Losontz/Lučenec/Losonc

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Losontz, früher Loschontz, vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch Lizenz

Amtliche Bezeichnung

slowak. Lučenec

Anderssprachige Bezeichnungen

ung. Losonc, lat. Lutetia Hungaricorum

Etymologie

Der Ursprung des Namens ist bis heute nicht geklärt. In mittelalterlichen lateinischen Texten werden Stadt und Umgebung wohl aufgrund der damaligen geographischen Gegebenheiten – das Territorium wird als schlammig und morastig beschrieben – als Lutetia Hungaricorum bezeichnet. Der Universalgelehrte Matthias Bel führte den Ortsnamen im 18. Jahrhundert auf den Reichtum der Gegend an Wiesen und Weideplätzen zurück. In einer von Béla IV. 1247 ausgestellten Urkunde heißt die Stadt "Luchunch". Darauf gründet sich die heute gängige Deutung, der zufolge die ungarischen Siedler im 10. Jahrhundert schon eine slawische, nach dem Fluss Luchunch benannte Siedlung vorfanden.

2. Geographie

Lage

48° 19′ 53″ nördlicher Breite, 19° 40′ 15″ östlicher Länge, 190 Meter über dem Meeresspiegel.

Topographie

Losontz liegt im südslowakischen Talkessel, der zur Losontz-Kaschauer Senke und damit zu den Inneren Westkarpaten gehört.

Region

Losontz liegt in der historischen Region Neograd/Novohrad/Nógrád, dem Gebiet des gleichnamigen, nach der Burg Neograd/Nógrád benannten historischen Komitats. Es gehört zur Tourismusregion Poiplie entlang des Flusses Eipel (slowak. Ipeľ, ung. Ipoly).

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Slowakei. Losontz ist Kreisstadt des gleichnamigen Bezirks. Auf regionaler Ebene gehört es zum Verwaltungsbezirk Neusohl/Banská Bystrica/Besztercebánya.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das seit dem 16. Jahrhundert gebräuchliche, in seiner heutigen Form erstmals 1703 belegte und seit 1984 wieder verwendete Wappen zeigt einen Pelikan auf grünblauem Schild. Die Bezugnahme auf den Vogel, der in der christlichen Ikonographie seine toten Jungen mit dem eigenen Blut wieder ins Leben holt, ist zahlreichen verheerenden Bränden geschuldet, die Losontz über die Jahrhunderte erlebte und von denen es sich stets wieder erholte.

Gebräuchliche und historische Ortsnamen

Insgesamt sind mehr als 30 historische Ortsnamen bekannt, die mehr oder weniger Abwandlungen des ursprünglichen Luchunch darstellen. 1786 wird die Stadt erstmals mit der deutschen Bezeichnung Loschontz genannt. Der Name ist die Eindeutschung des seit dem 15. Jahrhundert gebräuchlichen ungarischen "Losonc", das auf das 1552 ausgestorbene ungarische Adelsgeschlecht der Losonci verweist, welches seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert über Losontz herrschte. "Lizenz" ist der Versuch einer Eindeutschung des Ortsnamens, der sich allerdings auf Dauer nur in der heutigen Slowakei durchgesetzt hat. Das hängt wohl mit dem angespannten Verhältnis zwischen der Slowakei und Ungarn zusammen: Wegen der jahrhundertelangen Herrschaft der Ungarn über einen Großteil des Gebiets der heutigen Slowakei vermeiden die – nach wie vor um ihre Identität ringenden – Slowaken bei Übersetzungen von Ortsnamen möglichst eine Nähe zum Ungarischen – wie sie sich bei der Verwendung von "Losontz" ergeben würde.

Archäologische Bedeutung

Von einer ersten Besiedlung des Gebiets zeugen Funde von Arbeitsgeräten aus der Steinzeit.

Mittelalter

Im Jahre 1128 soll der hl. Lambert von Neuwerk in Losontz eine Marienkapelle errichtet haben. Ab 1200 unterstand der Ort den ungarischen Adelsgeschlechtern Zaah und Szemere. 1275 wurden deutsche Bergleute vom ungarischen König Ladislaus IV. mit der Suche nach Silber in Losontz beauftragt. Erst seit 1451 hat Losontz nachweislich Stadtrechte.

Neuzeit

In der Schlacht von Losontz siegte 1451 die hussitische Armee von Johann von Giskra (ca. 1400–1469/70) über die Einheiten des Ungarn Johann Hunyadi (gest. 1456). Anschließend wurde der Ort in Brand gesetzt, damit er den ungarischen Einheiten keine Zuflucht bieten konnte. In den Jahren 1622, 1755, 1819 und 1887 brannten erneut große Teile der Stadt nieder; bei der ersten von drei Cholera-Epidemien in der Geschichte von Losontz 1703 starben rund 300 Bürger. 1876 wurde Losontz zur Stadt mit geordnetem Magistrat erhoben.

Zeitgeschichte

1918–1938 und 1944–1992 gehörte Losontz zeitweise zur Tschechoslowakei. Infolge des Ersten Wiener Schiedsspruchs vom 2. November 1938 kam es bis 1944 wieder zu Ungarn. Im Zweiten Weltkrieg war Losontz ein hart umkämpfter Verkehrsknotenpunkt, bei dessen Verteidigung vom 13. auf den 14. Januar 1945 hunderte Wehrmachtsoldaten fielen.

Verwaltung

Losontz besitzt ein Stadtamt mit Oberbürgermeister sowie eine Stadtverordnetenversammlung. Zuständiges Gericht ist das Kreisgericht Lučenec.

Bevölkerung

Ab dem 18. Jahrhundert wurden zahlreiche Glaser aus Deutschland und Österreich in der Gegend um Losontz angesiedelt; bis ins 19. Jahrhundert stieg ihr Anteil an der Bevölkerung kontinuierlich. 1880 bildeten die Deutschen 6,62 Prozent der Gesamtbevölkerung von 5.027 Einwohnern, 1910 waren es 3,31 Prozent. Ungarischsprachige bildeten 1880 mit 71,79 Prozent und 1910 mit 82,19 Prozent die Bevölkerungsmehrheit. 1945 wurden beide Gruppen vertrieben. Trotzdem zählt Losontz in der heutigen Slowakei zu den Städten, in denen sich ein vergleichsweise hoher Anteil der Einwohner zur ungarischsprachigen Minderheit bekennt; nach Angaben des Statistikamtes der Slowakischen Republik waren es 2002 13,11 Prozent der rund 24.000 Einwohner. Die Nähe zu Ungarn macht sich auch in einem relativ ausgeprägten Dialekt dieser Bevölkerungsgruppe bemerkbar. Zur deutschen Minderheit bekannten sich 0,03 Prozent der Losontzer.

Wirtschaft

1695 erhielt Losontz das Marktrecht, 1706 eine Poststation, über die es mit Neusohl/Banská Bystrica/Besztercebánya und Großsteffelsdorf/Rimavská Sobota/Rima Szombat verbunden war. Im 19. Jahrhundert wurde die Pest-Losontzer Bahn eröffnet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in Losontz kleinere Industriebetriebe, zu denen Anfang des 20. Jahrhunderts eine Fabrik für Landwirtschaftsmaschinen hinzukam. In der Zwischenkriegszeit stagnierte die wirtschaftliche Entwicklung. Heute zählen Losontz und die umliegende Region zu den wirtschaftlich am schwächsten entwickelten Gebieten der Slowakei.

Religions- und Kirchengeschichte

1557 wurde Losontz protestantisch, 1609 calvinistisch. Die habsburgische Gegenreformation führte dazu, dass 1880 wieder 46,09 Prozent der Bevölkerung römisch-katholisch war; lutherisch waren 28,66 Prozent, calvinistisch 8,06 Prozent, 17,11 Prozent der Einwohner waren jüdischen Glaubens (Synagoge 1925 erbaut). Bei der Volkszählung von 2002 bekannten sich 57 Prozent der Einwohner zur römisch-katholischen, rund 15 Prozent zur protestantischen und 21 Prozent zu keiner Konfession.

Besondere kulturelle Institutionen

Das Neograder Museum & Galerie am Kubinyi-Platz ist die zentrale kulturelle Einrichtung von Losontz.

Kunstgeschichte

Am Kubinyi-Platz befinden sich mehrere Prachtbauten in neugotischem Stil sowie das 2006 eingeweihte, drei Wolkenkratzer umfassende Bauensemble Goldener Phönix. Ein zentrales Bauwerk der Stadt ist die 1851–1853 in neugotischem Stil erbaute frühere calvinistische Kirche, die jedoch nicht mehr für Gottesdienste genutzt wird. Nur wenige Schritte entfernt, in der T.-G.-Masaryk-Straße, ist die vom Jugendstil geprägte Neograder Bibliothek angesiedelt.

Calvinistische Kirche [Foto (2014): Wikimedia Commons. Ladislav Luppa CC BY-SA 4.0].

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

Aufgrund der allgemein schlechten Wirtschaftslage unternimmt die Stadt Losontz wenig zur Geschichtspflege (Stand 2012); bezeichnend dafür ist der zunehmende Verfall der Synagoge. Die Aufarbeitung der Stadtgeschichte liegt bisher in der Hand von Laien, sie erfolgt daher nicht unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Ernő Deák: Das Städtewesen der Länder der ungarischen Krone (1780–1918). Bd. II/1: Ausgewählte Materialien zum Städtewesen. A: Königliche Freistädte-Munizipalstädte. Wien 1989 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen der Kommission für Wirtschafts-, Sozial- und Stadtgeschichte 4), S. 512–517.
  • Margaréta Horváthová: Nemci na Slovensku. Etnokultúrne tradície z aspektu odsídlenia, remesiel a odievania [Die Deutschen in der Slowakei. Ethnokulturelle Traditionen unter den Aspekten Ansiedlung, Handwerk und Bekleidung]. Dunajská Streda u. a. 2002 (Interethnica 4), S. 33–41 und 53–64.
  • Vladimír Segeš: Hlavné črty vojenstva v stredovekej Európe [Grundzüge der mittelalterlichen Kriegsführung in Europa]. In: Husiti na Slovensku. Zborník Novohradského múzea z konferencie pri príležitosti 550. výročia bitky pri Lučenci [Hussiten in der Slowakei. Tagungsband des Neograder Museums anlässlich des 550. Jahrestages der Schlacht von Losontz]. Lučenec 2004, S. 28–42.

Weblinks

Zitation

Karin Rogalska: Losontz/Lučenec. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/54310.html (Stand 10.05.2021).

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OME-Redaktion (Stand: 30.07.2024)  | 
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