Bunzlau/Bolesławiec
1. Toponymie
Deutsche Bezeichnung
Bunzlau
Amtliche Bezeichnung
poln. Bolesławiec
Lateinische Bezeichnung
Boleslavia
Etymologie
Der Stadtname leitet sich nach dem Geschichtsschreiber Magister Friedrich Holstein vom Namen Herzog Boleslaus' des Langen (Bolesław I. Wysoki, 1127–1201), Boleslaw alto, ab.
2. Geographie
Lage
Bunzlau liegt an den nördlichen Ausläufern des Katzengebirges (Wzgórza Trzebnickie) am Bober (Bóbr) auf 51° 16' nördlicher Breite, 15° 34' östlicher Länge, je ca. 40 km von Görlitz/Zgorzelec im Westen und von Liegnitz/Legnica im Osten entfernt.
Region
Staatliche und administrative Zugehörigkeit
Polen. Bunzlau ist Sitz des Landkreises Bunzlau (Powiat Bolesławiecki) und der gleichnamigen Landgemeinde in der Woiwodschaft Niederschlesien (Województwo Dolnośląskie).
3. Geschichte und Kultur
Gebräuchliche Symbolik
Das Stadtwappen zeigt (historisch in unterschiedlicher Form) eine rote, von Zinnen gekrönte Stadtmauer mit zentralem Tor und drei Türmen auf silbernem Grund; im Tor ist ein Schild in Gold mit dem schwarzen schlesischen Adler sichtbar.
Archäologische Bedeutung
Älteste Spuren menschlicher Besiedlung im Raum Bunzlau sind für die jüngere Phase des späten Paläolithikums (ca. 10.000 v. Chr.) nachgewiesen. Bis ins frühe Mittelalter sind alle in Schlesien vertretenen Kulturen nachweisbar. Archäologische Untersuchungen förderten Überreste einer Töpferei der Neuzeit mit 18.000 Fragmenten keramischer Objekte des 15. und 16. Jahrhunderts zutage (Sonderausstellung des Keramikmuseums in Bunzlau und im Schlesischen Museum Görlitz 2012/13).
Mittelalter
Boleslaus der Lange, der 1163 aus Thüringen nach Schlesien zurückkehrte, gründete wohl auf dem heutigen Gebiet von Bunzlau eine Burg, wodurch sich auch der mittelalterliche Name der Ansiedlung erklären würde ("Bolezlauez[c]", um 1202, u. ä.). 1202 wurde Bunzlau zur Kastellanei. Die Stadtgründung erfolgte durch Boleslaus II. den Kahlen nach Magdeburger Recht vor 1251. Während des Mittelalters wanderten deutsche Kolonisatoren zu, durch die Bunzlau zu einer Ansiedlung von etwa 15 ha an der west-östlich verlaufenden "Hohen Straße" wurde. Für den Zeitraum 1251–1326 sind 45 Bürgernamen ermittelt, von 34 bestimmbaren Namen waren 32 deutsche und 2 polnische. Nach 1232 erbauten die Kreuzherren mit dem doppelten weißen Kreuz das Hospital zum hl. Geist. 1428 plünderten Hussiten die Stadt.
Frühe Neuzeit
Eine Reihe von Baumaßnahmen konnte im 16. Jahrhundert dank der wirtschaftlichen Blüte Bunzlaus durchgeführt werden: Umbau des Rathauses, Befestigung der Stadtmauer, Vollendung der 1531 begonnenen Wasserleitung. Nach einer Reihe von Naturkatastrophen trafen Bunzlau im Dreißigjährigen Krieg zahlreiche Einquartierungen fremder Truppen mit den bekannten Folgen, die 1642 in der Ermordung von 117 Bürgern durch die Schweden gipfelten. 1770 wurde Bunzlau zur Garnisonsstadt.
19. Jahrhundert
Trotz der Beeinträchtigung durch die Napoleonischen Kriege entwickelte sich die Stadt stetig weiter. Bunzlau wurde Verwaltungszentrum eines Landkreises.
20. Jahrhundert
Der Erste Weltkrieg beeinträchtigte Bunzlau vorübergehend (Verarmung und Rückgang der Bevölkerung). Während des Nationalsozialismus wurden auch hier die bürgerlichen Parteien zugunsten der NSDAP verdrängt. Das Pogrom gegen die Juden am 9. November 1938 fand, mit allen Konsequenzen, auch hier statt. Im Februar 1945 wurde die Stadt von der russischen Armee eingenommen. 70 Prozent der baulichen Substanz Bunzlaus waren 1945 zerstört. Die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Nachkriegszeit ist der anderer schlesischer Städte vergleichbar.
Bevölkerungsentwicklung
Für das 13. Jahrhundert sind ca. 2.000 Einwohner nachgewiesen. 1549 lebten ca. 2.300, 1648 nur noch 80 Menschen in Bunzlau. Danach verlief die Entwicklung stetig nach oben: 1738 waren es 2.315, 1787 3.093, 1825 4.081 und 1871 8.812 Einwohner. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung stieg auch die Einwohnerzahl rapide: 1905 15.782 und 1937 20.500 Einwohner. Kriegsbedingt ging sie im 20. Jahrhundert zunächst zurück (1946: 3.145 Einwohner), um dann wieder zu steigen: 2005 ca. 41.000, 2011 40.119 Einwohner; in neuer Zeit sind die Zahlen allerdings wieder rückläufig.
Wirtschaft
Ab 1298 ist Bunzlau als Zollstätte belegt. Die Einwohner lebten von Handwerk, Handel, Landwirtschaft und Bergbau (Eisenerz, Gold, Tonerde). Vor allem die Produkte der Tuchmacher, Schuhmacher und Kürschner trugen zur mittelalterlichen Blüte der Stadt bei. Der Dreißigjährige Krieg führte zum baulichen und wirtschaftlichen Niedergang. Ab 1650 begann der Wiederaufbau der Stadt, die traditionellen Gewerbe (Kammgarnspinnerei, Töpferei) entwickelten sich. Bunzlauer Keramik war in Schlesien und darüber hinaus sehr gefragt. 1846 gewann die Stadt durch den Anschluss an die Eisenbahnlinie Dresden-Breslau/Wrocław weiter an wirtschaftlicher Bedeutung: Eine Glashütte (1866), eine Tonröhrenfabrik (1871) und eine Spinnerei (1871) schufen zahlreiche Arbeitsplätze. Seit den 1970er Jahren wird in Bunzlau wieder die traditionelle Töpferware hergestellt.
Religions- und Kirchengeschichte
Im Zuge der Reformation wurden viele Bunzlauer nach 1522 evangelisch. 1925 lebten in Bunzlau 2.575 Katholiken und 14.438 Protestanten.
Schon 1361 ist eine "Judengasse" erwähnt. Mehrfach wurden Juden aus Bunzlau vertrieben. Erst 1817 gab es einen jüdischen Friedhof, 1878 wurde eine Synagoge gebaut. Von 21 jüdischen Einwohnern (1822) stieg ihre Zahl auf 194 (1880) und sank auf 64 (1938) ab.
Besondere kulturelle Institutionen
Schon 1594 wurde in Bunzlau eine lateinische Comedia aufgeführt, 1609 eine deutsche Komödie. Das Bunzlauer Landestheater "Deutsche Bühne" gastierte in vielen schlesischen Städten. Ein Stadttheater existierte seit 1857. Von 1925 bis 1944 bestand das Schlesische Landestheater von Bunzlau. Ab 1909 gab es ein städtisches Museum, das nach 1945 in ein Keramik-Museum umgewandelt wurde.
Bildung und Wissenschaft
Die Lateinschule wurde vor 1393 errichtet, ab 1742 gab es eine katholische und eine evangelische Schule. 1744 wurde eine deutsche Schulanstalt gegründet. Die 1754 gegründete "Waisen- und Schulanstalt" wurde erweitert und ihr 1929 ein Gymnasium angeschlossen. Seit 1897 gab es zwei Berufsschulen und die staatliche Keramische Fachschule; damit erreichte Bunzlau auf dem Bildungssektor ein beachtliches Niveau. Die Staatliche Keramische Fachschule erlebte zwischen 1925 und 1933 durch die Teilung des Lehrangebots in einen chemisch-technischen (Dr. Eduard Berdel) und einen gestalterischen Zweig (Professor Artur Hennig) einen beträchtlichen Aufschwung.
Aus Bunzlau stammen einige berühmte Persönlichkeiten: Martin Gerstmann, Bischof von Breslau (1527–1585) sowie die Dichter Martin Opitz (von Boberfeld) (1597–1639), Andreas Tscherning (1611–1659) und Andreas Scultetus (um 1622–1647). Opitz wurde als Sohn eines Fleischers in Bunzlau geboren und besuchte die Lateinschule der Stadt. Er ging dann auf das Maria-Magdalenen-Gymnasium in Breslau und auf das Akademische Gymnasium in Beuthen an der Oder/Bytom Odrzański. Es schlossen sich Stellen als Hauslehrer in Heidelberg und in den Niederlanden an. Bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg wandte er sich nach Jütland. Dort nahm er eine Einladung von Fürst Gábor Bethlen nach Weißenburg/Alba Iulia in Siebenbürgen an. Bald aber kehrte er nach Schlesien zurück und wurde Rat bei Herzog Georg Rudolf von Liegnitz/Legnica. Er starb in Danzig/Gdańsk an der Pest. Mit seinem Werk setzte Opitz Maßstäbe für die Dichtung in Deutschland, die sich aufgrund seines Eintretens entschiedener vom Latein ab- und der Volkssprache zuwandte.
Kunstgeschichte und Kunsthandwerk
Die Stadtanlage ist geprägt von Ring, Bürgerhäusern und Stadtmauer. Bunzlau hat drei Pfarrkirchen: Die katholische Pfarrkirche St. Maria Himmelfahrt wurde 1261 zuerst erwähnt. Der heutige Bau stammt unter Beibehaltung seiner spätgotischen Grundstruktur überwiegend aus dem späten 17. Jahrhundert. St. Maria Hilf wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gegründet; der heutige Bau wurde vor allem in der Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet und im Inneren zu Beginn des 20. Jahrhunderts u. a. nach Entwürfen von Hans Poelzig erneuert. St. Maria Rosenkranz geht auf das 13./14. Jahrhundert zurück. Das ehemalige Dominikanerkloster stammt aus dem 13. Jahrhundert, wurde teilweise abgerissen und mehrfach modernisiert. Das Rathaus auf dem Ring wurde 1432/33 erbaut und ebenfalls verschiedentlich umgebaut. Der Maler Theodor Blätterbauer (1823–1906) wurde in Bunzlau geboren.
Bekannt ist die Stadt für ihre charakteristischen braunen und blauen Keramikerzeugnisse ("Bunzeltippel" genannt), die oft mit Schwämmeltechnik verziert sind. Markenzeichen wurde das "Pfauenauge"-Dekor. Der über zwei Meter "große Topf" des Meisters Joppe stand als Wahrzeichen der Bunzlauer Töpferkunst auf dem Ring (1753–1945). In Bunzlau wurde das Töpferhandwerk nach dem Zweiten Weltkrieg fortgeführt und erlebte nach 1989 einen neuen Aufschwung. Vertriebene, aus Bunzlau stammende Töpfer stellten nach 1945 auch in verschiedenen Orten der Bundesrepublik Deutschland "Bunzlauer Keramik" her.
Buch- und Druckgeschichte
Schon im 17. Jahrhundert wurde in Bunzlau gedruckt, 1750 kam eine Druckerei im Waisenhaus hinzu.
Gedächtnis- und Erinnerungskultur
1953 übernahmen Siegburg und der Rhein-Sieg-Kreis die Patenschaft über die Bunzlauer. Daher unterhält die Bundesheimatgruppe Bunzlau hier eine Heimatstube mit zahlreichen Exponaten Bunzlauer Keramik und anderen Erinnerungsstücken. Bunzlau und Siegburg verbindet seit 1992 eine Städtepartnerschaft.
2012 wurde in Bunzlau eine historische Porträtplastik des Dichters Martin Opitz neu geschaffen und aufgestellt.
4. Bibliographische Hinweise
Literatur
- Tadeusz Bugaj, Krystyna Matwijowski (Red.): Bolesławiec. Zarys monografii miasta [Bunzlau. Umriss der Stadt in Einzeldarstellungen]. Wrocław, Bolesławiec 2001 (Monografie Regionalne Dolnego Śląska).
- Barbara Glinkowska, Stefan Krabath, Anna Bober-Tubaj, Agata Bojanowska, Michał Karpiński, Andrzej Olejniczak, Tadeusz Orawiec, Anna Puk, Robert Szwed (Hg.): U źródeł bolesławieckiej ceramiki. Bolesławiec jako jeden z ośrodków garncarstwa środkowoeuropejskiego od XV do XVII w. / Von den Anfängen der Bunzlauer Keramik – Funde des 15.–17. Jahrhunderts aus einem mitteleuropäischen Zentrum der Töpferei. Muzeum Ceramiki w Bolesławcu, Schlesisches Museum zu Görlitz 2012.
- Imke Ristow: Artur Hennig (1880–1959). Das gestalterische Werk und die Lehrtätigkeit an der Staatlichen Keramischen Fachschule Bunzlau. Weimar 1999.
- Kristine Späth: Töpferei in Schlesien. Bunzlau und Umgebung. München 1979 (Silesia 23).
- Maria Starzewska, Teresa Wolanin: Artystyczna kamionka Bolesławiecka. Katalog zbiorów muzeum narodowego we Wrocławiu i muzeum ceramiki w Bolesławcu [Künstlerisches Steinzeug aus Bunzlau. Katalog der Sammlungen des staatlichen Museum in Breslau und des Keramikmuseums in Bunzlau]. Wrocław 1995 (Katalogi zbiorów muzeum narodowego we Wrocławiu).
Weblinks
- um.boleslawiec.pl/umbc/ (offizielle Internetseite der Stadt Bunzlau)
- muzeum.boleslawiec.pl/ (Keramikmuseum Bunzlau)
- www.bkge.de/heimatsammlungen/35087.html (Informationsseite zur Bunzlauer Heimatstube in Siegburg)
- www.herder-institut.de/bildkatalog/wikidata/Q156828 (Abbildungen zu Bunzlau/Bolesławiec im Bildarchiv des Herder-Instituts, Marburg)
Zitation
Detlef Haberland: Bunzlau/Bolesławiec. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2013. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32359 (Stand 26.11.2021).
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