Lugosch/Lugoj/Lugos

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Lugosch

Amtliche Bezeichnung

rum. Lugoj

Anderssprachige Bezeichnungen

ung. Lugos; serb., kroat. Lugoš; lat. Lugas, Lucas

Etymologie

Der Ortsname könnte sich aus den Begriffen liugas (geto-dakisch: Sumpf), Lugos (keltische Gottheit), locus/lucus (lat. Ort/Wald), lug/luh (slaw. Sumpf), rogoz (slaw., rum. Schilf) oder lugas (ung. Laube) herleiten.

2. Geographie

Lage

45º 41´ nördlicher Länge, 21º 54´ östlicher Breite.

Topographie

Lugosch liegt in niedrigem Hügelland auf 123 m ü. NHN an der Temesch/Timiş und wird von diesem Fluss in zwei Hälften geteilt.

Region

Banat, Rumänisches Banat

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Rumänien, Kreis Timiş; die Stadt ist das zweitgrößte Munizipium des Kreises und seit 1850 Sitz des griechisch-katholischen Bistums des Banat.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Wappen zeigt oben links zwei silberne Türme, die durch eine Brücke über einem Fluss verbunden sind (Symbol der Vereinigung von Deutsch- und Rumänisch-Lugosch), oben rechts auf hellblauem Grund einen silbernen Wolf über einer goldenen Krone (Motiv aus dem historischen Stadtwappen) und unten auf rotem Hintergrund eine Lyra (Symbol der kulturellen Rolle der Stadt). Über dem Schild befindet sich die silberne Munizipalitäts-Mauerkrone.

Archäologische Bedeutung

Die Gegend um Lugosch hat in den dakisch-römischen Kriegen (101–106) eine wichtige Rolle gespielt; die Ortschaft Tapia (Tapae), wo ein Gefecht von Dakern und Römern stattgefunden hat, ist heute ein Stadtteil von Lugosch.

Mittelalter

Lugosch wird erstmals 1334 in päpstlichen Zehntlisten erwähnt und spielte eine wichtige Rolle im Grenzverteidigungssystem des mittelalterlichen Ungarn. Nach der Schlacht von Nikopolis (1396) setzen osmanische Einfälle ein, woraufhin die Befestigungen verstärkt wurden. 1440 wird Lugosch als oppidum erwähnt und war Zentrum mehrerer walachischer Grenzdistrikte. Hundert Jahre später wurde Lugosch zur civitas und 1551 zur königlichen Freistadt erhoben.

Neuzeit

In der Zeit des autonomen siebenbürgischen Fürstentums unter osmanischer Oberhoheit (Mitte des 16. bis Ende des 17. Jahrhunderts) gehörten das Lugoscher und das Karansebescher Banat bis zur habsburgischen Eroberung als partes regni Hungariae adnexae zum Fürstentum. 1695 wurde bei Lugosch ein österreichisches Heer unter General Friedrich Ambros Graf Veterani von den Osmanen vernichtend geschlagen, der General fiel in der Schlacht. Aufgrund des Friedens von Passarowitz (1718) kam Lugosch unter österreichische Herrschaft.

Im Zuge der Besiedlung des Banats durch die Habsburger entstand der Stadtteil "Deutsch-Lugosch" auf dem linken Ufer der Temesch. Nach Eingliederung des Banats in das Ungarische Königreich (1778/79) wurde Lugosch zum Zentrum des Komitats Krassó (später Krassó-Szörény). 1795 erfolgte die Vereinigung von Deutsch- und Rumänisch-Lugosch. Während der Revolution von 1848/49 war Lugosch das Zentrum der rumänischen Nationalbewegung im Banat, in der Stadt wurden zwei Volksversammlungen abgehalten.

Zeitgeschichte

Am 3. November 1918 fand in Lugosch eine Nationalversammlung statt, die das Selbstbestimmungsrecht des rumänischen Volkes einforderte. Nach dem Anschluss von Siebenbürgen an Rumänien durch die Nationalversammlung von Karlsburg/Alba Iulia am 1. Dezember 1918, völkerrechtlich aufgrund des Vertrags von Trianon (1920), gehörte Lugosch zum rumänischen Staat. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte eine massive Industrialisierung. Lugosch wurde Vorort des Kreises Severin. Nach der administrativen Neuordnung von 1950 wurde Lugosch Rayonsvorort in der Region Temeswar/Timişoara (ab 1960 Region Banat). 1968 wurde es Zentrum des wieder geschaffenen Kreises (judeţ) Lugosch. Im Dezember 1989 war Lugosch die zweite vom Kommunismus befreite Stadt Rumäniens.

Verwaltung

Die Stadt wird von einem Bürgermeister und 19 Stadträten geleitet. In Lugosch ist ein Gericht erster Instanz angesiedelt (Judecătoria Lugoj), die höheren juristischen Instanzen befinden sich in Temeswar/Timişoara/Temesvár.

Bevölkerung

Die seit dem 19. Jahrhundert durchgeführten Volkszählungen belegen eine Mehrheit rumänischer Stadtbewohner; der Anteil der Ungarn stieg seit dem österreichisch-ungarischen Ausgleich an. Im Jahr 1828 hatte Lugosch 5.710 Einwohner, 1880 waren es 11.287 (der Muttersprache nach 42,99 % Rumänen, 40,16 % Deutsche, 12 % Ungarn). Die Stadtbevölkerung nahm stetig zu, von 19.126 Einwohnern 1910 (34,69 % Ungarn, 31,42 % Rumänen, 31,04 % Deutsche) auf 27.871 im Jahr 1941 (51,6 % Rumänen, 21,7 % Deutsche und 17 % Ungarn). 1992 hatte Lugosch 50.939 Einwohner, 2002 waren es noch 44.636 (82,9 % Rumänen, 9,6 % Ungarn und 2,9 % Deutsche).

Wirtschaft

Die Wirtschaft der Stadt war bis zum Beginn der industriellen Entwicklung im 19. Jahrhundert ländlich geprägt; in den 1870er Jahren wurde Lugosch an das Eisenbahnnetz angebunden, es wurden mehrere Industriebetriebe gegründet und das Stadtbild wurde modernisiert. Ein Symbol der Stadt wurde die 1902 eröffnete Eisenbrücke über die Temesch.

Gesellschaft

Die kulturelle Bedeutung der Stadt nahm für die rumänische Bevölkerung mit dem Revolutionsjahr 1848 und der Gründung des Banater griechisch-katholischen Bistums zu, welche für die rumänische Nationalbewegung im Banat auch politische Bedeutung hatte. Nach dem Dualismus wurde Lugosch zu einem wichtigen Zentrum des rumänischen politischen und Vereinslebens. Die ersten Zünfte und Innungen der Stadt wurden in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gegründet.

Religions- und Kirchengeschichte

Die konfessionelle Struktur der Stadtbevölkerung folgte den Trennlinien der ethnischen Zusammensetzung. Die wichtigsten in der Stadt vertretenen konfessionellen Gruppen waren die Römisch-Katholischen, die Orthodoxen und die Griechisch-Katholischen. Heute gibt es in der Stadt orthodoxe, römisch- und griechisch-katholische sowie neoprotestantische Kirchen. 1880 wurden 4.184 römisch-katholische, 4.089 orthodoxe, 1.253 jüdische und 1.052 griechisch-katholische Gläubige gezählt. 2005 bezeichneten sich 76 % als Orthodoxe, 10 % als Römisch-Katholische, 4,1 % als Reformierte und 3,1 % als Anhänger der Pfingstlergemeinden.

Besondere kulturelle Institutionen

Wichtige kulturelle Einrichtungen der Stadt sind das Museum für Geschichte, Ethnographie und Bildende Künste, das städtische Theater (Traian Grozăvescu) und das Kulturhaus.

Bildung und Wissenschaft

Die Anfänge des Schulwesens in Lugosch gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die erste rumänische Schule im Westen des heutigen Rumänien eröffnet. 1996 wurde die private Europäische Universität Drăgan gegründet.

Kunstgeschichte

Die bedeutenden Baudenkmäler der Stadt sind der Turm der orthodoxen Hl.-Nikolaus-Kirche (14. Jahrhundert), die römisch-katholische Kirche im Barockstil (1733), die griechisch-orthodoxe barocke Kathedrale (1759–1766), das Gästehaus der Post (heute Sitz des orthodoxen Erzpriesteramtes, 1726), die griechisch-katholische Kathedrale im klassizistischen Stil (1843–1851), die Synagoge (1843) und das klassizistische Theatergebäude (1900).

Musik

Der städtische Chor Ion Vidu besteht seit 1810; im Jahr 1852 wurde unter der Leitung des Lehrers Paul Wusching ein weiterer Gesangverein gegründet. Die bekanntesten aus Lugosch stammenden Musiker sind der Tenor Traian Grozăvescu (1895–1927) und die Komponisten Tiberiu Brediceanu (1877–1968) und Walter Michael Klepper (1929–2008).

Buch- und Druckgeschichte

Erste Buchdruckereien entstanden in Lugosch im Zusammenhang mit der Einrichtung des griechisch-katholischen Priesterseminars.

Literatur

Zu den bekanntesten Autoren aus dieser Stadt zählen der Journalist und Schriftsteller Karl Wilhelm von Martini (1821–1885) und der Journalist Aurel Popovici (1863–1917), der 1906 das föderalistische Konzept der "Vereinigten Staaten von Groß-Österreich" vorschlug. Heute hat Lugosch mehrere Literaturzirkel, etwa Banatul und Pro Arte, der neben Buchpräsentationen auch Kunstausstellungen veranstaltet. Es wird auch die Dichtung in banatdeutscher Mundart gepflegt.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Ernő Deák: Das Städtewesen der Länder der ungarischen Krone (1780–1918). 2. Teil. Ausgewählte Materialien zum Städtewesen. A. Königliche Freistädte-Munizipalstädte. Wien 1989, S. 758-763.
  • Nicu Dumitrescu: Lugoj [Lugosch]. București 1971.
  • Pesty Frigyes: A Szörényi bánság és Szörény vármegye története [Geschichte des Severiner Banats und des Severiner Komitats]. 3. Bd. Budapest 1878.
  • István Iványi: Lugos rendezett tanácsú város története [Geschichte der Stadt mit geregeltem Magistrat Lugosch]. Szabadka 1907.
  • Gheorghe Luchescu: Lugojul cultural-artistic [Das kulturell-künstlerische Lugosch]. Lugoj 1975.
  • Stelian Mândruƫ: Lugoj. In: Harald Roth (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Siebenbürgen. Stuttgart 2003 (Kröners Taschenausgabe 330), S. 110f.
  • Bakk Miklós: Lugosi krónika [Lugoser Chronik]. Temesvár 1998.
  • Dan Popescu: Ghid turistic - Lugoj și împrejurimi [Touristenführer - Lugosch und Umgebung]. Lugoj 1993.

Weblinks

Zitation

Lajos-Loránd Madly: Lugosch/Lugoj. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/54315.html (Stand 29.10.2015).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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