Szegedin/Szeged

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Szegedin oder Segedin

Amtliche Bezeichnung

ung. Szeged

Anderssprachige Bezeichnungen

Lat. Partiscum, rum. Seghedin, serb. Сегедин/Segedin

Etymologie

Der Stadtname leitet sich von ung. sziget (Insel) ab.

2. Geographie

Lage

Szegedin liegt auf 46° 15′ nördlicher Breite, 20° 10′ östlicher Länge, etwa 170 km südöstlich von Budapest/Ofen und Pest nahe dem Dreiländereck Ungarns mit Serbien und Rumänien.

Topographie

Szegedin liegt im südlichen Teil der Großen Ungarischen Tiefebene am Unterlauf der Theiß (ung. Tisza), die etwa 120 km südlich von Szegedin auf dem Gebiet Serbiens in der Vojvodina in die Donau (ung. Duna) mündet. Östlich der Stadtgrenze mündet der Mieresch (ung. Maros) in die Theiß.

Region

Südliche ungarische Tiefebene, angrenzend an die Batschka und das Banat.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Ungarn; Komitat Csongrád; Sitz des Komitats Csongrád.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Wappen Szegedins besteht aus einem Halbrundschild mit beiderseitigen Einschnitten, gekrönt von einem Helm mit rechts und links wallendem Helmschmuck. Über dem Helm befindet sich eine Krone und auf dieser ein nach links gewendetes Lamm. Der Schild ist senkrecht zweigeteilt: Im linken Feld zeigt er zwei schräge silberne Streifen auf blauem Grund, die die Flüsse Theiß und Maros symbolisieren; im rechten Feld ist ein schwarzer Halbadler auf gelbem Grund mit einem Zepter in der Kralle abgebildet. Er ist seit der Regierungszeit König Sigismunds (reg. 1387–1437) Bestandteil des Wappens. Zepter und Krone stehen für den Rang Szegedins als königliche Freistadt, der Helm steht für ihre militärische Funktion und das Lamm für die freie Priesterwahl.

Frühgeschichte

Das Gebiet am Zusammenfluss von Theiss und Mieresch ist schon seit dem Neolithikum bewohnt. Die Flüsse sowie die hier verlaufenden Handelsstraßen sicherten der Siedlung eine vorteilhafte Position in Handel und Verkehr, während die aus den Sümpfen sich erhebende Anhöhe eine gute Voraussetzung für die Besiedlung bot.

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war Szegedin mit einer Einwohnerzahl von ca. 8.000–9.000 die drittgrößte Stadt auf heutigem ungarischem Boden nach Buda/Ofen und Pest und hatte eine fast ausschließlich ungarische Bevölkerung; es muss jedoch auch ein „deutsches Element“ vorhanden gewesen sein, denn 1464 war ein gewisser Ladislaus Osvald Stadtrichter, der Deutscher gewesen sein soll. 1785 war die Stadt auf 20.947 Einwohner angewachsen.[1]

1543 wurde Szegedin von den Osmanen besetzt. Zwar war die Stadt aufgrund ihrer Bedeutung privilegiert und zahlte die Steuern direkt an die Hohe Pforte, aber das bürgerliche Leben stagnierte weitgehend. Am 23. Oktober 1686 wurde die Stadt nach der Eroberung von Ofen am 2. September 1686 vom Sultan aufgegeben und wieder in das Königreich Ungarn integriert, blieb aber bis zum Frieden von Passarowitz/Požarevac 1718 eine Garnisons- und Grenzstadt, die in ihrer Entwicklung durch die militärischen Notwendigkeiten bestimmt wurde. Die Einrichtung der Stadtverwaltung wurde nach habsburgischem Muster durchgeführt und viele Stellen wurden mit Deutschen aus den habsburgischen Erbländern besetzt. Auch Juden siedelten sich in dieser Zeit in Szegedin an; die erste dokumentierte jüdische Bestattung fand 1794 statt. Der jüdische Friedhof wurde 1810 erweitert, 1831 ein neuer Friedhof an anderer Stelle errichtet. Die militärischen Einrichtungen wurden bis auf einen Rest der heute noch vorhandenen Burganlage abgerissen, als Szegedin nach der habsburgischen Eroberung des Banats (1716/17) den Status einer Grenzstadt verloren hatte. Am 21. Mai 1719 wurde sie in den Rang einer Freien Königlichen Stadt erhoben.

Nach der Inkorporation Szegedins in das habsburgische Ungarn im Zuge des „Großen Türkenkrieges“ gab es im 18. Jahrhundert eine nicht unbeträchtliche Einwanderung vor allem aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Es erhielten 218 Personen, unter ihnen Migranten aus Böhmen, Mähren und den südlichen österreichischen Erbländern, das Bürgerrecht. Dies waren vor allem Handwerker, während in anderen Teilen Ungarns Bauern den Hauptanteil unter den Einwanderern/Ansiedlern bildeten. 1703 kamen aus Gmunden „Schopper“ (ung. „super“) nach Szegedin, die als Schiffszimmerleute arbeiteten.

Stadtgeschichtlich von herausragender Bedeutung ist die große Überschwemmung im Jahre 1879, der gut rund 90 Prozent der Bauten und die gesamte Infrastruktur zum Opfer fielen. Die Stadt wurde mit internationaler Hilfe in den folgenden Jahrzehnten wieder aufgebaut, wovon noch heute die Benennung der Ringe zeugt (z. B. Bécsi körút [Wiener Ring], Párizsi körút [Pariser Ring], Római körút [Römischer Ring]). Zu dieser Zeit lebten in Szeged 1.682 Deutsche (Volkszählung von 1880).[2]

Im 21. Jahrhundert hat Szegedin ca. 160.000 Einwohner. Der Anteil der Ungarn liegt deutlich über 90 Prozent, als Deutsche bezeichnen sich weniger als ein Prozent.[3]

Wirtschaft

Aus Siebenbürgen wurden Holz und Salz importiert, später kam der Weinhandel hinzu. Im Umkreis der Siedlung – wie in der Puszta überhaupt – wurden Rinder gezüchtet und zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert von hier nach Deutschland und Italien getrieben. Der geschnitzte Kopf eines ungarischen Steppenrindes über dem Eingang des Ratssaales im Nürnberger Rathaus zeugt von der Bedeutung dieser Handelsware.

Der erste Jude, der sich nachweislich in Szegedin niederließ, war 1781 der Kaufmann Mihály Pollák. Auch weiterhin wurde Juden die Niederlassung in Szegedin ohne Bürgerrecht genehmigt. Sie wurden rasch zu einem bedeutenden Faktor im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der Stadt.

Szegedin war bis ins 19. Jahrhundert hinein ein wichtiges Zentrum für Schifffahrt und Werftbetrieb am Oberlauf der Theiß und zog daher immer wieder ausländische Fachleute an.

Von den Napoleonischen Kriegen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war Szegedin nach Budapest das zweitgrößte Zentrum der ungarischen Mühlenindustrie, da der Weizenanbau stetig an Bedeutung zugenommen hatte. Nicht wesentlich beeinträchtigt von dem Verlust großer Anbauflächen im Süden und Osten der Stadt nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Obstanbau um Szegedin, der wie die Lebensmittelindustrie den Lebensunterhalt seiner Bewohner sicherte. Von dieser ist heute nur noch die 1869 auf dem Gelände der Wiener Blaufärber-Dynastie Feldmayer gegründete Salamifabrik „Pick“ übriggeblieben, die weit über die Grenzen Ungarns hinaus bekannt ist.

Religions- und Kirchengeschichte

Szegedin gehörte im Mittelalter zum Erzbistum Kalocsa, erst Anfang des 18. Jahrhunderts wurde es Bischofssitz. Im 15. und 16. Jahrhundert bestanden in Szegedin vier Klöster (je eines der Dominikaner und Prämonstratensernonnen und zwei der Franziskaner).

1880 wurde der Bau einer neuen Domkirche beschlossen, die nach dem Ersten Weltkrieg in neoromanischem Stil errichtet und 1930 geweiht wurde. Sie ist einer der wenigen großen Kirchenneubauten Ungarns im 20. Jahrhundert.

Die 1843 errichtete Synagoge erwies sich im Laufe des 19. Jahrhunderts als zu klein für die seit dem späten 18. Jahrhundert bestehende jüdische Gemeinde. Der 1903 geweihte Neubau von Lipót Baumhorn (1860–1932) wurde im Holocaust nicht zerstört und ist heute die zweitgrößte Synagoge Ungarns.

Bildung, Wissenschaft und besondere kulturelle Institutionen

Ein gut funktionierendes konfessionelles Schulwesen, das seine Ursprünge im Mittelalter hatte, gab es in der Stadt auch während der „Türkenherrschaft“. 1722 wurde ein Gebäude für die ungarische Schule errichtet, dem 1735 der Bau für die deutsche Schule folgte. 1739 wurde noch eine „dalmatische“ (serbokroatische) Schule eingerichtet. 1775 wurden die drei Bildungseinrichtungen zusammengelegt, der Unterricht wurde in allen drei Sprachen erteilt. Die Piaristen unterrichteten ab 1710 in der Stadt in einem eigenen Gymnasium. Die Mitte des 18. Jahrhunderts kann daher als Blütezeit der Bildung in Szegedin bezeichnet werden. In dieser Zeit wies das Gymnasium der Piaristen die höchste Schülerzahl im Land auf. Durch die Einschränkung des Einflusses der katholischen Orden auf das Bildungswesen, die Kaiser Joseph II. (1741–1790) in den 1780er Jahren verfügte (Mittellose wurden dadurch stärker vom Unterricht ausgeschlossen, Deutsch wurde zur Pflichtsprache erklärt), kam es insgesamt zu spürbaren Einschnitten im Bildungswesen der Stadt.

Joseph Kaschnitz (1759–1790), Piaristenpater und Lehrer in Szegedin, verfasste die „Ode auf die zu Szegedin 1785 aufsteigende Montgolfiére“ (Pest 1785) sowie eine Rede an Kaiser Joseph II. (Pest 1786) und eine Abhandlung zur Erziehung der Jugend (Pest 1787).

1806/1807 fanden im städtischen Theater Aufführungen von Stücken von August von Kotzebue (1761–1819), Friedrich Ulrich Ludwig Schröder (1744–1816) und Emanuel Schikaneder (1751–1812) statt; danach wurden die Aufführungen wegen baulicher Schäden vorübergehend eingestellt. Es gab auch ein Wandertheater, das deutschsprachige Stücke aufführte. Ab 1816 spielte das Ensemble von Ádám János Láng (1772–1847) in Szegedin; er war einer der herausragenden Interpreten des Pester Deutschen Theaters. Im sogenannten Reformzeitalter (ähnlich dem Vormärz) ging die Bedeutung des Deutschen als gleichberechtigte Sprache in Ungarn zurück, das Deutsche Theater wurde eingestellt.

Die heutige Universität (ab 1962 József-Attila-Universität) ist die Nachfolgeinstitution der Ferenc-József [Franz-Joseph]-Universität im siebenbürgischen Klausenburg, die 1872 gegründet worden war und ihre Ursprünge auf ein 1581 etabliertes Jesuiten-Kolleg zurückführt. Im Friedensvertrag von Trianon wurde das seit 1918 rumänisch besetzte Klausenburg Rumänien zugesprochen, daher flohen die meisten magyarischen Professoren und Studenten, die von der 1921 gegründeten Universität Szegedin aufgenommen wurden. Heute hat sie etwa 30.000 Studierende mit zwölf Fakultäten, darunter auch die Fakultät für Allgemeinmedizin. Diese wird zunehmend auch von Studierenden aus Deutschland und Österreich besucht.

Die in Szegedin ebenfalls neugegründete Universitätsbibliothek konnte aus aufgelösten Szegediner Ordensbibliotheken der Franziskaner, Piaristen und Minoriten 3.742 Altdrucke erwerben, unter denen sich zahlreiche Humanistica und einige Inkunabeln befinden. Der älteste Druck ist eine 1476 in Venedig gedruckte, von den Frankfurter Verlegern Franz Renner und Nikolaus von Frankfurt herausgegebene Bibel. Auch eine von Anton Koberger 1487 in Nürnberg gedruckte Bibel und einige andere Inkunabeln zeugen von dem Wissensstand der Kleriker in Szegedin. Zu den bedeutenden Werken gehört eine 1562 gedruckte Grammatik von Philipp Melanchthon (1497–1560), die möglicherweise aus einem Besitz in Brilon im Sauerland stammt und schließlich über Siebenbürgen in den Orden der Szegediner Minoriten und dann in die dortige Bibliothek der Franziskaner gelangte. In der ebenfalls integrierten Sammlung der Familie Esterházy aus Marcaltő (Komitat Veszprém) befinden sich zahlreiche fremdsprachige Werke, darunter 990 deutsche Titel des 19. Jahrhunderts.

Die heutige Somogyi Károly-Komitatsbibliothek gründet sich auf eine Schenkung des Domherrn Károly Somogyi (1811–1888), der der Stadt Szegedin nach der verheerenden Flut von 1879 seine wissenschaftlich wertvolle Bibliothek von 43.701 Bänden schenkte. Unter den 36 Inkunabeln der Sammlung stammt die älteste aus dem Jahr 1473. Somogyi war ein Gelehrter mit enzyklopädischen Bestrebungen, dementsprechend enthält seine Bibliothek zu 75 Prozent fremdsprachige Literatur, davon sind 25 Prozent in deutscher Sprache. Der Bestand enthält Bücher aller Fachgebiete, natürlich viele Theologica, darunter eine große Anzahl von Werken der Reformationsliteratur.

Kunstgeschichte

Spuren mittelalterlicher süddeutscher Architektur sind in der Oskola-Straße zu sehen (Türkenbasar, Demjén-Haus), die die Bauweise des reichen Bürgertums repräsentiert. Neueren Erkenntnissen zufolge wurde das Gebäude zwar im 18. Jahrhundert errichtet, der Keller kann aber aus dem Mittelalter stammen.

Die mittelalterliche Bebauung der Stadt wurde während der osmanischen Herrschaft zerstört. Einzig das Franziskanerkloster von 1503 blieb erhalten, dessen Kirche als die größte christliche Kirche im unmittelbaren osmanischen Herrschaftsgebiet galt. Nur osmanische Bauwerke wurden neu errichtet (in zeitgenössischen Quellen werden eine Burg, eine Moschee, ein Bad und ein Serail genannt), christliche Bauten wurden vernachlässigt.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

László Blazovich (Hg.): Magyar Várostörténeti Atlasz 3. Hungarian Atlas of Historic Towns No. 3. Szeged 2014.

László Blazovich: Szeged rövid története [Kurze Geschichte der Stadt Szegedin]. Szeged 2007 (Dél-Alföldi Évszázadok 21).

László Blazovich, Attila Marosvári (Hg.): Along three Rivers. Millenary album of County Csongrád. Szeged 2001.

Detlef Haberland/András Varga: Zu einem raren Melanchthon-Druck der Universitätsbibliothek Szeged. In: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte, 39. Jg. (2014), H. 2, S. 153–163.

Detlef Haberland, András Varga: Die Inkunabeln der Klebelsberg-Bibliothek Szeged / A Szegedi Tudományegyetem Klebelsberg Könyvtár Ősnyomtatványai. Szeged 2017.

Judit P. Vásárhelyi (Bearb.): Ungarn. Hildesheim, Zürich, New York 1998 (Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa 5), S. 228–241.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Blazovich, S. 233.

[2] I. Szabó: Magyarország népessége az 1330 és az 1526. évek között [Die Bevölkerung Ungarns zwischen den Jahren 1330 und 1526]. In: Magyarország történeti demográfiája [Historische Demographie Ungarns], hg. J. Kovacsics, Budapest, 1963. S. 95–97. Szeged története [Geschichte von Szegedin]. Bd. I, hg. Gy. Kristó, Szeged, 1983, S. 450.

[3] 2019: 160.766; Magyarország közigazgatási helynévkönyve, 2019. január 1., Gazetteer of Hungary, 1st January 2019. KSH, 2019. www.ksh.hu/docs/hun/hnk/hnk_2019.pdf (Zugriff: 04.01.2021).

Zitation

László Blazovich, Detlef Haberland: Szegedin/Szeged. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2021. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32464 (Stand 30.07.2021).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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