Oels/Oleśnica

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Oels

Amtliche Bezeichnung

poln. Oleśnica

Etymologie

Der Name der Siedlung leitet sich wahrscheinlich von den in den umliegenden Wäldern wachsenden Erlen (poln. olszyna = Erle, Erlengebüsch) ab.

2. Geographie

Lage

Oels liegt auf 51° 12′ nördlicher Breite, 17° 23′ östlicher Länge, 150 m über NHN, etwa 30 km nordöstlich von Breslau/Wrocław.

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Topographie

Oels liegt in der Schlesischen Tiefebene am linken Ufer des Oelsbachs (Oleśnica), eines Nebenflusses der Weide (Widawa).

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Polen. Oels ist eine Stadt und Gemeinde im Kreis (powiat) Oleśnica in der Woiwodschaft Niederschlesien (Województwo dolnośląskie).

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Wappen der Stadt Oels, das seit dem 15. Jahrhundert in Dokumenten Verwendung findet, zeigt einen silbernen Adler als Symbol des Stadtpatrons, des Evangelisten Johannes, auf einem schildartigen roten Brustpanzer. Der Adler steht auf einem goldenen Band mit der Aufschrift „S+IOEVAN“, die ebenfalls auf den Evangelisten hinweist. Der Ritterhelm über dem Panzer trägt als Zier eine gold-silberne Krone und darüber eine silberne Mondsichel mit drei zinnenbewehrten Türmen. Das Vollwappen ist mit einer bordeauxroten Helmdecke geschmückt.

Mittelalter

Auf dem Gebiet der heutigen Stadt befand sich eine Siedlung, die an der antiken Bernsteinstraße auf dem Weg von Breslau nach Kalisch/Kalisz lag. Die frühgeschichtliche Entwicklung ist wegen der Namensgleichheit mit anderen schlesischen Ortschaften unklar. Die älteste Quelle mit eindeutigem Bezug ist eine Urkunde Herzog Heinrichs I. (um 1165−1238) von 1230, die den Pfarrer in Olesniz erwähnt. In den Jahren 1247 und 1250 wurde Oels als „Kastellanburg“ bezeichnet. 1255 erhielt Oels das Lokationsprivileg nach Neumarkter Recht vom Breslauer Herzog Heinrich III. (1227/1230−1266). 1294 gelangte die Stadt in den Besitz der Piastenlinie von Glogau. Um 1313 entstand infolge der Aufteilung der Besitztümer Herzog Heinrichs III. von Glogau (1251/1260−1309) unter dessen Söhne das Herzogtum Oels; ab ca. 1320 war die Stadt Residenz der Oelser Piasten. 1492, nach dem Tod Konrads X. (des jungen Weißen, 1420−1492), des letzten Piasten dieser Linie, kam sie als Lehen der Böhmischen Krone unter die Herrschaft der Münsterberger Linie der Podiebrads.

Neuzeit

1634 wurde Oels von den schwedischen Truppen eingenommen und geplündert, eine Epidemie verursachte schwere Bevölkerungsverluste. Durch die Heirat der Elisabeth Maria (1625−1686), Tochter des letzten Herzogs aus der Familie Podiebrad, mit Silvius I. Nimrod (1622−1664) 1649 gelangte Oels in den Besitz der Herzöge von Württemberg-Weiltingen, allerdings nicht mehr als echtes Lehen, sondern als Mediatfürstentum. 1730 zerstörte ein Brand einen Großteil der Stadtbebauung. 1742 fielen Stadt und Herzogtum wie ganz Niederschlesien an Preußen. Nach dem Tod des letzten württembergischen Herzogs Karl Christian Erdmann (1716−1792) wurde sein Schwiegersohn, Friedrich August von Braunschweig-Wolfenbüttel (1740−1805), mit Oels belehnt. Nachdem dieser 1805 kinderlos verstarb, ging der Besitz an die Familienlinie Braunschweig-Lüneburg. 1807 wurde Oels Kreisstadt, 1850 Garnisonsstadt.

1884 starb die Linie Braunschweig-Oels aus, das Herzogtum wurde aufgelöst. Das Lehnsgut wurde vom preußischen Staat eingezogen und in ein Thronlehen umgewandelt, dessen Besitzer der jeweilige preußische Kronprinz sein sollte. Nach 1918 zog Kronprinz Wilhelm von Preußen (1882−1951) in das Schloss von Oels. 1926 wurde ihm das Thronlehen vom preußischen Staat als Privatbesitz anerkannt.

Zeitgeschichte

Im Januar 1945 wurde Oels von der Roten Armee eingenommen, ca. 70 % der Bebauung wurde zerstört, darunter auch das historische Zentrum. Im Juli 1945 kam die Stadt unter polnische Verwaltung. Der Wiederaufbau erfolgte in mehreren Etappen (1957−1960, 1962−1966, 1970−1976) weitgehend in zeitgenössischen Formen. Auch nach dem Krieg behielt Oels seine Funktion als Truppenstützpunkt und militärisches Schulungszentrum bei, bis heute sind in der Stadt mehrere Einheiten der polnischen Armee stationiert.

Bevölkerung

1710 zählte Oels 3.608 Einwohner, diese Zahl reduzierte sich nach dem Stadtbrand von 1730 (1758: 3.144 Einwohner).[1] Der wirtschaftliche Aufschwung des 19. Jahrhunderts und die Umwandlung in eine Garnisonsstadt ließen die Einwohnerzahlen schnell steigen; 1825 lebten in der Stadt 5.205 Menschen, 1905 10.944 und 1939 18.183.[2] Nach 1945 wurden die deutschen Einwohner von Oels größtenteils vertrieben, an ihrer Stelle siedelten sich polnische Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten sowie zwangsumgesiedelte Ukrainer aus dem Bieszczady-Gebirge an. 1961 zählte die Stadt 20.847 Einwohner,[3] 2014 lag ihre Zahl bei 37.355.[4]

Wirtschaft

Vom Mittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert galt Oels vor allem als Zentrum der Tuchmacherei sowie des Schuhmacher- und des Tischlerhandwerks.

Ein wirtschaftlicher Aufschwung erfolgte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Industrialisierung der traditionellen Handwerksbranchen mit der Gründung von Möbel- und Schuhfabriken. 1868 wurde die Eisenbahnlinie Breslau–Oels–Kreuzburg eröffnet. 1913 entstand das Reichsbahn-Ausbesserungswerk, das 1945 von den Polnischen Staatsbahnen (PKP) übernommen wurde und lange Zeit größter Arbeitgeber der Stadt war.

Religions- und Kirchengeschichte

1538 führte Herzog Johann von Podiebrad (1509−1565) die Reformation ein. Da auch die Nachfolger des Hauses Podiebrad aus der Familie Württemberg-Weiltingen evangelisch waren, hat sich die Gegenreformation in Oels nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht durchsetzen können. Bis 1945 blieb die Mehrheit der Einwohner evangelisch (1939 waren es 77 %).[5]

Jüdische Einwohner wurden in Oels schon im Mittelalter erwähnt. Um 1500 eröffneten Juden in Oels eine Druckerei, die hebräische Schriften herstellte. Um 1530 wurden die Juden aus der Stadt vertrieben; die Synagoge aus dem späten 14. Jahrhundert diente ab 1535 als Arsenal und seit 1695 als evangelische Salvatorkirche.[6] Seit 1750 gab es in Oels wieder eine jüdische Gemeinde, 1839 wurde eine neue Synagoge erbaut (1938 abgebrannt). 1880 lebten in Oels 268 Personen jüdischen Glaubens, 1939 18 Personen.[7] Nach 1945 haben sich in Oels neben einer überwiegenden katholischen Mehrheit auch eine orthodoxe und eine ukrainische griechisch-katholische Gemeinde niedergelassen.

Kunstgeschichte und Architektur

Trotz der Zerstörungen infolge des Zweiten Weltkriegs ist die mittelalterliche Anlage der Stadt mit Grundzügen der Stadtmauern und Befestigungsanlagen (Breslauer Torturm) sowie dem sich von Südwesten darbietenden malerischen Stadtpanorama mit zahlreichen Türmen bis heute erkennbar.

Um 1900 entwickelten sich die Vorstädte im Süden und Osten; Wohn- und Villenviertel sowie öffentliche Gebäude entstanden (1890 die Post, 1903-1905 das Amtsgericht sowie eine Reihe von Schulen). In der Zwischenkriegszeit entstanden unter anderem moderne Kaufhäuser, Wohnsiedlungen am südlichen und östlichen Stadtrand sowie Sport- und Freizeitanlagen im Norden.

Die heutige Pfarrkirche St. Johannes (sog. Schlosskirche) am Schlossgraben im südwestlichen Teil der Stadt wurde 1230 erstmals erwähnt. Die dreischiffige gotische Backsteinbasilika wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts begonnen und bis ca. 1510 ausgebaut. 1700−1708 wurde die Kirche barockisiert; nach Einsturz der Gewölbe und des Westgiebels erfolgte 1906−1908 der Wiederaufbau. Die jüngste Restaurierung fand 1996−1998 statt. Architektonische Details der Gotik, zahlreiche Grabmale und Epitaphien aus dem 16. und 17. Jahrhundert sowie die reiche neuzeitliche Ausstattung – die hölzerne Empore mit biblischen Szenen, Kanzel, Fürstenloge, Orgel und Hauptaltar – sind erhalten. 1698−1700 entstand an der Südseite des Chors die Grabkapelle der Herzöge von Württemberg-Oels, in die das Renaissancegrab des Herzogs Johann von Podiebrad und seiner Frau Christina Katharina von Schidlowitz (gest. 1556) übertragen wurde.

Auf einer Anhöhe im Südwesten der Stadt bestand schon im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts ein gemauertes Schloss. Der heutige Renaissancecharakter des um einen trapezförmigen Innenhof gruppierten Baus mit Ziergiebeln, Erkern und Laubengängen beruht vor allem auf den Ausbaumaßnahmen unter den Herzögen Johann und Karl II. Podiebrad (1545−1617) in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts; die Pläne lieferten die in Brieg/Brzeg tätigen sogenannten Komasken (nach ihrer Herkunft aus der Region des Comer Sees) Franziskus Parr aus Bissone (auch Pahr, gest. 1580) sowie Bernardo Niuron aus Lugano (1564? −1608?); erwähnt wird um 1561 auch Kaspar Khune (Gaspare Cuneo). Im Innern sind Renaissancekamine und -gewölbe sowie Ausstattungselemente des 16.−19. Jahrhunderts erhalten. Am Südostflügel finden sich Reste der figürlichen Sgraffito-Malerei. 1891−1906 wurde der gesamte Komplex durch den Architekten Joseph Maas restauriert; weitere Restaurierungsmaßnahmen erfolgten im Laufe des 20. Jahrhunderts.

Das gotische Rathaus entstand um 1410. Nach der Zerstörung bei einem Stadtbrand 1823 erfolgte der Wiederaufbau in klassizistischen Formen. 1945 bis auf den Turm zerstört, wurde das Rathaus 1959−1966 in Anlehnung an die Vorkriegsform wiederhergestellt.

Bildung und Kultur

Während der Herrschaft Karls II. Podiebrad wurde Oels mit seinem neu eröffneten gymnasium illustre (auch Herzogliches Gymnasium Oels), an dem später, 1692−1707, der schlesische Gelehrte Johann Sinapius (1657−1725) als Prorektor tätig war, sowie einer umfangreichen herzoglichen Bibliothek, damals einer der größten in Schlesien, zu einem wichtigen Kultur- und Kunstzentrum. In seinen Erinnerungen aus meinem Leben schildert der Schriftsteller Gustav Freytag (1816−1895), der das Gymnasium ab 1829 besuchte, unter anderem seine Schulzeit in Oels.

1649 wurde der schlesische Mystiker Johannes Scheffler (Angelus Silesius; 1624−1677) Leibarzt von Silvius I. Nimrod.

Literatur

In dem Roman "Sieben Sprünge vom Rand der Welt" macht Ulrike Draesner die Geschichte einer Familie aus Oels  und die Auswirkungen ihrer Flucht und Vertreibung aus Schlesien 1945 auf die beiden nachfolgenden Generationen zum Thema. Ihre Erfahrungen werden auch in einen deutsch-polnischen Kontext gestellt.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Ulrike Draesner: Sieben Sprünge vom Rand der Welt. München 2014.
  • Jakub Kostowski: Oleśnica/Oels. In: Ernst Badstüber, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.), Sławomir Brzezicki, Christiane Nielsen (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. München, Berlin 2005, S. 685−693.
  • Maria Starzewska: Oleśnica. Wrocław, Warszawa, Kraków (Śląsk w zabytkach sztuki) 1963.
  • Wojciech Mrozowicz, Przemysław Wiszewski: Oleśnica od czasów najdawniejszych po współczesność [Oels von den frühesten Zeiten bis zur Gegenwart]. Wrocław 2006.
  • Hugo Weczerka: Oels. In: Ders.: Handbuch der historischen Stätten. Schlesien. Stuttgart 1977 (Kröners Taschenausgabe 316), S. 368−373.

Weblink

Anmerkungen

[1] Weczerka: Oels, S. 372.

[2] Weczerka: Oels, S. 373.

[3] Weczerka: Oels, S. 373.

[4] Stand 31.12.2014: Główny Urząd Statystyczny (GUS): stat.gov.pl/obszary-tematyczne/ludnosc/ludnosc/ludnosc-stan-i-struktura-ludnosci-oraz-ruch-naturalny-w-przekroju-terytorialnym-stan-w-dniu-31-xii-2014-r-,6,17.html (Abruf 25.09.2015).

[5] Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. URL: treemagic.org/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de/ (Abruf 16.08.2021).

[6] Leszek Ziątkowski: Dzieje Żydów we Wrocławiu [Geschichte der Juden in Breslau]. Wrocław 2000, S. 36.

[7] treemagic.org/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de/ (Anm. 5).

Zitation

Beata Lejman, Tomasz Torbus: Oels/Oleśnica. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32275 (Stand 18.02.2022).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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