Unierte (Griechisch-Katholische u. a.)

1. Genese

Begriff und Definition

Als „Unierte“ werden die Gläubigen der sogenannten ‚unierten Kirchen‘ oder ‚Unionskirchen‘ bezeichnet (von lat. unio = Vereinigung). Darunter versteht man hauptsächlich jene kirchlichen Organisationen des östlichen Ritus (byzantinischer, koptischer, syrischer, armenischer usw. Tradition), die im Laufe der Zeit eine Union mit der römisch-katholischen Kirche eingegangen sind, d. h. in die Strukturen der Römisch-Katholischen Universalkirche eingegliedert wurden. Meistens geschah dies unter der Bedingung der Beibehaltung der eigenen Spiritualität, Liturgie und (nationalen) Identität der involvierten Ostkirchen beziehungsweise orientalischen Kirchen. Die Unionen sind meistens jurisdiktioneller Art, mit Anerkennung des Primats des Bischofs von Rom. Sie stehen in Gebets- und Sakramentsgemeinschaft mit der Römisch-Katholischen Kirche. Die unierten Kirchen werden zum Teil auch als „katholische Ostkirchen“ bezeichnet und unterliegen aus kirchenrechtlicher Sicht dem Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium.

Fremdsprachige Entsprechungen

Engl. Eastern Catholic Churches, Uniate churches; franz. églises catholiques orientales; les églises uniates; ital. chiese cattoliche di rito orientale, chiese uniate; rum. Bisericile unite cu Roma; slowak. východné katolícke cirkvi; ung. keleti katolikus egyházak; poln. kościół unicki; ukr. греко-католицька церква (greko-katolic’ka cerkva).

2. Organisatorische Strukturen

Die unierten Kirchen sind – wie gesagt – jurisdiktionell mit Rom vereinigt, d. h., sie übernehmen nicht nur das für sie entwickelte römische Kirchenrecht und die römischen Kirchenstrukturen, sondern auch das Dogma (z. B. das umstrittene Filioque). Liturgisch gesehen behalten diese Kirchen allerdings ihre ostkirchlichen Riten sowie Teile der Spiritualität (z. B. Gebetspraxis, Fastenkultur). Man kann nicht von einer eigenständigen Lehre der unierten Kirchen sprechen.

Die mit Rom unierten Kirchen im östlichen Bereich sind nach folgenden Kategorien eingeteilt: 1. Kirchen des alexandrinischen Ritus (Koptische und Äthiopische Kirche); 2. Kirchen des antiochenischen Ritus (Westsyrische, Maronitische und Syro-Malenkarische Kirche); 3. Kirchen des armenischen Ritus (Armenische Kirche); 4. Kirchen des byzantinischen Ritus (Ukrainische Griechisch-Katholische, Rumänische Griechisch-Katholische und Ruthenische Griechisch-Katholische Kirche sowie kleinere unierte Kirchen im ehemaligen Jugoslawien, in Russland, Ungarn, Bulgarien, Albanien, Griechenland usw.); 5. Kirchen des chaldäischen Ritus (Chaldäische Ostsyrische und Südindische Kirche).

3. Historischer Abriss

Bereits in frühbyzantinischer Zeit sind (gewaltsame) Versuche der byzantinischen Kaiser und Behörden, ‚nicht-konforme‘ Glaubensgemeinschaften, wie die Nestorianer Syriens (5. Jahrhundert) oder die miaphysitischen Christen Armeniens (6. Jahrhundert), in die offizielle Reichskirche einzugliedern, zu beobachten, was als Form des sogenannten ‚Uniatismus‘ betrachtet werden darf. Kirchliche Unionen zwischen ursprünglich konfessionell getrennten Glaubensgemeinschaften bildeten sich insbesondere nach dem Großen Schisma der Kirche aus dem Jahre 1054. Aus religiösen, politischen, wirtschaftlichen oder geostrategischen Gründen hat man in der Folge im christlichen Osten beziehungsweise Westen immer wieder versucht, die Einheit der christlichen Kirche wiederherzustellen. Unter Beteiligung der byzantinischen Reichskirche (und anderen Ostkirchen) sowie der Lateinischen Kirche fand im Hoch- und Spätmittelalter eine Reihe von sogenannten ‚Unionskonzilen‘ statt. Die bekanntesten sind die Konzile von Lyon 1274 und Ferrara/Florenz 1438–1439 (mit Einbeziehung von Repräsentanten anderer Ostkirchen).

Im Kontext des frühmodernen europäischen Staatskirchentums und gemäß dem Prinzip cuius regio eius religio versuchte die Römisch-Katholische Kirche, durch Missionierung und Proselytismus (das Abwerben von Gläubigen anderer Glaubensrichtungen) der Jesuiten Kirchen des östlichen Ritus von einer Union mit Rom zu überzeugen. Die bekannteste Union ist jene aus dem Jahr 1595 im ukrainisch-weißrussischen Bereich. Einige Bischöfe aus der Kiewer Metropolie beschlossen, die vom Kiewer Metropoliten Isidor (gest. 1463) bereits im 15. Jahrhundert auf dem Konzil von Ferrara/Florenz unterzeichnete Union mit Rom, welche vom Moskauer Großfürstentum heftig abgelehnt wurde, endlich durchzusetzen. Im Dezember 1595 erkannten die Bischöfe Kyrill Terleckyj (gest. 1607) und Ipatij Pociej (1541−1613) in Rom die Union mit der Römisch-Katholischen Kirche an. Diese wurde dann von einer Synode in Brest, der auch der polnische König beiwohnte, offiziell bestätigt und mit Hilfe staatlicher Strukturen (teilweise gewaltsam) durchgesetzt. Nach einer langen Odyssee unter zaristischer und stalinistischer Herrschaft bildet die unierte Kirche der Ukraine (Ukraïns’ka Greko-Katolic’ka Cerkva) heute ein eigenständiges Patriarchat mit Sitz in Kiew/Kyjiv. Sie zählt ca. 4,5 Millionen Gläubige in der Ukraine, den USA, Kanada, Südamerika, Westeuropa und Australien.

Ebenfalls sehr bekannt ist die Unierte Kirche Siebenbürgens (Biserica Greco-Catolică), die in der Regierungszeit (1658–1705) des Kaisers Leopold I. (1640−1705) entstand. Die sich in der Offensive befindende Donaumonarchie bezweckte, durch die Einbeziehung der demographisch starken orthodoxen Rumänen Siebenbürgens, die südliche Front gegen die Osmanen zu stärken. Den im Ständesystem Siebenbürgens (receptae nationes) nur als ‚Geduldete‘ (tolerati) eingestuften orthodoxen Rumänen wurden gleiche Rechte wie den katholischen Untertanen versprochen, im Falle, dass sie sich für eine Union mit Rom entschieden. 1697 unterzeichnete der orthodoxe Bischof von Karlsburg/Alba Iulia, Theophil (gest. 1697), zusammen mit mehreren Priestern und Gläubigen aus seiner Eparchie einen Unionsbeschluss, der 1698 von seinem Nachfolger, Athanasius Anghel (gest. 1713), bestätigt wurde und ab 1701 von habsburgischen Autoritäten konsequent (und teilweise gewaltsam) durchgesetzt wurde. Bedingung der siebenbürgischen Unierten war, dass sie ihr altes liturgisches Leben, ihre Kultussprache, ihre Ämter sowie ihre Spiritualität beibehalten durften. Im Gegenzug erkannten sie das Papstprimat und das katholische Kirchenrecht an. In der Donaumonarchie stark bevorzugt, erlitten die Unierten in der kommunistischen Ära Rumäniens nach 1945 heftige Verfolgungen. Heute zählt die Griechisch-Katholische Kirche Rumäniens mit Sitz in Blasendorf/Blaj ca. 700.000 Gläubige in Rumänien und den USA.

Andere unierte Kirchen sind in Europa, dem Nahen Osten, Kleinasien, Indien und Nordafrika hauptsächlich zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert entstanden, teilweise im Kontext der Kolonialisierung der Welt durch die europäischen Mächte. Dazu zählen: 1. die Maronitische Kirche (1181) mit ca. 3,3 Millionen Gläubigen; 2. die Armenisch-Katholische Kirche (1438–1439) mit ca. 470.000 Gläubigen; 3. die Serbische Griechisch-Katholische Kirche (1611) mit ca. 60.000 Gläubigen; 4. die Ruthenische Kirche (in der Karpaten-Ukraine) (1646) mit ca. 650.000 Gläubigen; 5. die Melkitische Kirche (1724) mit ca. 1,6 Millionen Gläubigen; 6. die Koptische Kirche (1739) mit ca. 170.000 Gläubigen; 7. die Westsyrische Kirche (1774) mit ca. 160.000 Gläubigen; 8. die Äthiopisch-Katholische Kirche (1839) mit ca. 230.000 Gläubigen; 9. die Bulgarische Katholische Kirche (1860) mit ca. 10.000 Gläubigen; 10. die Syro-Malenkarische Kirche (1930) mit ca. 430.000 Gläubigen.[1]

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Libero Gerosa, Sabine Demel, Peter Krämer, Michael Kunzler (Hg.): Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium. Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, lat.-dt. Ausgabe. Paderborn 2000 (AMATECA − Associazione di Manuali di Teologia Cattolica, Repertoria 2).
  • Ferdinand R. Grahbauer: „II. Unionen der orthodoxen Kirchen mit der römisch-katholischen Kirche“, Teilbeitrag innerhalb des Art. „Unionen, kirchliche“. In: Gerhard Müller u. a. (Hg.): Theologische Realenzyklopädie. Bd. 34. Berlin, New York 2002, S. 313−318.
  • John Webster Grant: Die unierten Kirchen. Stuttgart 1973 (Die Kirchen der Welt 10).
  • Hans-Joachim Härtel: Art. „Unionen mit Rom“. In: Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski, Eberhard Jüngel (Hg.): Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. 4., völlig neu bearb. Aufl. Bd. 8. Tübingen 2005, S. 756−759.
  • Michael Lacko S. J.: Atlas Hierarchicus Ecclesiae Catholicae Orientalis. Rom 1962.
  • Hans-Christian Maner, Norbert Spannenberger (Hg.): Konfessionelle Identität und Nationsbildung. Die griechisch-katholischen Kirchen in Ostmittel- und Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 2007 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 25).
  • Andriy Mykhaleyko: Die katholischen Ostkirchen. Göttingen 2012 (Die Kirchen der Gegenwart 3; Bensheimer Hefte 113).
  • Johannes Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Ostens. Orthodoxe, orientalische und mit Rom unierte Ostkirchen. 2., aktual. Aufl. München u. a. 2008 (Topos Taschenbücher 577).
  • Ronald G. Robertson, CSP: The Eastern Christian Churches. Rom 1995.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Daten siehe www.pro-oriente.at/ (Abruf 01.11.2021).

Zitation

Mihai-D. Grigore: Unierte (Griechisch-Katholische u. a.). In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32702 (Stand 01.11.2021).

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