Auslandsdeutschtum

1. Kurzbeschreibung

Der Begriff „Auslandsdeutschtum“ beruhte auf der Vorstellung einer kollektiven sprachlichen, nationalen und vermeintlich ‚deutschstämmigen‘, jedoch nichtstaatlichen Gemeinschaft außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches. Verbunden mit der Konzeption war die Annahme, dass sich ungeachtet vielfältiger Herkunftsorte, Migrationsbewegungen und ethnisch-kultureller Einflüsse eine relativ homogene, spezifisch deutsche Kultur außerhalb des Staates erhalten habe.

Ende des 19. Jahrhunderts begannen Akteure des deutschnationalen sowie völkischen Verbands- und Forschungsmilieus, zunehmend Solidarität mit deutschsprachigen Gruppen jenseits der Staatsgrenzen einzufordern. Vornehmlich in der Zeit der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus fand das Konzept 'Auslandsdeutschtum' – ausgeweitet auf die sogenannten ‚Grenzlanddeutschen‘ – gesellschaftlich wie politisch breite Aufmerksamkeit. Vielfältige Interessengruppen beanspruchten es für ihre eigenen Ziele, etwa um engere wirtschaftliche Beziehungen zur deutschsprachigen Bevölkerung im Ausland oder konfessionelle und kulturelle Protektionsmaßnahmen zu begründen. Es diente ebenso der Rechtfertigung von revisionistischen und weitergehenden geopolitischen Forderungen und der Legitimation von Forschungsaktivitäten.

Im Zuge einer völkischen und 'rassischen' Auslegung des Begriffs wurden die Deutschen im Ausland zum Bestandteil der nationalsozialistischen Kriegs- und Expansionspolitik. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor das Konzept nach und nach an Bedeutung, da ein großer Teil der Deutschen im östlichen Europa in die Besatzungszonen der Alliierten geflüchtet, zwangsweise ausgewiesen worden oder ausgesiedelt war. Ende der 1980er Jahre kehrte die Thematik in die politischen und gesellschaftlichen Diskussionen in der Bundesrepublik Deutschland zurück. Im Mittelpunkt standen Fragen der Einbürgerung von Spätaussiedlern aus dem östlichen Europa und des Minderheitenrechts, allerdings nicht mehr das Gesamtkonzept eines sogenannten ‚Auslandsdeutschtums‘.

Deutsch- und fremdsprachige Entsprechungen

Synonyme, Umschreibungen und verwandte Begriffe im Deutschen sind: Deutsche im Ausland, Ausland(s)deutsche, Grenz- und Auslandsdeutsche, Grenz- und Ausland(s)deutschtum, Volksdeutsche, deutsche Minderheiten.

Im Englischen wurde „(Grenz- und) Auslandsdeutschtum“ übersetzt als „Germandom abroad“ beziehungsweise „Germandom in borderlands and abroad“; „Auslandsdeutsche“ wurde als Begriff direkt übernommen oder umschrieben als „German expatriates“, „Germans abroad“, „Germans living outside the Reich“ oder „Germans living abroad“.

Übersetzungen oder Entsprechungen in weiteren Sprachen sind: tschech. Němci v zahraničí (= Deutsche im Ausland), pohraniční Němci (= Grenzlanddeutsche); poln. Niemcy za granicą (= Deutsche im Ausland); russ. Zagraničnye Nemcy; ung.: külföldi németség, rum.: germanii din străinătate.

2. Genese / Historischer Abriss

Seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts fanden die Bezeichnungen „Deutsche im Ausland“ und „Auslandsdeutsche“ Eingang in die Literatur. Das Interesse an ihnen war in bildungsbürgerlichen Kreisen im Zuge der Einigungsbewegung im Deutschen Bund geweckt worden. 1845 publizierte der Arzt und Bibliothekar Wilhelm Stricker (1816−1891), der sich mit Fragen der Auswanderung und der räumlichen Dimension eines deutschen Sprachgebietes beschäftigte, eine erste Schrift über Die Verbreitung des deutschen Volkes über die Erde und gab kurz darauf die Zeitschrift Germania. Archiv zur Kenntniß des deutschen Elements in allen Ländern der Erde heraus. Die Menschen deutscher Herkunft in Übersee fanden darin ebenso Berücksichtigung wie die Bewohner der Grenzregionen der deutschen Territorien (vor der Reichseinheit) und der sogenannten ‚Sprachinseln‘ im östlichen Europa. Stricker beabsichtigte, auf diese Weise ein „Gesammtbild des deutschen Nationallebens und der verschiedensten Seiten des deutschen Charakters“[1] zu vermitteln sowie das vermeintlich gering ausgeprägte Nationalgefühl der Deutschen aufzuwerten und zu festigen.

Das öffentliche Interesse blieb zunächst jedoch begrenzt. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 und der von Reichskanzler Otto von Bismarck (1815−1898) propagierten ‚Saturiertheit‘ des Staates als ‚kleindeutsche Lösung‘ schien das Thema politisch kaum von Bedeutung zu sein. Im Rahmen der Diasporafürsorge sorgten allerdings kirchliche Organisationen dafür, dass die Verbindungen zu den ‚Auslandsdeutschen‘ aufrechterhalten wurden. 1881 gründete sich der „Allgemeine Deutsche Schulverein“, der 1908 in „Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA)“ umbenannt wurde und die Wahrung beziehungsweise die ‚Wiedererweckung‘ deutscher Kultur zu seinem grundlegenden Ziel erhob. Die Ortsverbände dieser führenden deutschnationalen Organisation bemühten sich innerhalb des Landes darum, die Bevölkerung für das ‚Auslandsdeutschtum‘ zu begeistern. Außerhalb der Reichsgrenzen förderten sie hauptsächlich die Einrichtung von deutschsprachigen Schulen. Parallel zum VDA entstand im Jahr 1891 der „Allgemeine Deutsche Verband“, der drei Jahre später die Bezeichnung „Alldeutscher Verband (ADV)“ erhielt. Seine mehrheitlich völkisch und antisemitisch eingestellten Mitglieder forderten eine expansive Kolonialpolitik und die Stärkung der deutschnationalen Gesinnung im Interesse der ‚Weltmachtstellung‘ des Deutschen Reiches. Im deutschen Kaiserreich unter Wilhelm II. (1859−1941) legten diese Vereine sowie weitere wirtschaftliche Verbände die Grundlagen für ein steigendes öffentliches Interesse an der Erhaltung des ‚Deutschtums im Ausland‘. Sie kritisierten staatliche Behörden für ihre enge Definition der Deutschen im Ausland als primär deutsche Staatsbürger, die über einen längeren Zeitraum außerhalb des Deutschen Reiches lebten. Allmählich wurde die Bezeichnung im Sinne der Verbandsvertreter umgedeutet und schloss zum Ende des 19. Jahrhunderts die Auswanderer aus deutschen Ländern, die dauerhaft ins Ausland gegangen waren und eine andere Staatsangehörigkeit angenommen hatten, sowie ihre Nachfahren mit ein.

Mit der vormals bestimmenden Kollektivbezeichnung „Auswanderer“ war den Menschen, die zumeist aus Gründen ökonomischer, religiöser oder politischer Benachteiligung ihr Herkunftsland verlassen hatten, zumindest eine gewisse autonome Handlungsweise und Mobilität zugesprochen worden. Die Neubezeichnung „Auslandsdeutsche“ mutete hingegen passiv und statisch an. Sie gab einer vermeintlichen ‚geistigen Einheit‘ der Deutschen Ausdruck, wie Bradley D. Naranch in seiner Analyse Inventing the Auslandsdeutsche (2005) darlegt, und suggerierte zudem ihre Sesshaftigkeit im Ausland. Die Identifizierung der ‚Auslandsdeutschen‘ erfolgte über die Herkunftsländer und den zumindest teilweise fortgesetzten Gebrauch der deutschen Sprache. Die Deutschtumsverbände drängten darauf, die Ausweitung des Begriffes auch offiziell zu manifestieren. Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 erleichterte es schließlich den Deutschen im Ausland, die Staatsangehörigkeit des Deutschen Reiches auch nach längerer Abwesenheit für sich in Anspruch zu nehmen oder sie ohne größere Umstände wieder zu erwerben. Das Gesetz förderte somit eine Ethnisierung beziehungsweise eine „völkische Konzeption der Staatsangehörigkeit“.[2] Die Umdeutung der Auswanderer zu ‚Auslandsdeutschen‘ ging teilweise einher mit der ‚Eindeutschung‘ betroffener Personengruppen. Der Versuch, sie zum Bestandteil des ‚deutschen Volkes‘ zu erklären, förderte darüber hinaus ihre Distanzierung von fremdsprachigen Bevölkerungsgruppen und von den Ländern, deren Staatsbürger sie waren. Es ermöglichte ferner die Ausgrenzung derjenigen, die nicht bereit waren, sich den homogenisierenden nationalen Identitätsvorstellungen unterzuordnen.

Etwa zeitgleich entdeckten Geographen und volkskundlich interessierte Reisende die deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen jenseits der Grenzen als Untersuchungsgegenstand, und Vertreter der deutschnationalen Verbände bemühten sich, die Beschäftigung mit dem ‚Auslandsdeutschtum‘ als eigenständiges wissenschaftliches Feld zu etablieren. Sie forderten die Schaffung wissenschaftlicher Grundlagen und suchten diese als potentielle Ressource der Staatspolitik zu vermitteln, indem sie einen Handlungsbedarf hinsichtlich der Deutschen im Ausland konstatierten. Der VDA, dem eigene akademische Gruppen angehörten, beschloss 1908 die Einrichtung einer Zentralstelle zur Erforschung des Deutschtums im Ausland, um die akademische Betätigung entsprechend zu institutionalisieren. Zu den Initiatoren gehörten Akademiker wie beispielsweise der Berliner Wirtschafts- und Sozialhistoriker Robert Hoeniger (1855−1929), der in den Jahren 1909/1910 an der Humboldt-Universität eine der ersten Vorlesungen über das „Deutschtum im Auslande und seine wirtschaftliche Bedeutung“[3] hielt. Zwar hatte die von ihm mitinitiierte zentrale Forschungsstelle des VDA zunächst nur kurzzeitig Bestand, doch begann mit der Gründung des Deutschen Auslandsinstituts (DAI) in Stuttgart 1917 die Konstituierung einer Reihe von teils privat geführten Einrichtungen, die sich eigens der Erforschung der Deutschen im Ausland widmen sollten. Dazu gehörten (1) das Institut für Grenz- und Auslandsdeutschtum in Marburg, (2) die Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums / Deutsche Akademie in München, (3) das Institut für Grenz- und Auslandstudien e. V. in Berlin, (4) die Forschungsstelle für Auslanddeutschtum und Auslandkunde e. V. in Münster und (5) die Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung in Leipzig mit der ihr angeschlossenen Redaktion des Handwörterbuchs des Grenz- und Auslanddeutschtums sowie (6) ebendort das Institut für Auslandkunde, Grenz- und Auslanddeutschtum.[4]

Im Jahr 1919 weiteten nationalistisch geprägte, konservative Kreise, vornehmlich im Umfeld des Deutschen Schutzbundes, die Konzeption auf die deutschsprachige Bevölkerung der Grenzregionen aus, was auch an der Namensgebung einiger Institute deutlich wird. Das Aufgreifen der Thematik des sogenannten ‚Grenz- und Auslandsdeutschtums‘ nach dem Ersten Weltkrieg unter Rekurs auf die Gebietsabtretungen gemäß dem Versailler Vertrag wurde von Zeitgenossen als Neubeginn und Reform im Bereich Forschung, Bildung und Erziehung propagiert. Die Verbände hatten der Beschäftigung mit dem ‚Auslandsdeutschtum‘ zwar bereits zuvor eine Öffentlichkeit verschafft, doch bewirkten die politischen wie territorialen Folgen des Krieges für das Deutsche Reich wie auch für Österreich-Ungarn eine bedeutend größere gesellschaftliche Resonanz. In den politischen Debatten der Weimarer Republik griff man die Thematik parteiübergreifend auf. Die Vorstellung einer Nation, die zumindest ethnisch beziehungsweise kulturell weit über die Staatsgrenzen hinausging, sollte die politische Schwäche des deutschen Staates gegenüber Kolonialmächten wie England oder Frankreich kompensieren. Das ‚Grenz- und Auslandsdeutschtum‘ bot den konzeptionellen Hintergrund für eine quasi-koloniale Erweiterung des Einflussbereiches der Regierungen des Deutschen Reiches, das sich nach der Kriegsniederlage international weitgehend isoliert sah.

Das Postulat einer ethnisch-kulturellen Zugehörigkeit aller Deutschen zum deutschen Volk erhielt durch die Nationalsozialisten eine ‚rassische‘ Definitionsgrundlage. Die nationalsozialistische Regierung führte den seit den 1920er Jahren in Gebrauch befindlichen Begriff „Volksdeutsche“ als amtliche Bezeichnung ein und sicherte den so definierten Gruppen militärischen Schutz zu. Die Organisationen der deutschsprachigen Bevölkerungen im Ausland wurden zu einem Instrument der nationalsozialistischen Außen- und Kriegspolitik. Die Koordination übernahm hierbei die Volksdeutsche Mittelstelle. Beteiligt waren die im Dienste der NS-Politik wirkenden Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften und einige der genannten, bereits in der Weimarer Republik gegründeten Forschungsstellen. Letztlich dienten die ‚Volksdeutschen‘ als Vorwand für die deutsche Forderung an die Tschechoslowakei, Gebiete abzutreten, und für den Angriff auf Polen im September 1939 und somit den Kriegsbeginn. Sie, beziehungsweise ihre (kultur-)politischen Organisationen, galten in beiden Ländern als sogenannte ‚Fünfte Kolonne‘ in Hitlers Angriffskrieg. Diese Sichtweise legitimierte nach dem Ende des Krieges unter anderem die Vertreibung beziehungsweise – gemäß dem Potsdamer Abkommen – die Ausweisung der deutschsprachigen Bevölkerung aus dem östlichen Europa. Bereits im Zweiten Weltkrieg war auf Befehl der deutschen Regierung die Umsiedlung einiger deutschsprachiger Bevölkerungsgruppen aus den Staaten des östlichen Europa in die vom Deutschen Reich besetzten Gebiete erfolgt. Mit dem Vorrücken der sowjetischen Armee am Ende des Krieges flüchteten diese und weitere Bewohner jener Regionen in Richtung Westen.

Diese Vorgänge führten dazu, dass ein bedeutender Teil der vormals als „auslands- und grenzlanddeutsch“ definierten Bevölkerung zu den sogenannten ‚Heimatvertriebenen‘ in den alliierten Besatzungszonen und später zu Staatsbürgern der Bundesrepublik und der DDR wurden. Ab 1950 erhielten die noch im östlichen Europa verbliebenen deutschsprachigen Bewohner die Möglichkeit, als ‚privilegierte Einwanderer‘ beziehungsweise als (Spät-)Aussiedler in die Bundesrepublik zu kommen. Somit verlor das Konzept nach dem Krieg mehr und mehr seine demographische Grundlage. Dennoch erfolgte 1949 die Neugründung des DAI unter der Bezeichnung „Institut für Auslandsbeziehungen (IfA)“ und Mitte der 1950er Jahre die Wiedergründung des VDA in der Bundesrepublik auf der Grundlage des nunmehr überholten Konzepts. Erst Ende der 1960er Jahre ist eine grundlegende internationale Neuausrichtung innerhalb des IfA und in der auswärtigen Politik der Bundesregierung erkennbar, als ein erweiterter Kulturbegriff zur Grundlage politischen Handelns bestimmt wurde sowie Kulturaustausch und Kooperation statt nationaler Selbstdarstellung in den Vordergrund rückten.

Nach den politischen Umbrüchen im östlichen Europa Ende der 1980er Jahre setzte verstärkt eine Rückbesinnung auf den Begriff der Minderheiten ein, und im Zuge der EU-Erweiterungen erfolgte zunehmend die Wiederanerkennung der dort verbliebenen deutschen (und anderen) Minderheiten. Das Konzept des ‚Auslandsdeutschtums‘ war hingegen zum Erinnerungsort geworden, wie Rainer Münz und Rainer Ohliger (2001) darlegen, und symbolisierte die historische Anwesenheit deutscher Bevölkerungsgruppen vorrangig im östlichen Europa. In jüngster Zeit wird es darüber hinaus als potentieller Gegenstand transnationaler, globalgeschichtlicher Forschungen erachtet (Penny/Rinke 2015).

3. Diskurse/Kontroversen

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert unternahmen verschiedene Verbandsvertreter und Forscher den Versuch, das ‚Auslandsdeutschtum‘ beziehungsweise ‚Grenz- und Auslandsdeutschtum‘ wissenschaftlich eindeutig zu definieren. Grundsätzlich steht die Existenz eines solchen allerdings infrage. Den stark ausdifferenzierten Migrationsbewegungen werde der Begriff in seiner Pauschalität nicht gerecht, resümiert der Historiker Dirk Hoerder. Vielmehr reflektiere er eine simplifizierende Sichtweise innerhalb Deutschlands auf demographische Entwicklungen außerhalb der politischen Grenzen des Deutschen Reiches.[5]

Nach dem Zweiten Weltkrieg unterlag die Rolle, die den ‚Auslandsdeutschen‘ in der Zeit des Nationalsozialismus zugesprochen wurde, unterschiedlichen Interpretationen. In Untersuchungen, die in der DDR und Polen zur Weimarer Ostpolitik und den deutschen Schutzverbänden als „Revanchistenorganisation[en]“[6] entstanden, galten sie als Sympathisanten der Nationalsozialisten, die für politische, militärische und expansionistische Ziele vereinnahmt worden waren. Vornehmlich in der Bundesrepublik hielt sich die Vorstellung von den ehemals im östlichen Europa lebenden deutschen Minderheiten, die des Schutzes durch den deutschen Staat bedurften. In der kollektiven Erinnerung der Bundesrepublik blieben sie weiterhin präsent, beispielsweise aufgrund der politischen Aktivitäten der Vertriebenenverbände.

Demgegenüber kritisierte unter anderem der bundesdeutsche Historiker Norbert Krekeler Anfang der 1970er Jahre die revisionistisch angelegte staatliche wie nichtstaatliche Volkstumspolitik in der Weimarer Republik und bezeichnete diese als „eine notwendige Voraussetzung“[7] für die nationalsozialistische Politik bezüglich der ‚Auslandsdeutschen‘. Dass die auswärtige Kulturpolitik der 1920er Jahre in Bezug auf die Deutschen im Ausland lediglich ein Prolog für das manipulative Vorgehen der Nationalsozialisten sein sollte, bezweifelten jedoch die Historiker Carole Fink (1972) und John Hiden (1977). Sie lehnten eine Rückprojektion der nationalsozialistischen Politik auf die Entwicklungen in der Weimarer Republik ab. Denn neben institutionellen und personellen Kontinuitäten in den 1930er Jahren waren auch Brüche zu verzeichnen, etwa bezüglich der Minderheitenpolitik und in einigen Bereichen der Forschungen zum ‚Grenz- und Auslandsdeutschtum‘. Die in der Weimarer Zeit popularisierten Argumentationsstrukturen boten zwar den Ausgangspunkt für nationalideologische Aktivitäten ‚reichsdeutscher‘ wie auch ‚auslandsdeutscher‘ Protagonisten, doch unterschieden sich diese von der folgenschweren Instrumentalisierung durch rechtskonservative und nationalsozialistische Akteure.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Nikolaus Barbian: Auswärtige Kulturpolitik und „Auslandsdeutsche“ in Lateinamerika 1949–1973. Wiesbaden 2014 (Auswärtige Kulturpolitik).
  • Michael Fahlbusch: „Wo der deutsche ... ist, ist Deutschland!“: Die Stiftung für Deutsche Volks- und Kulturbodenforschung in Leipzig 1920–1933. Bochum 1994 (Abhandlungen zur Geschichte der Geowissenschaften und Religion-Umwelt-Forschung 6).
  • Carole Fink: Defender of minorities: Germany in the League of Nations, 1926–1933. In: Central European History 5 (1972), H. 4, S. 330–357.
  • John Hiden: The Weimar Republic and the problem of the Auslandsdeutsche. In: Journal of Contemporary History 12 (1977), H. 2, S. 273–289.
  • Rudolf Jaworski: Der auslandsdeutsche Gedanke in der Weimarer Republik. In: Annali dell' Istituto storico italo-germanico in Trento IV (1978), S. 369–386.
  • Rainer Münz, Rainer Ohliger: Auslandsdeutsche. In: Étienne François, Hagen Schulze (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. Bd. 1. München 2001, S. 370–388.
  • Bradley D. Naranch: Inventing the Auslandsdeutsche. Emigration, colonial fantasy, and German national identity, 1848–71. In: Eric Ames, Marcia Klotz, Lora Wildenthal (Hg.): Germany's colonial past. Lincoln u. a. 2005, S. 21–40 (Texts and Contexts).
  • H. Glenn Penny, Stefan Rinke: Germans abroad. Respatializing historical narrative. In: Geschichte und Gesellschaft 41 (2015), S. 173–196.
  • Gerhard Weidenfeller: VDA, Verein für das Deutschtum im Ausland. Allgemeiner Deutscher Schulverein (1881–1918). Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Nationalismus und Imperialismus im Kaiserreich. Bern u. a. 1976 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 66).

Weblinks

Anmerkungen

[1] Wilhelm Stricker: Vorrede. In: Germania. Archiv zur Kenntnis des deutschen Elements in allen Ländern der Erde 1 (1847), S. V–VI, hier S. VI.

[2] Dieter Gosewinkel: Staatsangehörigkeit in Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert. In: Christoph Conrad, Jürgen Kocka (Hg.): Staatsbürgerschaft in Europa: Historische Erfahrungen und aktuelle Debatten. Hamburg 2001, S. 48–62, hier S. 58.

[3] Veranstaltungskalender in: Geschichte der Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin: hicks.wiwi.hu-berlin.de/history/ (Abruf 05.02.2015).

[4] Die Schreibweise der Institute erfolgt gemäß den Originaldokumenten aus ihrer Gründungszeit.

[5] Vgl. Dirk Hoerder: Geschichte der deutschen Migration. Vom Mittelalter bis heute. München 2010 (Beck’sche Reihe 2494: C. H. Beck Wissen).

[6] Kurt Possekel: Studien zur Politik des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA) in der Weimarer Republik. Rostock 1967, S. I.

[7] Norbert Krekeler: Revisionsanspruch und geheime Ostpolitik der Weimarer Republik. Die Subventionierung der deutschen Minderheit in Polen 1919–1933. Stuttgart 1973 (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte / Schriftenreihe 27), S. 150.

Zitation

Cornelia Eisler: Auslandsdeutschtum. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32850 (Stand 13.07.2021).

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