Heltau/Cisnădie

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Heltau

Amtliche Bezeichnung

rum. Cisnădie

Anderssprachige Bezeichnungen

ung. Nagydisznód; lat. Helta, villa Ruetel

2. Geographie

Lage

Heltau liegt auf 45° 43' nördlicher Breite und 24° 10' östlicher Länge, 8 km südlich von Hermannstadt/Sibiu, auf 452 m über NHN.

Topographie

Der Ort liegt am Fuß der Südkarpaten und wird von zwei Bächen, dem Silberbach (rum. Pârâul Argintului) und dem Bärenbach (rum. Pârâul Ursului), durchflossen.

Region

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Republik Rumänien. Heltau gehört zum Kreis Hermannstadt/Sibiu.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das heutige Wappen ist ein mit einer Burg gekrönter Schild. Es zeigt auf blauem Grund zwei steigende Löwen mit einem Schild, auf dem ein Spinnrocken dargestellt ist, darüber eine Krone.

Mittelalter

Aus der Einwanderungszeit der Siebenbürger Sachsen (Ende des 12. Jahrhunderts), die Heltau gründeten, haben sich einige Objekte erhalten, darunter ein mittelalterlicher Grabstein, ein Vortragekreuz und das Vollmissale, ein unter dem Namen „Heltauer Missale“ bekanntes Messbuch. Analogien dazu finden sich in der Saar-Mosel-Gegend und im Raum Köln–Aachen–Lüttich.

Heltau wurde 1204 als „villa Ruetel“ und 1323 erstmals als „Helta“ urkundlich erwähnt. Da die Ortschaft als civitas (Stadt) bezeichnet wird, kann angenommen werden, dass sie damals ein relativ bedeutender Ort war, der administrativ zur Hermannstädter Provinz gehörte. Für das 14. Jahrhundert sind wiederholte Grenzstreitigkeiten zwischen Heltau und benachbarten Gemeinden dokumentiert. 1395 erließ der ungarische König Sigismund (1368–1437, römisch-deutscher König und Kaiser) dem von den Osmanen verwüsteten Heltau einen Teil der Steuern. Quellen aus dem Jahr 1428 erwähnen eine Schule sowie einen Schulmeister in Heltau.

1493 überfielen und brandschatzten erneut Truppen der Osmanen den Ort und verschleppten viele Bewohner in die Gefangenschaft. Die wiederholten osmanischen Einfälle führten zu einem massiven Ausbau der Wehrkirche zwischen 1430 und 1530.

Neuzeit

Ein Großbrand zerstörte Ende des 16. Jahrhunderts einen großen Teil der Ortschaft. Während der Wirren des „Langen Türkenkrieges“ der Habsburger gegen die Osmanen drangen 1601 Truppen des kaiserlichen Generals Basta in die Kirchenburg ein und verwüsteten sie. Nach der Strafexpedition eines krimtatarischen Heeres gegen das Fürstentum Siebenbürgen wurde 1658 die Burg erneut belagert: Die Heltauer mussten Lösegeld zahlen, Schmuck, Kelche und andere Wertgegenstände wurden ebenfalls an die Tataren übergeben.

1705 wurde Heltau von den ungarischen Kuruzen besetzt, die gegen die neue Herrschaft der Habsburger in Siebenbürgen und Ungarn kämpften. Heltau konnte sich jedoch mit 1.500 Gulden und Lebensmitteln freikaufen. Nach dem Abzug der Kuruzen wurde der Ort von kaiserlichen Truppen geplündert. Im selben Jahr musste Heltau sich erneut, diesmal für 4.000 Gulden, von den Kuruzen freikaufen. Erst die Etablierung der habsburgischen Herrschaft in Ungarn und Siebenbürgen ab 1711 und die folgende längere Friedensperiode ermöglichte einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung, der Heltau im 18. Jahrhundert erfasste. Als bedeutendsten Ort im Hermannstädter Umland würdigten Heltau 1783 der römisch-deutsche Kaiser Josef II. (1741−1790) und 1817 der österreischische Kaiser Franz I. (1768−1835) mit ihren Besuchen.

Zeitgeschichte

Nach der Kriegserklärung Rumäniens an Österreich-Ungarn im August 1916 griff das rumänische Heer Siebenbürgen an und wurde vor Heltau von deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen am 27. September 1916 aufgehalten. Zahlreiche Gefallene beider Seiten wurden auf dem Heltauer Friedhof bestattet. Nach dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien erlebte Heltau einen wirtschaftlichen Aufschwung, da der rumänische Absatzmarkt nun zollfrei mit Textilien aus Heltau beliefert werden konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete die Rote Armee in Heltau ein Gefangenenlager. Der sich in den späten 1950er Jahren in Rumänien durchsetzende Neostalinismus hatte zahlreiche Schauprozesse gegen Vertreter der rumäniendeutschen Minderheiten zur Folge. Auch der 1959 durchgeführte „Heltauer Prozess“ hatte das Ziel, vor allem deutsche Jugendliche einzuschüchtern. Das 1948 in den Rang einer Stadt erhobene Heltau konnte seine Stellung als ein Zentrum der rumänischen Textilindustrie in der Zeit der kommunistischen Herrschaft ausbauen. Nach der politischen Wende von 1989 erfolgte allerdings der Kollaps der Textilindustrie, der in Heltau von hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderungsbewegungen begleitet wurde. Noch stärker wurde die Bevölkerungsstruktur durch die Aussiedlung der meisten Heltauer Siebenbürger Sachsen in die Bundesrepublik Deutschland verändert, die vor allem in den 1970er, 1980er und in den frühen 1990er Jahren erfolgte. Aktuell gibt es eine aktive deutschsprachige lutherische Kirchengemeinde sowie ein Ortsforum des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Die Familie des derzeitigen rumänischen Präsidenten Klaus Johannis stammt aus Heltau und ist dort seit dem 16. Jahrhundert nachgewiesen.

Bevölkerungsentwicklung

In der Frühen Neuzeit wurde die Bevölkerungsentwicklung vor allem durch die zahlreichen „Türkenkriege“ und Pestepidemien (z. B. 1660) gehemmt. Im Zuge der habsburgischen Siedlungspolitik wurden 1734 etwa 125 protestantische Landler aus den österreichischen Erbländern in Heltau angesiedelt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1910) lebten im Ort 3.064 Einwohner, davon bekannten sich zur deutschen Muttersprache 2.204, zur rumänischen 673 und zur ungarischen 152 Menschen. Die Volkszählung von 1930 ergab 3.408 Bewohner, davon 2.464 Deutsche, 570 Rumänen und 207 Ungarn. Die grundlegenden demographischen Veränderungen im späten 20. Jahrhundert spiegelt die Volkszählung von 1992 wider. Diese wies 17.373 Einwohner der Stadt aus, von denen sich 16.242 als Rumänen, 806 als Deutsche, 225 als Ungarn und 84 als Roma bekannten.[1]

Wirtschaft

Obwohl die Landwirtschaft den ökonomischen Schwerpunkt bildete, sind bereits im Mittelalter mehrere Gewerbetreibende nachgewiesen (z. B. Sichelschmiede). Ab dem 16. Jahrhundert war unter den Handwerkern die Wollweberei dominant (Zunftsatzungen ab 1513). Ab dem 14. Jahrhundert unterhielt Heltau enge Handelsbeziehungen zur Walachei. Der Woiwode der Walachei, Mircea der Ältere (1355–1418), gewährte den Heltauern 1386 ein Handelsprivileg, das von seinem Sohn Mihail I. (gest. 1420) 1418 erneuert wurde. Darin bekräftigte letzterer seine Freundschaft zu den Heltauern und erlaubte ihnen, ihre Herden auf seinen Ländereien zu weiden. Im Jahr 1500 erhielt Heltau vom ungarischen König Wladislaus II. (1456–1516) ein Jahrmarktsprivilegium. Quellen aus dem Jahr 1721 berichten, dass ein Großteil der Einwohner Heltaus als Handwerker tätig war. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert gründeten mehrere siebenbürgisch-sächsische Wollweber Tuch- und Teppichfabriken, die Heltau zu einem Zentrum der siebenbürgischen Textilindustrie werden ließen. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs existierten in Heltau 176 Textilbetriebe.

Religions- und Kirchengeschichte

Heltau gehörte kirchlich zum Hermannstädter (katholischen) Kapitel und führte – wie alle Siebenbürger Sachsen – 1550 die lutherische Konfession ein. Später entstanden zwei rumänisch-orthodoxe und zwei griechisch-katholische Kirchen sowie mehrere Gebetshäuser protestantischer Freikirchen.

Kunstgeschichte

Ende des 12. Jahrhunderts wurde mit dem Bau einer dreischiffigen Basilika im romanischen Stil mit Westturm begonnen. Heute sind die Reste romanischer Wandmalerei an der Nordwand des Chores und vor allem in der 1988 freigelegten Fensterleibung des Ostfensters zu sehen: eine Darstellung der hl. Walpurga und des Plebans Petrus. Aus einer päpstlichen Urkunde aus dem Jahr 1430 geht hervor, dass die Heltauer Pfarrkirche der Heiligen Walpurga geweiht war. 1349 wurde sie erstmals erwähnt, sie erhielt 1425 die erste Turmuhr Siebenbürgens und wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einer Wehrkirche umgebaut.

Im Jahr 1500 erhielt die Walpurgiskirche zu Heltau einen Ablass zur Ausbesserung und Ausstattung der Kirche. 1525 erwarben die Stadtbewohner einen vorreformatorischen Altar des Malers Vincentius aus Hermannstadt. Von diesem 1875 abgetragenen Altar ist nur die Predella im Hermannstädter Brukenthal-Museum erhalten. Nachdem 1879 ein neugotischer Altar aufgestellt wurde, befindet sich in der Kirche heute ein vorreformatorischer Flügelaltar aus Braller/Bruiu aus der Werkstatt des Johannes Stoß (frühes 16. Jahrhundert). Darüber hinaus sind eine Kanzel mit eklektischen Motiven (1909) und ein barocker Kanzeldeckel aus dem 17. Jahrhundert erhalten. 1792 offenbarte der Kirchenvater Peter Gündisch das Geheimnis des in der Kirche seit der Reformation verborgenen Kirchenschatzes. Durch Veräußerung eines Teils des Kirchenschatzes konnten Bauarbeiten am Glockenturm finanziert werden, der anstelle des alten Daches mit Wehrgang seinen heutigen achtseitigen Turmhelm erhielt. 1795 schlug ein Blitz in den neu renovierten Glockenturm ein, nach dessen Reparatur ein Blitzableiter auf dem Turm angebracht wurde.

Die Heltauer Kirchenburg wurde zwischen 1430 und 1530 auf älteren Grundmauern erbaut. Der doppelte Bering wird durch wehrtechnisch befestigte Gebäude, Türme und Basteien verstärkt. Zwischen den Mauern der Beringe befand sich ein Wassergraben. Der innere Bering hat eine Höhe von sechs Metern, die Wehrgänge im Inneren werden von Ziegelarkaden getragen. Im Westen der Kirche steht ein Verteidigungsturm, der über einer Kapelle erbaut wurde. Die Kapelle war ursprünglich ein Karner mit einem kreisrunden Raum von fünf Metern Durchmesser mit Tonnengewölbe, das von einem starken Mittelpfeiler getragen wurde. Aus dem 15. Jahrhundert sind zwei eisenbeschlagene Türen erhalten. Auch das Pfarrhaus im Süden der Kirche hat Grundmauern aus dem 15. Jahrhundert.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Erwin Amlacher: Wehrbauliche Funktion und Systematik siebenbürgisch-sächsischer Kirchen- und Bauernburgen. Ein Beitrag zur europäischen Burgenkunde. München 2002 (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas: Wissenschaftliche Reihe 95).
  • Hermann Fabini: Atlas der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen und Dorfkirchen. 2 Bde. Hermannstadt, Heidelberg 1998, 1999 (Monumenta).
  • Hermann Fabini: Die Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen. Sibiu-Hermannstadt 2013 (Monumenta), S. 130–131.
  • Juliana Fabritius-Dancu: Sächsische Kirchenburgen aus Siebenbürgen. Hermannstadt 1980.
  • Arne Franke: Das wehrhafte Sachsenland. Kirchenburgen im südlichen Siebenbürgen. Potsdam 2007 (Potsdamer Bibliothek östliches Europa. Kulturreisen), S. 106–112.
  • Handbuch der Historischen Stätten Siebenbürgen. Hrsg. von Harald Roth. Stuttgart 2003 (Kröners Taschenausgabe Bd. 330), S. 55–56.
  • Heimatortsgemeinschaft Heltau e. V. (Hrsg.): Heltau. Geschichte und Kultur einer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft. Red. von Konrad Gündisch. Heilbronn 2002.
  • Walter Horwath: Siebenbürgisch-sächsische Kirchenburgen. Baugeschichtlich untersucht und dargestellt. 2. verb. Aufl. Sibiu-Hermannstadt 1940.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Handbuch der Historischen Stätten Siebenbürgen. Hrsg. von Harald Roth. Stuttgart 2003 (Kröners Taschenausgabe Bd. 330), S. 56.

Zitation

Hermann Fabini: Heltau/Cisnădie. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2021. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32281 (Stand 04.05.2021).

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OME-Redaktion (Stand: 30.07.2024)  | 
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