Trautenau/Trutnov
1. Toponymie
Deutsche Bezeichnung
Trautenau
Amtliche Bezeichnung
tsch. Trutnov
Etymologie
Möglicherweise gebildet aus dem Flussnamen Úpa; nach dem Chronisten Simon Hüttel abgeleitet von Ritter Albrecht von Trautenberg, mittelhochdeutsch Truthnow/Trutenowe.
2. Geographie
Lage
Trautenau liegt in Nordböhmen im Tal des Flusses Aupa/Úpa und am Fuße des Riesengebirges/Krkonoše auf 414 m Höhe und auf 50° 33' 39.2" nördlicher Breite und 15° 54' 46.1" östlicher Länge.
Staatliche und administrative Zugehörigkeit
Tschechien; Region Královéhradecký kraj, Bezirk/okres Trutnos. Bezirksstadt mit 21 Ortsteilen; der Bezirk umfasst 1.147 km2.
3. Allgemeine Geschichte
Gebräuchliche Symbolik
Bezugnehmend auf die Lindwurmsage, die sich mit dem Bau der Stadt verbindet, zeigt das Wappen einen vor dem Stadttor liegenden Drachen und einen Raben mit goldenem Ring im Schnabel.
Mittelalter
Das älteste Dokument ist eine kirchliche Urkunde von 1260, in der von Upa primum und Upa secundum die Rede ist, in Verbindung mit der Handelsstraße "Trautenauer Steig", die von Prag/Praha bis etwa Breslau/Wrocław führte. Diese berührte den Ort Úpa, der aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine slawische Gründung zurückgeht. Im Zuge der von Ottokar/Otakar II. begonnenen Besiedlungspolitik (1256–1273) wurde das Riesengebirge von deutschen Einwanderern erschlossen. In einer Urkunde König Wenzels/Václav II. aus dem Jahr 1301 findet sich die erste schriftliche Erwähnung des Namens Novum Trutnow. In dieser Zeit war Ägidius von Schwabenitz, der auch ein Kloster gründete, Besitzer des Ortes. Eine Urkunde vom 27. Januar 1340 bestätigt die städtischen Rechte Trautenaus (Magdeburger Recht). 1399 wurde die Stadt zum königlichen Leibgedinge Wenzels IV. für seine Gemahlin, Sophie von Bayern. Der Besitz des Burglehens wechselte zwischen verschiedenen Adelsfamilien. Während der Hussitenkriege wurden Trautenau sowie das Kloster 1421 durch einen Brand zerstört.
Neuzeit
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt mehrfach angegriffen und teilweise zerstört. Auch der Schlesische Krieg und der Siebenjährige Krieg hinterließen Spuren, besonders erstgenannter, da Friedrich II. und seine Truppen 1745 in der Stadt Quartier nahmen. Der Flachsanbau und das Leinengewerbe waren schon im 16. Jahrhundert von wirtschaftlicher Bedeutung; 1592 wurde in Trautenau eine Leinweberzunft gegründet. 1775 fand ein Aufstand von Bauern aus dem Umland in Trautenau sein verlustreiches Ende. Johann Faltis gründete 1835 die erste mechanische Flachsgarnspinnerei in Jungbuch bei Trautenau, in der Stadt selbst entstand 1854 eine Spinnerei. Die Schlacht bei Trautenau im Deutschen Krieg am 27. Juni 1866 endete mit einem Sieg der österreichischen Truppen über Preußen. Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung nahm die Bevölkerungszahl zu. Zahlreiche Bauten wurden errichtet, so 1862 das neue Rathaus, 1869 der Bahnhof oder 1885 die Synagoge. Vom Ersten Weltkrieg war Trautenau nicht unmittelbar betroffen. Durch Gründung der Tschechoslowakischen Republik 1918 traten einschneidende politische Veränderungen ein.
Zeitgeschichte
In den 1920er Jahren brach der Absatzmarkt der Leinenindustrie ein; hohe Arbeitslosigkeit war die Folge. Obzwar die Verwaltung mehr und mehr durch tschechische Beamte besetzt wurde, hat der deutsche Bürgermeister Hieronymus Siegel 1919–1927 und 1931–1933 der Stadt vorgestanden. In den 1930er Jahren verschärfte sich die Situation zwischen der deutschen und der tschechischen Bevölkerung, 1935 erhielt die von Konrad Henlein gegründete Sudetendeutsche Partei 40,7% der Stimmen. Nach dem Münchener Abkommen, im Oktober 1938, marschierten deutsche Truppen ein, der Landkreis Trautenau wurde geschaffen. Besonders für die jüdische Bevölkerung wurde die Lage zunehmend bedrohlich; im November 1938 wurde die Synagoge zerstört. Während des Zweiten Weltkrieges kam es zu einem einzigen Bombenangriff im Frühjahr 1944. Mit dem Einmarsch der sowjetischen Armee ab dem 9. Mai 1945 endete die Vorherrschaft der Nationalsozialisten; die Vertreibung der deutschen Bevölkerung begann unmittelbar danach.[1]
Wirtschaft und Gesellschaft
Entwicklung der Stadt in Bevölkerungszahlen:[2]
Jahr | Einwohner |
1260 | ca. 200 |
1583 | ca. 1000 |
1771 | ca. 1950 |
1880 | 11.239 |
1913 | 16.988 |
1930 | 15.920 |
Bei Trautenau handelte es sich um eine überwiegend von Deutschen katholischer Konfession besiedelte Stadt. Mit Gründung der Tschechoslowakischen Republik stieg der Anteil der tschechischen Bevölkerung: Hatte dieser 1921 bei 9,3% gelegen, so wurden 1930 12,8% verzeichnet.[3] 1930 waren 2,32% Einwohner jüdischen Glaubens. 1938 hatte Trautenau 14.584 Einwohner, davon 11.412 Deutsche und 2.791 Tschechen.[4] Bevölkerungszahl Stand 1. Januar 2011: 30.819.[5]
Wirtschaft
Neben der Leinenindustrie war der Bergbau von Bedeutung, der im 16. Jahrhundert während der Lehnsherrschaft des Berghauptmanns und Ritters Christoph von Gendorf zu einer ersten Blüte gelangte. Auch existierte von etwa 1505 bis 1846 im Stadtgebiet eine Papiermühle. Des Weiteren ist der Tourismus wichtig, der bereits im 19. Jahrhundert seinen Aufschwung nahm. Seit 1871 ist Trautenau an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Heute sind vorwiegend Betriebe der Elektroindustrie angesiedelt.
Besondere kulturelle Institutionen
In der Stadt sind ein Städtisches Museum, das Museum des Riesengebirgsvorlandes und das Staatliche Bezirksarchiv Trautenau angesiedelt. Die jüngste Einrichtung ist das 2010 eröffnete Kulturzentrum UFFO.
Erinnerungskultur
Zur Schlacht bei Trautenau (1866) wurde ein Lehrpfad eingerichtet, der vom Ringplatz oder Rübezahlplatz/Krakonošovo náměstí zum Denkmal des Generals Ludwig von Gablenz auf dem Kapellenberg/Janský vrch und zur Kapelle des hl. Johannes des Täufers führt. Zum Gedenken an die Gründungssage wird jährlich eine metallene Lindwurmfigur am Turm des Alten Rathauses befestigt. Der zerstörten Synagoge und dem jüdischen Friedhof sind heute Gedenkstätten gewidmet.
Kunstgeschichte
Das Zentrum des historischen Stadtkerns bildet der in viereckiger Form angelegte und von Laubengängen umsäumte Ringplatz/Rübezahlplatz. Dort befindet sich das ursprünglich im Renaissancestil errichtete und nach einem Brand 1861 im Stil der Neugotik aufgebaute Rathaus. Auf dem Platz stehen die barocke Dreifaltigkeitssäule aus dem Jahr 1704 sowie der Rübezahlbrunnen von 1892. Die spätbarocke Kirche der Geburt der Jungfrau Maria wurde von 1756 bis 1782 von dem Baumeister Leopold Niederecker errichtet. Die Kirche des hl. Wenzel mit Renaissanceturm, barockem Hauptaltar und bemaltem Epitaph von 1606 wird bereits Anfang des 14. Jahrhunderts erwähnt. Im Stadtteil Parschnitz/Poříčí steht die Kirche der Heiligen Peter und Paul, erbaut 1897 bis 1903 vom Trautenauer Baumeister Vincenz Baier. Eine wechselvolle Geschichte hat die Kapelle des hl. Johannes des Täufers, 1714 von Johann Moritz Dreyschock auf dem Kapellenberg erbaut, 1745 niedergebrannt und 1811 wieder errichtet und geweiht. Auf dem 1875 angelegten Friedhof befindet sich die Kapelle des hl. Kreuzes des Trautenauer Baumeisters Adolf Bohaty. Ebenfalls von einem Trautenauer Architekten wurde 1900 die evangelische Christuskirche errichtet, die heute als Konzertsaal genutzt wird. Zum Stadtbild gehört die Skulptur des hl. Johannes von Nepomuk (1728) des böhmischen Bildhauers Georg Patzák, auch die Figurengruppe der Heiligen Familie (1730) wird dem Künstler zugeschrieben. Der Bildhauer Emil Schwantner (1890–1956, 1920–46 in Trautenau ansässig) ist bekannt durch Tierskulpturen, Kriegs- und Grabdenkmäler sowie die Darstellung von Bauern und Handwerkern.
4. Bibliographische Hinweise
Literatur
- Jindřich Francek: Trautenau. In: Joachim Bahlcke, Winfried Eberhard, Miroslav Polívka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Böhmen und Mähren. Stuttgart 1998 (Kröners Taschenausgabe 329), S. 618-621.
- Simon Hüttel: Chronik der Stadt Trautenau (1484–1601). Prag 1881 (Deutsche Chroniken aus Böhmen 2).
- Reinhard Lamer: Trautenau. Geschichte einer deutschen Stadt. Wien u. a. 1971.
- Julius Lippert: Geschichte der Stadt Trautenau. Prag 1863 (Beiträge zur Geschichte Böhmens, Abt. 3, Ortsgeschichten 1).
- Jürgen G. Nagel: Trautenau. Stadt und Umland zur Zeit der deutschen Besiedlung. Hg. v. Riesengebirgler Heimatkreis Trautenau e. V. Nürnberg 1996.
- Staatliches Bezirksarchiv Trutnov [Státní Okresní Archiv Trutnov] (Hg.): Trutnovská radnice. Kapitoly z dějin města Trutnova a jeho samosprávy [Das Rathaus von Trautenau. Kapitel aus der Geschichte der Stadt Trautenau und seiner Selbstverwaltung]. Trutnov 2010.
- Rudolf M. Wlaschek: Jüdisches Leben in Trautenau, Nordostböhmen: ein historischer Rückblick. Dortmund 1991 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund, Reihe B, 44).
Weblinks
- www.trutnov.cz (mehrsprachige Website der Stadt)
- www.trautna.de (heimatgeschichtliche Seite in deutscher Sprache)
- www.herder-institut.de/bildkatalog/wikidata/Q320950 (Abbildungen zu Trautenau/Trutnov im Bildarchiv des Herder-Instituts, Marburg)
Anmerkungen
[1] Vgl. Homepage www.trautna.de, Stichwort Vertreibung, die dortigen Angaben entstammen den Akten des Staatlichen Bezirksarchivs Trautenau (www.soka-tu.mstu.cz/).
[2] Lamer: Trautenau, S. 209.
[3] Lamer: Trautenau, S. 181.
[4] nach Ludek Jirásek: Po prevratu 1918. In: Trutnovká radnice, S. 75.
Zitation
Claudia Schubert: Trautenau/Trutnov. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32477 (Stand 30.07.2021).
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