Krumau/Český Krumlov
1. Toponymie
Deutsche Bezeichnung
Krumau, Böhmisch Krumau, Krummau
Amtliche Bezeichnung
tsch. Český Krumlov
Lateinische Bezeichnung
lat. Crumlovia, Crumlovium
Etymologie
Der Ortsname ist seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in verschiedener lautlicher Gestalt überliefert: Chrumbenowe (1253), Krummenowe (1260) oder Crumnaw (1283). Die gängigste etymologische Erklärung der Bedeutung leitet den Namen von der deutschen Wortverbindung „burc ûf der krumben ouwe“ (Burg auf der krummen Aue) ab, was angesichts der Lage der Stadt in einer Flussschlinge der Moldau (Vltava) nachvollziehbar erscheint. Durch Lautveränderungen entwickelte sich die heute gebräuchliche Form Krumau. Der tschechische Ortsname Krumlov entwickelte sich aus dem deutschen durch Dissimilation der beiden Nasale und durch die Angleichung der Endung an die tschechischen Ortsnamen auf -ov. Der Zusatz Böhmisch taucht zuerst in einem lateinischen Text von 1439 auf: Boemo-Crumloviensis, die tschechische Variante zuerst 1459 (in einer rosenbergischen Urkunde – im Genitiv: Crumlowa Czeského), geläufig wurde es allerdings erst ab der Mitte des 16. Jahrhunderts, wohl zur Unterscheidung von Moravský Krumlov (Mährisch Krumau).
2. Geographie
Lage
Krumau liegt im südlichen Teil der Tschechischen Republik, 180 km von Prag/Praha und 25 km von der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland (Bayern) entfernt, auf 48° 49´ nördlicher Breite, 14° 20´ östlicher Länge, 492 m über NHN.
Topographie
Die Stadt liegt im Tal der Moldau, am Fuße des Naturschutzgebietes Blansker Wald (tschech. Blanský les).
Region
Staatliche und administrative Zugehörigkeit
Tschechische Republik. Krumau ist Verwaltungssitz des Bezirks Krumau (Okres Český Krumlov).
3. Geschichte und Kultur
Gebräuchliche Symbolik
In blauem Feld des Stadtwappens steht eine silberne Stadtmauer mit geöffnetem Tor und hochgezogenem braunem Holzgitter. Flankiert wird die Stadtmauer von zwei silbernen Türmen. Jeder Turm hat zwei schmale hohe Fenster und ein rotes Satteldach. Zwischen den Türmen befindet sich ein silberner Schild mit drei Raben im Flug, die in ihren Schnäbeln die rote rosenbergische Rose tragen. Über dem Schild sieht man einen Turnierhelm mit Helmdecken, rechts rot-silbern, links blau-silbern. Auf dem gekrönten Helm befindet sich die rote rosenbergische Rose als Helmzier.
Die Stadtflagge besteht aus drei waagerechten Streifen im Breitenverhältnis 1:4:1. In der Mitte des weißen Streifens befindet sich eine rote Rose mit goldenem Butzen und grünen Kelchblättern.
Vor- und Frühgeschichte
Das älteste Zeugnis menschlicher Präsenz auf dem heutigen Stadtgebiet stammt aus der Altsteinzeit. Spärliche Siedlungsnachweise gibt es für die späteren Zeitabschnitte (Jungsteinzeit, Bronzezeit, Hallstattzeit, Latènezeit). Für den Zeitraum zwischen dem 8. und dem 12. Jahrhundert finden sich sporadische Belege für eine Besiedlung. Erst im Zusammenhang mit dem intensiven Landesausbau im 13. Jahrhundert entstand hier eine dauerhafte Siedlung.
Mittelalter
Die erste schriftliche Erwähnung betrifft nicht die Stadt, sondern die Burg und findet sich in einer 1253 ausgestellten Urkunde des späteren böhmischen Königs Přemysl Ottokar II. (1233–1278). Hier wird unter den Zeugen auch ein „Witiko de Chrumbenowe“ aufgeführt. Die ersten Besitzer der Burg und der Stadt waren die Herren von Krumau, ein Zweig des südböhmischen Geschlechts der Witigonen, der 1302 ausstarb. Danach fiel Krumau an den böhmischen König, der die Stadt mit den umliegenden Dörfern und Anwesen noch im selben Jahr dem Obersten Kämmerer Heinrich von Rosenberg (gest. 1310) schenkte. Einige Jahre später (1309) wird in einer aus Heinrichs Kanzlei stammenden Urkunde Krumau das erste Mal als Stadt erwähnt.
Die Herrschaft, ihre Beamten und Bediensteten wohnten mehrheitlich direkt im Areal der Burg. Viele ließen sich aber auch in der weiteren Umgebung nieder. So entstand wohl die Burgsiedlung Latrán. Der Name kommt vom lateinischen „latus“ (Seite, im architektonischen Sinne Gebäude außerhalb der Hauptanlage) und bezeichnet bis heute einen der Stadtteile. Das älteste erhaltene Privileg erhielt die Stadt Krumau 1347 von Peter I. von Rosenberg (1291–1347).
Während der Hussitenkriege stand Ulrich II. von Rosenberg (1403–1462) an der Seite des Königs Sigismund (1368–1437). Weder die Stadt noch die Burg wurden von den Hussiten zerstört. Man kann für diese Zeit sogar von einer kulturellen Blüte sprechen, zu der auch die zahlreichen Persönlichkeiten beitrugen, die hier Schutz und Sicherheit suchten.
Die Rosenberger Brüder Wok II. (1459–1505), Peter IV. (1462–1523) und Ulrich III. (1471–1513) erließen 1494 ein bedeutendes Privileg, das den Krumauer Bürgern unter anderem die Rechte von Einwohnern einer königlichen Stadt gewährte. Die Bewohner von Latrán waren daraufhin gegenüber den Bewohnern der Krumauer Innenstadt benachteiligt. Zur rechtlichen und verwaltungsmäßigen Vereinigung von Latrán und Innenstadt kam es im Jahr 1555.
Neuzeit
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war das kulturelle Leben der Stadt fast ausschließlich von den Repräsentationsbedürfnissen der letzten Angehörigen des einflussreichen Magnatengeschlechts, der beiden Brüder Wilhelm (1535–1592) und Peter Wok von Rosenberg (1539–1611), bestimmt. Der großzügige Umbau der Burg und andere bauliche Aktivitäten Wilhelms hatten allerdings erhebliche finanzielle Belastungen zur Folge, die Peter Wok nach dem Tod seines Bruders (1592) durch den Verkauf der Krumauer Herrschaft (1601) an den böhmischen König und Kaiser Rudolf II. (1552–1612) zu lösen versuchte. Er verlegte 1602 seinen Sitz nach Wittingau, Krumau büßte seine Funktion als Residenzstadt ein. Nach zwei Jahrzehnten kaiserlicher Verwaltung (in den Jahren 1612 bis 1619 gehörte Krumau dem böhmischen König und Kaiser Matthias, 1619–1622 Ferdinand II.) ging Krumau in den Besitz des steirischen Adelsgeschlechts der Eggenberger über. In der dritten Generation wurde Krumau 1665 unter Johann Christian I. von Eggenberg (1641–1710) wieder Residenzstadt. Er blieb kinderlos, was wohl der Grund für die Übergabe aller eggenbergischen Herrschaften in Böhmen an seinen Neffen Adam Franz von Schwarzenberg (1680–1732) im Jahr 1719 war. In der Mitte des 19. Jahrhunderts konzentrierten sich die Schwarzenberger allerdings mehr auf das Schloss Frauenberg (Hluboká), das später zu ihrer Residenz wurde. Die einst glanzvolle Stadt Krumau wurde in der Folge zu einer unbedeutenden Kleinstadt.
Zeitgeschichte
Nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie riefen 1918 deutschböhmische Politiker den sog. ‚Böhmerwaldgau‘ mit Zentrum in Krumau aus, womit sie die Unabhängigkeit dieses Gebiets von der neu entstandenen Tschechoslowakei erreichen wollten. Ende 1918 wurde die Stadt jedoch von der tschechoslowakischen Armee besetzt und in die Republik integriert.
Gemäß dem am 30. September 1938 unterzeichneten Münchner Abkommen wurde ein großer Teil des tschechischen Grenzgebiets an das das Deutsche Reich abgetreten. Zu diesen Gebieten gehörte auch Krumau. Die Landkreise Krumau und Kaplitz, die sich direkt an der Grenze zur Tschecho-Slowakei bzw. zum fünf Monate später errichteten Protektorat Böhmen und Mähren befanden, wurden Bestandteil des Reichsgau Oberdonau. Ein ursprünglich im Münchener Abkommen vorgesehenes Plebiszit wurde auf deutschen Druck nicht mehr durchgeführt. Als die Wehrmacht am 8. Oktober 1938 in Krumau einmarschierte, wurde sie von der deutschen Bevölkerung feierlich willkommen geheißen. Am 20. Oktober 1938 wurde die Eingliederung symbolisch durch einen Besuch Adolf Hitlers besiegelt, den die Krumauer deutsche Bevölkerung euphorisch begrüßte. Im November 1938 wurde der Stadtname verändert, das bisherige (Böhmisch) Krumau hieß nun Krummau an der Moldau, womit der deutsche Charakter des Ortes hervorgehoben werden sollte. Auch Straßen und Plätze wurden umbenannt. Am 4. Dezember fanden Ergänzungswahlen zum „Großdeutschen Reichstag“ statt. Auf einer Kandidatenliste konnten die deutschen Krumauer für Adolf Hitler sowie die ehemaligen sudetendeutschen SdP- und nun NSDAP-Politiker Konrad Henlein und Karl Hermann Frank stimmen. Die Mehrheit der Mitglieder der Sudetendeutschen Partei Henleins wurde in die NSDAP überführt.
Der Bürgermeister wurde nicht mehr gewählt, sondern auf Vorschlag der NSDAP ernannt. 1940 wurde der neue Bürgermeister der sudetendeutsche Nationalsozialist Quido Knapp (1890-1945). Knapp kam aus dem völkischen Milieu, vor 1933 war er Mitglied der nationalistischen Deutschen Nationalpartei.
Tschechische Schulen und Organisationen wurden geschlossen bzw. verboten. Die Mehrheit der tschechischen Bevölkerung flüchtete bzw. wurde vertrieben.
In der sog. Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 kam es auch in Krumau zu Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung. Das Innere der Synagoge wurde geplündert und zerstört.
Der Besitzer des Krumauer Schlosses, Adolph Schwarzenberg (1890-1950), musste Krumau verlassen und ins Exil gehen, sein Besitz wurde 1940 von der Gestapo konfisziert.
Deutsche Kommunisten und Sozialdemokraten wurden verfolgt.
Während des Krieges kam es zu keinen bewaffneten Auseinandersetzungen und auch die materiellen Schäden hielten sich in Grenzen. Am 7. Mai 1945 wurde Krumau durch die US-Armee befreit.
In den Grenzgebieten mit mehrheitlich deutscher Bevölkerung waren nach Kriegsende die Bedingungen für die Erneuerung der tschechoslowakischen Verwaltung schwierig, denn seit 1938 lebten hier nur noch wenige Bewohner tschechischer Nationalität. In Orten, an denen nicht in ausreichender Zahl Tschechen lebten, wurden sog. örtliche Verwaltungskommissionen eingerichtet. Eine solche entstand in Krumau bereits am 9. Mai 1945. Am 28. Mai wurde sie in eine Bezirksverwaltungskommission umgewandelt. Die Zwangsaussiedlung der deutschen Bevölkerung begann im Februar 1946 und dauerte bis zum Ende des Jahres.
1947 wurde die Burg- und Schlossanlage von Krumau zusammen mit dem übrigen Besitz der Schwarzenberger verstaatlicht.
Ab den 1950er Jahren wurde das Stadtgebiet durch Eingemeindung schrittweise erweitert. Am Stadtrand entstanden funktionale Neubausiedlungen. 1963 wurde Krumau zum Städtischen Denkmalschutzgebiet erklärt und 1971 begann man mit seiner Sanierung. Dennoch entfalteten viele der bedeutsamen Kunstdenkmäler erst in den 1990er Jahren ihren heutigen Glanz.
Im Zuge der „Samtenen Revolution“ des Jahres 1989 kam es auch in Krumau am 27. November 1989 zum Generalstreik und es entstand ein Zweig des Bürgerforums (Občanské Forum - OF). Dessen Vertreter schickten eine Petition an die Regierung, in der sie auf den verheerenden Zustand des historischen Zentrums von Krumau verwiesen und um Unterstützung bei der Rettung dieses Kulturerbes baten. Die Bemühungen hatten Erfolg. 1992 wurde Krumau in die UNESCO-Weltkulturerbeliste eingetragen.
Bevölkerung
Angesichts der Lage der Stadt im Grenzgebiet kann man davon ausgehen, dass bereits im Mittelalter ein Teil der Bevölkerung deutschsprachig war. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts kamen im Zusammenhang mit Erzabbau und -verarbeitung deutschsprachige Unternehmer, Bergfachleute und Bergleute. Neben Tschechen und Deutschen lebten hier auch „Welsche“ (Italiener) und Juden. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts kam es in der Stadt zu einem Streit über die Verwendung der tschechischen Sprache in Kirche und Schule. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts forderten die deutschsprachigen Bürger, deren Zahl in der Stadt beträchtlich war, die Verlegung der deutschsprachigen Gottesdienste von der kleineren St. Jodokus-Kirche in die große Hauptkirche St. Veit. In diesem Zusammenhang wurde 1653 eine Volkszählung durchgeführt, um die gesprochene Sprache zu ermitteln. Ungeachtet der Resultate (29 rein tschechischsprachige Personen, 163 beide Sprachen beherrschende Bewohner, 66 Deutsche mit Minimalkenntnissen des Tschechischen und 1.752 Personen, die nur der deutschen Sprache mächtig waren), die bereits einige Zeitgenossen für nicht objektiv hielten, wurde vom Prager Erzbischof der Status quo bestätigt.
Ab den 1870er Jahren kam es in Krumau zu Auseinandersetzungen zwischen der tschechischen und deutschen Bevölkerung. Die Gesellschaft zerfiel immer mehr in einen deutschen und einen tschechischen Teil. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts organisierten sich deutschsprachige Bürger in deutschen Vereinen (Schulverein, Böhmerwaldbund, Deutscher Männergesangsverein) und tschechischsprachige in tschechischen (z. B. Čtenářská beseda [Lese- und Diskussionsrunde], Řemeslnická jednota [Handwerksvereinigung]).
Ende September 1938 hatte Krumau 8.800 Einwohner, davon waren 2.400 Tschechen und 160 Juden. Im April 1939 lebten nur noch 350 Tschechen und drei Juden in der Stadt.[1]
Nach dem Kriegsende wurde die Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung vertrieben, wodurch die Stadt 75 Prozent ihrer Einwohner verlor. Nach Krumau zogen tschechische Nachsiedler, 1946 allein 4.500.
Entwicklung der Bevölkerungszahlen in Krumau[2]:
1869 | 1880 | 1890 | 1900 | 1910 | 1921 | 1930 |
---|---|---|---|---|---|---|
7.701 | 8.106 | 8.903 | 9.412 | 9.485 | 9.078 | 9.709 |
1950 | 1961 | 1970 | 1980 | 1991 | 2001 | 2015 |
---|---|---|---|---|---|---|
8.441 | 9.294 | 10.430 | 13.776 | 14.108 | 14.443 | 13.193 |
Wirtschaft
Durch die Krumauer Region verlief im Mittelalter ein wichtiger Handelsweg, der sog. Linzer Pfad. Im ausgehenden 15. Jahrhundert blühte hier der Bergbau, noch bis zum 18. Jahrhundert findet man Berichte über die Förderung und Verarbeitung von Silber und anderen Edelmetallen. Im 19. Jahrhundert wurde mit dem Abbau von Graphit begonnen. Ein wichtiger Wirtschaftszweig war das Bierbrauen; in der Stadt befanden sich eine bürgerliche und eine herrschaftliche Brauerei. Den Beginn des Industriezeitalters in Krumau repräsentieren drei Fabrikbetriebe: die Flachs- und Hanfspinnerei, die Tuchfabrik und die Papierwerke. Die Herstellung von Papier hatte in der Stadt seit dem 16. Jahrhundert Tradition, in der Neuzeit ist sie vor allem mit dem Namen Ignác Spiro (1817–1894) verbunden, einem jüdischen Unternehmer, der die Papierwerke 1861 gekauft hatte und zu einem modernen Betrieb, seinerzeit dem bedeutendsten in der Habsburgermonarchie, ausbaute.
Religions- und Kirchengeschichte
Die ersten Ordensbrüder in der Krumauer Region waren die 1258 aus dem österreichischen Wilhering nach Hohenfurth (Vyšší Brod) gekommenen Zisterzienser. Das Hohenfurther Kloster war 350 Jahre lang Grablege der Rosenberger. Dank der rosenbergischen Unterstützung konnten die Zisterzienser im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts ein großes Herrschaftsgebiet aufbauen. 1263 wurde vom böhmischen König Přemysl Ottokar II. das Zisterzienserkloster Goldenkron (Zlatá Koruna) gegründet, das zusammen mit den anderen Gründungen wie der Stadt Budweis/České Budějovice (1265) ein Bollwerk königlicher Macht und ein Gegengewicht zum rosenbergischen Dominium bilden sollte.
In der Stadt Krumau ließ Peter I. von Rosenberg zwischen 1309 und 1317 die städtische Pfarrkirche St. Veit erbauen. Nach seinem Tod gründete seine Witwe Katharina von Rosenberg 1350 den Konvent der Minoriten und Klarissen. Mit diesem Konvent verbunden war das prunkvolle Fest der Heiltumsweisung, das bis 1417 alljährlich stattfand.
In der Hussitenzeit waren die Rosenberger zunächst den reformatorischen Ideen zugetan, unter dem Eindruck der Gewalttätigkeit der durchs Land ziehenden hussitischen Utraquisten kehrte der rosenbergische Regent Ulrich II. jedoch zum Katholizismus zurück. 1420 nahmen die Hussiten das Kloster Goldenkron ein, die Stadt Krumau konnte sich erfolgreich verteidigen.
Im 15. Jahrhundert war Krumau eine wichtige katholische Stadt und eines der wichtigsten Zentren des frühen Humanismus in Böhmen. Im ausgehenden 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts brachten deutsche Bergleute den lutherischen Glauben mit. Den erstarkenden Einfluss der Lutheraner und Utraquisten sollten die 1584 von Wilhelm von Rosenberg (1535–1592) nach Krumau geholten Jesuiten unterbinden. In den Jahren nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) mussten alle nichtkatholischen Priester das Land verlassen und 1627/28 wurde der in Südböhmen stark verwurzelte Katholizismus zur einzigen tolerierten Glaubensrichtung erklärt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bekannte sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zu dieser Konfession.
1773 wurden im Zuge der aufklärerischen Reformen Kaiser Josephs II. (1741–1790) das jesuitische Gymnasium und das Jesuitenkolleg aufgelöst, 1782 auch das Minoriten- und Klarissenkloster.
Die Anwesenheit von Juden in Krumau ist bereits für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts belegt. König Johann von Luxemburg (1296–1346) erlaubte vier jüdischen Familien, sich im rosenbergischen Dominium niederzulassen, Karl IV. (1316–1378) erhöhte die Zahl der Familien auf sechs. 1494 wurden die Juden aus der Stadt vertrieben. Künftig galt für sie ein Niederlassungsverbot, das erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgehoben wurde. Ab diesem Zeitpunkt stieg die Zahl der Juden. 1855 wurde ein Gebetsverein gegründet. 1880 lebten in Krumau 103 Personen jüdischen Glaubens.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ die Jüdische Gemeinde eine Synagoge errichten (1908/09), in der bis 1938 Gottesdienste abgehalten wurden. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Inneneinrichtung von den Nationalsozialisten zerstört, das Gebäude selbst blieb erhalten. Von den 111 Juden, die vor dem Krieg in Krumau gelebt hatten, kamen nach Kriegsende lediglich zwei zurück. Die Mehrheit wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Die Synagoge wurde zunächst von den amerikanischen Soldaten, dann von der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche für Gottesdienste genutzt, ab 1968 diente sie jahrelang als Lagerraum, beispielsweise für die wertvollen barocken Kulissen des Schlosstheaters. Nach 1990 ging die Synagoge in den Besitz der Jüdischen Gemeinde in Prag über, wurde renoviert und beherbergt heute die Dauerausstellung „Die Welt der Krumauer Juden“.
Besondere kulturelle Institutionen
Museum Fotoatelier Seidel: Josef Seidel (1859–1935) wird der „Fotograf des Böhmerwaldes“ genannt: Er und sein Sohn František machten Tausende von Aufnahmen der Landschaft im tschechisch-deutsch-österreichischen Grenzraum, dokumentierten Ortschaften, die heute längst verschwunden sind. Josef Seidel ließ sich 1905 in Krumau ein Haus mit einem modernen Fotoatelier bauen, von dem sich fast die komplette Einrichtung und Ausstattung, einschließlich Auftragsbüchern, Tausenden von Glasnegativen und Ansichtskarten erhalten haben.
Egon Schiele Art Centrum: Im Gebäude der ehemaligen Stadtbrauerei aus dem 16. Jahrhundert befindet sich ein Kulturzentrum, in dem sich eine ständige Ausstellung zum Leben und Werk des Malers Egon Schiele (1890–1918) befindet und wechselnde Ausstellungen renommierter tschechischer wie internationaler Künstler gezeigt werden.
Egon Schiele und Krumau verband ein ambivalentes Verhältnis. Er liebte die Geburts- und Heimatstadt seiner Mutter und wurde von Krumau stark inspiriert. 1910 zog er mit zwei Malerkollegen hierher, die jedoch als unkonventionelle Künstler bald Anstoß erregten. Ein Jahr später bezog Schiele mit seiner Lebensgefährtin ein Gartenhaus, aber auch er verließ bereits im August 1911 die Stadt wieder.
Regionales Museum: Im Gebäude des ehemaligen barocken Jesuitenseminars befindet sich das Krumauer Regionalmuseum. Hier befindet sich auch ein keramisches Stadtmodell – das größte seiner Art weltweit.
Freilichttheater mit drehbarer Zuschauertribüne: Die Theateraufführungen verdanken ihren Erfolg der Szenerie des Krumauer Schlossgartens, dem architektonisch wertvollen Bau des Lustschlosses Bellarie, das als Kulisse dient, und der drehbaren, fast 650 Zuschauer fassenden Tribüne.
Kunstgeschichte
Burg- und Schlossanlage: Die älteste Erwähnung der Krumauer Burg stammt aus dem Jahr 1253. Man geht davon aus, dass sie im ersten Drittel des 13., vielleicht noch im ausgehenden 12. Jahrhundert erbaut wurde. Mit dem Ausbau zur adligen Residenz begann Heinrich I. von Rosenberg (gest. 1310), in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die Burg unter Wilhelm von Rosenberg zu einem Renaissanceschloss umgebaut. Ein weiterer Umbau erfolgte während der Regierungszeit von Josef I. Adam von Schwarzenberg (1722–1782), zeitgleich wurde das barocke Schlosstheater erbaut und die Mantelbrücke sowie der Maskensaal erhielten ihr heutiges Aussehen.
Die Burg- und Schlossanlage ist nach der Prager Burg die zweitgrößte Schlossanlage in Tschechien und eine der monumentalsten in Mitteleuropa. Sie umfasst vierzig Gebäude, die um fünf Schlosshöfe gruppiert sind, und einen weitläufigen Schlossgarten. Die Burg liegt auf einem hohen Felsenvorsprung über dem Fluss Moldau und ist das Wahrzeichen der Stadt.
Die Anlage besteht aus den folgenden Gebäudekomplexen:
- Untere Burg – der älteste Teil der Anlage, die sog. Kleine Burg mit dem Turm,
- Obere Burg – der zentrale Teil, gruppiert um den Dritten und Vierten Schlosshof,
- Mantelbrücke – mehrstöckige Überbrückung des Hirschgartens, verbindet das Schloss mit dem Theater und dem Schlossgarten,
- Barockes Schlosstheater – eines der wenigen erhaltenen Barocktheater weltweit, aus dem Jahr 1681,
- Sommerreitschule,
- Winterreitschule,
- Schlossgarten – besteht aus einem französischen Teil mit dem Kaskadenbrunnen und einem englischen Teil mit dem Lustschloss Bellarie und der Freilichtbühne.
Die in die Moldauschleifen eingebettete Innenstadt ist durch drei Brücken mit den anderen Stadteilen verbunden. Das Straßennetz und der regelmäßig angelegte Hauptplatz haben sich seit der Gründung der Stadt kaum verändert. Es gibt hier eine große Anzahl gut erhaltener Stadthäuser im Stil der Gotik und der Renaissance sowie einige barocke Gebäude.
Die Kirche St. Veit ist eine gotische dreischiffige Hallenkirche aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde sie erweitert und umgebaut.
Latrán ist ein historisches, nördlich der Innenstadt und direkt unterhalb der Burg gelegenes Stadtviertel. Mit der Innenstadt ist es durch die sog. Baderbrücke verbunden. Hier gibt es zahlreiche kleinere gotische Häuser. Weitere interessante Denkmäler sind das Budweiser Tor als das jüngste und zugleich das einzige erhaltene Tor der mittelalterlichen Stadtmauer, die Kirche St. Jodokus, die Schlossbrauerei (heute Brauerei Eggenberg) und das Minoritenkloster (heute Kloster der Kreuzherren mit dem Roten Stern).
4. Bibliographische Hinweise
Literatur
- Václav Bedřich et al: Příběh města Český Krumlov [Die Geschichte der Stadt Böhmisch Krumau] / Český Krumlov: Město Český Krumlov [Böhmisch Krumau: Die Stadt Böhmisch Krumau]. Český Krumlov 2009.
- Jan Müller: Český Krumlov. Burg und Schloss. Prag 1996.
- Věra Ptáčková (Hg.): Barokní divadlo na zámku v Českém Krumlově: sborník příspěvků pro odborný seminář v Českém Krumlově 27.09. – 30.09.1993 [Das Barocktheater in der Burg in Böhmisch Krumau: Sammelband zum Fachseminar in Böhmisch Krumau, 27.09.–30.09.1993]. Praha: Památkový ústav; České Budějovice: Divadelní ústav, 1993.
- Franz Alexander Heber: České hrady, zámky a tvrze. Třetí díl, Jižní Čechy [Böhmische Burgen, Schlösser und Festungen. Dritter Teil, Südböhmen]. Praha 2008.
- Karel Kuklík, Pavel Kuklík, Ivan Slavík: Český Krumlov. Praha 1996.
- Martin Gaži, Petr Pavelec: Český Krumlov: od rezidenčního města k památce světového kulturního dědictví [Böhmisch Krumau: Von der Residenzstadt zum Weltkulturerbe]. České Budějovice: Národní památkový ústav. Územní odborné pracoviště v Českých Budějovicích [Nationales Denkmalinstitut. Lokale Niederlassung in České Budějovice] 2010.
- Věra Mašková (1992): K odsunu uprchlíků a německého obyvatelstva z okresu Český Krumlov v letech 1945-1946. In: Výběr: Časopis pro historii a vlastivědu Jižních Čech 29 (1), S. 16–22.
- Petr Pavelec: Český Krumlov, eine zauberhafte Stadt in mitten Europas: Stadt- und Schlossführer. České Budějovice 2001.
- Pavel Slavko: The Castle Theatre in Český Krumlov. Český Krumlov: Foundation of the Baroque Theatre at the Castle in Český Krumlov. 2001.
- Záloha, Jiří: Der Bezirk Český Krumlov (Böhmisch Krumau) am Ende des Jahres 1938. In: Kontakte und Konflikte. Böhmen, Mähren und Österreich: Aspekte eines Jahrtausends gemeinsamer Geschichte. Hrsg. von Thomas Winkelbauer. Waidhofen an der Thaya 1993, 441–446.
Weblinks
- https://encyklopedie.ckrumlov.cz/de/mesto_histor_himeck/
- https://de.czech-unesco.org/cesky-krumlov/vorstellung/ (Krumlau auf den Seiten des tschechischen Unesco-Erbes)
- http://www.esac.cz/de/egon_schiele_art_centrum/ (Seite des Schiele Art Centrum)
- https://muzeumck.cz/(Regionalmuseum)
- https://www.herder-institut.de/bildkatalog/wikidata/Q605208 (Abbildungen zu Krumau im Bildarchiv des Herder-Instituts, Marburg)
Anmerkungen
[1] Jiří Záloha: Stručné dějiny Českokrumlovska [Kurze Geschichte der Region Böhmisch Krumau]. Český Krumlov 1983, S. 141.
[2] Jiřina Růžková u. a.: Okres Český Krumlov [Bezirk Krumau]. In: Historický lexikon obcí České republiky 1869-2001 (I. díl) [Historisches Lexikon der Gemeinden der Tschechischen Republik 1869–2001 (I. Teil)]. Hg. von Český statistický úřad, Praha 2006, S. 202–203.
Die letzten beiden Angaben: http://www.obyvateleceska.cz/%C4%8Desk%C3%BD-krumlov/%C4%8Desk%C3%BD-krumlov/545392
Zitation
Markéta Ederová: Krumau/Český Krumlov. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2024. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p43866 (Stand 21.10.2024).
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