Kroatien

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Kroatien

Amtliche Bezeichnung

kroat. Hrvatska

Lateinische Bezeichnung

Croatia

Etymologie

Das Toponym sowie das dazugehörige Ethnonym sind nichtslawischer, möglicherweise iranischer Herkunft. Nach der vom byzantinischen Kaiser Konstantin VII. (905–959) um 950 verfassten Quelle De administrando imperio sind die Kroaten zur Zeit des Kaisers Herakleios (reg. 610–641) eingewandert, wahrscheinlich aus dem Karpatenraum.

2. Geographie

Lage

Kroatien verbindet, geographisch wie kulturell, mitteleuropäische mit mediterranen Merkmalen und Einflüssen. Nachbarstaaten sind Slowenien, Ungarn, Serbien, Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina. Die Fläche beträgt 56.542 Quadratkilometer. Ungewöhnlich ist der hufeisenförmige Umriss, der durch den langen, keilförmigen Verlauf der Grenze zu Bosnien und Herzegowina bedingt ist. Diese geht auf die jahrhundertelangen Auseinandersetzungen der ungarischen Könige beziehungsweise Österreichs und Venedigs mit den Osmanen zurück. Im Westen wird Kroatien durch die lange Adriaküste begrenzt.

Topographie

Die amtliche Gliederung des Landes in županije (Gespannschaft; entspricht historisch dem ungarischen Komitat, heute etwa im Sinne eines deutschen Regierungsbezirks oder Landkreises) folgt funktionalen, geographischen und historischen Kriterien. Landschaftlich gliedert sich Kroatien in vier größere naturräumliche Zonen bzw. kulturelle Sphären:

1. Zentralkroatien, welches die beiden ‚Arme‘ des Landes im Nordosten (Slawonien) und Süden (Dalmatien) miteinander verbindet und in Teilen eine noch subalpine Mittelgebirgslandschaft darstellt. Hier am Fuß des zagorje (Bergland) liegt auch die Hauptstadt Agram/Zagreb. Barocke Stadtanlagen wie Warasdin/Varaždin und Karlstadt/Karlovac, Adelssitze und selbst die Küche spiegeln mitteleuropäische Einflüsse. Jenseits der Drau (kroat. Drava) liegt zur Mur (kroat. Mura) hin das einst ungarische Međumurje-Gebiet mit dem Zentrum Csakathurn/Čakovec.

2. Slawonien nennt man die Landschaft zwischen den Flüssen Drau beziehungsweise Donau (Podravlje und Podunavlje) sowie Save (Posavina) entlang der Grenze zu Ungarn. Als funktionale ‚Hauptstadt‘ gilt die alte Handels-, Garnisons- und Industriestadt Esseg/Osijek, in einem gewissen räumlichen Abstand zum Bischofssitz in Diakowar/Đakovo. Am nördlichen Stadtrand Essegs beginnt die Baranja, östlich schließt sich als weitere Subregion West-Syrmien mit der Hauptstadt Wukowar/Vukovar nahe der Donau an. Im Westen wird Slawonien geographisch etwa von der Ilova begrenzt. Dieser Raum stellte das Hauptsiedlungsgebiet der deutschen Minderheit dar. Zwischen den Flusstälern verläuft ein Rücken von Mittelgebirgen (z. B. Papuk), die wiederum das Požegaer Becken einfassen. Slawonien gilt im Vergleich zum Süden Kroatiens als waldreich und war seit dem 19. Jahrhundert Standort entsprechender Industrien (Belišče). Vor allem ist diese Region aber als flach und fruchtbar bekannt, insbesondere die Lössböden im Osten (Ostslawonien, Đakovština, Syrmien). Entlang der Save verlaufen wichtige internationale Landverkehrswege, meist in Ost-West-Richtung. Einst aber waren es Drau und Donau, welche gerade diese drei ostkroatischen historischen Regionen mit den nördlicheren Zentren der Habsburgermonarchie verbanden. Gegenüber den Nachbarregionen erwiesen sich die Flusssysteme aber auch als begrenzend, zum Teil durch Sümpfe (Kopački rit im Donau-Drau-Winkel) und Steilufer (Ilok) und nur wenige markante Übergänge (Esseg), was sicher dazu beitrug, dass sich dieser Teil Europas schon seit der Spätantike von den Machtzentren der pannonischen Tiefebene abhob. Auch die donauschwäbisch-bäuerlichen Siedlungsgebiete auf dem ungarischen Donauufer (z. B. um Apatin, heute Serbien) waren durch den Fluss und einen Sumpf von der deutschsprachigen Großstadt Esseg getrennt. Erst 1910 wurde flussabwärts eine Bahnbrücke bei Erdut fertiggestellt.

Für die Geschichte der deutschen Minderheiten Kroatiens weniger bedeutsam sind folgende Regionen:

3. Istrien ist die Halbinsel im äußersten Nordwesten des Landes. Während früher zum Beispiel der Bergbau (Labin) oder der Marinestützpunkt Pola/Pula von Bedeutung waren, machte im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts der Tourismus, der zurzeit die wichtigste Einnahmequelle des Landes darstellt, diese Region zur inzwischen wohlhabendsten Kroatiens. Die Nähe zu Österreich und Deutschland war dafür mitausschlaggebend. Einer habsburgischen Tradition folgend ist der Verwaltungssitz offiziell Pazin (dem alten Mitterburg), das tatsächliche Zentrum ist jedoch Pula, fast ganz an der Südspitze der Halbinsel.

4. Dalmatien stellt den nach Süden hin schmaler werdenden Landstreifen dar, welcher den größten Teil der kroatischen Küste und die meisten der Inseln umfasst, aber auch das meist verkarstete Hinterland (Kalkgebirge), darunter das Velebit- und das Dinara-Gebirge. In das Karstgebirge eingeschlossen sind fruchtbare Ebenen, die Poljen. Naturräumlich gegliedert wird der Küstenverlauf durch mehrere Zuflüsse, von denen die Neretva aus der benachbarten Herzegowina der bedeutendste ist. Als Hauptstadt Dalmatiens kann historisch Zadar gelten, freilich ist Split durch Zuzug zur inzwischen zweitgrößten Stadt Kroatiens angewachsen. Anders als die mitteleuropäischen Regionen Zentralkroatien und Slawonien sind Istrien und Dalmatien kulturell und wirtschaftlich und damit anthropogeographisch von der ‚Mittelmeerwelt‘ mitgeprägt worden. Neben den Stadtanlagen aus der Antike schließt das die Krise und den relativen Bedeutungsverlust dieses Raumes nach 1500 ein, ebenso neuere Tendenzen wie Massentourismus und Litoralisierung.

Historische Geographie

Die heute übliche ‚naturräumliche‘ Wahrnehmung und Gliederung Kroatiens hat Referenzen zu den historischen ‚Territorien‘ der frühen Neuzeit, sie ist mit diesen und auch späteren Grenzziehungen aber nicht immer deckungsgleich. Beispielsweise existierte in dem Gebiet „Dalmatiens“ – identisch etwa mit dem einstigen österreichischen Kronland – jahrhundertelang die Stadtrepublik Dubrovnik. „Slawonien“ schloss historisch-staatsrechtlich auch Syrmien bis vor die Tore Belgrads ein, die Markgrafschaft Istrien erstreckte sich zu österreichischer Zeit noch viel weiter nach Norden. Rijeka genoss als Hafen- und Werftstadt vor 1918 eine gewisse Selbstverwaltung als corpus separatum.

Als staatsrechtlicher Vorgänger der Republik Kroatien (1941/1991) beziehungsweise Nukleus der Eigenstaatlichkeit kann vor 1918 das Königreich Kroatien-Slawonien im Rahmen der ungarischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie mit Agram als Hauptstadt angesehen werden. Es umfasste Zentralkroatien, einen Teil der Küste (das primorje), Syrmien und „Slawonien“, das heißt die beiden historischen Komitate (županije) Virovitica (südlich der Drau, Sitz Esseg) und Poschega/Požega (nördlich der Save). Sprachlich spielten in den Städten Deutsch, an der Küste Italienisch lange eine gewisse Rolle, eindeutig aber war die konfessionelle Dominanz der Katholiken. Die historischen Hauptsiedlungsgebiete der während der „Türkenkriege“ ins Land gekommenen serbischen und orthodoxen Minderheit lagen in den 1878 aufgelösten sogenannten „Militärbezirken“, also im Grenzgebiet zum Osmanischen Reich.

Die deutsche, zum Teil „schwäbisch“ genannte Minderheit lebte außer in der zweitgrößten Stadt Esseg (noch 1900 Bevölkerungsmehrheit), in ca. 100 etwas verstreuten Siedlungen in Slawonien (an der Ilova, entlang der Drau, um Esseg und Diakowar, bei Poschega) und Syrmien. Diese Regionen waren strukturell vom Landesausbau nach dem Ende der Osmanenherrschaft 1699 geprägt, wenn auch dieser etwas weniger ‚systematisch‘ betrieben worden war als bei den zentralstaatlichen Investitionsprojekten in Südungarn. Vor allem in dieser Zeit (18., 19. Jahrhundert) entstanden in der Nachbarschaft auch Ansiedlungen tschechischer, ungarischer, slowakischer, ukrainischer und italienischer Einwanderer. Ebenso zogen zum Teil deutschsprachige Juden aus Ungarn in viele Orte zu; unter den ländlichen Räumen hatte Slawonien und unter den Städten Esseg den höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil Kroatiens (1910 ca. acht Prozent). Evangelische konnten sich anfangs nur in den Militärbezirken niederlassen, dies änderte sich aber durch weitere Einwanderungen während des 19. Jahrhunderts. Sowohl die deutsche als auch die ungarische Minderheit waren mehrheitlich katholisch, hatten aber relevante evangelische Minderheiten, die jeweils in einigen Orten die Mehrheit stellten.

Am stärksten konzentriert lebte die deutsche Minderheit in der Baranja, in dieser Mikroregion stellten sie bis zur Vertreibung sogar zeitweise die Bevölkerungsmehrheit. Schon seit dem 18. Jahrhundert hatte dieses Gebiet durch die Landgüter beziehungsweise Domänen Darda und Belje eine eigene sozialgeschichtliche Prägung erhalten, staatsrechtlich gehörte es vor 1918 und 1941–1945 zu Ungarn, 1918–1941 wurde es von Neusatz/Novi Sad aus regiert. Im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bestand Syrmien nach 1918 als oblast (Gebiet) bis 1929 weiter, während die slawonischen Komitate zum Oblast Osijek zusammengefasst wurden. 1929 wurde aus Slawonien und Zentralkroatien die Save-Banschaft gebildet. Die Einrichtung der autonomen Banschaft Kroatien 1939 erfolgte nach ethnischen Kriterien und schloss darum auch die kroatisch besiedelten Teile Syrmiens ein. Der sogenannte „Unabhängige Staat Kroatien“ war 1941–1945 in Velike Župe (Großgemeinden im Sinne von Gauen) aufgeteilt: „Vuka“ entsprach im Wesentlichen Syrmien, der nördliche Teil Slawoniens um Esseg hieß „Baranja“, die südlichen Gebiete wurden mit Teilen Bosniens zu Livac i Zapolje und Posavina vereinigt. Während in der sozialistischen Zeit vor allem die Gemeinden (und Republiken) Bedeutung hatten, wurde nach 1991 eine stark veränderte županijen-Gliederung neu eingeführt.

Verweise auf im Lexikon behandelte Regionen

3. Geschichte und Kultur

Besiedlung, Herrschaft und Christianisierung im frühen Mittelalter

Länger als Mitteleuropa lagen Teile Kroatiens im unmittelbaren Einflussbereich okzidentaler Zivilisation. Spätestens seit den Illyrerfeldzügen 168 v. Chr. gehörten große Teile des heutigen Kroatien zum Römischen Reich. 395 wurde das Gebiet Kroatiens der westlichen Reichshälfte zugeordnet. Nach der Völkerwanderung und den Awareneinfällen drangen um 800 die Franken in diesen Raum vor. Laut Einhard umfasste der Herrschaftsbereich Karls des Großen (747/748– 814) Istrien, Pannonien und Dalmatien. Die Christianisierung, zunächst von Split aus betrieben, erfolgte später von Aquileja/Aquileia aus und schuf eine römisch-katholische Prägung. In Dalmatien und Istrien behauptete sich lange die Verwendung der slawischen Sprache in der Messe neben dem Lateinischen, zum Teil bis zur Durchsetzung des Kroatischen durch das Zweite Vatikanische Konzil. Das slawische Missale, aber auch Urkunden wurden vereinzelt bis ins 19. Jahrhundert in einem eigenen Alphabet, der Glagolica, tradiert. Nicht zuletzt wegen der Bedeutung des Italienischen in den Küstenregionen kam der Pflege dieser Überlieferung nationaler Symbolwert zu.

Frühmittelalterliche Referenzpunkte neuzeitlicher kroatischer Nationalbewegungen

Bekanntlich wurde es im 19. Jahrhundert in Europa üblich, nationale Ideale und Ziele durch Verweis auf Dauer und räumlichen Umfang historischer Staatlichkeit zu legitimieren. Nicht selten wurde dabei mittelalterlichen Personenverbands- und Territorialstaaten eine ethnisch-kulturelle Programmatik unterstellt, die diese nicht gehabt hatten. In der älteren kroatischen Historiographie wird angeführt, dass 876 in einer päpstlichen Quelle ein „Dux Chroatvrum“ namens Branimir genannt wird. Diesen Titel führte bereits einer seiner Vorgänger, Trpimir, Begründer der Dynastie der Trpimirovci, der aber noch als fränkischer Vasall erscheint. Der Schwerpunkt des kroatischen Fürstentums Domagoj (um 870) lag in Dalmatien und seinem Hinterland; es wird dort auch mit einem bestimmten frühromanischen Stil in Architektur und Plastik in Verbindung gebracht. Erst der 925 zum König gekrönte Tomislav (gest. um 928) dehnte seinen Herrschaftsbereich bis nach Pannonien aus. Die kroatischen Könige und die mit ihnen identifizierten Symbole (z.B. Flechtbandornamentik) wurden seit dem 19. Jahrhundert zu viel bemühten Referenzpunkten der Nationalbewegung.

Kroatien als Teil der Habsburger Monarchie

Nach dem Tod des letzten der Trpimirovci, Zvonimir (gest. 1089), wählte eine Adelsversammlung den ungarischen König 1102 zum Nachfolger. Die auf diese Vereinbarung (pacta conventa) zurückgehende staatsrechtlich-dynastische Verbindung zwischen Kroatien und Ungarn bestand auch noch während der Herrschaft des Hauses Habsburg. Diese währte von 1526 bis 1918, wobei das „Königreich Kroatien-Slawonien“ stets zu den Ländern der ungarischen Krone zählte. Kroatien entsprach so dem Typ der ostmitteleuropäischen Adelsnation, die sich in der Adels- und Ständeversammlung, dem Sabor (Landtag), konstituierte. Die kroatischen Vizekönige führten bis 1918 den Titel des Banus. Durch die Expansion Venedigs und der Osmanen verlagerte sich der Schwerpunkt beziehungsweise der Name dieses Territoriums nach Norden, seit dem 16. Jahrhundert mit Agram/Zagreb als politischem Zentrum.

Slawonien hingegen war nach der Schlacht von Mohatsch/Mohaćs unter osmanische Herrschaft gefallen. Viele Katholiken wanderten ab. Erst in den „Türkenkriegen“ ab 1683 wurde es von den habsburgischen Truppen unter Prinz Eugen (1663–1736) erobert. Entlang der jeweiligen Grenze zum Osmanischen Reich wurde die sogenannte Militärgrenze eingerichtet. Dieses Territorium war direkt den österreichischen Zentralbehörden beziehungsweise dem Hofkriegsrat in Wien unterstellt, die Kommunen verwalteten sich selbst. Nach dem Frieden von Karlowitz/Sremski Karlovci 1699 wurde im ‚zivilen‘ Slawonien (ab 1745) das Feudalsystem rekonstruiert. Die Errichtung der barocken Festungsstadt Esseg war ein Werk des habsburgischen absolutistischen Landesausbaues (1712–1721); 1809 erhielt Esseg den Status einer königlichen Freistadt. 1878 wurde das benachbarte Bosnien und Herzegowina vom Habsburgerreich okkupiert und die Militärgrenze aufgelöst.

Nach der Umwandlung des Kaiserreiches Österreich in die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn 1867 verfolgte Budapest das Ziel, die ungarische Reichshälfte in einen magyarischen Nationalstaat zu verwandeln. Die staatsrechtliche Stellung Kroatien-Slawoniens wurde im „Kleinen Ausgleich“, der nagodba, von 1868 zwar festgeschrieben, war aber auch Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. In der Nationalbewegung unter den kroatischen Intellektuellen bestanden konkurrierende Konzepte: Einerseits wurde an die kulturelle Einheit der Südslawen zumindest innerhalb der Monarchie geglaubt (Jugoslawismus, vertreten z. B. von Josip Strossmayer [1815–1905]), andererseits wurde das historische Staatsrecht Kroatiens betont (ideologisiert vor allem von Ante Starčević [1823–1896]). Wie verbreitet diese Vorstellungen in der Bevölkerung waren, ist wegen des Zensuswahlrechts schwer festzustellen. 1910 hatte das Königreich Kroatien-Slawonien eine Gesamtbevölkerung von 2.261.954 Personen – gegenüber 18.264.533 in Ungarn –, davon 1.877.833 Katholiken. In „Slawonien“ (inkl. der westlichen Teile Syrmiens und der Baranja) lebten nach den Berechnungen von Mario Bara und Ivan Lajić 670.741 Menschen, davon 351.218 Kroaten, 119.833 Serben und 84.492 Deutsche.[1] Der größte Ort in diesem Raum war Esseg mit 31.388 Einwohnern; Agram hatte 79.038 Einwohner.

Vom „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ zum „Unabhängigen Staat Kroatien“ als Vasallenstaat der Achsenmächte

Am 29. Oktober 1918 beendete der Sabor die staatsrechtliche Verbindung mit Österreich-Ungarn. Aus den südslawischen Gebieten der Habsburgermonarchie wurde der „Staat der Slowenen, Kroaten und Serben“ gebildet. Dieser wurde am 1. Dezember 1918 mit Serbien zum „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ vereinigt. Die Kroatische Bauernpartei unter Stjepan Radić (1871–1921), welche dies abgelehnt hatte, erwies sich seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts als politischer Hegemon. 1928 fiel Radić einem Attentat im Belgrader Parlament zum Opfer, am 6. Januar 1929 wurden ein autoritäres Regime, die „Königsdiktatur“, und der Staatsname „Jugoslawien“ eingeführt. In den 1930er Jahren näherte sich das Land dem ‚Dritten Reich‘ an. 1939 konnten die kroatischen Siedlungsgebiete in einer autonomen „Banschaft Kroatien“ vereinigt werden. Als Jugoslawien gegen Zusicherung von Neutralität dem deutsch-italienischen Bündnis beitrat, kam es am 27. März 1941 zu einem proalliierten Offiziersputsch.

Adolf Hitler entschied sich daher, Jugoslawien gemeinsam mit Italien, Ungarn und Bulgarien zu besetzen und politisch zu zerschlagen. Da sich der Vorsitzende der Kroatischen Bauernpartei, Vlatko Maček (1879–1964), der Kollaboration entzog, wurde die Führung des am 10. April 1941 proklamierten „Unabhängigen Staates Kroatien“ in die Hände der Ustaša unter Ante Pavelić (1889–1959) gelegt – bis dahin eine rechtsradikale Splitterpartei im italienischen Exil. Der neue Staat umfasste auch ganz Bosnien und die Herzegowina und damit viele nicht mehrheitlich von Kroaten bewohnte Gebiete. Serben und – nach deutschem Vorbild – Juden und Roma wurden verfolgt und ermordet, unter anderem im berüchtigten Konzentrationslager Jasenovac. Die kommunistisch geführten Partisanen unter Josip Broz Tito (1892–1980) wurden in Kroatien populärer, zumal sie 1943 Kroatien als eigene Teilrepublik eines künftigen Jugoslawien proklamierten.

Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach Kriegsende 1945 kam es zu blutigen Racheakten der Kommunisten an ihren früheren Gegnern (Massaker von Bleiburg). Der katholischen Kirche stand das neue sozialistische Jugoslawien wegen der Kollaboration im Zweiten Weltkrieg misstrauisch gegenüber. 1948 kam es zum Bruch zwischen Tito und Stalin (1878–1953); als „blockfreier Staat“ suchte Jugoslawien fortan „einen eigenen Weg zum Sozialismus“. Bei den ersten freien Wahlen 1990 siegte die „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“, die das Land 1991 nach einer Volksabstimmung in die Unabhängigkeit führte. In dem anschließenden Krieg blieben die serbischen Mehrheitsgebiete und gemischt besiedelte Gebiete Ostkroatiens zunächst von der jugoslawischen Armee besetzt und wurden erst 1995 zurückerobert oder auf dem Wege der „friedlichen Reintegration“ unter UNO-Mandat eingegliedert. Inzwischen ist Kroatien Mitglied der NATO und seit 2013 auch der EU.

Die Kroatendeutschen

Einwanderer aus dem deutschen Sprachraum haben seit dem Mittelalter, und erst recht nach 1526, vor allem in einigen Städten Kroatiens gelebt. Im Wesentlichen ist die deutsche Bevölkerung aber im 18. sowie im 19. Jahrhunderts eingewandert. Zumindest drei soziale Gruppen müssen unterschieden werden: 1. Adelsfamilien; 2. die städtische Bevölkerung, besonders in der kaiserlichen Festung Esseg, in geringerem Ausmaß in Agram, vereinzelt auch in anderen Städten; dazu gehörten Beamte, Soldaten, Handwerker und Arbeiter, hinzu kamen deutschsprachige Juden; 3. die ländlichen sogenannten „Donauschwaben“, die als Handwerker und Bauern verstreut in mehreren Dutzend Dörfern sowie in bestimmten Stadtvierteln z. B. Essegs, Vukovars und Winkowitz’/Vinkovcis lebten. Anders als in Südungarn war der staatliche Anteil an der Einwanderung im 18. Jahrhundert gering, die Initiative ging vor allem von einheimischen Adligen aus. Der größere Teil wanderte jedoch nicht aus Deutschland, sondern im 19. Jahrhundert aus Ungarn ein (unter anderem Kapitalisierung des Grunderwerbs), eine kleine Gruppe kam aus Böhmen.

Durch die katholische Konfession kam es zur Vermischung der deutschen und kroatischen Bevölkerung und in hohem Ausmaß zur Assimilation – vor 1918 waren die Kirche, die Administration und weitgehend die Schule kroatisch geprägt. Die nationale Mobilisierung der Deutschen erreichte die kroatischen Territorien erst spät: Nach ersten Anfängen ab 1906 fassten solche Tendenzen in den 1920er Jahren zuerst in einigen bürgerlichen Vereinen Essegs Fuß. Zur Gründung von Ortsgruppen des in der Vojvodina so aktiven Kulturbundes kam es aber erst Anfang der 1930er Jahre. Damals wurden nach Interventionen des Deutschen Reiches auch in Kroatien deutsche Grundschulabteilungen eingerichtet. Als es ab 1934 im Kulturbund zu Auseinandersetzungen zwischen Deutschnationalen und nationalsozialistischen „Erneuerern“ kam, wurde 1935 als Konkurrenz die „Kultur- und Wohlfahrtsvereinigung“ unter Branimir Altgayer (1897–1950) gegründet. 1939 setzten sich die „Erneuerer“ mit Hilfe Berlins im gleichgeschalteten Kulturbund durch.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Altgayer zum Führer der „Deutschen Volksgruppe im Unabhängigen Staat Kroatien“, einer ideologisch auf den Nationalsozialismus festgelegten Organisation mit weitgehenden „Autonomierechten“ (Schulwesen etc.). Wurden anfangs eigene militärische Verbände im Rahmen Kroatiens aufgestellt, erfolgte ab 1942/43 die Überführung beziehungsweise Einziehung der Wehrpflichtigen zur Waffen-SS. Schon während des Krieges mussten ab 1943 immer mehr deutsche Dörfer wegen des Partisanenkrieges geräumt werden. Diese Menschen wurden zunächst in Ostslawonien konzentriert, im Oktober 1944 erfolgte die weitgehende (ca. 80 Prozent) Evakuierung nach Deutschland. Per Dekret vom 23. November 1944 wurden die Deutschen mit wenigen Ausnahmen kollektiv enteignet und in Lager interniert, offensichtlich zur Vorbereitung auf die Vertreibung nach Deutschland beziehungsweise Österreich. Da die Alliierten diesem Plan nicht zustimmten, blieben die Donauschwaben in Jugoslawien zum Teil noch bis 1948 in Lagern inhaftiert. Die Ausreise der Verbliebenen erfolgte erst Anfang bis Mitte der 1950er Jahre. Heute leben nur noch sehr wenige Deutsche in Kroatien, nach der Volkszählung 2011 2.965 Personen.[2]

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Carl Bethke: Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918–1941. Identitätsentwürfe und ethnopolitische Mobilisierung. Wiesbaden 2009 (Balkanologische Veröffentlichungen 47).
  • Ders.: (K)eine gemeinsame Sprache? – Aspekte deutsch-jüdischer Beziehungsgeschichte in Slawonien, 1900–1945. Münster 2013 (Studien zur Geschichte, Kultur und Gesellschaft Südosteuropas 12).
  • Neven Budak (Hg.): Kroatien. Landeskunde, Geschichte, Kultur, Politik, Wirtschaft, Recht. Wien 1995 (Österreichische Osthefte 37; Sonderband).
  • Ivo Goldstein: Croatia. A History. London 1999.
  • Hannes Grandits: Familie und sozialer Wandel im ländlichen Kroatien (18.–20. Jahrhundert). Wien 2002 (Zur Kunde Südosteuropas 2).
  • Károly Kocsis, András Bognár (Hg.): Etnička karta Panonskog prostora Hrvatske = Ethnic map of Pannonian territory of Croatia. Budapest 2003.
  • Ivan Lajić, Mario Bara: Ratovi, kolonizacije i nacionalna struktura Slavonije u dvadesetom stoljeću [Kriege, Kolonisationen und nationale Struktur Slawoniens im 20. Jahrhundert]. Zagreb 2009.
  • Reinhard Lauer (Hg.): Kroatien. Kultur – Sprache – Literatur. Göttingen 2005 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 271).
  • Branka Magas: Croatia through History. The Making of a European State. London u. a. 2007.
  • Vlado Obad: Roda Roda und die deutschsprachige Literatur aus Slawonien. Wien, Köln, Weimar 1996.
  • Sabrina Ramet: Die drei Jugoslawien. Eine Geschichte der Staatsbildungen und ihrer Probleme. München 2011 (Südosteuropäische Arbeiten 136).
  • Sabrina P. Ramet, Konrad Clewing, Reneo Lukić (Hg.): Croatia since Independence. War, Politics, Society, Foreign Relations. München 2008 (Südosteuropäische Arbeiten 131).
  • Krešimir Regan (Red.): Hrvatski povijesni atlas [Kroatischer Geschichtsatlas]. Zagreb 2003.
  • Mirjana Stančić: Verschüttete Literatur: Die deutschsprachige Dichtung auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien von 1800 bis 1945. Wien u. a. 2013 (Literaturgeschichte in Studien und Quellen 22).
  • Ludwig Steindorff: Kroatien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 2001 (Ost- und Südosteuropa. Geschichte der Länder und Völker).
  • Holm Sundhaussen: Die Deutschen in Kroatien-Slawonien und Jugoslawien. In: Günter Schödl (Hg.): Land an der Donau. Berlin 1995 (Deutsche Geschichte im Osten Europas), S. 291–348.
  • Arnold Suppan: Die Kroaten. In: Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Bd. III/l. Wien 1980, S. 626–733.
  • Joachim Weber: Kroatien. Regionalentwicklung und Transformationsprozesse. Stuttgart 2002 (Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg 92).

Periodika

  • Časopis za suvremenu povijest [Journal für Zeitgeschichte], Zagreb.
  • Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice [Jahrbuch der Gesellschaft der nationalen deutschen Minderheit], Osijek.
  • Migracijske Teme [Migrationsfragen], Zagreb.
  • Review of Croatian History, Zagreb.
  • Scrinia Slavonica, Slavonski Brod.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Lajić, Bara: Ratovi, kolonizacije i nacionalna struktura Slavonije u dvadesetom stoljeću [Kriege, Kolonisationen und nationale Struktur Slawoniens im 20. Jahrhundert], S. 182.

[2] Državni zavod za statistiku: Stanovništvo prema narodnosti po gradovima/općinama [Staatsamt für Statistik: Die Bevölkerung nach Nationalitäten pro Stadt/Gemeinde]: www.dzs.hr/Hrv/censuses/census2011/results/htm/H01_01_04/h01_01_04_RH.html. (Abruf: 26.06.2014).

Zitation

Carl Bethke: Kroatien. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2014. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32615 (Stand 09.02.2021).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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