Sagan/Żagań

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Sagan

Amtliche Bezeichnung

poln. Żagań

Etymologie

„Sagan“ ist wahrscheinlich die Ableitung vom urslawischen Flurnamen „Zagon“ (= gepflügtes Ackerstück).

2. Geographie

Lage

Einst als „Schlesiens nordwestliche Eingangspforte“ bezeichnet,[1] liegt Sagan mit 51° 37` nördlicher Breite und 15° 19` östlicher Länge ca. 100 m über NN auf beiden Seiten des mittleren Bobers (Bóbr), eines linken Nebenflusses der Oder (poln./tschech. Odra); noch auf Saganer Gebiet mündet bei Luthrötha/Lutnia die Tschirne (Czerna) in den Bober. Bis Breslau/Wrocław (südöstlich) sind es ca. 140 km und bis Görlitz/Zgorzelec (südwestlich) ca. 60 km.

Die Ausläufer des Lausitzer Grenzwaldes (Wzniesienia Żarskie) umgeben die Stadt im Westen, im Osten sind es die Ausläufer der Dalkauer Berge (Wzgórza Dalkowskie). Das Waldgebiet der Niederschlesischen und Lausitzer Heide (Bory Dolnośląskie) reicht im Süden bis an das Stadtgebiet heran.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Republik Polen; Sagan ist Verwaltungssitz des Landkreises Żagań (Powiat Żagański) in der Woiwodschaft Lebus (Województwo Lubuskie).

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das von Kaiser Rudolf II. (1576−1612) 1602 der Stadt Sagan verliehene Wappen blieb bis 1968 im Gebrauch. Es ist viergeteilt; im ersten und vierten Feld steht je ein goldener gekrönter Löwe auf schwarzem Grund. Das zweite und dritte Feld enthält je ein Stadttor mit zwei Türmen auf rotem Grund. Ein Gitter verbindet die Türme, darunter steht ein großes „S“.

Das seit 1993 gültige Wappen fußt auf dem Motiv des ältesten Stadtsiegels von 1305. Auf rotem Grund steht eine Wehrmauer mit Zinnen, in der Mitte erhebt sich ein Torturm mit zwei Fenstern und einem dreieckigen Dach. Im offenen Tor darunter steht ein Ritter ohne Kopfbedeckung mit einer Lanze in der rechten und einem dreieckigen Adlerschild in der linken Hand. Über der Mauer rechts vom Turm ist ein Helm mit Pfauenfederkamm abgebildet und links der schlesische Adler mit steigendem Halbmond auf der Brust.

Die Saganer Stadtfarben sind rot-weiß; die Stadtfahne hat die Farben rot, gelb und rot, die historischen Farben des Fürstentums Sagan.

Fürstentum Sagan

Sagan gehörte ab 1252 zum Piasten-Fürstentum Glogau, um 1280 wurde Sagan Residenz eines Teilfürstentums, 1413 erfolgte die endgültige Trennung vom Fürstentum Glogau. 1473 gelangte das Fürstentum Sagan an das Haus Wettin, 1549 im Tausch an die Krone Böhmen. 1553−1601 waren die fürstlichen Kammergüter verpfändet, ab 1558 an die Familie von Promnitz auf Sorau/Żary. 1601−1646 war Sagan wieder im Besitz Habsburgs; von 1628 bis 1634 besaß es der kaiserliche Feldherr Albrecht von Wallenstein (1583−1634) als Lehen. 1646 erwarb Fürst Wenzel Eusebius von Lobkowitz (1603−1677) die Herrschaft. Mit dem Übergang Schlesiens an Preußen (1742) kam auch das Fürstentum Sagan unter preußische Oberhoheit. Im März 1786 verkaufte die Familie Lobkowitz Sagan an Peter Biron Herzog von Kurland, Livland und Semgallen (1724−1800). Nach Peters Tod erbte Wilhelmine Prinzessin von Kurland (1781−1839) das Fürstentum, dessen Verwaltung sie 1805 übernahm. Ihr folgte Peters zweite Tochter Pauline Fürstin von Hohenzollern-Hechingen (1782−1845). Sie überließ Sagan 1844 ihrer jüngeren Schwester Dorothea Herzogin von Talleyrand-Périgord und Dino (1793−1862). Mit der 1844 erfolgten Einrichtung des Preußischen Thronlehens Fürstentum Sagan durch Friedrich Wilhelm IV. (1840−1861) wurde für Herzogin Dorothea und ihre Nachkommen als Herzöge von Talleyrand-Périgord und Valençay der rechtliche Status des Fürstentums festgelegt. 1862−1898 war Dorotheas Sohn Ludwig Napoleon (1811−1898) Herzog von Sagan, ihm folgte sein Sohn Boso I. (1832−1910). Herzog Howard (1909−1929) war der letzte Herzog von Sagan, mit seinem Tod 1929 erlosch der Herzogstitel. 1935 endete die Lehnseigenschaft der 1929 gegründeten Herrschaft Waldgut Sagan.

Mittelalter

1202 tritt ein Stephanus de Sagan castellanus als Zeuge in einer Urkunde für das Kloster Leubus/Lubiąż auf. Die polnische Kastellaneiburg aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts lag auf dem späteren Galgenberg. Nordwestlich davon befand sich das slawische Dorf Sagan mit der 1284 erwähnten St.-Vinzenz-Kirche, nach 1400 als „Alden-Sagan“ überliefert, später Altkirch/Stary Żagań genannt. Im Verlauf der hochmittelalterlichen Ostsiedlung entstand vor 1260 am rechten Ufer des Mühlgrabens, eines Seitenarmes des Bobers, die Stadt Sagan nach Magdeburger Recht mit rechteckigem Ring und schachbrettartigem Straßennetz. 1280 und 1284 wird Sagan civitas genannt. Um 1280 erfolgte eine Erweiterung nach Osten mit dem „Neuen Ring“ (seit 1886 Ludwigsplatz [pl. Słowiański]).

Nach 1270 verlor die alte Kastellanei ihre Funktion, am Sorauer Tor entstand eine neue Burganlage. Herzog Primko I. von Sagan-Sprottau/Szprotawa-Steinau/Śinawa (gest. 1289) verlegte 1284 das Augustiner-Chorherrenstift von Naumburg am Bober/Nowogród Bobrański nach Sagan.

Eine ursprünglich vorhandene Holz-Erde-Befestigung ersetzte man nach der Stadterweiterung durch eine Steinmauer mit Wallgraben und drei Toren sowie zwei Pforten.

Neuzeit

Von 1351 bis 1730 wurde Sagan mehrfach von Bränden heimgesucht; der letzte zerstörte fast die gesamte Stadt. Von 1312 bis 1696 brach die Pest fünfzehnmal in der Stadt aus. Sagans Lage im Bobertal führte oft zu großen Schäden durch Hochwasser, besonders in den Jahren 1804 und 1897.

Seit dem 15. Jahrhundert hatte Sagan vermehrt unter kriegerischen Ereignissen zu leiden: den Hussitenkriegen (1419−1439), dem Bruderkrieg der Saganer Piastenherzöge (1461−1472), dem Dreißigjährigen (1618−1648) und dem Siebenjährigen Krieg (1756−1763). Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege begann jedoch ab 1815 eine ruhigere Epoche. Gefördert durch das Haus Biron, konnte sich Sagan in den folgenden Jahrzehnten zu einem modernen Gemeinwesen entwickeln.

Zeitgeschichte

1923 erfolgte die Eingemeindung von Fischendorf/Rybaki und 1928 einem Teil von Luthrötha und zahlreichen Gutshöfen (1905: 23,73 km², 1928: 32,54 km²).[2] Neue Siedlungen entstanden Ende der 1920er Jahre, vor allem im Norden, Osten und Westen der Stadt.

Die seit 1925 in Schlesien agierende NSDAP erlangte bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 in Sagan 18.109 Stimmen, dagegen fiel ihr Anteil bei der Märzwahl 1933 mit 6.077 Stimmen bedeutend geringer aus.[3]

Nach mehrtägigen Kämpfen besetzten Einheiten der sowjetischen 1. Ukrainischen Front die Stadt am 16. Februar 1945. Bei Kriegsende war Sagan zu über 80 Prozent zerstört. Wegen fehlenden Wohnraums wurden erst 1947 polnische Neubürger angesiedelt; die deutsche Bevölkerung war bereits 1945/46 weitgehend ausgewiesen worden.

Verwaltung

Sagans erstes Rathaus lag inmitten eines Häuserblocks auf dem Alten Ring (Rynek). Nach dem Stadtbrand von 1486 erbaute man ein neues Rathaus an der Ecke Alter Ring / Sorauer Straße (ul. II Armii Wojska Polskiego), das zuletzt 1879/80 umgebaut und bis zu seiner Zerstörung 1945 genutzt wurde.

Für 1303 wird ein Bürgermeister genannt, seit 1354 der proconsul als sein Stellvertreter. Ratsmitglieder, Älteste und Geschworene wurden von der Bürgergemeinde gewählt; eine herzogliche Bestätigung ist erstmals zu 1477 überliefert. Die 1808 in Preußen erlassene Städteordnung brachte auch für Sagan die städtische Selbstverwaltung (Stadtverordnete).

Seit 1810 besaß Sagan ein eigenes Stadtgericht; ab 1877 bestand das königliche Amtsgericht im ehemaligen Augustinerkloster.

Nach 1741 waren Stadt und Fürstentum erst der Kriegs- und Domänenkammer Glogau/Głogów unterstellt, seit 1815/16 dem Regierungsbezirk Liegnitz/Legnica. 1741 bildete man den Kreis Sagan mit der Kreisstadt Sagan. 1932 wurden die Kreise Sagan und Sprottau zum Kreis Sprottau zusammengelegt, Sagan blieb Kreisstadt.

Bevölkerung

1620 lebten in der Stadt und den Vorstädten ca. 4.000 Einwohner.[4] Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756) waren es 2.900 Einwohner,[5] danach ist ein kontinuierlicher Bevölkerungsanstieg festzustellen. 1944 war ein vorläufiger Höchststand mit 22.700 Einwohnern erreicht.[6] Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung und Ansiedlung polnischer Ostvertriebener betrug 1961 die Einwohnerzahl 19.200 und 1970 21.500.[7] Gegenwärtig hat Sagan 26.931 Einwohner (Stand 2015).[8]

Wirtschaft

Zusammen mit den Augustiner-Chorherren förderten die Saganer Herzöge Konrad II. Köberlein (gest. 1304) und Primko I. (gest. 1289) die Ansiedlung von Tuchmachern aus Meißen und Thüringen. Dank der günstigen Lage Sagans an der Niederen Straße konnte sich ein lebhafter Handel mit Tuchen nach Polen und Russland entwickeln. Das im 14. und 15. Jahrhundert sehr erfolgreiche Saganer Tuchmachergewerbe erlebte aufgrund wiederholter Brände, Pest und Krieg zunächst einen Niedergang, der erst mit der Einführung der Dampfkraft und dem Wandel vom kleinen Handwerksbetrieb zur Tuchherstellung auf industrieller Basis endete. Trotz der besonders schwierigen Wirtschaftslage in Schlesien nach 1918 blieb die Saganer Tuchfabrikation bis 1944/45 der bestimmende Produktionszweig. Mit dem Textilgewerbe zusammen entstanden Färbereien, Maschinenfabriken, Metall- und Eisengießereien sowie Tuchversandgeschäfte.

1351 erhielt Sagan mit der Verleihung des Bierschrotamts das Recht zum Bierbrauen. Die Bierbrauerei auf industrieller Basis begann 1820 mit der Gründung der Brauerei Tivoli Moritz Baudach; 1863 entstand aus der Braukommune die Brauerei Bergschlößchen GmbH.

1873 gründete man den Kaufmännischen Verein; 1879 nahm die Handelskammer für die Kreise Sagan und Sprottau in Sagan ihre Arbeit auf.

Sagan erhielt im Juli 1846 Eisenbahnanschluss an der Niederschlesischen Zweigbahn Hansdorf/Jankowa–Sprottau–Glogau. Direkte Verbindungen nach Breslau und Berlin kamen erst 1875 zustande. Im Winterhalbjahr 1937/38 hielten 13 Eil- und Schnellzüge in Sagan; heute dient der Bahnhof nur noch dem Regionalverkehr (Stand 2015).

Militärgeschichte

Seit 1742 ist Sagan Garnisonstadt. Die erste Saganer Kaserne lag in der Nähe der alten Sorauer Brücke. 1884/86 ließ der Fiskus die Planitz- (Artillerie-) Kaserne am Kasernen-/Pestalozziplatz (pl. Orląt Lwowskich) bauen. Wichtig für die Saganer Garnison war der 1898 südlich von Sprottau in der Mallmitzer Heide angelegte Truppenübungsplatz Neuhammer/Świȩtoszów. Nach dem Ersten Weltkrieg nutzten Reichswehr und Wehrmacht die vorhandenen militärischen Einrichtungen. Zusätzlich wurde zwischen Kasernen- und Artilleriestraße (ul. Bolesława Kȩdzierzawego) die Großgörschen-Kaserne gebaut. 1937 entstand an der Sorauer Chaussee (przy Szosie Żarskiej) die Panzer-Kaserne am Dachsberg. Die Luftwaffe nutzte den Fliegerhorst Küpper bei Sagan/Stara Kopernica.

Während des Zweiten Weltkriegs existierten auf einem ehemaligen Exerzierplatz an der Halbauer Chaussee (ul. Lotników Alianckich) das Kriegsgefangenenlager Stalag (= Stammlager) VIII C und seit 1942 das Stalag Luft III im Saganer Forst, Schauplatz eines Fluchtversuchs von 80 Piloten der alliierten Streitkräfte im März 1944, der mit der Erschießung der meisten Flüchtigen endete; nur drei Gefangene entkamen.

Nach 1945 wurden die Kasernen in der Stadt und auf dem Dachsberg von russischen und polnischen Einheiten weitergenutzt, die jahrelang das Leben in der Stadt prägten. Gegenwärtig ist in Sagan das Kommando der 11. Panzerdivision der polnischen Streitkräfte „König Jan III Sobieski“ stationiert (Stand 2015).

Religions- und Kirchengeschichte

Bis zur Reformationszeit gab es nur zwei Klöster, das Augustiner-Chorherrenstift, dessen Stiftskirche zugleich Stadtpfarrkirche war, und das Franziskanerkloster (bis 1539). Unter Paul Lemberg (geb. 1480), dem Abt des Augustinerstifts, fand die Lehre Martin Luthers Eingang in die Stadt. Während Sagan überwiegend evangelisch wurde, bestand das Augustinerstift unter dem Schutz Habsburgs weiter. Von 1524 bis 1633 wechselte mehrfach die Konfessionszugehörigkeit der Stadtpfarrkirche; bis 1628 war auch die Franziskanerkirche jahrelang evangelisch.

1628 rief Herzog Wallenstein (1583−1634) die Jesuiten nach Sagan und übergab ihnen Kirche und Kloster der Franziskaner. Die gegenreformatorischen Maßnahmen (seit 1667) des Fürsten Lobkowitz gipfelten in der 1668 im Fürstentum Sagan durchgeführten Kirchenreduktion. Bis 1668 diente noch die Kreuzkirche dem evangelischen Gottesdienst, danach besuchten die evangelischen Saganer sogenannte Grenz- und Zufluchtskirchen entlang der Grenzen des Fürstentums. Auf Grund der Altranstädter Konvention (1707) wurde 1709/10 die außerhalb der Stadt auf der rechten Boberseite liegende Gnadenkirche Zur Heiligen Dreifaltigkeit erbaut. Die evangelischen Saganer besaßen von da an eine eigene Kirche, die katholischen Bürger nutzten weiterhin fünf Kirchen für ihre Gottesdienste.[9]

In Sagan gab es eine kleine Gemeinde der Altlutheraner, die sich nach 1830 von der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union getrennt hatten.

Um 1825 sind 71 Juden in Sagan nachgewiesen. Bis 1885 stieg die Anzahl auf 164, um dann wieder zu sinken (1895: 144, 1905: 113).[10] 1925 gab es in Sagan noch 97 Juden, 1933 waren es 64 und 1939 lebten noch sieben Juden in der Stadt.[11] 1856/57 hatte sich die jüdische Gemeinde in einer Bastion der alten Stadtmauer am späteren Nizzaplatz (heute pl. Wolności) ihre Synagoge gebaut, die am 9./10. November 1938 zerstört wurde.

Kulturelle Institutionen

Im ehemaligen Augustinerstift befindet sich über der Annakapelle die barocke Klosterbibliothek, deren wertvollste Bestände infolge der Säkularisation nach Breslau gelangten.

1905 hatte der Saganer Volksbildungsverein in der Knaben-Mittelschule eine Volkslesehalle und eine Volksbibliothek eingerichtet. Im selben Gebäude war bis 1928 das 1891 gegründete Altertums-/Heimatmuseum untergebracht.

Für 1659 ist in Sagan eine erste Theateraufführung der Jesuiten bezeugt. Unter Herzog Peter Biron (gest. 1800) richtete man im Schloss ein Theater ein. Aufführungen gab es nur in den Wintermonaten, jedermann hatte Zutritt. Sagan besaß kein eigenes Theaterensemble, verschiedene schlesische Wanderbühnen gaben Gastspiele im Apollo-Theater, dem „Stadttheater“ am Ludwigsplatz (pl. Słowiański) und im Konzerthaus an der Stadtwiese (ul. Jana Pawła II).

Das Musikleben bestimmten der Saganer Musikverein und das Saganer Symphonieorchester.

Bildung und Wissenschaft

Das Staatliche Gymnasium, die Herzog-Friedland-Schule, ging auf die 1628/29 von Wallenstein eingerichtete Jesuitenschule zurück.

Von 1873 bis 1923 besaß Sagan ein evangelisches Lehrerseminar und bis Ende des Ersten Weltkriegs eine Präparandenanstalt; eine staatliche Aufbauschule für Mädchen gab es bis 1929. Die Städtischen Berufs- und Berufsfachschulen, die Volkshochschule, die Landwirtschaftliche Schule und die Heeresfachschule ergänzten die Saganer Bildungseinrichtungen.

Der Astronom und Mathematiker Johannes Kepler (1571−1630) lebte und arbeitete auf Einladung Wallensteins von 1628 bis 1630 in Sagan. Hier erschienen 1630 die Ephemeriden, Keplers Gestirnberechnungstafeln.

Als Reformer des katholischen Schulwesens in Schlesien gilt Johann Ignaz von Felbiger (1724−1788), der 50. Abt des Saganer Chorherrenstifts, der von 1758 bis 1778 das Stift leitete. Auf dem Dach der Stadtpfarrkirche ließ Felbiger 1770 einen Blitzableiter anbringen – den ersten in Schlesien.

Aus Sagan stammte ebenfalls Adolf Engler (1844−1930), der 1889 als Ordinarius und Direktor des Botanischen Gartens und Museums nach Berlin berufen wurde.

Kunstgeschichte und Architektur

Die katholische Stadtpfarrkirche St. Mariae Himmelfahrt am Klosterhof (plac Klasztorny), die ehemalige Augustinerkirche, wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts als dreischiffige Basilika errichtet. Nach den Stadtbränden von 1472 und 1486 baute man sie als Hallenkirche wieder auf, ab 1515 erfolgte die Aufstockung von Langhaus und Gewölbe. An der Westseite ist die Fassade als fünfstufiger Treppengiebel gestaltet; der Backsteinturm erhielt nach dem Stadtbrand von 1730 sein Mansardwalmdach. Die überwiegend barocke Ausstattung ist erhalten. – Die dreiflügelige Klosteranlage, im Norden und Westen an die Stadtmauer angrenzend, entstand zu Beginn des 14. Jahrhunderts; die Wirtschaftsgebäude stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Nach 1810 richtete die Stadt in einem Teil der Klostergebäude zunächst das Steueramt, später dann Amtsgericht und Gefängnis ein. Im ehemaligen Konvikt befindet sich heute ein Touristenhotel.

Die heutige katholische Gymnasialkirche St. Petrus und Paulus geht auf das 1284/85 gegründete Franziskanerkloster zurück. Ursprünglich eine gotische Saalkirche, wurde Ende des 15. Jahrhunderts das Langhaus umgebaut; 1495 erhielt die Kirche ihre äußere Gestalt. Nach dem Brand von 1688 erfolgte der Wiederaufbau als Jesuitenkirche mit barocker Ausstattung. – Das ehemalige Franziskanerkloster an der Gymnasialstraße wurde 1652 abgerissen und dort 1653 ein Jesuitenkollegium und eine Jesuitenschule erbaut. Nach dem Stadtbrand von 1688 begann man 1689 mit dem Neubau des Kollegiums. Nach der Ordensauflösung 1773 wurde im Kollegiumsgebäude (südlicher Teil) die Jesuitenschule als „Königliches Schulinstitut“ fortgeführt, die Jesuitenkirche wurde zur Gymnasialkirche. Das Seminargebäude (nördlicher Teil) diente von 1838 bis 1928 als Frauengefängnis; von 1928 bis 1945 waren dort das Heimatmuseum und Kreisbehörden untergebracht. Seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg werden die Gebäude für eine Textil- und Handelsfachschule sowie die Polizei genutzt.

Die auf der linken Boberseite auf einem Friedhof liegende katholische Kirche St. Mariae Heimsuchung, die gotische „Bergelkirche“ von 1484, wurde im 17. und 18. Jahrhundert erweitert und barockisiert. Daneben befindet sich die Hl.-Grab-Kapelle, ein Quaderbau aus Sandstein, 1598 als Nachbau der Emmerich’schen Grabkapelle in Görlitz errichtet.

1334 wurde die katholische Kirche zum Heiligen Kreuz an der Sprottauer Straße (ul. Szprotawska) erbaut; bereits seit 1284 existierte hier ein Hospital für Leprakranke. Von 1845 bis 1849 ließ Herzogin Dorothea die Kirche als Begräbnisstätte für die katholischen Mitglieder des Herzogshauses umbauen. In der Nähe stiftete sie das St.-Dorotheen-Hospital mit Marienhaus und Dorotheenschule (1859). Heute befindet sich in dem Komplex das Europäische Musikzentrum.

1296 wird die an der Freystädter Straße (ul. Armii Krajowej) liegende katholische Heilig-Geist- oder Propsteikirche („Hospitalkirche“) erstmals genannt, bereits 1292 das dazugehörende Hospital.1701−1702 errichtete man anstelle des Vorgängerbaus von 1444/1482 eine barocke Saalkirche. Erhalten ist die Barockausstattung vom Beginn des 18. Jahrhunderts.

Die evangelische Gnadenkirche Zur Heiligen Dreifaltigkeit am Kirchplatz (pl. Królowej Jadwigi) war ursprünglich ein hölzerner Saalbau mit abgeschrägten Ecken und einem kleinen Turm auf der Südseite. 1809 begann man, die Kirche zu ummauern (bis 1859). 1843−1845 erhielt die Gnadenkirche einen neuen Turm mit durchbrochenem Spitzhelm aus Gusseisen, dazu die Sakristei an der Nordseite. Für die evangelischen Mitglieder der Familie Biron wurde im Untergeschoss des Turms die herzogliche Gruft mit der darüber liegenden Gruftkapelle eingerichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfiel die bei den Kampfhandlungen im Februar 1945 nur gering beschädigte Kirche; als Steinbruch genutzt, wurde sie 1965 abgetragen. Der Turm blieb stehen und wurde nach umfassender Renovierung 2004 als Aussichtsturm eröffnet. In der leeren Kurländergruft ist nur der im Gewölbe eingemauerte Grundstein von 1843 zu sehen (Stand 2015).

Südlich vom Ludwigsplatz (pl. Słowiański) liegt das herzogliche Barockschloss. Seit 1299 befand sich dort der Sitz der Saganer Herzöge. 1629 ließ Wallenstein den Bau einer vierflügeligen Anlage mit Basteien an den Ecken beginnen. Unter seinem Nachfolger von Lobkowitz wurde nach Entwürfen des Architekten Antonio della Porta (um 1631−1702) ein Neubau als dreiflügelige hufeisenförmige Anlage auf den Fundamenten des Vorgängerbaus begonnen. Das Wallenstein-Lobkowitz-Schloss war 1693 weitgehend vollendet. Unter der kurländischen Herrschaft wurden am Äußeren des Schlosses nur notwendige Sicherungsmaßnahmen vorgenommen, dagegen wurden der Innenausbau und die Vermehrung der Kunstsammlungen fortgeführt. Ende 1944 begann die Verlagerung der Kunstwerke, deren Verbleib weitgehend unbekannt ist. Das Schloss wird heute von städtischen Einrichtungen und als Kulturpalast genutzt.

Herzogin Dorothea und ihr Sohn Ludwig Napoleon ließen den Schlossgarten und die weitläufigen Parkanlagen zu einem Landschaftspark umgestalten, der 1945 und in den folgenden Jahren teilweise zerstört wurde.

In der Nähe des Schlosses befinden sich zwei weitere herzogliche Bauten. Das am Ludwigsplatz 1793 als Witwensitz für Herzogin Dorothea von Kurland errichtete Herzogliche Landhaus, ein spätbarockes Stadtpalais mit klassizistischen Elementen, beherbergte später herzogliche Behörden. Heute arbeitet hier die Stadtverwaltung. – Gegenüber dem Schloss entstand um 1800 die Herzogliche Kammer als herzogliches Regierungsgebäude, heute Sitz des Bezirksgerichts, ebenfalls ein spätbarocker Bau mit klassizistischen Elementen.

Neben dem Palais an der Stadtwiese 7 (ul. Jana Pawła II), um 1800 als Rechteckbau mit Erd- und Halbgeschoss und niedrigem Walmdach errichtet, und der Meyer’schen Fabrikantenvilla von 1847, Stadtwiese 15, sind am Alten Ring einige Patrizierhäuser erhalten; in der Stadt findet man vereinzelt noch Barock- und Bürgerhäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Das Saganer Wahrzeichen am Alten Ring, der Ratsturm von 1331, musste 1868/69 erneuert werden; er erhielt damals eine Loggia nach florentinischem Vorbild und eine beleuchtete Uhr.

Nach den Kriegszerstörungen 1945 trug man beschädigte und baufällige Häuser ab, das alte gewachsene Straßennetz wurde aufgegeben und neue Wohnblöcke unregelmäßig auf freigeräumte Flächen gesetzt. Auf der linken Boberseite entstanden in den 1970er Jahren die Großsiedlungen XXX−lecia PRL und Bema; auf dem rechten Boberufer liegt die Osiedle Ląkowa.

1996 wurde Sagan in das Regierungsprogramm zur Rettung und Revitalisierung historischer Städte in Polen aufgenommen. Archäologische Untersuchungen zum geplanten Wiederaufbau alter Bürgerhäuser erfolgten daraufhin im Bereich Hohe Straße (ul. Warszawska), Ludwigsplatz (pl. Słowiański) und Brüderstraße (ul. Bracka); die ehemaligen Baulücken dort sind inzwischen weitgehend beseitigt (Stand 2015).

Buch- und Druckgeschichte

Wallenstein ließ 1629 für Johannes Kepler eine Druckerei einrichten, die um 1630 wieder einging. 1765 gab es in der Sorauer Straße eine Druckerei, die Felbigers Schulbücher (z. B. den Saganischen oder Schlesischen Katechismus) druckte. Herzog Peter Biron veranlasste 1793 die Einrichtung der Herzoglichen Hofbuchdruckerei, die zuletzt Benjamin Krause gehörte. Seit 1796 gab die Hofbuchdruckerei die Niederschlesische Allgemeine Zeitung (Saganer Wochenblatt) heraus. Das Saganer Tageblatt erschien im Verlag von Schlesinger und Lenich. 1929 wurde die Druckerei und Kalligraphische Anstalt Kurt Liebig gegründet.

Literatur

Der in Sagan geborene Carl Weisflog (1770−1828), 1802 Stadtrichter und 1827 Stadtgerichtsdirektor in Sagan, schrieb − angeregt durch seine Bekanntschaft mit E.T.A. Hoffmann − eine Vielzahl von fantastischen Novellen und gehörte zu den meistgelesenen Autoren im dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts.

In der 1921 geschriebenen und 1932 publizierten Novelle Reise nach Sagan von Traud Gravenhorst (1882−1968) bilden Schloss Sagan, die Boberlandschaft und die Umgebung der Stadt im Jahre 1808 den Hintergrund für die aufkeimende Leidenschaft zwischen dem alternden Fürsten Charles Maurice Talleyrand und der jungen kurländischen Prinzessin Dorothea Biron.

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

In der Grünanlage an der Stadtwiese (ul. Jana Pawła II) liegt ein 2000 aufgestellter Gedenkstein mit Bild und Inschrift „Johannes Kepler. Astronom. 1571−1630“. Der Stein ist die Rekonstruktion des Keplerdenkmals von 1930 in der Kammerau, dem oberen Teil der herzoglichen Parkanlagen (Park Górny). Ein weiteres Zeugnis der deutschen Vergangenheit ist der 1909 erbaute Bismarckturm auf dem Galgenberg im Park Belaria.

Das Touristische Informationszentrum (Centrum Informacji Turystycznej) hat den Saganer Fürstenweg (Żagański Szlak Książęcy) eingerichtet, ein mehrsprachig beschilderter Rundgang zu alten und neuen Sehenswürdigkeiten.

An der Halbauer Chaussee (ul. Lotników Alianckich) befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Kriegsgefangenenlager seit 1971 das Museum des Martyriums der alliierten Kriegsgefangenen (Muzeum Martyrologii Alianckich Jeńców Wojennych), jetzt das Museum des Kriegsgefangenen-Vernichtungslagers (Muzeum Obozów Jenieckich w Żaganiu).

Seit 1976 gab es in der Volkshochschule Detmold die Heimatstube Sagan-Sprottau, deren Sammlungen seit 2014/15 im Haus Schlesien (Königswinter) aufbewahrt werden.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Katarzyna Adamek, Marian Ryszard Świątek: Żagań znany i nieznany [Sagan – bekannt und unbekannt]. Żagań 2002.
  • Werner Bein (Hg.): Sagan und Sprottau in der schlesischen Geschichte. „Les vues de Sagan“. Im Auftrag der Stiftung Kulturwerk Schlesien hg. Würzburg 1992.
  • Festschrift zum Saganer Heimatfest. Pfingsten 1927. Hg. vom Fest- und Presse-Ausschuß. Sagan 1927.
  • Felix Hoffmann: Die Kurländergruft in der Gnadenkirche zur heiligen Dreifaltigkeit. Ein Gedenkblatt zur Erinnerung an die letzte Beisetzung am 13. März 1878. In: Illustrierter Haus-Kalender für den Kreis Sagan (Fürstentums-Kalender) 1938. Sagan 1937, S. 25f.
  • Artur Hryniewicz: Żagań/Sagan. In: Ernst Badstübner, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.), Sławomir Brzezicki, Christine Nielsen (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. München, Berlin 2005, S. 1196−1204.
  • Hans Lauschke: Führer durch Sagan und Umgebung. Im Auftrag des Verkehrs-Vereins bearb. Sagan [1910].
  • Kurt Liebig: Erinnerungen an Sagan. Köln-Rodenkirchen 1953.
  • Lokalny program rewitalizacji dla miasta [Örtliches Stadterneuerungsprogramm]. Żagań 2005.
  • Georg Steller: Wallenstein baut am Saganer Schloß (1628−1634). In: Felix Matuszkiewicz, Georg Steller: Unsere Sagan-Sprottauer Heimat. Köln-Rodenkirchen 1956, S. 50−90.
  • Georg Steller: Sagan. In: Hugo Weczerka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Schlesien. 2., verb. u. erw. Aufl. Stuttgart 2003 (Kröners Taschenausgabe 316), S. 462−467.
  • Marian Ryszard Świątek: Żagań na dawnej karcii pocztowej / Sagan auf alten Ansichtskarten. Żagań 1999.
  • Marian Ryszard Świątek: Pozdrowenia z Żagania. Żagań na starej karcie pocztowej 1896−1918 / Gruss aus Sagan. Sagan auf alten Postkarten 1896−1918. Wrocław 2002.
  • Marian Ryszard Świątek, Katarzyna Adamek-Pujszo: Palac i park w Żaganiu na dawnej karcie pocztowej / Schloss und Park in Sagan auf alten Ansichtskarten. Lubsko [2006].
  • Ute Ueberschär- von Livonius: Sagan 1944. In: Gerd R[olf] Ueberschär [Hg.]: Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003, S. 217−223.
  • J[ulius] Wohlfahrt, G[eorg] Michael: Gedenkblätter für die evangelische Gemeinde Sagan zur Feier des 200jährigen Jubiläums ihrer Gnadenkirche am 14. bis 16. Mai 1909. Sagan 1909.
  • Żagań. In: Jerzy Kwiatek, Teofil Lijewski (Bearb.): Leksykon miast polskich [Polnisches Städte-Lexikon]. Warszawa 1998, S. 1078−1080.
  • Robert Zarzycki: Żagań 1945−50 [Sagan 1945−50]. Żagań 2005.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Karl Baedeker: Schlesien. Riesengebirge. Grafschaft Glatz. Reisehandbuch. 2. Aufl. Leipzig 1938, S. 6.

[2] Karl Handke, Georg Steller: Beschreibung der schlesischen Kreise Sagan und Sprottau (nach dem Umfange des Kreises Sprottau ab 01.10.1932). Lippstadt 1968, S. 171, 196.

[3] Die Wahlen zum Reichstag am 31. Juli und 6. November 1932 und am 5. März 1933 (Sechste bis achte Wahlperiode). Bearb. im Statistischen Reichsamt. Berlin 1935 (Statistik des Deutschen Reichs 434). S. 47, 178.

[4] Handke, Steller: Beschreibung (Anm. 2), S. 57.

[5] Handke, Steller: Beschreibung (Anm. 2), S. 57.

[6] Handke, Steller: Beschreibung (Anm. 2), S. 244.

[7] Steller: Sagan, S. 467.

[8] umzagan.nazwa.pl/um/ (Abruf 03.07.2015).

[9] Von 20.441 Einwohnern (1939) waren 15.373 Evangelische, 4.227 Katholiken und 115 sonstige Christen (Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. URL: treemagic.org/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de/sprottau.html [Abruf 02.03.2021]).

[10] Handke, Steller: Beschreibung (Anm. 2). S. 132, 155, 171.

[11] treemagic.org/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de/sprottau.html (Anm. 9).

Zitation

Klaus Lindner: Sagan/Żagań. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p38962 (Stand 30.07.2021).

Nutzungsbedingungen für diesen Artikel

Copyright © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk entstand im Rahmen des Projekts „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ und darf vervielfältigt und veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie:

Wenn Sie fachliche Hinweise oder Ergänzungen zum Text haben, wenden Sie sich bitte unter Angabe von Literatur- und Quellenbelegen an die Redaktion.

(Stand: 19.01.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page