Friedland/Frýdlant v Čechách

1. Toponymie

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Das Stadtwappen von
Friedland.

Deutsche Bezeichnung

Friedland; auch: Friedland in Böhmen

Amtliche Bezeichnung

tsch. Frýdlant v Čechách

Lateinische Bezeichnung

älteste Erwähnung 1278 als castrum Vridelant[1]

Etymologie

Der erste Wortbestandteil "Fried-" verweist auf mhd. "vride" in der Bedeutung "Einfriedung, Zaun". "Friedland" bezeichnete demnach wahrscheinlich ein unter Schutz gestelltes Gebiet, das entsprechend eingezäunt bzw. umfriedet war.[2]

2. Geographie

Lage

50° 55' 16.73'' Nord, 15° 04' 41.62'' Ost, 296m ü. NHN; gelegen in Nordböhmen unweit der polnischen Grenze am nordwestlichen Rand des Isergebirges, ca. 20 km nördlich der Regionenhauptstadt Reichenberg/Liberec.

Topographie

Friedland erstreckt sich am Fuße des Isergebirges über eine Fläche von ca. 31 km². Die Stadt wird von der Wittig/Smědá durchzogen und ist von einer bewaldeten sowie durch Felder bewirtschafteten Hügellandschaft umgeben.

Region

Böhmen. Die Region um Friedland wird im tschechischen Sprachgebrauch auch als Frýdlantsko bezeichnet.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Tschechische Republik, Region Reichenberg (Liberecký kraj), ehem. Bezirk Reichenberg (okres Liberec).

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Stadtwappen zeigt auf blauem und grünem Grund eine silberne, doppeltürmige Befestigung mit goldenem Tor und roten Turmhauben mit goldenen Kugelaufsätzen. Mittig zwischen den Türmen befindet sich das braune Hirschhorn in Gold aus dem Wappen des Adelsgeschlechts Biberstein.

Mittelalter

Seit dem 6. Jahrhundert war die Gegend von slawischen Stämmen besiedelt. Das Gebiet gehörte seit dem 12. Jahrhundert zur Herrschaft Seidenberg, die den Bischöfen von Meißen unterstand. Entlang der Stadt verliefen verschiedene Handelswege. Wohl um diese zu schützen, errichteten die Ronow Mitte des 13. Jahrhunderts einen Wachturm auf dem Basaltfelsen über der Wittig, der später zur Burg ausgebaut wurde. Bereits damals bestanden wahrscheinlich Siedlungen unterhalb des Felsens. Erstmals erwähnt wurde Friedland 1278, als König Přemysl Otakar II. die Herrschaft an die Meißener Herren von Biberstein verkaufte. Diese ließen Burg und Stadt erweitern und befestigen. Zwischen 1428 und 1433 wurde Friedland von Hussiten angegriffen, die die Burg niederbrannten.

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Das Schloss von Friedland.
[Wikimedia Commons/Rawac]

Neuzeit

1537 wurde Friedland zur Stadt erhoben. Nach dem Tod Christoph von Bibersteins 1551 kam die Herrschaft samt Stadt zurück an die Böhmische Kammer, 1558 an die schlesischen Herren von Redern, die Friedland zur Residenz ausbauen ließen. Sie förderten darüber hinaus die Leineweberei und die Tuchmacherei und legten damit den Grundstein für den Aufstieg Nordböhmens zu einem Zentrum der Textilindustrie. Da Christoph von Redern in der böhmischen Ständerebellion auf Seiten der Protestanten kämpfte, wurde sein Besitz 1620 konfisziert, 1622 an Albrecht von Waldstein verkauft, der sein nordböhmisches, 1624 zum Fürstentum, 1627 zum Herzogtum erhobenes Territorium nach Friedland benannte. Als Residenzstadt diente jedoch das weiter südlich gelegene Jitschin/Jičín. 1634 wurde das Herzogtum aufgelöst, die Herrschaft Friedland kam in den Besitz der Familie Gallas (ab 1759 Clam-Gallas) und blieb dort bis 1945. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Stadt mehrfach von den Schweden besetzt und durch Brände in Mitleidenschaft gezogen. Die Textilindustrie verhalf Friedland seit dem 19. Jahrhundert zu wirtschaftlichem Aufschwung. Ein wirtschaftlicher Erfolg wie in Reichenberg/Liberec wurde jedoch nicht erreicht.

Zeitgeschichte

Von 1919 bis 1938 gehörte Friedland zur neu gegründeten Tschechoslowakei. Zwischen 1939 und 1945 war die Stadt als "Friedland (Isergebirge)" Teil des Reichsgaues Sudetenland. 1945 wurde Friedland bombardiert und von sowjetischen Truppen besetzt. Die deutschsprachige Bevölkerung wurde nach 1945 vertrieben.[3]

Verwaltung

Die städtische Selbstverwaltung besteht aus folgenden Ämtern und Gremien: Bürgermeister, Stadtrat, Stadtvertretung, Finanz- und Kontrollausschuss.

Bevölkerung

Ursprünglich slawisch besiedelt, wurden seit dem 13. Jahrhundert vor allem deutschsprachige Handwerker in Friedland ansässig. Die deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit blieb bis zu Flucht und Aussiedlung 1945/46 bestehen. Danach kamen v. a. Tschechen aus Mittelböhmen in die Stadt. Einwohner 1843: 4124; 1900: 6241 (6230 Deutsche); 1930: 6314 (5514 Deutsche); 1950: 4447.[4] Heute zählt Friedland 7590 Einwohner (Stand: 01.01.2011).[5]

Wirtschaft

Friedland ist ein wichtiger Standort der Textilindustrie, des Maschinenbaus und der Holzverarbeitung. Eine wichtige Einnahmequelle bildet der Tourismus.

Religions- und Kirchengeschichte

Folgende christliche Gemeinden sind in Friedland ansässig: römisch-katholische, orthodoxe, neuhussitische Kirche sowie Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder.

Besondere kulturelle Institutionen

Das Stadtmuseum im Rathaus beherbergt eine Sammlung frühgeschichtlicher Objekte, Volkskunst, Gemälde, angewandte Kunst sowie Exponate zur Geschichte Friedlands. Die Stadt hat zudem ein Eisenbahnmuseum.

Bildung und Wissenschaft

In Friedland gibt es ein Gymnasium sowie eine Forst- und Wirtschaftsmittelschule (Střední škola hospodářská a lesnická).

Kunstgeschichte

Die Anfänge von Burg und Schloss gehen auf den Bau eines Rundturmes ab Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Unter den Bibersteinern wurde seit Ende des 15. Jahrhunderts die Anlage zu einer Burg mit mehrflügeligem Palas, Wall, Ringgräben und Basteien ausgebaut. Mitte des 16. Jahrhunderts erweiterte Marco Spatio die Vorburg um ein Renaissanceschloss mit Sgraffito-Fassade und Giebeln. 1598–1602 wurde westlich des Renaissanceschlosses eine Kapelle angebaut. Die schwedischen Besatzer sicherten die Burg 1646/47 mit Barbakanen und Basteien. Nach Bränden 1676 und 1682 wurde die Burg wiederhergestellt, im Inneren durch Marco A. Canevalle frühbarock umgestaltet. Weitere Anbauten kamen Mitte des 18. Jahrhunderts hinzu, u. a. der Kastellan-Flügel. 1801 wurde die Burg in ein Museum umgewandelt, eines der frühesten Museen dieser Art überhaupt, in dem u. a. Landschaftsbilder von Petr Brandl sowie das Waldstein-Gemälde Christian Kaulfertschs aufbewahrt werden. Im 19. Jahrhundert wurden die Hoffassaden im Stile der Neorenaissance umgestaltet.[6]

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Das Rathaus von Friedland.
[Wikimedia Commons/Rawac]

Die Kirche der Kreuzfindung wurde 1498 errichtet, 1501–1555 zu einer dreischiffigen Halle mit Seitenemporen (1560) umgebaut und 1713/14 barockisiert. In der Kirche befindet sich u. a. die Grabkapelle mit dem Grabmal der Familie Redern, das G. Hendricks aus Amsterdam 1610 im Auftrag Katharina von Rederns als dreiteilige Säulenädikula mit bronzenen Ganzfigurenporträts Melchior (Mitte), Katharina (links) und Christoph von Rederns gestaltete. Das Rathaus wurde 1892–1896 durch den Wiener Architekten Franz von Neumann im Stil der Neorenaissance errichtet. Die ursprünglich katholische, heute von der orthodoxen Gemeinde genutzte Kirche der Heiligen Maria Magdalena entstand Ende des 14. Jahrhunderts. Die Mariensäule wurde 1723 in Erinnerung an die Pestepidemien in der Stadt auf dem heutigen T. G.-Masaryk-Platz aufgestellt und Ende des 19. Jahrhunderts in die Nähe der Kreuzfindungskirche verlegt. Der Aussichtsturm auf dem Resselberg wurde 1907 erbaut.[7]

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

Eine wichtige Identifikationsfigur für die Stadt ist Albrecht von Waldstein (Wallenstein). Seines Wirkens in Friedland wird mit Teilen der Dauerausstellung in Schloss und Stadtmuseum sowie mit den alle zwei Jahre stattfindenden Waldstein-Feierlichkeiten gedacht. Den zentralen T. G.-Masaryk-Platz ziert seit 2011 ein Brunnen mit bronzener Waldstein-Statue von 1934.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Rudolf Anděl: Frýdlantsko. Minulost a současnost kraje na úpatí Jizerských hor [Die Region Friedland. Vergangenheit und Gegenwart einer Region am Fuße des Isergebirges]. Liberec 2002.
  • Eberhard Holtz: Friedland. In: Joachim Bahlcke, Winfried Eberhard, Miloslav Polívka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Böhmen und Mähren. Stuttgart 1998 (Kröners Taschenausgabe 329), S. 155-156.
  • Karel Kuča: Města a městečka v Čechách, na Moravě a ve Slezsku [Städte und Ortschaften in Böhmen, Mähren und Schlesien], Bd. 1. Praha 1996, S. 838-846.

Weblink

Anmerkungen

[1] Vgl. Kuča: Města a městečka, S. 838.

[2] Vgl. Antonín Profous: Místní jména v Čechách, jejich vznik, původní význam a změny [Ortnamen in Böhmen. Ihre Entstehung, ursprüngliche Bedeutung und Veränderungen], Bd. 1. Bearb. v. Jan Svoboda u. a. Praha 1960, S. 484f.

[3] Zur Geschichte der Stadt vgl. Holtz: Friedland, S. 155-156; Kuča: Města a městečka, S. 838-846.

[4] Vgl. Kuča: Města a městečka, S. 838.

[5] Vgl. Počet obyvatel v obcích České republiky k 01.01.2011 [Die Einwohnerzahlen in den Gemeinden der Tschechischen Republik zum 01.01.2011]. In: Český Statický Úřad, 2011. URL: www.czso.cz/csu/2011edicniplan.nsf/t/760029E11D/$File/13011103.pdf (Abruf 22.02.2012).

[6] Zur Geschichte der Burg vgl. Emanuel Poche (Hg.): Umělecké památky Čech [Kunstdenkmäler Böhmens], Bd. 1. Praha 1977, S. 346-354, hier v. a. S. 346f.; Rudolf Anděl (Hg.): Severní Čechy [Nordböhmen] (= Hrady, zámky a tvrze v Čechách, na Moravě a ve Slezsku [Burgen, Schlösser und Festungen in Böhmen, Mähren und Schlesien] 3). Prag 1984, S. 116-123; Frýdlant. In: August Sedláček: Hrady, zámky a tvrze království Českého [Burgen, Schlösser und Festungen des Königreichs Böhmen], Bd. 10. Praha 1932, S. 177-192.

[7] Zu weiteren wichtigen Gebäuden der Stadt vgl. Kuča: Města a městečka, S. 838-846, hier v. a. S. 841; Emanuel Poche: Kunstdenkmäler in der Tschechoslowakei: Böhmen und Mähren. Leipzig 1986, S. 375-376, hier S. 376; Poche: Umělecké památky Čech (wie Anm. 6), S. 349-354.

Zitation

Ilka Waßewitz: Friedland/Frýdlant v Čechác. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/54219.html (Stand 16.04.2012).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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