Wesprim/Veszprém
1. Toponymie
Deutsche Bezeichnung
Wesprim, kaum gebräuchlich: Weißbrunn
Amtliche Bezeichnung
ung. Veszprém
Anderssprachige Bezeichnungen
lat. Vesprim; slowak. Vesprím, Besprim
Etymologie
Die Ortschaft ist mit großer Wahrscheinlichkeit nach Bezprim benannt, dem Sohn Bolesławs I. des Tapferen von Polen und seiner Frau, der Tochter des ungarischen Großfürsten Géza.
2. Geographie
Lage
Wesprim liegt auf 47o 5' nördlicher Breite, 17o 54' östlicher Länge, 120 km südwestlich von Budapest, 45 km von Stuhlweißenburg/Székesfehérvár und 18 km vom Plattensee (Balaton) entfernt.
Topographie
Ortschaft im Wesprimer Hochland (Veszprémi-fennsík), das an das Bakonygebirge (Bakony-hegység), das Wiesenfeld (Mezőföld) und das Balaton-Hochland (Balaton-felvidék) grenzt.
Region
Mittleres Transdanubien (Közép-Dunántúl)
Staatliche und administrative Zugehörigkeit
Ungarn. Sitz des Komitats Wesprim (Veszprém Megye), Zentrum des Kleingebiets Wesprim und Sitz der Erzdiözese Wesprim.
3. Geschichte und Kultur
Gebräuchliche Symbolik
Im roten Wappenschild mit grüner Sohle befindet sich nach rechts gerichtet ein Kämpe auf weißem Ross, der in seiner erhobenen Rechten ein Schwert und mit der Linken den Zaum hält. Auf dem Schild ist ein goldener Helm mit roten Gittern, darüber eine Krone mit fünf Zacken zu sehen. Aus der Krone heraus zeigt sich ein Husar im blauen Dolman (Husarenjacke [dolmány]), der in seiner Rechten einen Säbel hält.
Gebräuchliche Beinamen
Wesprim wird auch die "Stadt der Königinnen" genannt, da es im Mittelalter zur Apanage der ungarischen Königinnen gehörte.
Mittelalter
Eine awarische oder fränkische Festung auf dem Burgberg wurde um 896 von den Arpaden erobert. Stephan I. (der Heilige) gründete hier 1009 ein dem Erzengel Michael geweihtes Bistum. Stephans Gattin Gisela residierte in Wesprim und war Patronin des Nonnenklosters Wesprimtal. Im 13. Jahrhundert wurde ihr zu Ehren die Domkirche ("Gisela-Kapelle") errichtet. Die Siedlung war durchgehend im Besitz des Bistums und des Domkapitels. Die hier erbaute Burg war zugleich Komitatszentrum. Die Wesprimer Bischöfe waren seit dem 14. Jahrhundert Gespane des Komitats. Die Burg überstand den Mongolensturm, wurde jedoch einige Jahrzehnte später (1278) von dem hohen Adligen Peter Csák und seinen Truppen besetzt und niedergebrannt.
Neuzeit
Während der Bürgerkriegsperiode nach 1526 wurde Wesprim abwechselnd von König Ferdinand I. (1526–1564) und dem Gegenkönig Johann I. Szapolyai (1526–1540) besetzt. Auch die Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts ist von Unruhen geprägt. 1552 besetzten Osmanen die Ortschaft, welche anschließend Sitz eines Sandschaks wurde. Bevor die Christen Wesprim 1566 zurückerobern konnten, wurden Stadt und Burg von den Osmanen niedergebrannt. Ende des 16. Jahrhunderts gelangte Wesprim erneut für einige Jahre unter osmanische Herrschaft. Während des Aufstands von Franz II. Rákóczi wurde Wesprim 1704 von habsburgischen Truppen ruiniert, da es die Kuruzzen unterstützt hatte. Im 18. Jahrhundert begannen der Wiederaufbau der Stadt und der Burg; der Dom und der Bischofspalast wurden im barocken Stil errichtet. Mitte des 19. Jahrhunderts fand die erste Bürgermeisterwahl statt. Die früher von der Kirche kontrollierte Ortschaft wurde 1875 zur Stadt mit geordnetem Rat erklärt.
Zeitgeschichte
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Entwicklung der Ortschaft von schwungvoller Industrialisierung und einer Erweiterung ihrer Bildungsanstalten gekennzeichnet. Dank der Chemieindustrie und der darauf aufbauenden Universität expandierte Wesprim nach 1945. Nach der Wende wurde es zur Stadt mit Komitatsrecht (1990). Zur Pflege der Traditionen der deutschen Bevölkerung der Stadt und ihrer Umgebung wurde 1991 der Deutsche Klub Wesprim gegründet.
Verwaltung
Selbstverwaltung der Stadt Wesprim mit Komitatsrecht.
Bevölkerung
Wesprim hatte 1785 7.082 Einwohner, 1857 waren es 12.655 und 1880 12.575 (davon 4,3 % Deutsche). Lag die Bevölkerungszahl 1930 bei etwa 18.000, stieg sie 1970 auf über 30.000 und 1989 auf über 66.000 Personen an.[1] 2009 hatte Wesprim 63.405 Einwohner.[2] Ethnische Zusammensetzung (2001): Ungarn 94,7 %, Deutsche 1,7 %, Sinti und Roma 0,3 %, Ukrainer 0,1 %, unbekannt 3,2 %.
Wirtschaft
Der internationale Bauprodukte-Hersteller Bramac gehört zu den erfolgreichsten Unternehmen der Stadt. Ein wichtiger Wirtschaftszweig ist der Tourismus (Sehenswürdigkeiten der Stadt und des nahe gelegenen Plattensees/Balaton).
Religions- und Kirchengeschichte
Die geistliche Betreuung der katholischen Christen wurde im 17. Jahrhundert von Laien (lincenciatus) und Mitgliedern der Jesuiten-Mission Andocs durchgeführt.
Papst Johannes Paul II. erhob das Bistum 1993 zur Erzdiözese. Konfessionelle Zugehörigkeit der Bewohner (2001): römisch-katholisch 57 %, helvetisch-reformiert 9,7 %, lutherisch 3,1 %, griechisch-katholisch 0,5 %, andere 0,7 %. 19 % gehören keiner Konfession oder Kirche an; die Konfessionszugehörigkeit von 10 % der Wesprimer Bevölkerung war unbekannt.[3]
Besondere kulturelle Institutionen
In Wesprim sind das Wesprimer Petőfi-Theater (Veszprémi Petőfi Színház), das Königin-Gisela-Museum (Gizella Királyné Múzeum) und das Museum der ungarischen Bauindustrie (Magyar Építőipari Múzeum) ansässig.
Bildung und Wissenschaft
In der Wesprimer Domschule erfolgte im Mittelalter eine Ausbildung auf hohem Niveau, wovon auch die Codices in der Bibliothek zeugen. Vom Ende des 15. Jahrhunderts ist eine Liste der ausgeliehenen Bücher erhalten geblieben.
In Wesprim sind die Pannonische Universität (Pannon Egyetem), die Bischöfliche Theologische Hauptschule (Veszprémi Érseki Hittudományi Főiskola), das Lovassy-László-Gymnasium und das Vetési-Albert-Gymnasium ansässig. Zudem sind eine Bischöfliche Bibliothek (Veszprémi Érseki Könyvtár), das Komitatsarchiv (Veszprém Megyei Levéltár), das Bischöfliche und Domkapitel-Archiv (Veszprémi Érseki és Káptalani Levéltár) und die Eötvös-Károly-Komitatsbibliothek (Eötvös Károly Megyei Könyvtár) angesiedelt.
Alltagskultur
Kunstgeschichte
Zu den Baudenkmälern Wesprims gehören die Sankt-Michael-Basilika (Szent Mihály-bazilika), der Bischofspalast, das Burgviertel und die Gisela-Kapelle.
Musik
In Wesprim werden das Wesprimfest (Veszprémi Ünnepi Játékok) (2004ff.) und und das Straßenmusikfestival (2000ff.) ausgerichtet.
4. Bibliographische Hinweise
Literatur
- József Hungler: A török kori Veszprém [Wesprim in der Türkenzeit]. Veszprém 1986 (A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 4).
- Zsuzsa Fodor V. (Hg.): Tudomány és művészet Veszprémben a 13–15. Században [Wissenschaft und Kunst in Wesprim im 13.–15. Jahrhundert]. Veszprém 1996.
- Antal Molnár: Le Saint-Siège, Raguse et les missions catholiques de la Hongrie Ottomane 1572–1647. Rom, Budapest 2007 (Bibliotheca Academiae Hungariae-Roma. Studia I).
- János Pfeiffer: A veszprémi egyházmegye történeti névtára (1630–1950). Püspökei, kanonokjai, papjai [Historisches Namensbuch der Diözese Wesprim (1630–1950). Bischöfe, Kanoniker, Pfarrer]. München 1987 (Dissertationes Hungaricae ex historia Ecclesiae VIII).
- László Solymosi: Könyvhasználat a középkor végén. (Könyvkölcsönzés a veszprémi székesegyházi könyvtárban) [Buchnutzung im ausgehenden Mittelalter (Buchausleihe der Wesprimer Diözesanbibliothek). In: László Szelestei Nagy (Hg.): Tanulmányok a középkori magyarországi könyvkultúráról. Budapest 1989 (Az Országos Széchényi Könyvtár Kiadványai Új Sorozat 3), S. 77-119.
- Konrad Szántó: Das Leben der seligen Gisela, der ersten Königin von Ungarn. Thaur 1988.
Jahrbücher, Zeitschriften
- Veszprémi Megyei Múzeumok Közleményei [Mitteilungen der Museen des Komitats Wesprim] (1963ff.)
Weblinks
- www.veszprem.hu (Webpräsenz der Stadt Wesprim)
- www.vmmuzeum.hu (Museen des Komitats Wesprim)
Anmerkungen
[1] Magyarország történeti statisztikai helységnévtára. 2. Veszprém megye [Historisch-statistisches Ortsverzeichnis für Ungarn. Bd. 2: Komitat Wesprim]. Red. József Kovacsics. Budapest 1991, S. 234.
[2] Zsuzsanna Józsa (Hg.): A Magyar Köztársaság helységnévtára 2003 [Ortsverzeichnis für die Republik Ungarn 2003]. Budapest 2003, S. 1037.
[3] Józsa (Hg.): A Magyar Köztársaság helységnévtára, S. 1037.
Zitation
Tamás Fedeles: Wesprim/Veszprém. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/57057.html (Stand 05.09.2012).
Nutzungsbedingungen für diesen Artikel
Copyright © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk entstand im Rahmen des Projekts „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ und darf vervielfältigt und veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie: ome-lexikon@uol.de
Wenn Sie fachliche Hinweise oder Ergänzungen zum Text haben, wenden Sie sich bitte unter Angabe von Literatur- und Quellenbelegen an die Redaktion.