Munkatsch/Munkačeve/Munkács/Mukačevo

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Munkatsch

Amtliche Bezeichnung

ukr. Mukačeve

Anderssprachige Bezeichnungen

ung. Munkács, russ. Mukačevo, jidd. Minkatsch

Etymologie

Entwicklung vom ungarischen „munka“ (Arbeit).

2. Geographie

Lage

Munkatsch liegt am Fluss Latorica, einem Nebenfluss der Theiß (Tisa), an der Grenze zwischen der Pannonischen Tiefebene und den nordöstlichen Karpaten, 250 km südwestlich von Lemberg/L’viv/Lwów. Seehöhe: 128 m, Lage: 48° 26‘ nördlicher Breite, 22° 43‘ östlicher Länge.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Ukraine. Als kreisfreie Stadt ist Munkatsch Sitz der Verwaltung des gleichnamigen Kreises (Rajon) sowie eines römisch-katholischen und eines griechisch-katholischen Bistums.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Stadtwappen zeigt St. Martin von Tours. Erstmals nachgewiesen ist es in einer Urkunde aus dem Jahr 1376, die von Elisabeth Piast (1305-1380), Mutter des ungarischen Königs Ludwig I. (1326-1382), ausgestellt wurde.

Geschichte

Die Siedlung Munkatsch wurde zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert von Slawen bewohnt. Am Ende des 9. Jahrhunderts eroberten Magyaren das Gebiet. Im 14. Jahrhundert wurde der ruthenische Fürst Fjodor Korjatovich mit dieser Region vom ungarischen König Ludwig I. belehnt. Er baute die im 13. Jahrhundert errichtete Grenzburg aus, die in unmittelbarer Nähe der Ortschaft lag. Munkatsch erhielt 1378 einige städtische Privilegien und wurde vom ungarischen König 1445 zur freien Stadt erhoben. Daraus ergaben sich Konflikte zwischen den Bürgern und den Burgherren, die auf den Steuerleistungen und Feudaldiensten der Bewohner bestanden.

Im 16. und 17. Jahrhundert oszillierte die Stadt zwischen dem von den Habsburgern beherrschten Königreich Ungarn und dem 1541 entstandenen Fürstentum Siebenbürgen, das unter der Oberhoheit des Osmanischen Reiches stand. Im 17. Jahrhundert wurde Munkatsch von polnischen und tatarischen Armeen erobert und geplündert. Während des „Großen Türkenkrieges“ wurde die Burg zwischen 1686 und 1688 von habsburgischen Truppen belagert. Verteidigt wurde sie von Ilona Zrínyi (1643-1703), Frau des Emmerich Thököly (1657-1705), des Anführers eines anti-habsburgischen Aufstandes. Zrínyis Sohn, der siebenbürgische Fürst Franz II. Rákóczi (1676-1735), versuchte in den Kuruzzen-Kriegen (1703-1711) die Habsburger aus Ungarn und Siebenbürgen zu verdrängen und baute die Festung von Munkatsch zu einem wichtigen Stützpunkt aus. Nach der Niederlage Rákóczis und der Wiederherstellung der habsburgischen Herrschaft wurde die Region um Munkatsch samt Festung der Familie Schönborn verliehen. Die Schönborns siedelten deutsche und jüdische Einwanderer aus Deutschland und Polen (Galizien) an. Deutsche Bauern ließen sich im Vorort Palanka nieder. Im 19. Jahrhundert wurde die Stadt allmählich modernisiert, wozu die Eisenbahnlinie Budapest–Lemberg/L’viv wesentlich beitrug.

Nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns fiel Munkatsch an die Tschechoslowakei. Im Ersten Wiener Schiedsspruch wurde die Stadt 1938 Ungarn zugesprochen. Die Juden der Stadt wurden 1944 nach Auschwitz transportiert und ermordet. 1944 eroberte die Rote Armee Munkatsch. Seither war die Stadt Teil der Sowjetunion beziehungsweise der Ukraine.

Verwaltung

Die Stadt wird von einem Bürgermeister und 42 Abgeordneten geführt.

Bevölkerung

Eine magyarische und ruthenische Bevölkerung ist seit dem Mittelalter nachweisbar, in dem auch die ersten deutschen Einwanderer sich in der Gegend von Munkatsch ansiedelten. Im 17. Jahrhundert entstand Plankendorf, eine Siedlung neben der Burg. Mainfränkische Siedler ließen sich Mitte des 18. Jahrhunderts in der Munkatscher Domäne nieder. Der dreisprachige Charakter der Stadt ging während des 19. Jahrhunderts weitgehend verloren; viele Deutsche gingen zunächst in der magyarischen Volksgruppe auf. Durch die forcierte Industrialisierung in der Sowjetunion nahm die Bevölkerung wesentlich zu, insbesondere durch den Zuzug von Ukrainern, die schnell die Mehrheit in der Stadt stellten.

Die Zahl der Deutschen hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg durch Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung innerhalb der Sowjetunion drastisch reduziert. Deutsche Einrichtungen wurden von der Sowjetunion nicht erhalten. Nach der Auflösung der Sowjetunion sind die verbliebenen Deutschen mehrheitlich nach Deutschland ausgesiedelt.

Jiddischsprachige Juden waren in Munkatsch seit dem 18. Jahrhundert präsent. Aufgrund einer starken Zuwanderung aus Galizien und Russland nahm die jüdische Bevölkerung im Laufe des 19. Jahrhunderts rasch zu. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs machte sie fast die Hälfte der Stadt aus. Die blühende jüdische Gemeinde wurde während des Zweiten Weltkriegs fast vollständig zerstört. Überlebende wanderten nach New York aus; in Munkatsch selbst ist eine kleine Gemeinde verblieben.

Bevölkerung von Munkatsch nach Muttersprache, 1880-2001
[1] 1880 1910 1921 1930 1941 2001
magyarisch 5.287
(54,82)
12.868
(73,44)
4.864
(23,31)
5.561
(21,3)
20.211
(63,95)
7.000
(8,5)
deutsch (inkl. jiddisch) 2.287
(23,71)
3.078
(17,82)
385
(1,85)
991
(3,8)
882
(2,79)
1.600
(1,9)
ruthenisch u. ukrainisch 1.599
(16,58)
1.394
(8,07)
4.936
(23,66)
6.476
(24,81)
4.256
(13,47)
63.000
(77,1)
andere (u.a. slowakisch und tschechisch) 471
(4,88)
117
(0,68)
10.608
(51,19)
13.074
(50,09)
6.253
(19,79)
8.700
(10.4)

Wirtschaft

Bis in das 19. Jahrhundert wurde Munkatsch durch das Handwerk und die Landwirtschaft (Weinbau) geprägt. Eine langsame Industrialisierung begann am Ende des 19. Jahrhunderts (Tabakfabrikation), doch wurde sie erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beschleunigt (Entstehung einer Lebensmittel-, Möbel- und Textilindustrie).

Religions- und Kirchengeschichte

Das St.-Nikolaus-Kloster in unmittelbarer Nähe der Stadt wurde im 15. Jahrhundert gegründet. Es diente als Sitz eines orthodoxen Bischofs. Nach der Union von Ungwar/Užhorod im Jahre 1646 wurde das Kloster zum Zentrum der griechisch-katholischen Kirche Nordostungarns. Obwohl das Bistum in der Mitte des 18. Jahrhunderts seinen Sitz nach Ungwar verlegte, wurde ein neues, repräsentatives Gebäude errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die griechisch-katholische Kirche mit der orthodoxen Kirche zwangsvereinigt und das Kloster in ein Frauenkloster umgewandelt.

Munkatsch hatte die bedeutendste orthodoxe jüdische (chassidische) Gemeinde der Karpato-Ukraine. Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg waren die Rabbinerfamilie Sapira und die örtliche Jeschiwa weit über die Stadt hinaus bekannt. 1924 wurde ein jüdisches Gymnasium von zionistischen Juden gegründet, das aber von den ultrakonservativen Chassiden und selbst Rabbi Sapira (1872-1937) heftig kritisiert wurde.

Die Bevölkerung von Munkatsch nach Religionszugehörigkeit, 1880-1941
[2]184018801910192119301941
römisch-katholisch980
(24,49)
1.848
(19,16)
3.520
(20,38)
4.346
(20,83)
5.742
(22,0)
6.670
(21,11)
griechisch-katholisch1.388
(34,69)
2.339
(24,26)
4.081
(23,62)
4.735
(22,69)
6.378
(24,43)
7.864
(24,88)
evangelisch-lutherisch87
(2,18)
116
(1,2)
190
(1,1)
295
(0,93)
reformiert895
(22,37)
872
(9,04)
1.771
(10,25)
1.355
(6,49)
376
(1,44)
2.836
(8,97)
israelitisch651
(16,27)
4.468
(46,33)
7.675
(44,43)
10.012
(47,98)
11.313
(43,34)
13.488
(42,68)

Besondere kulturelle Institutionen

Die Bibliothek des orthodoxen St.-Nikolaus-Frauenklosters ist die reichste Büchersammlung der Karpato-Ukraine.

Seit den 1990er Jahren sind einige deutsche Vereine gegründet worden, darunter der Verein „Wiedergeburt“ (1990).

Bildung und Wissenschaft

Ein modernes Schulwesen entstand in Munkatsch erst im 19. Jahrhundert. In der Volksschule wurde in drei Sprachen (Ungarisch, Deutsch, Ruthenisch) unterrichtet, seit den 1860er Jahren nur auf Ungarisch. Ein höheres Schulwesen mit ungarischer Unterrichtssprache gibt es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Deutschsprachige Institutionen (Schule, Presse) wurden erst in der Zwischenkriegszeit gegründet, aber nach dem Zweiten Weltkrieg völlig abgeschafft. Heute ist das Schulwesen von der ukrainischen Sprache geprägt, wobei manche Schulen auf Ungarisch unterrichten. Ein deutsches Schulwesen existiert in Munkatsch nicht.

2009 wurden zwei Fachhochschulen zusammengefasst und in die Staatliche Universität (Mukačivs’kyj Deržavnyj Universytet) umgewandelt.

Tourismus

Die Burg, die zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert eine wichtige militärische Rolle spielte und zwischen 1711 und 1896 als Gefängnis genutzt wurde, ist eines der meist besuchten Baudenkmäler der Karpato-Ukraine.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Yeshayahu A. Jelinek: The Carpathian diaspora. The Jews of Subcarpathian Rus' and Mukachevo 1848-1948. New York 2007 (East European monographs 721).
  • Georg Melika: Die Deutschen der Transkarpatien-Ukraine. Entstehung, Entwicklung ihrer Siedlungen und Lebensweise im multiethnischen Raum. Marburg 2002 (Schriftenreihe der Kommission für Deutsche und Osteuropäische Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e. V. 84).

Anmerkungen

[1] Quellen: 1880-1941: József Kepecs (Hg.): Kárpátalja településeinek nemzetiségi (anyanyelvi) adatai (1880-1941) [Angaben über die Nationalitäten (Muttersprachen) der Örtlichkeiten der Karpato-Ukraine]. Budapest 1996, S. 100, 174; 2001: URL: 2001.ukrcensus.gov.ua/results/general/nationality/zakarpatia/ (Abruf 18.07.2014).
Die Angaben in Klammern stellen den prozentualen Anteil dar.

[2] József Kepecs (Hg.): Kárpátalja településeinek vallásai adatai (1880-1941) [Angaben über die Religionsbekentnisse der Örtlichkeiten der Kapatho-Ukraine (1880-1941)]. Budapest 2000, S. 89, 152.
Die Angaben in Klammern stellen den prozentualen Anteil dar.

Zitation

Bálint Varga: Munkatsch/Mukačeve. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2014. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32314 (Stand 12.05.2015).

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OME-Redaktion (Stand: 30.07.2024)  | 
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