Wien

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Wien

Amtliche Bezeichnung

Wien

Anderssprachige Bezeichnungen

engl., ital. Vienna; franz. Vienne; tschech. Vídeň; slowak. Viedeň; ung. Bécs; slowen. Dunaj; poln. Wiedeń

Etymologie

Der Name leitet sich vom gleichnamigen Fluss „Wenia“ (heute: Wien) ab, der erstmals in den Salzburger Annalen im Jahr 881 erwähnt wird.

2. Geographie

Lage

Wien liegt auf 48° 12′ nördlicher Breite und 16° 22′ östlicher Länge, etwa 35 km westlich der Grenze Österreichs zur Slowakei.

Topographie

Die Stadt schließt an die nördlichsten Ausläufer des Ostalpenrandes (Wienerwald) an und liegt im Übergang zur pannonischen Tiefebene an der Donau.

Region

Mitteleuropa/Zentraleuropa

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Österreich. Bundesland Wien, Bundeshauptstadt.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Wappen besteht aus einem roten Schild, welches von einem weißen Kreuz durchzogen wird. Es ist in der Mitte der Stadtflagge zu sehen, die zu gleichen Teilen aus einem oberen roten und einem unteren weißen waagrechten Balken besteht.

Beinamen

In der Wiener Mundart wird die Stadt „Wean“ genannt.

„Goldener Apfel der Deutschen“ ist eine osmanische Bezeichnung für Wien, die sich vom Reichsapfel und christlichen Symbolen ableitet.

Vor- und Frühgeschichte

Zu den wichtigsten Fundstellen, die auf eine Besiedlung im Neolithikum verweisen, zählt das Radiolaritbergwerk im 23. Wiener Gemeindebezirk, in dem der Abbau von Hornstein betrieben wurde. Die Siedlungen im Wiener Raum profitierten von einer vermehrten Handelstätigkeit. Die größte Siedlung der jüngeren Eisenzeit, welche in der Latènezeit eine weitere Ausdehnung erfuhr, ist am Leopoldsberg nachweisbar.

Im ersten Jahrhundert n. Chr. kam es zur Besiedlung des Wiener Raums durch die Römer, welche zum Schutz der Grenzen das Militärlager Vindobona („Gut des Vindo“) im Bereich des 1. Gemeindebezirks errichteten und unter Kaiser Domitian (51−96 n. Chr., reg. ab 81) zum Legionslager ausbauten. Ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. ist im Bereich des 3. Gemeindebezirks die Existenz einer römischen Zivilstadt nachweisbar.

Mittelalter

Nach dem Zerfall des römischen Imperiums und der Zeit der Völkerwanderungen kam es im Wiener Raum erst wieder im Hochmittelalter zur Errichtung von größeren Ansiedlungen.[1]

Gräberfelder im heutigen Stadtgebiet zeugen von der Herrschaft der Awaren über den Wiener Raum vom 7. Jahrhundert bis zur Eroberung durch Karl den Großen (gest. 814) am Ende des 8. Jahrhunderts. 907 gelangte der Wiener Raum unter ungarische Herrschaft. Nach dem Sieg Kaiser Ottos I. (912−973) über die Ungarn 955 kam es zur Etablierung der marcha orientalis (lat., östliche Mark) im Donauraum, die in den darauffolgenden Jahren ihre Grenzen immer weiter gegen Osten verschob.

Wien gewann während des 11. Jahrhunderts als Verwaltungssitz und Markt an Bedeutung. Heinrich II. aus dem Haus der Babenberger (1107−1177) erhielt 1156 von Kaiser Friedrich I. (1122−1190) als Ausgleich für den Verlust Bayerns das Herzogtum Österreich als Lehen. Die gesicherten Verhältnisse der nachfolgenden Jahrzehnte führten zu einem raschen Landesausbau. Nach dem Tod des letzten Babenbergers, Friedrichs II. (1211−1246), und Kaiser Friedrichs II. (1194−1250) unterwarf sich Österreich 1251 Ottokar Přemysl (1232−1278) von Böhmen. Dieser musste 1275, nach einer Belagerung Wiens durch Rudolf von Habsburg (1218−1291), seine Ansprüche auf die Stadt aufgeben. Im 14. Jahrhundert erlebte die Stadt einen neuerlichen Aufschwung, der unter Rudolf IV. (1339−1365) weiter anhielt. Nach dem Tod Herzog Albrechts II. (1397−1439) kam es zu Erbschaftsstreitigkeiten, die in den nachfolgenden Jahren einen Bürgerkrieg in Wien zur Folge hatten. Diesem Konflikt folgten weitere Kriege, die 1477 zur Belagerung und 1485 zur Eroberung Wiens durch den ungarischen König Matthias Corvinus (1443−1490) führten. Nach dessen Tod ging die Stadt wieder in habsburgischen Besitz über.

Neuzeit

Die Regentschaft Ferdinands I. (1503−1564, Erzherzog ab 1521) war von der Bedrohung durch das Osmanische Reich geprägt, welche 1529 ihren ersten Höhepunkt mit der erfolglosen Belagerung Wiens erreichte. Die Stadt war seit 1527 Sitz der kaiserlichen Zentralbehörden sowie seit 1510 des Niederösterreichischen Landtages. Der Reichshofrat und die Reichshofkanzlei entstanden 1556 und sollten bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (1806) bestehen bleiben. Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges wurde ein Teil der Vorstädte zweimal (1619, 1645) von protestantischen Truppen geplündert. Die Jahre zwischen 1671 und 1711 waren durch die Magnatenverschwörung und den Aufstand des Fürsten Franz II. Rákóczi (1676−1735) geprägt. In diese Zeit fiel auch die zweite Türkenbelagerung Wiens, die im September 1683 mit der Schlacht am Kahlenberg endete. Die Verteidigung Wiens gelang durch ein christliches Entsatzheer unter Führung des polnischen Königs Johann III. Sobieski (1629−1696). Die daran anschließenden militärischen Erfolge der habsburgischen Truppen in Ungarn brachten für Wien einen neuerlichen Aufschwung, der sich unter anderem in einer starken Bautätigkeit zeigte. Im 18. Jahrhundert wurde Wien zu einem Ort der internationalen Diplomatie. Eine große Zahl an Friedensverträgen wurde hier ausgehandelt. Im Zuge des dritten Koalitionskrieges besetzten 1805 französische Truppen die Stadt, ehe diese 1809 erneut zum Kriegsschauplatz werden sollte. Nach dem Sieg der Koalition über Frankreich regelte der 1814/15 stattfindende Wiener Kongress die Neuordnung Europas, die im Wesentlichen bis zum Ersten Weltkrieg Bestand haben sollte und die Landkarte Ostmitteleuropas durch die Reduzierung Polens auf das sog. Kongress-Polen prägte. Die Revolution von 1848 führte zu einem gesellschaftlichen Umbruch und brachte eine neue Staatsverwaltung in der Donaumonarchie hervor. Ab 1857 kam es zu einem weiteren Bauboom und architektonischen Veränderungen des Stadtbildes. 1873 fand in Wien die fünfte Weltausstellung statt.

Zeitgeschichte

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, der für die Stadtbevölkerung Unterernährung und Entbehrungen gebracht hatte, kam es aufgrund der schlechten Versorgungslage zu Aufständen. Der Herbst 1918 brachte als bedeutenden Einschnitt[1] das Ende der Habsburgermonarchie. Die Jahre der Ersten Republik (1918−1938) waren von ungünstigen Wirtschaftsverhältnissen geprägt. Auf politischer Ebene gewann der Austromarxismus an Einfluss, und Wien wurde zu einem Paradebeispiel sozialdemokratischer Verwaltung. Dies änderte sich 1934, als es nach der Auflösung des Parlaments zum Bürgerkrieg und zur Errichtung des Ständestaates gekommen war. 1938 erfolgte der Anschluss ans Deutsche Reich. Unter nationalsozialistischer Herrschaft kam es zur Verfolgung und Deportation von Juden sowie politischer und sozialer Gruppen. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs erfuhr die Stadt erhebliche Zerstörungen. Von 1945 bis 1955 war das Stadtgebiet auf die vier alliierten Besatzungsmächte aufgeteilt. Die Versorgung mit Lebensmitteln konnte nur unzureichend gesichert werden. Ab 1948 erhielt Österreich Unterstützung aus den Mitteln des Marshall-Plans, der den Wiederaufbau wesentlich begünstigte. 1955 verpflichtete sich Österreich zur Neutralität; seit 1995 ist es Mitglied der Europäischen Union.

Verwaltung

Das älteste Wiener Stadtrechtsprivileg wurde am 18. Oktober 1221 ausgestellt. Damit übertrug der Landesherr die Ausführung der Herrschaftsrechte teilweise auf die Bürgergemeinde. Das oberste Gremium der städtischen Verwaltung bildete der Stadtrat. Das Amt magister civium (Bürgermeister) wird erstmals 1282 erwähnt. 1396 kam es zur Ausstellung des sogenannten Ratswahlprivilegs. Darin wurde festgelegt, dass sich der Stadtrat zu gleichen Teilen aus Bürgern, Kaufleuten und Handwerkern zusammensetzen sollte. 1526 wurde die Stadtordnung erneuert. 1783 wurde durch die josephinische Magistratsreform die Stadtverwaltung grundlegend verändert. Diese blieb bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Kraft, ehe die Ereignisse des Jahres 1848 ein neues Gemeindegesetz und eine neue Gemeindeordnung hervorbrachten. Nach 1945 wurde die Wiener Stadtverwaltung von einer alliierten Kommandantur, bestehend aus Repräsentanten der vier Besatzungsmächte, geführt.

Heute nimmt der Wiener Gemeinderat auch die Agenden des Landtages wahr, und der Stadtsenat bildet das oberste Gremium der Verwaltung.

Bevölkerung

Für frühe Jahrhunderte kann die Einwohnerzahl Wiens und seiner Vorstädte (heute Teil des Stadtgebietes) nur ungenau ermittelt werden. So wurde etwa für den Beginn des 14. Jahrhunderts eine Bevölkerung von rund 22.000 Menschen geschätzt. Aufzeichnungen über die Zusammensetzung der Bevölkerung belegen, dass im 15. Jahrhundert rund 44 % der Einwohner aus Böhmen, Mähren, der Slowakei, Ungarn sowie den südlichen Landesteilen der Monarchie stammten.[3] Nach der zweiten Türkenbelagerung erlebte Wien eine Epoche raschen Bevölkerungswachstums.

Von der Mitte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts stieg die Bevölkerung um mehr als ein Drittel auf 230.000 Einwohner an. Entscheidenden Beitrag dazu leistete die Ansiedlung von, in erster Linie, Handwerkern aus dem süddeutschen und bayerischen Raum.[4] Nach dem Ende der Koalitionskriege kam es zu einem erneuten Anwachsen der Bevölkerung, wobei auch der Anteil an Personen, die nicht in Wien geboren worden waren, stieg. Mitte des 19. Jahrhunderts traf dieser Umstand auf rund 50 % der Einwohner zu. Zuwanderer aus Böhmen und Mähren machten den größten Anteil in dieser Gruppe aus, während auf Einwanderer aus dem Gebiet des Deutschen Bundes 12 % entfielen.[5] Am Beginn des 20. Jahrhunderts lebten über 2 Millionen Menschen in Wien, wobei der Anteil der Migranten bei 65 % lag.[6] Damit war Wien nicht nur Haupt- und Residenzstadt, sondern auch multiethnisches Zentrum des habsburgischen Vielvölkerstaates.

Einen bedeutenden demographischen Einschnitt stellte der Erste Weltkrieg dar. Bis 1923 war die Zahl der Bevölkerung auf rund 1,8 Millionen gesunken.[7] Den tiefsten Bevölkerungsstand in den Jahren der Zweiten Republik erreichte Wien 1987 mit unter 1,5 Millionen Einwohnern. Seither stieg die Bevölkerungszahl kontinuierlich an und betrug 2014 1.781.042 Einwohner.[78

Wirtschaft

Bereits im Mittelalter war die Stadt aufgrund ihrer geographischen Lage für den Handel zwischen West und Ost von Bedeutung. Besonders der Donauhandel und das 1221 verliehene Stapelrecht beeinflussten, neben dem Vorhandensein von Handelswegen nach Venedig, die wirtschaftliche Entwicklung. Tuchhandel, Textil- und Bekleidungsgewerbe stellten die größten Branchen dar. Noch im ausgehenden 18. Jahrhundert entfielen 40 % aller Betriebe auf diese Gewerbe. Auftretende Wirtschaftskrisen (1811, 1873) hemmten die städtische Entwicklung, während die Aufhebung des Zunftwesens 1859 die Bedeutung Wiens als Industriestandort begünstigte. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte erneut Wirtschaftskrisen, Depression und Phasen der Unterversorgung mit sich, ehe sich die Situation ab den 1950er Jahren zu verbessern begann.

Religions- und Kirchengeschichte

Auf eine frühe Phase der Stadtentwicklung gehen die Kirchen St. Ruprecht und St. Peter zurück. Der Dom wurde 1137 als Pfarrkirche St. Stephan errichtet. Der Bau der Kirche Maria am Gestade ist demselben Jahrhundert zuzurechnen. Das Schottenkloster gilt als ältestes Kloster Wiens; es wurde 1155 gegründet. Ihm folgten Niederlassungen des Deutschen Ordens, der Johanniter sowie diverser Bettel- und Frauenorden. Für die Stadtgeschichte von Bedeutung waren ferner die 1551 nach Wien berufenen Jesuiten sowie die 1599 angesiedelten Kapuziner. Ab 1614 waren auch die Barmherzigen Brüder in Wien beheimatet.

1469 wurde Wien zum Bistum erhoben. Im Kontext der Reformation standen dem weitgehend katholisch dominierten Stadtrat die protestantischen Landstände des Umlandes gegenüber. 1523 wurden lutherische Bücher verboten. 1528 kam es zur Verfolgung und Hinrichtung von Täufern. Die Habsburger förderten die katholische Konfessionalisierung der Stadt, die jedoch erst nach der Schlacht am Weißen Berg (Bilá Hora) 1620 durchgesetzt werden konnte.

Unter Kaiser Karl VI. (1685−1740) wurde Wien 1722 zum Erzbistum erhoben. Unter Kaiser Joseph II. (1741−1790) kam es zu Klosteraufhebungen und einer Neuordnung der Pfarren im heutigen Stadtgebiet. Die rechtliche Stellung der Lutheraner, Calvinisten, orthodoxen Christen und Juden änderte sich 1781 und 1782 durch die erlassenen Toleranzpatente. Während für das 16. und 17. Jahrhundert keine Angaben zur Zahl der Protestanten im heutigen Stadtgebiet gemacht werden können, lassen sich auf der Grundlage der Volkszählung von 1869 21.200 Protestanten nachweisen.[9]

Bereits im 12. Jahrhundert ist die Existenz eines jüdischen Ghettos in der Stadt belegt. 1421 kam es im Zuge der Hussitenkriege zu Judenverfolgungen. Um 1615 wurden rund 300 Juden in der Stadt gezählt, im weiteren Verlauf wuchs die Gemeinde auf 1.346 Mitglieder an, bis sie 1670 erneut vertrieben wurde. Am Ende des 18. Jahrhunderts ist von rund 900 Juden auszugehen, deren Anzahl bis 1848 auf etwa 5.000 stieg und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf rund 10 % der Wiener Bevölkerung anwuchs.[10]

Assimilierte Juden, die sich mit der österreichischen Kultur und der deutschen Sprache identifizierten, lebten im gesamten Stadtgebiet. Zentrum des (ost)jüdischen Lebens in Wien wurde die Leopoldstadt, in der auch Synagogen der verschiedenen zugewanderten Nationalitäten und Gruppierungen entstanden, so etwa der „Türkische Tempel“ der sephardischen Juden. Der Schriftsteller und Journalist Theodor Herzl (1860–1904) reagierte auf den zunehmenden Antisemitismus mit seiner Publikation „Der Judenstaat“ (1896) und wurde zum Begründer des politischen Zionismus.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich war in Wien die von Adolf Eichmann 1938 gegründete „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ tätig, „von der aus ihre [i. e. der Juden] Ausgrenzung aus dem Wirtschafts- und Sozialleben und später die Deportierung geleitet wurde. Die Zentralstelle bildete die administrative Keimzelle für den Holocaust.“[11]

Die erste Freimaurerloge Aux Trois Canons wurde 1742 gegründet und bereits im darauffolgenden Jahr wieder aufgelöst. 1770 kam es zur erneuten Gründung von Freimaurerlogen, die bis zum neuerlichen Verbot 1793 bestanden. Weitere Logen entstanden erst ab 1918.

Architektur und Kunstgeschichte

Die Bautätigkeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert war geprägt durch die gegenreformatorischen Bestrebungen des 17. Jahrhunderts sowie das Repräsentationsbedürfnis der Stände und des Kaiserhauses, in deren Diensten sich bedeutende Architekten und Künstler wie Lucas Cranach der Ältere (1472−1553), Pietro Ferrabosco (1512−1588), Franz Anton Maulbertsch (1724−1796) und Niccolo Pacassi (1716−1790) befanden. So erfolgte etwa 1575 der Bau des Amalientraktes der Hofburg sowie zwischen 1624 und 1627 die Errichtung der Lorettokapelle über der Herzgruft der Habsburger in der Augustinerkirche. 1667 wurde der von Filiberto Lucchese (1606−1666) entworfene Leopoldinische Trakt der Hofburg fertiggestellt. In derselben Zeit entstand eine große Zahl von repräsentativen Stadtpalais von Angehörigen des hohen Adels. Der barocke Baustil erlebte noch einmal während des Baubooms nach 1683 eine Blütezeit.

1656 gelangte die rund 1.400 Werke umfassende Gemäldesammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm (1614−1662) nach Wien und wurde in der Stallburg aufgestellt. Aus dieser sollte sich gemeinsam mit den Sammlungen von Erzherzog Ferdinand II. (1529−1595) und Kaiser Rudolf II. (1552−1612) die Gemäldegalerie im heutigen Kunsthistorischen Museum entwickeln.

Nach den Zerstörungen während der Stadtbesetzung durch Napoleon (1769−1821) beschloss Kaiser Franz II./I. (1768−1835) den Rückbau der Befestigungsanlagen, deren endgültige Schleifung jedoch erst 1857 unter Kaiser Franz Joseph (1830−1916) vorgenommen wurde. Dies sollte den Ausbau der Ringstraße ermöglichen, deren offizielle Eröffnung am 1. Mai 1865 erfolgte. In den nachfolgenden Jahren kam es zur Errichtung bedeutender Bauwerke, zu denen unter anderem das Wiener Rathaus (1872−1883 durch Friedrich von Schmidt [1825−1891]), die Universität (1873−1884 durch Heinrich Ferstel [1828−1883]), das Burgtheater (1874−1888 durch Gottfried Semper [1803−1879] und Karl Freiherr von Hasenauer [1833−1894]), das Parlament (1874−1883 durch Theophil Hansen [1813−1891]), die Staatsoper (1861−1869 durch August Sicard von Sicardsburg [1813−1868] und Eduard van der Nüll [1812–1868]) sowie das Kunst- und Naturhistorische Museum (1871−1881 durch Gottfried Semper und Karl Freiherr von Hasenauer) zählen. 

Um 1900 wurde die Stadt mit der Wiener Secession und der Wiener Werkstätte zu einem der europäischen Zentren des Jugendstils. Künstler wie Gustav Klimt (1862–1918), Josef Hoffmann (1870–1956), Carl Moll (1861–1945) und Koloman Moser (1868–1918), Oskar Kokoschka (1886–1980) und Egon Schiele (1890–1918), die Architekten Otto Wagner (1841–1918) und Adolf Loos (1870–1933) wirkten in Wien.

Musik

Ab dem 17. Jahrhundert gewannen die Oper, das Ballett und das Singspiel neben der bislang dominierenden Kirchen- und Tafelmusik an Bedeutung. Ausländische Musiker, allen voran Niederländer und Italiener, prägten die Musik dieser Zeit.

Unter Kaiser Karl VI. (1685−1740, reg. ab 1711) wurde die höfische Musik besonders gefördert. Neben dem Kaiserhof waren vor allem der Adel und die katholische Kirche über lange Zeit die führenden Auftraggeber bedeutender Komponisten, zu denen neben Joseph Haydn (1732−1809) und Wolfgang Amadeus Mozart (1756−1791) auch Ludwig van Beethoven (1770−1827) und Franz Schubert (1797−1828) zählten. Die Entwicklung der klassischen Kammermusik nahm in diesen Jahren ihren Ausgang.

Im 19. Jahrhundert trat die Unterhaltungs- und Tanzmusik in den Vordergrund. Unter den führenden Vertretern ist neben Joseph Lanner (1801−1843) auch die Familie Strauß, als deren berühmteste Mitglieder Johann Strauß Vater (1804−1849) und Johann Strauß Sohn (1825−1899) gelten können, zu nennen. In denselben Jahren entstand, besonders durch die Kompositionen Franz von Suppés (1819−1895), die Wiener Operette als neues Musikgenre.

Bedeutende Institutionen jener Zeit waren die 1812 eingerichtete Gesellschaft der Musikfreunde in Wien sowie die 1842 gegründeten Philharmonischen Konzerte. Komponisten wie Gustav Mahler (1860–1911), Arnold Schönberg (1874–1951), Alban Berg (1885–1935) und Anton von Webern (1883–1945) lebten und schufen in Wien.

Besondere kulturelle Institutionen

Zu den bedeutendsten Kulturinstitutionen Wiens zählen Museen und Galerien:

sowie Theater und Konzerthäuser: Burgtheater Wien (www.burgtheater.at),

Literatur und Wissenschaft

Prägend in der Biedermeierzeit war das Alt-Wiener Volkstheater mit Ferdinand Raimund (1790–1836) und Johann Nestroy (1801–1862); vielgespielte Volks- und Lokalstücke verfassten auch Eduard von Bauernfeld (1802–1890) und Ludwig Anzengruber (1839–1889). Als bedeutendste Dichter Wiens im 19. Jahrhundert gelten die Dramatiker Franz Grillparzer (1791–1872) und, aus Norddeutschland stammend, Friedrich Hebbel (1813–1863). Eine Brücke zur Moderne schlug der Erzähler und Lyriker Ferdinand von Saar (1833–1906). Die Genres Theaterkritik und Feuilleton beherrschten im Wien des 19. Jahrhunderts Eduard Hanslick (1825–1904), Ludwig Speidel (1830–1906) und Ludwig Hevesi (1843–1910). Um die Jahrhundertwende machten Literaten und Journalisten die Stadt zum Zentrum der „Kaffeehausliteratur“; Protagonisten der Gruppe „Jung-Wien“ waren Peter Altenberg (1859–1919), Hermann Bahr (1863–1934), Hugo von Hofmannsthal (1874–1929), Karl Kraus (1874–1936), Felix Salten (1869-1945), Arthur Schnitzler (1862–1931), Stefan Zweig (1881–1942) und andere; Robert Musil (1880–1942) und Joseph Roth (1894–1939) standen ihr nahe; Alfred Polgar (1873–1955), Egon Friedell (1878–1938), Hans Weigel (1908–1991), Friedrich Torberg (1908–1979) oder Hilde Spiel (1911–1990) setzten die Tradition fort. Wiener Örtlichkeiten beschrieb Heimito von Doderer (1896–1966); lyrische Milieustudien schrieb, dem Nationalsozialismus nahestehend, Josef Weinheber (1892–1945). Für den Nobelpreisträger Elias Canetti (1905–1994) war Wien Kulturmittelpunkt und zweite Heimat. Mit Sprache experimentierten die Lyriker der „Wiener Gruppe“ um H. C. Artmann (1921–2000), Ernst Jandl (1925–2000) und Friederike Mayröcker; politisch engagierte Lyrik schrieb Erich Fried (1921–1988). Gesellschaftskritik prägt die Dramen und Romane der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek oder von Robert Menasse. Meister der Wiener Kleinkunst waren Helmut Qualtinger (1928–1986) und Georg Kreisler (1922–2011).

In der Philosophie diskutierten Fragen der Logik und Wissenschaftstheorie der „Wiener Kreis“ mit Moritz Schlick (1882–1936) sowie, diesem nahestehend, Ludwig Wittgenstein (1889–1951). Aus Wien stammte der Religionsphilosoph Martin Buber (1878-1965). Der Wiener Psychiater Sigmund Freud (1856–1939) begründete die Psychoanalyse; neben ihm vertraten Alfred Adler (1870-1937) und Viktor E. Frankl (1905–1997) die „Wiener Schule“ in der Psychologie. In der Medizin verbinden sich mit dem Begriff „Wiener Schule“ Namen wie Carl von Rokitansky (1804–1878) und Johann von Oppolzer (1808–1871).

4. Diskurse/Kontroversen

In einem 2013 vorgelegten Bericht machte eine Historikerkommission unter der Leitung von Oliver Rathkolb darauf aufmerksam, dass von den 4.379 personenbezogenen Straßennamen in Wien 3,6 % als historisch bedenklich eingestuft werden müssen. 28 Fälle davon gelten als besonders diskussionswürdig, da die entsprechenden Personen unter anderem mit Antisemitismus oder dem Nationalsozialismus in Verbindung stehen.[12]

Ähnliche Kontroversen lassen sich im Zuge der Aufarbeitung des Nationalsozialismus unter anderem im Opfer/Täter-Diskurs, ausgelöst durch die Waldheim-Kontroverse, oder der Erforschung der Erinnerungskultur der Zweiten Republik finden.

5. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Peter Csendes, Ferdinand Opll (Hg.): Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung (1529).  Wien 2001. URL: e-book.fwf.ac.at/o:230 (Abruf: 07.11.2015).
  • Dieter Hecht, Eleonore Lappin-Eppel, Michaela Raggam-Blesch (Hg.): Topographie der Shoah. Gedächtnisorte des zerstörten jüdischen Wien [Mit einem Vorwort von Heidemarie Uhl]. Wien 2015.
  • Peter Csendes, Ferdinand Opll (Hg.): Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Wien 2007. URL: e-book.fwf.ac.at/o:229 (Abruf: 07.11.2015).
  • Ingrid Mittenzwei: Zwischen Gestern und Morgen. Wiens frühe Bourgeoisie an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Wien, Köln, Weimar 1998 (Bürgertum in der Habsburgermonarchie 7).
  • Karl Vocelka, Anita Traninger (Hg.): Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 2: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert). Wien 2003. URL: e-book.fwf.ac.at/o:152 (Abruf: 07.11.2015).
  • Andreas Weigl (Hg.): Wien im Dreißigjährigen Krieg. Bevölkerung – Gesellschaft – Kultur – Konfession. Wien 2001 (Kulturstudien 32).

Periodika

  • Fundort Wien. Berichte zur Archäologie (FWien), 1998ff., herausgegeben von den Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie.
  • Wiener Geschichtsblätter, 1946ff., herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Wien.

Weblinks

Anmerkungen

[1] Vgl. Ortolf Harl: Die Römerzeit. In: Csendes, Opll (Hg.): Wien. Bd. 1, S. 25−48, hier S. 48.

[2] Vgl. Stefan Zweigs „Die Welt von gestern“. Frankfurt am Main 1985.

[3] Richard Perger: Die Bewohner. In: Csendes, Opll (Hg.): Wien. Bd. 1, S. 206−212, hier S. 208.

[4] Andreas Weigl: Frühneuzeitliches Bevölkerungswachstum. In: Vocelka, Traninger (Hg.): Wien. Bd. 2, S. 109−132, hier S. 110−111.

[5] Bertrand Michael Buchmann: Demographie und Gesellschaft. In: Csendes, Opll (Hg.): Wien. Bd. 3, S. 15−46, hier S. 22−23.

[6] Wolfgang Maderthaner: Von der Zeit um 1860 bis zum Jahr 1945. In: Csendes, Opll (Hg.): Wien. Bd. 3, S. 175−544, hier S. 178.

[7] Bundesamt für Statistik (Hg.): Statistisches Handbuch für die Republik Österreich, IV. Jahrgang. Wien 1924.

[8] Statistik Austria (Hg.): Jahresdurchschnittsbevölkerung seit 1952 nach Bundesland. Wien 2015. URL: www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/bevoelkerungsstand_und_veraenderung/bevoelkerung_im_jahresdurchschnitt/022312.html (Abruf 03.12.2015).

[9] Bertrand Michael Buchmann: Kultus und Kultur. In: Csendes, Opll (Hg.): Wien. Bd. 3, S. 149−157, hier S. 153.

[10] Buchmann: Kultus und Kultur (Anm. 8), S. 155−157.

[11] Jonny Moser: Österreich. In: Wolfgang Benz (Hg.): Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. München 1991 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 33), S. 67-93, hier S. 68.

[12] Oliver Rathkolb, Peter Autengruber, Birgit Nemec, Florian Wenninger: Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“. Wien 2013. URL: www.wien.gv.at/kultur/strassennamen/strassennamenpruefung.html (Abruf 06.11.2015).

Zitation

Christian Gepp: Wien. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32439 (Stand 25.01.2022).

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