Albendorf/Wambierzyce
1. Toponymie
Deutsche Bezeichnung
Albendorf, auch Alberichtsdorf, Alberndorf, Alberundorf
Amtliche Bezeichnung
poln. Wambierzyce
Anderssprachige Bezeichnungen
lat. Alberti villa; tschech. Ambeřice, später Vambeřice
Etymologie
Der Name geht auf den Vornamen "Albert" zurück, der polnische Name – erst seit 1946 im Gebrauch – leitet sich von der tschechischen Form ab.
2. Geographie
Lage
50° 29' nördlicher Breite, 16° 27' östlicher Länge, 338 m über dem Meeresspiegel. Albendorf liegt am nordöstlichen Fuß des Heuscheuergebirges, ca. 110 km südwestlich von Breslau/Wrocław und vier Kilometer südöstlich von Wünschelburg/Radków, unweit der Grenze zu Tschechien.
Region
Staatliche und administrative Zugehörigkeit
Republik Polen. Albendorf liegt in der Woiwodschaft Niederschlesien (Województwo dolnośląskie), im Kreis Glatz (Powiat Kłodzki), in der Gemeinde Radków (Wünschelburg).
3. Geschichte und Kultur
Gebräuchliche Beinamen
Das "Schlesische Jerusalem".
Mittelalter
Die Geschichte des Ortes reicht in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück, als sich auf Anordnung des böhmischen Königs Ottokar II. in der Gegend des heutigen Kalvarienberges Siedler (Weber) aus Meißen und Thüringen niederließen. Das seit Beginn des 14. Jahrhunderts in den Quellen als "Alberti villa" erwähnte Dorf bestand ursprünglich aus drei Rittersitzen (Nieder-, Ober- und Berghof) und einem Freirichtergut, die im Laufe der Zeit mehrmals die Besitzer wechselten (von Zischwitz, von Solz, von Pannwitz). Albendorf gehörte zur Grafschaft Glatz (Glatzer Land), die 1348 ein Nebenland der Böhmischen Krone wurde. 1358 wird in Albendorf eine Filialkirche der Pfarrei von Wünschelburg erwähnt, um 1400 verfügte das Dorf bereits über einen eigenen Pfarrer.
Neuzeit
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts ließ Ludwig von Pannwitz, der damalige Grundherr von Albendorf, einen steinernen Neubau der Wallfahrtskirche errichten, der 1512 eingeweiht wurde. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wechselte Albenberg mehrmals den Besitzer (ab 1636 Johann Balthasar Müllanger von Mühlau, anschließend Ferdinand Hofer von Hoferberg). 1647, während des Dreißigjährigen Krieges, wurde das Dorf von schwedischen Truppen geplündert und teilweise zerstört. 1677 kam Albendorf in den Besitz von Daniel Paschasius von Osternberg. Auf seine Initiative gehen der Neubau der Wallfahrtskirche und die Errichtung des Kalvarienberges zurück. 1715 erwarb Graf Franz Anton von Götzen Albendorf. Der Ort blieb bis 1780 Eigentum der Familie von Götzen und kam anschließend in den Besitz der Familie von Magnis (bis 1945). Infolge des Siebenjährigen Krieges fiel Albendorf 1763 mit der Grafschaft Glatz an Preußen und wurde 1816 Teil der Provinz Schlesien.
19. und 20. Jahrhundert
Nach der preußischen Verwaltungsreform 1815 wurde Albendorf dem Landkreis Glatz zugeordnet (in den Jahren 1855–1932 gehörte es zum neugebildeten Landkreis Neurode, seit 1933 wieder zum Landkreis Glatz). 1945 kam das Dorf unter polnische Verwaltung und wurde (in Anlehnung an den tschechischen Ortsnamen Vambeřice) in "Wambierzyce" umbenannt. Auch in der Nachkriegszeit blieb Albendorf ein beliebtes Wallfahrtszentrum und eine touristische Attraktion.
Bevölkerungsentwicklung
Im Jahr 1768 lebten in Albendorf 1.008 Personen.[1] 1885 zählte das Dorf 1.779 Einwohner größtenteils katholischen Glaubens (95 % der Einwohner des Landkreises waren katholisch),[2] 1939 1.314 Einwohner. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die deutschen Bewohner vertrieben, an ihrer Stelle siedelten sich Polen an. Die Einwohnerzahl beträgt inzwischen ca. 1.200 (Stand 2010).[3]
Wirtschaft
Die wirtschaftliche Entwicklung des landwirtschaftlich geprägten Orts steht seit dem Mittelalter in enger Verbindung mit der Wallfahrt (Quellenhinweise auf Bierausschank im 15. Jahrhundert). Der Bau der barocken Kirche und des Kalvarienberges im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert brachten einen Aufschwung der Pilgerbewegung. Die Bauherren Daniel Paschasius von Osternberg und Franz Anton von Götzen ließen zur besseren Unterbringung und Bewirtung der Besucher diverse Einrichtungen bauen, die der wirtschaftlichen Entwicklung des Dorfes zugutekamen (Hospital, Gastwirtschaft, Schmiede). Zudem wurden die Straßen ausgebessert, neue Häuser für Dorfbewohner erbaut. Eine bessere Verkehrsanbindung brachte 1879 die Eröffnung der Gebirgsbahn-Strecke Glatz-Neurode. Im ausgehenden 19. Jahrhundert besuchten Albendorf jährlich 120.000–150.000 Pilger.[4] Auch heute ist die regionale Wirtschaft vom Wallfahrtstourismus geprägt.
Religionsgeschichte
Wallfahrtskirche Albendorf von W
(Postkarte: vor 1945) [Herder-
Institut, Marburg, Bildarchiv.
Inv. Nr. 137431]
Der Marienkult in Albendorf reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück – der Legende nach kam es 1218 zur wundersamen Heilung eines Blinden, der beim Gebet vor der an einer Linde angebrachten Marienfigur sein Augenlicht zurückerhielt. An dieser Stelle entstand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine hölzerne Kirche. Das heute noch erhaltene Gnadenbild aus Lindenholz stammt vom Ende des 14. Jahrhunderts. Mit Beginn der Reformation in Schlesien kam die Wallfahrt zum Stillstand. 1563 wurde die Marienkirche evangelisch, nachdem Ludwig von Pannwitz zum lutherischen Glauben konvertiert war. 1628 erfolgte die Rekatholisierung, die Kirche wurde der Pfarrkirche in Wünschelburg unterstellt und erst 1679 wieder selbständige Pfarrei. Nach der Entdeckung einer angeblich heilenden Quelle (Marienbrunnen) im Jahr 1678 veranlasste Daniel Paschasius von Osternberg die Errichtung eines Kalvarienberges (1683–1708) und den Neubau der mittlerweile baufällig gewordenen Wallfahrtskirche (1695–1710). Anschließend erlebte der Wallfahrtsort eine neue Blütezeit. Es entstand eine weiträumige, als Nachbildung der Topographie Jerusalems und des Heiligen Landes konzipierte Pilgerstätte. Ab 1693 wurden Passionsspiele aufgeführt. Auch in Nachkriegszeit blieb das Sanktuarium in Albendorf ein beliebtes Pilgerziel. 1980 wurde die Albendorfer Madonna im Auftrag Papst Johannes Paul II. zur "Königin der Familien" gekrönt. Seit 2007 betreut der Franziskanerorden das Sanktuarium.
Kunstgeschichte und Architektur
Der erste Vorgängerbau der heutigen Wallfahrtskirche in Albendorf, der katholischen Pfarrkirche St. Maria Heimsuchung, entstand in den Jahren 1261–1263 (Weihe 1263) und wurde während der Hussitenkriege in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zerstört. Ihr Wiederaufbau erfolgte im frühen 16. Jahrhunderts (Weihe 1517) auf Initiative Ludwigs von Pannwitz.
Im Zuge der Umgestaltung des Ortes zur Nachbildung Jerusalems sollte auch die Wallfahrtskirche durch einen monumentalen Neubau ersetzt werden. In den Jahren 1695–1710 entstand eine dreischiffige Saalkirche, die schon 1711 wegen Baufehlern abgerissen werden musste. Der Wiederaufbau erfolgte zwischen 1715 und 1724 auf Initiative des neuen Besitzers von Albendorf, Franz Anton von Götzen. Der namentlich nicht bekannte Architekt kam vermutlich aus dem Umkreis Karl Ignaz Dientzenhofers, die Innenausstattung entstand unter Mitarbeit von Karl Sebastian Flacker (Hauptaltar, Kanzel) und N. G. Bonora (Freskoausmalung der Kuppeln). 1852–1859 wurden die Fresken restauriert und teilweise übermalt. 1936 wurde die Kirche vom Papst Pius XI. in den Rang einer Basilika Minor erhoben.
Bei der Barockkirche handelt es sich um einen überkuppelten Zentralbau auf dem Grundriss eines in ein Rechteck eingeschriebenen, länglichen Oktogons mit mächtigen Wandpfeilern, zwischen denen sich Kapellen und Emporen öffnen. Im Schrein über dem Tabernakel im Hauptaltar befindet sich das Gnadenbild der Muttergottes aus Lindenholz aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Die Schaufassade erhebt sich mit ausgreifenden Seitenrisaliten über einer monumentalen Freitreppe. Doppelpilaster sowie die verkröpften Gesimse und die Balustraden der Risalit-Terrassen verleihen ihr eine bewegte Gliederung.
Der Kalvarienberg entstand in den Jahren 1683–1708. Die Nachbildung der Topographie Jerusalems und des Heiligen Landes umfasste das Dorf mit den umliegenden Hügeln, die in Anspielung auf biblische Orte als Berge Tabor, Sinai und Horeb bezeichnet wurden, der örtliche Bach wurde nach dem biblischen Fluss "Cidron" genannt. Zum umfangreichen Ausstattungsprogramm der Anlage gehören neben zahlreichen Kapellen mit Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament auch Tore (u. a. Anspielung auf die Tore Jerusalems), Grotten, Brunnen und Gärten. In der Folgezeit wurde das Ensemble mehrmals ergänzt und umgestaltet (letzte Restaurierung 1972–1980). In den Jahren zwischen 1882 und 1895 wurde das Programm durch eine mechanische Krippe von Longinus Wittig ergänzt, die immer noch im Betrieb ist (Haus Objazdowa Nr. 6).
4. Bibliographische Hinweise
Literatur
- Joseph Gottschalk: Albendorf. In: Hugo Weczerka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Schlesien. Stuttgart 1977 (Kröners Taschenausgabe 316), S. 1f.
- Grzegorz Grajewski: Wambierzyce. In: Ernst Badstübner, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.), Sławomir Brezicki, Christine Nielsen (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. München, Berlin 2005, S. 992-994.
- Zbigniew Hornung: Architektura Sanktuarium Maryjnego w Wambierzycach [Die Architektur des Mariensanktuariums Albendorf]. Wrocław 1969.
- Konstanty Kalinowski: Barock in Schlesien. Geschichte, Eigenart und heutige Erscheinung. München 1990.
- Edward Malicki: Polskie sanktuaria maryjne [Polnische Mariensanktuarien]. Kraków 2006.
- Anna Mitkowska: Wambierzyce. Wrocław 1984 (Śla̜sk w zabytkach sztuki).
- Emanuel Zimmer: Albendorf. Sein Ursprung und seine Geschichte bis zur Gegenwart. Breslau 1898.
Weblink
- wambierzyce.pl/
- www.herder-institut.de/bildkatalog/wikidata/Q1012752 (Abbildungen zu Albendorf/Wambierzyce im Bildarchiv des Herder-Instituts, Marburg)
Anmerkungen
[1] Zimmer: Albendorf, S. 186.
[2] Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. URL: www.verwaltungsgeschichte.de/glatz.html (Abruf 06.08.2013).
[3] Angaben nach GUS www.stat.gov.pl/gus (Abruf 06.08.2013).
[4] www.verwaltungsgeschichte.de/glatz.html (Anm. 2).
Zitation
Beata Lejman, Tomasz Torbus: Albendorf/Wambierzyce. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2013. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32334 (Stand 30.07.2021).
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