrtausends ein Bistum und eine Burggrafschaft, die später zum Sitz des Komitats Győr wurde. Aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage war der Ort bereits früh ein bedeutendes Handelszentrum, im 14. Jahrhundert dann auch Grenzposten und Kalisalzlager. Die Raaber Burg und ihre Verteidiger spielten eine wichtige Rolle in den Kämpfen gegen den böhmischen König Ottokar II. Přemysl (1253–1278). 1271 erhielt die Siedlung von König Stephan V. eine Privilegierung nach deutschem Recht. Es entstand eine Stadt mit regelmäßigem Grundriss.

Neuzeit

Nach der Schlacht bei Mohács (1526) spielte Raab eine Schlüsselrolle in der Türkenabwehr; die Festung war ein wichtiges Glied der Grenzburgenkette und Sitz des Raaber Präsidiums. 1594 öffnete der Burghauptmann den Osmanen die Festungstore; vier Jahre später konnten die Habsburger unter Adolf von Schwarzenberg die Festung zurückerobern. König Matthias II. (1608–1619) ernannte Raab zur privilegierten Minderstadt, die Bewohner wurden von Steuerzahlungen befreit. Maria Theresia (1740–1780) erhob die Stadt 1743 zur königlichen Freistadt.

Nach der sog. Raaber Schlacht unweit der Stadt kam Raab für einige Monate unter französische Herrschaft. In der Ungarischen Revolution 1848/49 besetzte General Haynau die Stadt (1849), die anschließend von ungarischen Truppen belagert wurde. Dadurch verlangsamte sich die Stadtentwicklung für etwa anderthalb Jahrzehnte. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt wieder einen Aufschwung mit spürbarer industrieller Entwicklung; Raab wurde bis Ende des Jahrhunderts zu der nach der Hauptstadt am stärksten industrialisierten Stadt Ungarns.

Zeitgeschichte

Während des Zweiten Weltkrieges wurde Raab stark beschädigt, sodass die Sanierungsarbeiten bis Anfang der 1950er Jahre dauerten. Im Frühjahr 1945 wurde die Stadt von der Roten Armee besetzt. Damals verlor der "Frauenverteidiger" Bischof Vilmos Apor (1941–1945) als Märtyrer sein Leben, er wurde 1997 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Im ungarischen Volksaufstand 1956 spielte Raab eine bedeutende Rolle. Die Stadt kam ab den 1960er Jahren wieder in Schwung und ist heute ein wichtiges wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Nordungarns.

Verwaltung

Selbstverwaltung der Stadt Raab mit Komitatsrecht (Győr Megyei Jogú Város Önkormányzata). Minderheiten-Selbstverwaltungen der Deutschen, Kroaten, Sinti und Roma, Polen, Rumänen und Armenier.

Bevölkerung

1785 zählte die Stadt 13.421 Einwohner, 1840 waren es 18.000 (davon 4 % Deutsche), 1880: 20.981 (davon 6,77 % Deutsche), 1910: 42.589 (davon 2,63 % Deutsche und 1,31 % Slowaken).[1] 2009 betrug die Bevölkerungszahl 130.476. Ethnische Zusammensetzung (2001): Ungarn 95 %, Deutsche 0,8 %, Sinti und Roma 0,6 %, Kroaten 0,2 %.

Wirtschaft

Wegen ihrer günstigen geographischen Lage ist Raab ein attraktiver Standort für ausländische Unternehmen. Mehrere internationale Unternehmen - z. B. Audi und Philips - bauten hier ihre ostmitteleuropäischen Filialen. Ein traditionelles ungarisches Unternehmen ist der 1896 gegründete Nutzfahrzeughersteller Raba (heute Rába Járműipari Holding Nyrt).

Religions- und Kirchengeschichte

Die ab 1598 betriebene Gegenreformation führte dazu, dass die Mehrheit der Bevölkerung römisch-katholisch ist. Konfessionelle Zugehörigkeit der Bewohner: 1840: 70,8 % katholisch, 25,5 % lutherisch, 3,2 % helvetisch-reformiert; 1880: 69,1 % katholisch, 14,8 % lutherisch, 4,6 % helvetisch-reformiert, 11,1 % mosaisch; 1910: 71,6 % katholisch, 10,2 % lutherisch, 5,0 % helvetisch-reformiert, 12,6 % mosaisch;[2] 2001: 66,5 % katholisch, 6,1 % lutherisch, 5,1 % helvetisch-reformiert, 0,4 % griechisch-katholisch; 10,4 % gehörten keiner Konfession oder Kirche an; die Konfession von 10,6 % der Bewohner war unbekannt.[3]

Besondere kulturelle Institutionen

Nationaltheater Raab (Győri Nemzeti Színház), Ballett Raab (Győri Balett), Xántus-János-Museum (Xántus János Múzeum), Stadtbibliothek (Városi Könyvtár). Im 18. und 19. Jahrhundert war in Raab ein deutsches Theater in Betrieb.

Bildung und Wissenschaft

In Raab sind das Czuczor-Gergely-Bencés-Gymnasium (Czuczor Gergely Bencés Gimnázium) mit Kolleg, das Katholische Schulzentrum Vilmos Apor, die zweisprachige Baross-Gábor-Schule für Wirtschaftliche Berufsbildung (Baross Gábor Közgazdasági és Két Tanítási Nyelvű Szakközépiskola), die Universität Szent István (Szent István Egyetem), die Westungarische Apáczai-Csere-János-Universität (Nyugat-Magyarországi Egyetem Apáczai Csere János Kar) und die Theologische Hauptschule Raab (Győri Hittudományi Főiskola) angesiedelt. Zudem sind das Komitatsarchiv Győr-Moson-Sopron, das Stadtarchiv Raab, das Raaber Diözesanarchiv sowie die Schatzkammer und die Bibliothek der Raaber Diözese in der Stadt ansässig.

Kunstgeschichte

Das im 17. und 18. Jahrhundert im barocken Stil umgestaltete Stadtzentrum ist bis heute erhalten. Zu den bedeutenden historischen Gebäuden zählen die Kathedrale, das Schloss Zichy und das alte Rathaus. In der Kathedrale wird eine aus dem Mittelalter stammende Herme des hl. Ladislaus aufbewahrt.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • József Bana, Gyula Morvai: Győr története a kezdetektől napjainkig [Geschichte Raabs von den Anfängen bis heute]. Győr 1997.
  • Lajos Boros: A győri székesegyház [Die Kathedrale von Raab]. Budapest 1985.
  • József Búzás: Kanonische Visitationen der Diözese Raab aus dem 17. Jahrhundert. 4 Bde. Eisenstadt 1966–1969 (Burgenländische Forschungen 52-55).
  • Tamás Czvikovszky: A város háza. A győri városháza története és bemutatása [Das Haus der Stadt. Geschichte des Raaber Rathauses und Führer durch dieses]. Győr 2009.
  • Tamás Kiss (Hg.): A Győri Egyházmegye ezer éve [1000 Jahre Diözese Raab]. [Győr] 2000.
  • Raimund Temel: Die Diözesanbischöfe von Raab/Györ, Steinamanger/Szombathely und Eisenstadt. Ein biographisches Nachschlagewerk. Eisenstadt 2008.

Jahrbücher, Zeitschriften

  • Arrabona. Múzeumi közlemények [Jahrbuch des Xántus-János-Museums] (1959ff.)
  • Győri Tanulmányok [Raaber Studien] (1973ff.)

Weblinks

Anmerkungen

[1] Ernő Deák: Königliche Freistädte - Munizipalstädte. Das Städtewesen der Länder der ungarischen Krone (1780–1918). Teil 2: Ausgewählte Materialien zum Städtewesen A. Wien 1989 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen der Kommission für Wirtschafts-, Sozial- und Städtegeschichte 4), S. 37.

[2] Deák: Königliche Freistädte, S. 38.

[3] Zsuzsanna Józsa (Hg.): A Magyar Köztársaság helységnévtára 2003 [Das Ortsverzeichnis der Republik Ungarn 2003]. Budapest 2003, S. 386.

Zitation

Tamás Fedeles: Raab/Győr. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/57056.html (Stand 26.04.2021).

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