Grafschaft Glatz

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Grafschaft Glatz

Anderssprachige Bezeichnungen

poln. Hrabstwo Kłodzkie; tschech. Hrabství kladské; lat. Comitatus Glaciensis

Etymologie

Die Grafschaft wurde nach ihrem Zentrum, dem Residenzort Glatz/Kłodzko, benannt.

2. Geographie

Lage

Das Gebiet der Grafschaft Glatz umfasste ca. 16.636 km2 und war in etwa identisch mit dem des heutigen polnischen Powiat (Kreis) kłodzki (auch Ziemia Kłodzka [Glatzer Land] genannt).

Topographie

Das Gebiet der Grafschaft Glatz wurde im Norden durch das Eulengebirge (poln. Góry Sowie), im Osten durch das Reichensteiner Gebirge (Góry Złote), das Bielengebirge (Góry Bialskie) und das Glatzer Schneegebirge (Masyw Śnieżnika), im Westen durch das Habelschwerdter Gebirge (Góry Bystrzyckie) und das Adlergebirge (Orlické hory) und im Nordwesten durch das Heuscheuergebirge (Góry Stołowe) begrenzt. Das Gebiet entstand geologisch im Tertiär durch Brüche und Heraushebungen der Randgebirge. Das Innere des „Glatzer Kessels“ wird durch Höhenzüge und Bergkuppen bestimmt, die zum Teil vulkanischen Ursprungs sind, zum Teil postglazial herausgebildet wurden.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Wappen der Grafschaft Glatz. In: Vierteljahresschrift für Geschichte und Heimatkunde der Grafschaft Glatz 2 (1882/83), Vorsatzblatt.

Das Wappen der Grafschaft Glatz von 1459, das von dem Wappen der böhmischen Podiebrad-Familie abgeleitet ist, zeigt einen Schild mit drei diagonal verlaufenden roten Streifen. Nach der Annexion der Grafschaft durch Preußen wurde es in das preußische Gesamtwappen aufgenommen. Als weiteres Symbol wird die sogenannte Glatzer Rose, eine Trollblume, verwendet.

Beiname

Von den Schlesiern wurden die Bewohner der Grafschaft Glatz wegen ihrer häufig auf „a“ ausgehenden Dialektworte und ihrer Heimat im Gebirge als die „von üba drüba“ (die von oben droben) bezeichnet. Nach dem häufig vorkommenden Vornamen Ignatius wurden die Bewohner auch Glatzer „Natzla“ genannt. Wegen der zahlreichen sakralen Zeugnisse in der Landschaft kam seit dem 19. Jahrhundert die Bezeichnung „Herrgottsländchen“ (poln. „Kraj Pana Boga“) für die Grafschaft Glatz in Gebrauch.

Mittelalter

Nach dem böhmischen Chronisten Cosmas von Prag (ca. 1045‒1125) besaß bereits Herzog Slavnik (gest. 981) „Cladsko“ als böhmische Grenzfestung, die in der im 10. Jahrhundert stattfindenden Auseinandersetzung zwischen Polen und Böhmen von strategischer Bedeutung war.

Nach der Niederlage des böhmischen Königs Ottokar II. Přemysl (um 1232–1278) 1278 verlieh der römisch-deutsche König Rudolf von Habsburg (1218−1291) das Glatzer Land an den Breslauer Herzog Heinrich IV. (um 1256–1290). Nach dessen Tod kam es an die böhmische Krone zurück und wurde 1348 von Kaiser Karl IV. (1316−1378) als König von Böhmen zusammen mit den schlesischen Fürstentümern dem Königreich Böhmen förmlich „inkorporiert“; es verblieb bei Böhmen bis zur Annexion durch Preußen im Jahr 1742.

Die Hussitenkriege führten zu einer stärkeren Verbindung mit dem benachbarten schlesischen Herzogtum Münsterberg/Ziębice, dessen Herzog Johann (Regierungszeit 1410−1428) im Kampf gegen die Hussiten 1428 vor den Toren von Glatz, das nicht eingenommen wurde, fiel. Kaiser Sigismund (1368–1437) verpfändete 1431 das Glatzer Land sowie Frankenstein/Ząbkowice Śląskie an den böhmischen Magnaten Puotha von Czastolowitz (gest. 1434), der sich – 1422 als königlicher Landeshauptmann eingesetzt – bei der Verteidigung von Glatz hervorgetan hatte. Durch Verkauf kam das Glatzer Land an König Georg von Podiebrad (1420–1471), der es am 24. Juni 1459 zur Grafschaft erhob, was 1462 von Kaiser Friedrich III. (1415–1493) bestätigt wurde, der gleichzeitig die Söhne Georgs zu Grafen von Glatz und Herzögen von Münsterberg ernannte. Die Podiebrads verkauften 1501 die Grafschaft an den Grafen Ulrich von Hardeck (gest. 1535).

Neuzeit

Nach wechselnden Pfandschaften unter der Oberherrschaft der seit 1526 als Könige von Böhmen regierenden Habsburger (von 1549 bis 1560 Pfandherr Ernst von Bayern) lösten sich 1567 die Grafschafter Stände aus der Pfandschaft aus. Seitdem stand die Grafschaft – mit der Unterbrechung 1618‒1622 – bis 1742 unter direkter Herrschaft der Habsburger.

Nach der Rebellion der Glatzer mit den böhmischen protestantischen Ständen gegen den böhmischen König Ferdinand II. (1578–1637) und der Niederlage von 1622 wurden die „rebellischen“ Grafschafter durch den Verlust von Lehen und vorübergehend ihrer Privilegien (Neuprivilegierung 1629 durch Kaiser Ferdinand II.) bestraft, Adelsgüter wurden an einen katholischen, den Habsburgern loyalen Adel vergeben und die lutherischen Prediger und Lehrer vertrieben. Die Städte mussten in Zukunft für jedes Fass Bier einen halben Gulden „Rebellionssteuer“ entrichten. Der Adel setzte die Gutsherrschaft durch, die bäuerlichen und unterbäuerlichen Schichten verloren ihre persönliche Freiheit und wurden außer zu Geldabgaben zu Diensten herangezogen, was nach 1650 zu langandauernden Aufständen führte.

Im Zuge der Schlesischen Kriege kam die Grafschaft Glatz zusammen mit dem größten Teil Schlesiens 1742 an Preußen. Die habsburgische Ständeordnung wurde abgeschafft, doch blieb die Grafschaft Glatz als politische Einheit bestehen. Ab 1815 gehörte der Landkreis Glatz zur Provinz Preußen und zum Regierungsbezirk Breslau/Wrocław.

Die in Schlesien durch den Adel verschleppten Reformen führten zu Aufständen während der Revolution 1848/1849; doch erst 1850 kam es durch Sondergesetze zur Bauernbefreiung auf allen Gütern.

Zeitgeschichte

Nach dem Ersten Weltkrieg erhob die neu gegründete Tschechoslowakische Republik Ansprüche auf das Gebiet der Grafschaft Glatz, blieb aber nach heftigen Protesten der Einwohner erfolglos. Nach der Machtübernahme durch die NSDAP 1933 wurde das politische Leben ‚gleichgeschaltet‘. Vereinzelt leisteten Geistliche der Katholischen Kirche Widerstand gegen die NS-Herrschaft. Die Grafschaft Glatz wurde von den Sowjets erst nach Kriegsende besetzt. Durch das Protokoll der Potsdamer Konferenz kam das Gebiet zu Polen. Ab März 1946 wurde die deutsche Bevölkerung vertrieben, ab 1947 wurde die Verwaltung von den polnischen Kommunisten übernommen.

Die Solidarność-Bewegung der 1980er Jahre wurde im Glatzer Land unterstützt und zählte 1981 ca. 30.000 Mitglieder. Nach dem Umbruch von 1989 etablierte sich eine demokratische Gesellschaftsordnung.

Verwaltung und Verfassung

In slawischer Zeit unterstanden Verwaltung und Justiz (Zuda) dem Burggrafen von Glatz. Nach intensiver Besiedlung des Landes durch Kolonisten aus dem Westen und Schlesien wurde das Magdeburger Recht für die Städte im 14. und 15. Jahrhundert und das emphyteutische Recht für die Dorfbewohner eingeführt. In der urkundlichen Überlieferung werden bereits 1278 ein Vogt und ein Richter aufgeführt, was auf die Geltung des Magdeburger Rechts hindeutet. Für den Adel galt eine eigene Gerichtsbarkeit (Mannengericht), die dem Burggrafen von Glatz unterstand. Er war der oberste Landrichter, unter dem die Städte und Dörfer ihre Rechtspflege betrieben: in den Städten durch das Kollegium der Schöffen mit dem Vogt an der Spitze, in den Dörfern durch Schöffengerichte unter der Leitung des Dorfbesitzers (Patrimonialgerichtsbarkeit), darunter die Nachkommen der Lokatoren, die seit dem 15. Jahrhundert als Freirichter einen eigenen Stand bildeten.

Die Grafschaft Glatz war in sechs Verwaltungsbezirke, sogenannte Distrikte, gegliedert: Glatz, Habelschwerdt (Bystrzyca Kłodzka) Landeck (Lądek-Zdrój), Hummel (tschech. Homole), Neurode (Nowa Ruda) und Wünschelburg (Radków).

Durch die preußische Neuordnung nach 1742 wurden die Stände abgeschafft. Der Adel behielt aber seine Privilegien. Die Zivilverwaltung („Policeywesen“) unterstand der Kriegs- und Domänenkammer in Breslau. Die Städte verloren weitgehend ihre Verwaltungshoheit. Die Verwaltung der Dörfer lag im Rahmen der Gutsherrschaft bei den Gutsherren. An der Spitze des Kreises Glatz stand der Landrat. Nach 1818 wurde mit Habelschwerdt im Süden der Grafschaft ein weiterer Kreis eingerichtet, ein dritter 1850 mit Neurode im Nordwesten, der allerdings 1936 wieder aufgelöst wurde. Nach 1945 wurden die Kreise Glatz und Habelschwerdt beibehalten und der Kreis Neurode 1954 wiedererrichtet.

Bevölkerung

Für den Zeitraum vom Ende des 11. bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts sind slawische Siedler in den Tälern nachgewiesen (die Flussbezeichnungen Neiße, Weistritz, Biele sind slawischen Ursprungs). In der zweiten Hälfte des 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts kamen deutschsprachige Siedler (vermutlich von Thüringen und Schlesien) in das Glatzer Land, die vor allem auf dem Lande Waldhufendörfer häufig neben den slawischen Siedlungen errichteten. Rechtsbasis war das ius teutonicum, das den siedelnden Bauern die persönliche Freiheit und die Verfügung über die Produkte zugestand. Die slawische Bevölkerung ging nach der Kolonisierung im 13./14. Jahrhundert in der deutschen Bevölkerung auf. Eine tschechischsprachige Minderheit gab es im sogenannten Böhmischen Winkel bei Kudowa. Seit der Zwangsmigration der deutschen Einwohner 1946 dominieren polnische Bewohner.

Bevölkerungsentwicklung:[1]

1750 45.000 Einwohner
1910174.652 Einwohner
1939181.000 Einwohner
1946104.000 (polnische) Einwohner
2000134.000 Einwohner

Wirtschaft

Von herausgehobener Bedeutung sind die Holz- und Papier- sowie Textil- und Bekleidungsindustrie, die Gewinnung und Verarbeitung von Steinen und Erden, Kohle- und Erzabbau, Agrarwirtschaft, außerdem Bäder-Tourismus und Erholungstourismus allgemein. Ein Eisenbahnnetz wurde seit den 1870er Jahren eingerichtet, zunächst die Strecke BreslauGlatz−Mittelwalde/Międzylesie.

Infolge der Kollektivierung nach dem Zweiten Weltkrieg stagnierte die Wirtschaft, aufgrund fehlender Investitionen verkam die Infrastruktur. Nach der Integration Polens in die Europäische Union 2004 setzte allmählich eine wirtschaftliche Erholung ein.

Religions- und Kirchengeschichte

Von der Entstehung des Kirchenwesens bis 1972 gehörte das Glatzer Land zum (Erz-)Bistum Prag. Im 14. Jahrhundert wurde das vom Prager (Erz-)Bischof abhängige Kirchensystem ausgebaut. Die Patronatsrechte lagen weitgehend beim Adel oder beim König. Seit 1169 ließen sich die Johanniter in Glatz nieder, die die Pfarrechte erhielten; seit 1240 erfolgte die Niederlassung der Minoriten in der Stadt. Nach der Errichtung zahlreicher Pfarrkirchen im Land wurde seit Mitte des 13. Jahrhunderts ein Dekanat eingerichtet. 1349 gründete der Prager Erzbischof Arnestus von Pardubitz (um 1300–1364) ein Augustiner-Chorherrenstift mit einem Scriptorium und einer Lateinschule. 1475 wurde durch die Podiebrad-Familie ein Franziskanerkloster in Glatz errichtet. 1597 wurde das Augustiner-Chorherrenstift durch den Papst aufgehoben und der Besitz dem Jesuitenorden übergeben.

Ab 1530 waren mit den Täufern in Habelschwerdt und den Schwenckfeldern in Glatz sowie in einigen Dörfern reformatorische Bewegungen aktiv. Seit den 1560er Jahren setzte sich die lutherische Lehre durch, doch der Katholizismus behauptete sich unter habsburgischer Oberherrschaft, die nach 1622 die vollständige Rekatholisierung des Landes gegen den Widerstand der Bevölkerung betrieb. Seit dem ausgehendem 17. Jahrhundert wurde die Bevölkerung unter dem Einfluss der reaktivierten Orden und des Adels durch den Barockkatholizismus für die katholische Kirche gewonnen, die fast ausschließlich das Kirchenleben bestimmte. Nach 1742 bildeten sich unter preußischer Herrschaft protestantische Gemeinden heraus. Durch das preußische Säkularisierungsgesetz 1810 wurden die Ordensniederlassungen aufgehoben. Nach der Vertreibung der deutschen Katholiken und Protestanten 1946 unterstellte August Kardinal Hlond (1881–1948) das Glatzer Dekanat unter die Befugnisse des Breslauer Erzbischofs, was 1972 durch Rom endgültig bestätigt wurde. Seit 1972 gehört das Glatzer Land zur Diözese Schweidnitz/Świdnica.

Nach der Vertreibung der seit 1300 existierenden jüdischen Gemeinde im ausgehenden 15. Jahrhundert bildete sich seit 1820 erneut eine jüdische Gemeinde, deren ca. 225 Mitglieder (1857) beziehungsweise 300 Mitglieder (um 1900) sich über die Städte und Kurorte der Grafschaft verteilten. 1884 erfolgte die Errichtung einer Synagoge in Glatz mit einer dreigeteilten plastisch gestalteten Fassade und Kuppel, Architekt war Albert Grau aus Breslau. Die Synagoge wurde im Novemberpogrom 1938 von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt. Nach den Deportationen 1943/44 wurden elf jüdische Einwohner ermordet. Ab 1946 kam es zur Bildung einer polnisch-jüdischen Gemeinde mit mehr als 2.000 Mitgliedern, die nach 1948 mehrheitlich emigrierten.

Besondere kulturelle Institutionen

Besondere kulturelle Institutionen befanden sich vor allem in Glatz. Die ehemaligen Bibliotheken der Klöster (Jesuiten, Minoriten, Franziskaner) wurden nach der Säkularisation 1810 aufgelöst. Im 19. und 20. Jahrhundert entstanden zahlreiche Stadt- und Pfarrbibliotheken. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts existierte ein bedeutendes Schlosstheater in Grafenort/Gorzanów unter zeitweiliger Leitung des Dichters Karl von Holtei (1798–1880). In den Bädern wurden saisonale Kurtheater betrieben. Neben den Stadtarchiven (Glatz, Habelschwerdt) gab es zahlreiche Adelsarchive, deren Relikte in der sogenannten Heimaturkundei Grafschaft Glatz gesammelt wurden, heute im Staatsarchiv Breslau (Archiwum Państwowe we Wrocławiu).

Bildung

Das Bildungswesen war weitgehend in Glatz konzentriert. In Habelschwerdt gab es ein Lehrerseminar, eine Oberschule, eine Höhere Mädchenschule sowie eine Kaufmännische und Gewerbliche Fortbildungsschule. Eine Weberei-Lehrstätte existierte in Neurode.

Gesellschaft und Alltagskultur

In der Grafschaft Glatz entfalteten sich im 19. Jahrhundert ein vielfältiges kirchliches Vereinswesen (Kongregationen, Kolping) sowie Theater- und Gesangsvereine; ein „Gebirgs-Verein der Grafschaft Glatz“ wurde 1881 gegründet.

Politisch war von 1871 bis 1933 das Zentrum vorherrschend; 1933 erhielt die NSDAP in den Kreisen Glatz und Neurode 40 Prozent, im Kreis Habelschwerdt 55 Prozent der Stimmen (Reichsdurchschnitt 43,9 Prozent). Seit der politischen Wende 1989 dominieren Parteien, die aus der Solidarność-Bewegung hervorgegangen sind.

In der Grafschaft Glatz wurde ein reichhaltiger Lied- (z. B. Und in dem Schneegebirge) und Sagenschatz (Begegnung mit dem Numinosen: Marienerscheinungen, aber auch Puschmännel [Rübezahl-Motiv], Waldfrauen) tradiert.

Kunstgeschichte

Aufgrund des Holzreichtums wurde in den Gebirgsdörfern die Blockhaus-Bauweise bevorzugt. Häufig findet man das Umgebindehaus, eine Mischung von Schrotholz- und Fachwerkbau. In den langgestreckten Waldhufendörfern wurden Viereckhöfe auch zu Verteidigungszwecken in der ungeschützten Dorfanlage errichtet. In den Bauerndörfern stand neben der Wohnküche mit Kachelofen im Zentrum die gute Stube mit dem „Herrgottswinkel“, der ein Kruzifix und/oder Andachtsbilder beziehungsweise Devotionalien zeigte.

Die wichtigsten Bauwerke der Grafschaft befanden und befinden sich in Glatz.

Gotische Wehrkirchen aus dem 14./15. Jahrhundert wurden vielfach im 17./18. Jahrhundert barockisiert (Altlomnitz/Stara Łomnica, Altwilmsdorf/Stary Wielisław, Eisersdorf/Żelazno, Grafenort/Gorzanów, Neuwaltersdorf/Nowy Waliszów, Oberhannsdorf/Jaszkowa Górna, Oberschwedeldorf/Szalejów Górny, Winkeldorf/Kąty Bystrzyckie). Zudem entstanden bedeutende Barockkirchen in Albendorf/Wambierzyce (1713‒1720) und Neundorf/Nowa Wieś (1702‒1751), wie auch in fast allen Dörfern Barockkirchen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vorhanden sind.

Es finden sich zahlreiche Schlossbauten aus dem 17. bis zum 19. Jahrhundert: Bürgerhäuser im Renaissance- und Barockstil auf dem Ring in Glatz, Habelschwerdt und Bad Landeck/Lądek Zdrój.

Bedeutende Kunstwerke sind die Glatzer Madonna, ein Tafelbild von 1350, sowie Arbeiten der Prager Schule und des Barockmalers Karl Dankwart (gest. 1704). Madonnendarstellungen wie die Rengersdorfer Löwenmadonna (1370), die Schlegeler Madonna (vor 1300), das Madonnenbild in Altwilmsdorf (14. Jahrhundert) sowie die Glatzer Madonna mit dem Spatz (14. Jahrhundert) zählen ebenso zu bedeutenden Plastiken wie die Mariensäulen der Barockzeit in Glatz (1682 von Adam Beyerhof) und Bad Reinerz/Duszniki-Zdrój (1725) oder die Dreifaltigkeitssäule in Habelschwerdt (1736 von Anton Jörg). Wichtige Barockkanzeln finden sich in den Pfarrkirchen von Glatz (1716/17 von Michael Klar d. Ä.) und Albendorf (Magnificat-Kanzel von Carl Flacker, 1723).

Musik

Von Musizierfreudigkeit zeugen Dorforchester und Chöre; Dorflehrer traten vielfach auch als Komponisten von Messen in Erscheinung (Ignaz Reimann [1820–1885]). Grafschafter, die ihre Musikerkarrieren vor allem in Wien, Prag/Praha oder Berlin erlebten, waren Emanuel Aloys Förster (1748‒1823), Eduard Tauwitz (1812‒1894) und Heinrich Reimann (1850‒1906).

Buch- und Druckgeschichte

Im 14./15. Jahrhundert entstand das Scriptorium im Augustiner-Chorherrenstift in Glatz. Im 17. Jahrhundert war Glatz unter der Druckerfamilie Schubart und dem Verleger Andreas Frantz Pega (in Glatz nachgewiesen: 1682–1700) ein bedeutendes Verlagszentrum im Dienst der Gegenreformation in Schlesien. Als Verlag im 19. und 20. Jahrhundert von gewisser Bedeutung war Franke’s Buchhandlung in Habelschwerdt. In Neurode erschien in dem Verlag von Wenzel Wilhelm Klambt (1811−1883) die über die Grenzen der Grafschaft Glatz hinaus gelesene politisch-kulturelle Wochenzeitung Der Hausfreund mit ca. 150.000 Abonnenten (1914).

Literatur

Aus dem Klessetal in der südlichen Grafschaft Glatz stammt vermutlich der Dichter Dietrich von der Glesse (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts), der die Versnovelle Der Borte verfasst hat. Ein bedeutendes chronikalisches Werk des Mittelalters aus dieser Region ist die Cronica Monasterii canonicorum Regularium in Glacz des Propstes Michael Czacheritz (Amtszeit 1456–1489). Als Meistersinger dichtete in Glatz im 16. Jahrhundert der Kürschner Hieronymus Linck (um 1565 in Glatz nachgewiesen). Um 1600 entstand die Kasualdichtung der Späthumanisten. Bedeutendstes späthumanistisches Werk war die Glaciographia (Leipzig 1625) des Georg Aelurius (Georg Katschker, 1596–1627). Als Vertreter der reichhaltigen schlesischen Barockdichtung aus der Grafschaft Glatz gilt Georg Gloger aus Habelschwerdt (1603–1631). Aus Glatz stammte Friedrich Wilhelm Riemer (1774–1845), Autor und Sekretär Goethes. Namhafte Autoren im 19./20. Jahrhundert aus der Grafschaft Glatz waren Hermann Stehr (1864–1940) und Joseph Wittig (1879–1949). Als Mundartdichter ist Robert Karger (1874–1946) zu nennen. Moderne Autorinnen sind Monika Taubitz und die polnische Dichterin Olga Tokarczuk, die in den 1990er Jahren in der Nähe von Neurode lebte und dort ihren Roman Dom dzienny, dom nocny (1999) (dt. Titel: Taghaus, Nachthaus) schrieb, der das Leben der polnischen Neusiedlergeneration thematisiert.

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

Eine regionale Identität als Grafschafter bildete sich in deutlicher Abhebung von Schlesien heraus; dies wird in der Kartographie um 1650 deutlich.[2] Eine historiographische Tradition ist seit Georg Aelurius’ Glaciographia zu beobachten. Im 19. Jahrhundert verfasste der katholische Geistliche Joseph Kögler (1765‒1817) Ortschroniken auf der Basis intensiver Quellenforschung. In den 1880er Jahren intensivierte sich die historische Forschung mit Publikationen der Direktoren des Habelschwerdter Lehrerseminars Franz Volkmer (1845‒1930), Wilhelm Hohaus (1844‒1909) und Edmund Scholz (1835‒1920).

Nach 1945 entstanden auf deutscher Seite Darstellungen auf der Basis des überlieferten Literatur- und Quellenbestandes im Umfeld des 1949 durch Alois Bartsch (1902‒1982) und Georg Goebel (1900‒1965) gegründeten Grafschafter Boten. Auf tschechischer Seite entwickelte sich eine intensive Forschung zur Geschichte der Grafschaft Glatz durch die Historiker der Universität Königgrätz/Hradec Králové. Zu nennen sind die Publikation der Zeitschrift Kladský Sborník (Glatzer Jahrbuch) in mehreren Bänden (1997 ff.) sowie des Atlas Kladsko. Proměny středoevropského regionu. Historiký atlas (2005). Auf polnischer Seite werden seit 1948 historische Forschungen in der Zeitschrift Rocznik Ziemi Kłodzkiej (Jahrbuch des Glatzer Landes) publiziert; seit 1989 erscheint die Zeitschrift Ziemia Kłodzka. Nach der politischen Wende gründete sich auf Initiative von Janusz Laska die Glatzer Bildungsgesellschaft (Kłodzkie Towarzystwo Oświatowe), die eine gemeinsame deutsch-polnische Forschung zur Geschichte des Glatzer Landes anregte. Als Ergebnisse publizierten Arno Herzig und Małgorzata Ruchniewicz unter anderem eine Quellen- und Materialiensammlung zur Geschichte des Glatzer Landes vom 10. bis zum 20. Jahrhundert. Auf deutscher Seite gründete sich 1986 die Arbeitsgemeinschaft Grafschaft Glatz (AGG), deren AGG-Mitteilungen durch Dieter Pohl (2002 ff.) herausgegeben werden.

Persönlichkeiten, die für die Erinnerungskultur der Grafschaft Glatz von Bedeutung sind, waren Arnestus von Pardubitz (gest. 1364), erster Erzbischof von Prag, der in der Glatzer Pfarrkirche begraben liegt, die Gewerkschafterin Emma Ihrer (1857‒1911) sowie der katholische Priester Gerhard Hirschfelder (1907‒1942), der im KZ Dachau umkam und 2010 seliggesprochen wurde.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Arne Franke, Katrin Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz. Ein Architektur- und Parkreiseführer. Würzburg 2009.
  • Arno Herzig, Małgorzata Ruchniewicz: Im Herrgottsländchen. Quellen und Materialien zur Geschichte des Glatzer Landes vom 10. bis zum 20. Jahrhundert / W kraju Pana Boga. Źródła i materiały do dziejów Ziemi Kłodzkiej od X do XX wieku. Kłodzko 2003.
  • Arno Herzig, Małgorzata Ruchniewicz: Geschichte des Glatzer Landes / Dzieje Ziemi Kłodzkiej. Hamburg, Wrocław 2006.
  • Joseph Kögler: Die Chroniken der Grafschaft Glatz. 5 Bände. Neu bearbeitet und herausgegeben von Dieter Pohl. Modautal, Köln 1992–2003 (Geschichtsquellen der Grafschaft Glatz / A. Neue Folge 1−5).

Weblinks

Anmerkungen

[1] Aloys Bernatzky: Lexikon der Grafschaft Glatz. Mit Kurzbiographien berühmter Grafschafter von Nina Hötzel-Strauch. Leimen/Heidelberg 1984 (Glatzer Heimatbücher 8), S. 26.

[2] Klaus Lindner (Hg.): Zwischen Oder und Riesengebirge. Schlesische Karten aus fünf Jahrhunderten. Berlin 1987 (Ausstellungskataloge. Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz 29), S. 101, Nr. 89.

Zitation

Arno Herzig: Grafschaft Glatz. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p43123 (Stand 25.08.2020).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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