Charlottenburg/Charlotenburg/Șarlota/Saroltavár

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Charlottenburg

Amtliche Bezeichnung

rum. Şarlota

Anderssprachige Bezeichnungen

ung. Saroltavár; alte Benennung (nicht mehr in Gebrauch): Baricza (rum. Bariţa, ung. Baritza)[1]; schwowisch: Schalotteborch

Etymologie

Die Siedlung soll nach der Ehefrau oder der Tochter (Charlotte) des Grafen Karl von Clary und Aldringen (1729–1791), des damaligen Präsidenten der Banater kaiserlichen Verwaltung, benannt worden sein.

2. Geografie

Lage

Charlottenburg liegt im Südosten der Großen Ungarischen Tiefebene auf einem leichten Abhang (Seehöhe 149–268 m), auf 45º 58´nördlicher Breite, 21º 31´östlicher Länge, 40 km nordöstlich von Temeswar/Timişoara.

Topographie

Das Dorf liegt in der Banater Bergsau.

Region

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Charlottenburg liegt im rumänischen Banat, Kreis Timiş, Gemeinde Bogda/Neuhof.

3. Geschichte und Kultur

Archäologische Bedeutung

Der "römische Graben" wurde um 250 n. Chr. angelegt und war im 18. Jahrhundert noch sichtbar, wie Francesco Griselini (1717–1787) berichtet.

Allgemeine Geschichte

Die Anwesenheit des "römischen Grabens" in der Nähe des Dorfes lässt vermuten, dass zurzeit der Arbeiten zumindest zeitweilig eine Siedlung bestanden hat.

Mittelalter

Die Gemarkung der späteren Siedlung Charlottenburg gehörte zur Gemeinde Baritza; dieser Ortsname wurde auch später parallel zum offiziellen Charlottenburg verwendet.

Bild

Barocker Siedlungsplan des Dorfes Charlottenburg
[Francesco Griselini: Geschichte des temeswarer
Banat, Bd. 1. Archiv Stiftung Donauschwäbisches
Zentralmuseum, Ulm].

Neuzeit

Die eigentliche Geschichte des Dorfes beginnt mit der Siedlungspolitik der österreichischen Behörden. Es wird angenommen, dass ein erster Gründungsversuch zurzeit Kaiser Karls VI. (1685–1740) unternommen wurde, doch wurde das Dorf während einer Pestepidemie verlassen.[2] Der zweite, gelungene Versuch begannt 1771 im Rahmen des zweiten Schwabenzuges (1763–1772). Das Dorf war vermutlich für 30 Familien vorgesehen und war aufgrund eines typisch barocken Siedlungsplans in Form eines "Runddorfes" konzipiert. In den ersten 50 Jahren nach der Gründung zählte das Dorf 30 Häuser, erst später nahm deren Anzahl langsam zu, bis auf 57 Häuser im Jahr 2000 und 65 im Jahr 2003.

Zurzeit der Gründung und bis zum Jahr 1849 war das Dorf Teil des Kameral-Banats und der ungarischen königlichen Verwaltung. Zwischen 1849 und 1861 wurde dieses Gebiet dem Kronland "Serbische Wojwodschaft und Temeser Banat" eingegliedert; nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich gehörte es bis 1919 zum Königreich Ungarn, danach wurde es Teil des Königreichs Rumänien.

Zeitgeschichte

Die wichtigste Zäsur der Dorfgeschichte stellt die Deportation der deutschen Einwohner in die Sowjetunion dar. In der Nacht zum 15. Januar 1945 wurden 22 Einwohner aus Charlottenburg verschleppt, von denen 16 zurückgekehrt sind.[3]

Die darauffolgenden Jahrzehnte brachten tiefgreifende Veränderungen mit sich, von denen der Abzug der deutschen Bevölkerung das Bild des Dorfes am meisten geprägt hat. Die Elektrifizierung wurde 1964 beendet.

Verwaltung

Charlottenburg gehört zur Gemeinde Bogda; hier befindet sich der Sitz des Bürgermeisters und des Kommunalrats; der zuständige Gerichtsort ist Temeswar.

Bevölkerung

Wegen der geringen Einwohnerzahl ist die Bevölkerungsentwicklung einfach nachzuverfolgen. Die meisten der 171 Erstsiedler stammten aus dem Südtirol (Welschtirol, 57), aus Lothringen (12) und aus Baden-Württemberg (10). Im Jahr 1820 wurden 303 Einwohner gezählt (289 Deutsche), 1880 und 1900 waren es 298 (davon 224 bzw. 251 Deutsche), 1938 gab es 267 Einwohner (197 Deutsche) und 249 Einwohner (davon 242 Deutsche) im Jahr 1940. 2002 wurde eine Gesamteinwohnerzahl von 199 ermittelt, darunter nur noch zwei Deutsche. Interessant ist die Entwicklung der ethnischen Zusammensetzung der Dorfbevölkerung: Bis 1880 wurden keine Rumänen oder Ungarn gezählt, nur "andere Ethnien"; die Zahl der Rumänen und Ungarn nahm erst später zu, sank um 1940 stark und nahm nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zu.[4]

Wirtschaft

Es herrschten Ackerbau, Tierzucht und Weinbau vor, doch gab es auch Handwerker.

In den letzten zwei Jahrzehnten wuchs die touristische Bedeutung Charlottenburgs; wichtigste Attraktion ist der erste Jagdtiergarten Rumäniens.

Religion

Die Mehrheit der Dorfeinwohner war römisch-katholisch. Die Orthodoxen waren gering an Zahl, bis nach dem Zweiten Weltkrieg blieb ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung unter einem Zehntel. Die Existenz einer eigenen Dorfkirche ist ab 1777 belegt. Anfangs gab es wahrscheinlich nur ein Gebetshaus oder eine Kapelle, deren Existenz im Dorf seit den Jahren 1805–1808 belegt ist. Die heutige Kirche wurde 1875–1876 von der Familie Sina de Hodos und Kizdia gestiftet, Sie wurde in den letzten Jahren renoviert und für die Bedürfnisse der orthodoxen Kirche umgebaut.

Neben römisch-katholischen und orthodoxen Gläubigen gab es vereinzelt Protestanten (1861: 2), Juden (1880: 3) und Anhänger anderer Religionen (1900: 2).

Bildung

Eine Schule bestand schon zur Zeit der Ansiedlung 1771; ab den zwei letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts sind auch die Namen der Lehrer überliefert. Nach 1980 war der Unterricht nur noch rumänischsprachig.

Alltagskultur

Das wichtigste Dorffest war die Kirchweihe ("Kerweih") Ende Oktober. Aus diesem Anlass wurde ein Dorffest organisiert, bei welchem die spezifischen Trachten bewundert werden konnten; die Feierlichkeiten wurden anschließend im Rahmen der Familie fortgesetzt.

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

Hauptpunkt der Erinnerungskultur des Dorfes sind die Gedenktafeln mit den Namen der Gefallenen der zwei Weltkriege.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Francesco Griselini: Versuch einer politischen und natürlichen Geschichte des Temeswarer Banats in Briefen an Standespersonen und Gelehrte. Bd. I. Wien 1780.
  • Vasile Aurel Toroc: Jahrhunderte vergehen. Das Heim bleibt trotzdem. Monographie des Dorfes Charlottenburg. [Temeswar] 2003.

Weblink

Anmerkungen

[1] Siehe M. Attila Szabó: Erdély, Bánság és Partium történeti és közigazgatási helységnévtára [Historisches und administratives Ortsnamenbuch Siebenbürgens, des Banats und Partiums]. CD-Ausgabe, Eintrag Charlotenburg.

[2] Vgl. Toroc 2003, S. 18.

[3] Vgl. Toroc 2003, S. 65–66, S. 74.

[4] Zahlen nach Toroc 2003, S. 27.

Zitation

Lajos-Loránd Madly: Charlottenburg/Şarlota. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/54195.html (Stand 05.07.2021).

Nutzungsbedingungen für diesen Artikel

Copyright © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE), alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk entstand im Rahmen des Projekts „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ und darf vervielfältigt und veröffentlicht werden, sofern die Einwilligung der Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie:

Wenn Sie fachliche Hinweise oder Ergänzungen zum Text haben, wenden Sie sich bitte unter Angabe von Literatur- und Quellenbelegen an die Redaktion.

(Stand: 19.01.2024)  | 
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page