Ostland-Institut, Danzig

1. Kurzbeschreibung

Ostland-Institut in Danzig/Gdańsk, Gründung: 1927, Ende der Tätigkeit: ca. 1940, Sitz: Staatsarchiv der Freien Stadt Danzig.

2. Aufgaben

Das Ostland-Institut bestand innerhalb des Staatsarchivs Danzig, finanziert wurde es durch das Reichsministerium des Innern. Detaillierte Angaben liegen aber nicht vor.[1]

Der Schwerpunkt der Arbeit bestand zunächst in Übersetzungen und Zusammenfassungen polnischer Texte aus Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und deren Veröffentlichung in eigenen Publikationen. Ab 1931 wurden auch eigene wissenschaftliche Arbeiten, vor allem zu Westpreußen bzw. Pommerellen (poln. Pomorze) publiziert.

3. Organisation

Leiter des Instituts war Walther Recke (1887–1962), zugleich Direktor des Staatsarchivs und Professor an der TH Danzig. Als Mitarbeiter waren u. a. Detlef (nach 1945: Hanns von) Krannhals (1911–1970) und Rudolf J. Neumann (1901–1983) tätig.

4. Geschichte

Das Ostland-Institut entstand auf Initiative des Danziger Archivdirektors Karl Josef Kaufmann (1865–1945) in Kooperation mit der völkisch ausgerichteten Leipziger „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung“ unter Leitung des Geographen Wilhelm Volz (1870–1958). Vorrangiges Ziel des Instituts waren die Beobachtung und Auseinandersetzung mit polnischen Publikationen über die deutsch-polnischen Grenzgebiete. Im Zentrum der Beobachtung standen das 1927 gegründete „Ostsee-Institut“ (Instytut Bałtycki) in Thorn/Toruń bzw. Gdingen/Gdynia und die Universität Posen/Poznań.

Das Verfahren der seit 1927 herausgegebenen „Ostland-Berichte“ bestand darin, übersetzte Auszüge und Zusammenfassungen polnischer Texte zu verbreiten und diese dann häufig mit ausgesprochen polemischen und unsachlichen antipolnischen bzw. antislawischen Bemerkungen zu kommentieren. Diese Berichte hatten daher nicht nur die Funktion, den sprachunkundigen deutschen Wissenschaftlern, Journalisten und Politikern den Zugang zu polnischen Darstellungen insbesondere über Geschichte, Kultur und Geographie zu erleichtern, sondern sie sollten ihnen zugleich auch die passenden Argumente für die politisch motivierte Bekämpfung polnischer Thesen liefern.

Zur Motivation dieser Ausrichtung schrieb Recke 1927 in der Einführung zu den Ostland-Berichten: „Wir lächeln heute nicht mehr über solche Versuche [den urslawisch-polnischen Charakter der ostelbischen Gebiete darzulegen, JH], seitdem wir gesehen haben, welche unheilvollen Wirkungen diese pseudo-wissenschaftlichen Beweise für den territorialen Bestand Deutschlands bei den Verhandlungen in Paris und Versailles gehabt haben“.[2] Zugleich verstand sich das Institut nicht nur als Übersetzungsbüro, sondern versuchte auch, Entgegnungen auf polnische wissenschaftliche und publizistische Veröffentlichungen zu initiieren.

Kaufmann wollte das Institut offensichtlich zu einer „Zentralstelle für Ostforschung“ ausbauen und arbeitete eng mit der „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung“ in Leipzig zusammen, die zwischen 1926 und 1931 eine erste Koordination der deutschen Ostforschung anstrebte. Kaufmann geriet allerdings wegen des von dem Historiker und Archivar Johannes Papritz (1898–1992) initiierten Staatsarchivs Grenzmark-Posen-Westpreußen innerhalb des Preußischen Geheimen Staatsarchivs in Konflikt mit der preußischen Archivverwaltung unter Albert Brackmann (1871–1952) und trat 1928 als Archivdirektor zurück. Recke als Kaufmanns Nachfolger an der Spitze des Danziger Archivs arbeitete dagegen enger mit Papritz und der von ihm geleiteten „Publikationsstelle Berlin-Dahlem“ (PuSte) im Preußischen Geheimen Staatsarchiv zusammen. Die preußischen Ministerien standen der Arbeit des Ostland-Instituts allerdings kritisch gegenüber und unterstützten stattdessen Brackmanns Konzept zur Koordinierung der Ostforschung am Preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin. In diesem Zusammenhang wurde geplant, dass das Ostland-Institut seine Übersetzungs- und Kommentierungsarbeiten zugunsten wissenschaftlicher Veröffentlichungen über die an Polen abgetretenen Gebiete Westpreußens aufgeben sollte.[3] Dieses Konzept wurde jedoch nur teilweise umgesetzt. Zudem blieb das Verhältnis zwischen Danzig und Berlin gespannt, Recke war allerdings bis 1945 in seiner Funktion als Institutsdirektor zugleich Vorstandsmitglied der „Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft“ (NOFG).

Mit der Einrichtung der PuSte und der Gründung der NOFG verlor das Ostland-Institut, obwohl es zunächst als ein wichtiges Element der Auseinandersetzung mit der polnischen Wissenschaft betrachtet wurde, ab 1934 an Bedeutung. Die Übersetzung polnischer Publikationen wurde nun von der PuSte koordiniert.[4] Zudem wurden durch das Presseabkommen nach dem deutsch-polnischen Nichtangriffsprotokoll vom 26. Januar 1934 Polemiken in der Presse weitgehend unterbunden. Damit verengte sich auch für das Ostland-Institut der Spielraum für polemische Auseinandersetzungen mit polnischen Publikationen. Obwohl Recke die Wiederaufnahme der Ostland-Berichte Ende 1935 forderte, wurde die Berichterstattung erst 1937 fortgesetzt und 1938 auch auf die baltischen Staaten ausgedehnt. Ab 1937 entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit des Instituts mit der NSDAP in der Freien Stadt Danzig. Nach Kriegsbeginn 1939 wurde die Berichterstattung eingestellt. Eine letzte Publikation trägt die Jahresangabe 1940.

5. Bibliographische Hinweise

Das Ostland-Institut gab mehrere Publikationsreihen heraus:

  1. Ostland-Berichte – in mehreren Serien:
    Auszüge aus polnischen Büchern, Zeitschriften und Zeitungen, 1–6, 1927–1932, fortgesetzt als Serie A, 7–8, 1933–1934, und dann erneut 1937–1939;
    Serie B (Wirtschaftsnachrichten): 1933–1936 (dann aufgegangen in: Osteuropäische Lageberichte. Monatliche Mitteilungen über wirtschaftliche, politische und kulturelle Fragen der Staaten Osteuropas, hrsg. vom Institut für Osteuropäische Wirtschaft am Staatswissenschaftlichen Institut der Albertus-Universität Königsberg i. Pr., 1–5, 1934–1939).
  2. Ostland-Schriften, H. 1–7, 1928–1933; 8–10, 1936–1938; darin u. a. Der Kampf um Pommerellen. Kritischer Bericht über das Buch von Wacław Sobieski (1872–1935), „Walka o Pomorze“ (1928).
  3. Ostland-Darstellungen, H. 1–2, 1931–1932, darin u. a. Reinhold Heuer: Siebenhundert Jahre Thorn. 1231–1931.
  4. Ostland-Forschungen, H. 1–5, 1932–1934, Autoren waren u. a.: Wolfgang La Baume, Erich Maschke, Erich Randt; letzte Publikation H. 6, 1940: Berthold Wiegand: Die antideutsche Propaganda der Polen von 1890 bis 1914.
  5. Baltenland-Berichte. Berichte über Probleme des osteuropäischen Randstaatengürtels (ab 1939: der baltischen Staaten) aus deutschen, estnischen, finnischen, lettischen, litauischen, polnischen, russischen und schwedischen Veröffentlichungen, ca. 8 Ausgaben 1938–1939.
  6. Daneben erschienen Einzelpublikation wie: Detlef Krannhals: Das politische Danzig. Dokumente, 1937; Deutsche Kulturleistungen in Riga. Dokumente, 1939.

Materialien zur Geschichte des Ostland-Instituts im Bundesarchiv Berlin, Bestand R153 (Publikationsstelle)

  • Martin Burkert: Die Ostwissenschaften im Dritten Reich. Teil I: 1933–1939. Wiesbaden 2000 (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 55).
  • Michael Fahlbusch: Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ von 1931–1945. Baden-Baden 1999.
  • Ingo Haar: Historiker im Nationalsozialismus: deutsche Geschichtswissenschaft und der „Volkstumskampf“ im Osten (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 143). Göttingen 2000.
  • Jörg Hackmann: „Der Kampf um die Weichsel“. Die deutsche Ostforschung in Danzig von 1918–1945. In: Zapiski Historyczne [Historische Notizen] 58 (1993), S. 37–58.
  • Jörg Hackmann: „Deutsche Ostforschung“ und Geschichtswissenschaft. In: Jan M. Piskorski, Jörg Hackmann u.a. (Hrsg.): „Deutsche Ostforschung“ und „polnische Westforschung“ im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Disziplinen im Vergleich (Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung 1). Osnabrück–Poznań 2002, S. 26–45.
  • Maciej Szukała: Pruskie archiwa państwowe a niemieckie badania wschodnie (deutsche Ostforschung) w okresie międzywojennym XX wieku (1918–1939). Między nauką a politycznym zaangażowaniem [Preußische Staatsarchive und deutsche Ostforschung zwischen den Weltkriegen im 20. Jahrhundert (1918–1939). Zwischen Wissenschaft und politischem Engagement]. Warszawa 2011.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Vgl. die Angaben bei Martin Burkert: Die Ostwissenschaften im Dritten Reich. Teil I: 1933–1939. Wiesbaden 2000, S. 307.

[2] Walther Recke: Zur Einführung. In: Ostland-Berichte 1 (1927), S.1–3, hier S. 2.

[3] Burkert, Ostwissenschaften, S. 294–296. Burkerts Wertungen sind allerdings kritisch zu betrachten und häufig unzutreffend.

[4] Verzeichnisse übersetzter Schriften wurden von der Publikationsstelle Berlin Dahlem (PuSte) von 1936 bis 1943 herausgegeben.

Zitation

Jörg Hackmann: Ostland-Institut, Danzig. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2021. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p42558 (Stand 13.07.2021).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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