Wahlstatt/Legnickie Pole

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Wahlstatt

Amtliche Bezeichnung

poln. Legnickie Pole; 1945–1948 Dobre Pole

Etymologie

Der deutsche Name Wahlstatt beziehungsweise Walstatt ist eine mittelhochdeutsche Bezeichnung für Schlachtfeld und bezieht sich auf die 1241 ausgetragene Schlacht Heinrichs II. des Frommen (1196/1207–1241), Herzog von Schlesien und Seniorherzog von Polen, gegen die Mongolen.[1] Die polnische Bezeichnung des Ortes Dobre Pole (Gutes Feld) beruht auf der irrtümlichen Übersetzung des deutschen Namens Wolstat/Walstat. Legnickie Pole heißt Liegnitzer (Schlacht-)Feld.

2. Geographie

Lage

Wahlstatt liegt auf 51° 9′ nördlicher Breite, 16° 15′ östlicher Länge, ca. 10 km südöstlich von Liegnitz/Legnica.

Region

Niederschlesien

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Polen. Wahlstatt ist eine Gemeinde im Kreis Liegnitz (Powiat legnicki) in der Woiwodschaft Niederschlesien (Województwo dolnośląskie).

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Wappen der Gemeinde Wahlstatt wurde erst 1990 entworfen. Es zeigt im oberen Feld das Brustbild des niederschlesischen schwarzen Adlers auf goldenem Grund, im unteren Feld auf hellblauem Hintergrund ein silbernes Schwert mit einem ebenfalls silbernen Pfeil gekreuzt, dazwischen ein goldenes Kreuz. Das Schwert und das Kreuz symbolisieren das christliche, der Pfeil das mongolische Heer; sie beziehen sich auf die 1241 ausgetragene Schlacht.[2]

Mittelalter

Am 9. April 1241 fand vor Liegnitz die Schlacht zwischen den Truppen von Herzog Heinrich dem Frommen (Henryk Pobożny) und dem Heer der Goldenen Horde, das auf seinem Eroberungszug in Polen eingefallen war und anschließend weiter Richtung Böhmen und Ungarn marschierte, statt. Das von einigen Templern und Deutschordensrittern unterstützte, jedoch zahlenmäßig unterlegene polnische Heer erlitt eine Niederlage, der Herzog fiel. Heinrichs Mutter Herzogin Hedwig (1174–1243) und seine Witwe Anna von Böhmen (gest. 1265) stifteten auf dem Schlachtfeld (der Legende nach an jener Stelle, an der der kopflose Leichnam des Herzogs gefunden worden war) eine Propstei, die sie mit Benediktinern aus Opatowitz/Opatovice in Ostböhmen besetzten.

Neuzeit

Als Abt Gregor II. Rüdiger (gest. 1535) im Kontext der Reformation in Schlesien keinen Nachfolger mehr erhielt, zog Herzog Friedrich II. (1480–1547) von Liegnitz die Propstei Wahlstatt ein und verkaufte das Gut an seinen Rat Hans von Leyningen. 1592 kam es in den Besitz der Familie von Braun. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Ortschaft von den schwedischen Truppen zerstört. 1703 wurde das mittlerweile überschuldete Gut erneut von den Benediktinern erworben. 1742 fiel Wahlstatt zusammen mit der Provinz Schlesien an Preußen. 1762 diente das Kloster einige Tage als Quartier für König Friedrich II. (1712–1786).

19./20. Jahrhundert

Im Zuge der Säkularisation wurden die Besitztümer der Benediktiner in Wahlstatt 1810 verstaatlicht und kamen in Privatbesitz. 1813 bekam der preußische Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher (1742–1819) für seine Verdienste bei der Schlacht an der Katzbach den Titel des Fürsten von Wahlstatt verliehen, ab 1847 kam auch das Gut in den Besitz der Familie Blücher. In den Jahren 1836–1920 war das ehemalige Klostergebäude der Sitz einer Kadettenanstalt, während des Zweiten Weltkriegs diente das Kloster als Kriegsgefangenenlager für französische, jugoslawische und sowjetische Offiziere. Nach 1945 kam die Gemeinde unter polnische Verwaltung. In den Klostergebäuden wurde 1957 eine psychiatrische Klinik eingerichtet, seit 1961 dienen sie als Pflegeanstalt.

Wirtschaft

Ab dem Mittelalter war die lokale Wirtschaft vor allem durch Landwirtschaft geprägt; nach dem Zweiten Weltkrieg fanden viele Einwohner Beschäftigung im nahe gelegenen Liegnitz, einem Zentrum der Kupferindustrie.

Bildung

In der Staatlichen Kadettenanstalt wurden zunächst 40, später 200 Kadetten unterrichtet. Zu ihren berühmtesten Schülern zählt Paul von Hindenburg (1847–1934), der dort 1859 aufgenommen wurde. Im Kontext der Bestimmungen des Friedensvertrags von Versailles wurde die Kadettenanstalt 1920 in eine staatliche Bildungsanstalt umgewandelt; 1934 wurde sie zur „Nationalpolitischen Erziehungsanstalt“ (Napola) umfunktioniert.

Bevölkerung

1939 lebten in Wahlstatt 1.104 größtenteils deutschsprachige Einwohner.[3] Nach 1945 wurde die deutsche Bevölkerung vertrieben, an ihrer Stelle siedelten sich Polen an – überwiegend Vertriebene aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten. Die Einwohnerzahl beträgt heute 1.336 (2012).[4]

Religions- und Kirchengeschichte

Die 1241 gestiftete Benediktinerpropstei wurde 1535 aufgelöst, die Klosterkirche evangelisch. 1703 wurde das Kloster mit Unterstützung des Kaisers Leopold I. (1640–1705) erneut von den Benediktinern erworben, die Klosterkirche allerdings musste – aufgrund der 1707 zwischen Katholiken und Protestanten geschlossenen Altranstädter Konvention – wieder an die Letzteren zurückgegeben werden und blieb bis 1945 evangelisch. Die Benediktiner lebten bis zur Säkularisation des Klosters 1810 in Wahlstatt. Zur Erinnerung an die Gefallenen der Schlacht von 1241 wurde in der Wahlstätter Kirche bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs am ersten Sonntag nach Ostern der sogenannte „Kriegssonntag“ gefeiert. Die Feier, die sich im Laufe der Jahre zu einem Volksfest entwickelte und zahlreiche Besucher anzog, wurde auch unter dem Namen „Ohrensonntag“ oder „Ohrenfest“ bekannt: Der Überlieferung von Jan Długosz (1415–1480) nach sollen die Mongolen nach der Schlacht allen gefallenen Christen die Ohren abgeschnitten und damit neun Säcke gefüllt haben, um sie als Siegeszeichen für den Großkhan nach Qara Qorum zu schicken.

Kunstgeschichte und Architektur

Ehemalige evangelische Pfarrkirche Hl. Dreifaltigkeit und St. Maria: Die gotische Saalkirche wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtet, anstelle des von Herzogin Hedwig gestifteten Vorgängerbaus; bis 1535 unter Patronat der Benediktiner, nach der Auflösung der Propstei bis 1945 (mit Unterbrechung 1703–1708) evangelisch. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde sie durch Schweden geplündert, nach Brand von 1706 umgebaut. Seit 1961 Sitz des Museums der Schlacht bei Wahlstatt. Der Backsteinsteinbau mit quadratischem, kreuzgratgewölbtem Chor trägt steile Satteldächer; 1706 wurde er an der Südseite um eine große Vorhalle mit Empore im Obergeschoss erweitert.

Ehemaliges Benediktinerkloster und Kirche Hl. Kreuz und St. Hedwig: Der barocke Klosterkomplex wurde 1723–1738 nach Entwürfen des böhmischen Architekten Kilian Ignaz Dietzenhofer (1689–1751) auf Initiative des Abtes Othmar Zinke (1664–1738) aus dem böhmischen Braunau/Broumov errichtet; die Kirchenweihe erfolgte 1738. Nach der Säkularisierung 1810 wurden die Klostergebäude in ihrer neuen Funktion als Kadettenschule ausgebaut (1836–1841 Neubau des Flügels an der Gartenfassade); 1894–1898 erfolgte eine Umgestaltung im neubarocken Stil. Die Anlage wurde auf rechteckigem Grundriss errichtet, mit zentral eingefügter Kirche, deren Fassade in der Klosterflucht leicht zurückgesetzt ist. Das Langhaus ist ein Zentralraum, der durch die Verschränkung seiner ellipsenförmigen Gewölbefelder dynamisch bewegt wirkt. Die Hauptfassade zeigt eine wellenförmige Linienführung mit zwei Türmen, reiche Verzierung aus Pilastern, ionischen Säulen und Figuren der Benediktinerheiligen. Der Innenraum ist ein herausragendes barockes Gesamtkunstwerk: Die Wandpfeiler sind umstellt von Säulen mit Kompositkapitellen und barocken Stuckornamenten; die Deckenfresken des Müncheners Cosmas Damian Asam (1686–1739) zeigen die Auffindung des Kreuzes durch die Kaiserin Helena, die Kreuzverehrung bei allen Völkern der Welt, die Glorie des hl. Benedikt und die Auffindung des Leichnams des Herzogs Heinrich; in dieser Szene werden auch mongolische Truppen mit – bereits im 15. Jahrhundert in den Annales des polnischen Historikers Jan Długosz überlieferten – feuerspeienden papierenen Drachenköpfen gezeigt.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Konstanty Kalinowski: Barock in Schlesien. Geschichte, Eigenart und heutige Erscheinung. München 1990, S. 151154.
  • Beata Lejman: Legnickie Pole/Wahlstatt. In: Ernst Badstüber, Dietmar Popp, Andrzej Tomaszewski, Dethard von Winterfeld (Hg.), Sławomir Brzezicki, Christiane Nielsen (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. München, Berlin 2005, S. 520543.
  • Gotthard Münch: Wahlstatt. In: Hugo Weczerka (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Schlesien. Stuttgart 1977 (Kröners Taschenausgabe 316), S. 552554.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961. Bd. 27, Sp. 1361. URL: woerterbuchnetz.de/DWB/?lemid=GW05208 (Abruf 19.12.2013).

[2] Beschreibung des Wappens und seiner Symbolik vom Leiter des Projekts Piotr Dymmel: www.legnickiepole.pl/images/stories/file/gmina/opracowanie_herb.pdf (18.12.2013).

[3] Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. URL: treemagic.org/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de/ (Abruf 10.08.2021).

[4] GUS - Główny Urząd Statystyczny [Hauptamt für Statistik]: www.stat.gov.pl, Stand 30.06.2012 (Abruf 21.12.2013).

Zitation

Beata Lejman, Tomasz Torbus: Wahlstatt/Legnickie Pole. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32430 (Stand 21.09.2021).

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