Osterode in Ostpreußen/Ostróda

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Osterode in Ostpreußen

Amtliche Bezeichnung

poln. Ostróda[1]

Anderssprachige Bezeichnungen

russ., lit. Ostruda

Etymologie

Der Stadtname, ursprünglich oft „Osterrode“, bedeutet: im Osten gelegene Waldrodung. Vermutet wird eine Bezugnahme auf die Stadt Osterode am Harz.

2. Geographie

Lage

Osterode liegt auf einer Höhe von 112 m NHN, auf 53º 42' nördlicher Breite, 19º 58' östlicher Länge, 36 Kilometer westlich von Allenstein/Olsztyn.

Topographie

Osterode liegt an der Mündung des Flusses Drewenz (Drwęca) in den Drewenzsee (Jezioro Drwęckie), das größte Gewässer der nördlich der Stadt sich erstreckenden Oberländischen Seenplatte (Pojezierze Iławskie). Weitere Seen im heutigen Stadtgebiet sind der Schmording- (Jezioro Smordy [Jakuba]), der Große Zehmen- (Jezioro Sajmino) und der Pörschkensee (Jezioro Perskie); im Norden grenzt es an den Pausensee (Jezioro Pauzeńskie). Etwa 12 km südlich der Stadt liegt die Kernsdorfer Höhe (Dylewska Góra, 312 m NHN), die höchste Erhebung Ostpreußens.

Region

Oberland (Prusy Górne), früher: Sassen.

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Polen. Gemeinde und Sitz eines Kreises (powiat) in der Woiwodschaft Ermland und Masuren (Województwo Warmińsko-Mazurskie). 1818‒1945 existierte ein Kreis Osterode im Regierungsbezirk Allenstein in der Provinz Ostpreußen (1829‒1878: Provinz Preußen).

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Wappen zeigt in Rot auf rechtshin schreitendem Ross mit blauer Satteldecke einen golden-geharnischten Deutschordensritter mit eingelegter Lanze, Schwert und schwarzkreuzigem, silbernem Ordensschild. Im 19. Jahrhundert wurde der Ritter zum hl. Georg, der einen liegenden grünen Lindwurm durchbohrt. Diese Umdeutung wurde 1904 rückgängig gemacht. Das heutige Wappen der polnischen Stadt zeigt erneut den schildlosen Reiter und den Lindwurm.

Allgemeine Geschichte

Mittelalter

Der Ort war ursprünglich vermutlich ein Wohnplatz von Angehörigen des prußischen Stammes der Sassen an einem Handelsweg zwischen Masowien und der Ostsee. Eine erste Ansiedlung überwiegend mitteldeutscher und niedersächsischer Siedler aus der Nähe des Harzes erfolgte möglicherweise um 1270. Die Gründung Osterodes geschah wahrscheinlich 1330 ‒ die Gründungsurkunde ging verloren ‒ nach Kulmischem Recht durch den Komtur von Christburg/Dzierzgoń und späteren Hochmeister des Deutschen Ordens Luther von Braunschweig (um 1275–1335). Die Handfeste wurde 1335 und 1348 erneuert. Die Deutschordensburg entstand früher als die Stadt; sie wird 1332 erstmals erwähnt. Es handelte sich um eine Grenz- und Schutzburg, von der aus die Straße Elbing/Elbląg–Ortelsburg/Szczytno überwacht werden konnte. Die Stadt wurde auf einer Insel zwischen zwei von drei Armen des Flusses Drewenz unmittelbar vor deren Einmündung in den Drewenzsee angelegt. Zudem schützten mehrere Landengen zwischen den nahe gelegenen Seen Stadt und Burg.

1332 wird das Pflegeramt Osterode erwähnt. 1341 wurde Osterode Sitz eines Komturs. Der Komturei Osterode, deren Gebiet weitgehend der Landschaft Sassen entsprach, unterstanden die Burgen (Kammerämter) Deutsch Eylau/Iława, Gilgenburg/Dąbrówno, Hohenstein/Olsztynek, Neidenburg/Nidzica, Soldau/Działdowo und (zeitweise) Willenberg/Wielbark.[2]

1381 wurde die Burg durch Litauer unter Fürst Kęstutis (um 1297–1382) überfallen und teilweise zerstört. Nach der Tannenbergschlacht am 15. Juli 1410, bei der der Osteroder Komtur Gamrath von Pinzenau (Geburtsjahr nicht ermittelt) gefallen war, wurden Stadt und Burg durch das polnisch-litauische Heer besetzt; nach zwei Monaten wurden sie von den Ordensrittern zurückerobert. Für sehr kurze Zeit geriet die Burg im Dreizehnjährigen Krieg, 1454, in den Besitz des Preußischen Bundes. Beim Zweiten Thorner Frieden (1466) blieb Osterode beim Ordensstaat. 1519 wurde es kurzfristig von polnischen Truppen besetzt.

Neuzeit

1525, nach der Gründung des weltlichen Herzogtums Preußen, wurde Osterode Sitz eines Amtshauptmannes. Mitte des 16. Jahrhunderts zogen slawische Masowier zu. Osterodes Umland wurde polnischsprachig.

1628–1629 stand Osterode unter schwedischer Besatzung. Vom Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg (1595–1640) wurde die Osteroder Burg 1636 an den im Exil befindlichen Herzog Johann Christian von Brieg (1591–1639) verpfändet.

Nachdem die russische Armee unter Graf Villim Villimovič Fermor (1702–1771) und Feldmarschall Graf Stepan Fëdorovič Apraksin (1702–1785) im Siebenjährigen Krieg, Sommer 1757, in Ostpreußen eingefallen war, erklärte Zarin Elisabeth I. (1709 –1762) am 31. Dezember 1757 Ostpreußen zu russischem Eigentum. Ihr Nachfolger Zar Peter III. (1728–1762) schloss am 5. Mai 1762 im Vertrag von Sankt Petersburg/Sankt-Peterburg Frieden mit Preußen und gab das annektierte Ostpreußen ohne Entschädigung zurück. Osterode wurde wieder preußisch.

Mehrmals im 17. und 18. Jahrhundert raffte die Pest viele Osteroder dahin. 1788 wütete ein verheerender Stadtbrand, dem die weitaus meisten öffentlichen und privaten Gebäude zum Opfer fielen. Unmittelbar danach wurden Stadtmauern und Tore abgebrochen.

Im November 1806 wohnten Preußens König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) und Königin Luise (1776–1810) einige Tage im Ordensschloss. Damals hielt der König den sog. Osteroder Kriegsrat und traf kriegswichtige Entscheidungen; unter anderem leitete er die Reorganisation des preußischen Heeres ein. 1807 wurde Osterode von französischen Soldaten besetzt. Von Februar bis April 1807 diente das Schloss für sechs Wochen Kaiser Napoléon I. (1769–1821) als Hauptquartier. Napoléon sammelte nach der Schlacht bei Preußisch-Eylau/Bagrationovsk (7.–9. Februar 1807) seine Truppen in Osterode. Münzen mit der Aufschrift „Napoléon à Osterode“ wurden geprägt.

1844 erfolgte der erste Spatenstich zum (Elbing-)Oberländischen Kanal (kanał ostródzko-elbląski), er wurde 1852 vollendet.

Im Ersten Weltkrieg, Ende August 1914, flohen viele Osteroder vor den herannahenden russischen Truppen. Die Stadt, die – anders als die östlichen Teile des Kreises Osterode – von Zerstörungen verschont blieb, wurde Hauptquartier des Armee-Oberkommandos unter Paul von Hindenburg (1847–1934) und Erich Ludendorff (1865–1937). Nach der sog. „Schlacht bei Tannenberg“ vom 26. bis 30. August 1914 ernannte Osterode als erste deutsche Stadt Hindenburg zum Ehrenbürger. 1924–1927 wurde im Osten des Kreises, westlich von Hohenstein, nahe dem Ort der Schlacht, das „Tannenberg-National-Denkmal“ errichtet.

Bei der Volksabstimmung am 11. Juli 1920 stimmten von 47.482 Wahlberechtigten im Kreis Osterode bei 47.428 gültigen Stimmen: für den Verbleib bei Deutschland: 46.377 (97,8 Prozent), für den Anschluss an Polen 1.047 (2,2 Prozent). In der Stadt Osterode wurden für Deutschland 8.663 Stimmen, für Polen 17 Stimmen abgegeben. Im Landkreis stimmten vier von 248 Gemeinden und Gutsbezirken mehrheitlich für Polen, drei von ihnen wurden – als einzige im ostpreußischen Abstimmungsgebiet – an Polen abgetreten. Vor der Volksabstimmung hatte – als letzte von mehreren ähnlichen Grußkundgebungen im Abstimmungsgebiet – in Osterode am 10. Juli 1920 ein „Deutscher Tag“ stattgefunden mit Umzug der Vereine und Verbände und 12.000 Teilnehmenden. Begeisterte Bürger empfingen am 25. Mai 1922 erstmals Hindenburg, am 16. Juli 1932 Adolf Hitler.

Zeitgeschichte

Im Juli 1933 drängten die Nationalsozialisten den eben wiedergewählten Bürgermeister Willy Kühn (1876 – Todesjahr nicht ermittelbar) aus dem Amt. Die jüdische Bevölkerung Osterodes wurde unter den Nationalsozialisten zur Emigration gezwungen oder ins Konzentrationslager deportiert und ermordet. Bereits 1932 gab es einen Bombenanschlag auf ein jüdisches Kaufhaus; bei den Novemberpogromen 1938 wurde die Synagoge durch Brandstiftung vernichtet und der jüdische Friedhof zerstört.

Am 21. Januar 1945 wurde das im Zweiten Weltkrieg bis dahin unversehrt gebliebene  Osterode von sowjetischen Truppen eingenommen und die innere Stadt fast völlig niedergebrannt. Befehlsgemäß erst am 20. Januar begaben sich die meisten Einwohner von Stadt und Landkreis – meist zu Fuß oder auf Pferdewagen – auf die Flucht; viele wurden von den vordringenden Truppen überrollt und zurückgeschickt. Vier überfüllte Güterzüge transportierten etwa 10.000 Flüchtlinge am 21. Januar von Osterode Richtung Westen. Einige Osteroder wurden ermordet oder in die Sowjetunion verschleppt. Rückkehrer und am Ort Verbliebene wurden, sofern sie nicht für Polen optierten, zwangsausgesiedelt. 1945‒1949 besiedelten Polen die Stadt. 1950 stammten 26 Prozent der Osteroder Bevölkerung aus den zuvor östlichen Teilen Polens, 18 Prozent waren im Lande verbliebene Personen.[4]

Bevölkerung

Die Gesamtzahl der in Osterode lebenden Menschen betrug vom 18. bis zum  21. Jahrhundert:

1756177517781788181118181841190019392014
1.0581.3191.5391.1521.5192.0982.52313.163[5]19.519[6]33.872[7]

Der Rückgang 1788 war auf den Stadtbrand im selben Jahr zurückzuführen, die starke Zunahme in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die Industrialisierung und den wirtschaftlichen Aufschwung.

Über die Zahl der nichtdeutschen Stadtbevölkerung schwanken im 18. und 19. Jahrhundert die Angaben: Polnisch gewesen seien 1790 „nur noch wenig[e]“ Osteroder, 1815 dagegen „die Stadtgemeinde zur Hälfte“, 1825 von 2.366 Einwohnern niemand, 1837 von 2.383 Einwohnern etwa jeder zehnte (237).[8] Nach der Volkszählung des Jahres 1846 wurde amtlich erklärt, im Kreis Osterode spreche ein Drittel Deutsch, zwei Drittel Polnisch.[9] Nach der Volkszählung von 1900 betrug die Bevölkerungszahl des Kreises 71.856 Personen; davon gaben als Muttersprache(n) an: ca. 33 Prozent Polnisch (23.731 Personen), ca. 11 Prozent Masurisch (7.801 Personen), ca. 3 Przent Deutsch und Polnisch (2.344 Personen), ca. 0,6 Prozent Deutsch und Masurisch (454 Personen).[10]

Jüdische Menschen lebten in Osterode vielleicht ab 1716, nachweislich ab 1732. Damals wurden zwei Juden in Osterode als Tuchhändler vertraglich angesiedelt. 1735 lebten dort drei verehelichte Juden. 1812 hatte Osterode 15 jüdische Bürger, 1848 waren es 106, 1871 204, 1900 242. Im Jahre 1933 zählte die jüdische Gemeinde 123, 1937 noch 75 Personen.[11]

Um die Jahrhundertwende besaß Osterode ein reiches Vereinsleben. Bedeutend war der sich der Volksbildung widmende Handwerkerverein.

Heute gibt es in der Stadt eine kleine deutsche Minderheit, organisiert in der „Deutschen Gesellschaft ‚Tannen‘ Osterode“ (Stowarzyszenie Mniejszości Niemieckiej ‚Jodły‘ w Ostródzie).

Wirtschaft

1895–1945 arbeitete in Osterode ein Reichsbahnausbesserungswerk, außerdem gab es eine Maschinenfabrik, eine Spiritusbrennerei, eine Bierbrauerei, Dampfsäge- und Dampfmahlmühlen sowie Viehmärkte. Handel getrieben wurde mit Holz, Getreide, Spiritus und Wolle.

Der Oberländische Kanal vom Drewenzsee bis zum Frischen Haff (Zalew Wiślany) wurde 1860 der Schifffahrt übergeben und verbindet seither Osterode mit der Ostseestadt Elbing. Er ist noch heute von touristischem Interesse.

1872 erhielt Osterode Bahnanschluss. 1873 war die Strecke der Preußischen Staatsbahn Thorn/Toruń–Osterode–Allenstein fertiggestellt. 1894 wurde die Nebenstrecke Elbing–Osterode–Hohenstein eröffnet.

Die von Wäldern und Gewässern umgebene Stadt galt als „Perle des Oberlandes“; der Fremdenverkehr war – und ist heute wieder – ein wichtiger Wirtschaftszweig.

Religions- und Kirchengeschichte

Im Jahr 1846 lebten in Osterode 2.553 Evangelische, 154 Katholiken, 108 Juden. 1900 waren 10.878 Personen evangelisch, 1.979 römisch-katholisch, 60 waren andere Christen und 242 Juden.

Zu deutscher Zeit besaß Osterode zwei evangelische Kirchen (eine Stadtkirche und eine „polnische“ Kirche für die Landgemeinde), eine katholische Kirche sowie eine Synagoge. Nach Abbruch der alten „polnischen“ Landkirche im Jahr 1884 (vgl. Kunstgeschichte) diente  bis 1909 die alte „deutsche“ Stadtkirche der Stadt- und der Landgemeinde als Gotteshaus. Danach übernahm ein Neubau die Funktion der Stadtkirche; dieser dient heute als methodistische Kirche. Die alte Stadtkirche wurde zur Landkirche, in der bis in die 1920er Jahre regelmäßig polnisch gepredigt wurde.

Heute hat die Stadt zwei römisch-katholische Kirchen (Mariä Empfängnis [Kościół Niepokalanego Poczęcia Najświętszej Maryi Panny] und die frühere Landkirche [Kościół św. Dominika Savio]) sowie drei evangelische Gotteshäuser – der evangelisch-lutherischen Kirche A. B. (Parafia Ewangelicko-Augsburska w Ostródzie), der Methodisten (Kościół Ewangelicko-Metodystyczna Łaski Bożej w Ostródzie) und der Baptisten (Zbór Kościoła Chrześcijan Baptystów w Ostródzie) – sowie, für den im Rahmen der „Aktion Weichsel“ (akcja Wisła) 1947 aus Südostpolen zwangsausgesiedelten ukrainischen Bevölkerungsteil, eine griechisch-katholische Kirche (Cerkiew Ofiarowania Najświętszej Maryi Panny w Ostródzie).

Unter den Geistlichen an der polnischen Kirche war Gustav Gisevius (Gustaw Gisewiusz, 1810–1848), der sich für den Erhalt der polnischen Sprache in Masuren einsetzte und die erste nichtkirchliche Zeitschrift Masurens herausgab. Er hat ein Ehrengrab in Osterode und gilt als Namensgeber der Stadt Giżycko (Lötzen).

Bildung, kulturelle Institutionen, Wissenschaft

Das aus einer höheren Bürgerschule hervorgegangene humanistische Gymnasium (ab 1907 als Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in einem Neubau)[13] ist heute das Erste Allgemeinbildende Lyzeum „Jan Bażyński“ [I Liceum Ogólnokształcące im. Jana Bażyńskiego]); außerdem gab es eine höhere Mädchenschule (Kaiserin-Auguste-Viktoria-Lyzeum). Ein evangelisches Schullehrerseminar bestand bis 1926.

Heute bietet Osterode mehrere Bibliotheken: Stadt- (Miejska Biblioteka Publiczna), Kreis- (Powiatowa Biblioteka Publiczna) und Pädagogische Kreisbibliothek (Powiatowa Biblioteka Pedagogiczna). In der Burg befindet sich das frühere Heimatmuseum (Muzeum w Ostródzie).

Aus Osterode stammen die Mediziner Jakub Fryderyk (Jakob Friedrich) Hoffmann (1758–1830, Botaniker und Arzt), Paul Dahlke (1865–1928, Arzt und Wegbereiter des Buddhismus in Deutschland), Konrad Biesalski (1868–1930, Orthopäde und Organisator der Behindertenfürsorge). Der Arzt, Hygieniker und Nobelpreisträger Emil von Behring (1854–1917) war in Osterode Gymnasiast.

Kunstgeschichte

Die Osteroder Komturburg[14] gilt als die einzige in der heutigen Woiwodschaft Ermland-Masuren, die das volle Programm des Konventsburgenmodells aufweist. Der Backsteinbau (begonnen vermutlich 1349, vollendet spätestens 1381) löste eine ursprüngliche Holz-Erde-Konstruktion ab. Er wurde später mehrmals teilweise durch Kriege und Brände zerstört und vielfach umgestaltet. Nach der Brandkatastrophe 1945 wurde er ab 1977 wieder aufgebaut; die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen.

Die von Türmen gekrönte Stadtmauer wurde von drei Toren unterbrochen; nach dem Stadtbrand von 1788 wurde sie bis auf Reste (Kirchentor, Abriss 1811) abgebrochen.

Die evangelischedeutsche“ Stadtkirche, spätere Landkirche (vgl. Religions- und Kirchengeschichte), deren Anfänge auf die Zeit um 1270 zurückgehen, wurde nach dem Stadtbrand 1788 rekonstruiert (fertiggestellt 1802); 1897/98 erfolgte eine Renovierung. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde sie 1982–1983 wiederhergestellt und ist heute als römisch-katholische Kirche dem hl. Dominikus Savio geweiht. Die evangelischepolnische“ Landkirche, ein Fachwerkbau aus dem 18. Jahrhundert, wurde 1884 abgebrochen. 1856 entstand außerhalb der Altstadt im Stile der Neugotik die römisch-katholische Kirche Mariä Empfängnis. Sie barg die älteste „Marienklage“ (Pietà) östlich der Weichsel, eine Holzplastik (Ende 14. Jh.). In der Nachbarschaft der katholischen Kirche wurde 1909 als evangelische Stadtkirche ein ebenfalls neugotischer Kirchenbau mit zwei verbundenen Turmspitzen errichtet.

1856 wurde eine kleine, 1893 eine neue, große Synagoge gebaut (in der Pogromnacht 1938 zerstört).

Das Rathaus von 1791 – anders als das Kreishaus von 1878 (erweitert 1901) – existiert seit 1945 nicht mehr. Das Amtsgericht von 1920 beherbergt heute die evangelisch-lutherische Gemeinde. Im Stadtpark nahe dem See steht seit 1902 Ostpreußens erster Bismarckturm. An das Dreikaiserjahr 1888 erinnerte ein 1907 eingeweihter Brunnen auf dem dreieckigen Neuen Markt, der 2004 rekonstruiert und der Städtepartnerschaft mit Osterode am Harz sowie der europäischen Einigung gewidmet wurde.

Literatur, Musik, Presse

In Osterode geboren wurde Christian Jakob Kraus (1753–1807), Schüler Kants, Professor der Praktischen Philosophie und Kameralwissenschaft sowie Rektor der Universität Königsberg. Aus Osterode stammt auch der Bestsellerautor Hans Hellmut Kirst (1914–1989). Im Kreis Osterode geboren wurden der Theologe und Sprachwissenschaftler Christoph Cölestin Mrongovius (Krzysztof Celestyn Mrongowiusz, 1764–1855, Hohenstein), der Schriftsteller und Lehrer des Buddhismus Paul Dahlke (1865–1928), der Schauspieler Albert Lieven (1906–1971, Hohenstein) sowie die Literaturwissenschaftler Hans-Gert Roloff (Hohenstein) und Hubert Orłowski (Podleiken/Podlejki). In Osterode lebten der Regionalhistoriker Hugo Bonk (1861–1936), Vorsitzender des Oberländischen Geschichtsvereins und Herausgeber der Oberländischen Blätter, sowie als Gymnasiast der Regisseur und Schriftsteller Curt Elwenspoek (1884–1954).

1834 wurde die Osteroder Zeitung als erste Tageszeitung im südlichen Ostpreußen gegründet. Sie lebt seit 1954 weiter als Titel des zweimal jährlich erscheinenden Heimatbriefs der aus Osterode stammenden Deutschen. Ab 1835 erschien das Osteroder Kreisblatt in Osterode, das später mit der Osteroder Zeitung verbunden wurde. Die erste Druckerei am Ort wurde seit 1845 von J. G. Rautenberg betrieben, einem Verwandten der Druckerfamilie Rautenberg in Mohrungen/Morąg. Überörtliche in Osterode herausgegebene Zeitungen waren die Preußische Städte-Zeitung. Organ des Städtetages für die Provinz Preußen und der General-Anzeiger. Tageszeitung für das südliche Ost- und West-Preußen.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Abe, Kinya: Die Komturei Osterode des Deutschen Ordens in Preußen 1341–1525. Köln, Berlin 1972 (Studien zur Geschichte Preußens 16).
  • Antoni, Michael (Bearb.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler: West- und Ostpreußen. Die ehemaligen Provinzen West- und Ostpreußen (Deutschordensland Preußen) mit Bütower und Lauenburger Land. München, Berlin 1993, S. 460-463.
  • Bürger, Klaus: Kreisbuch Osterode Ostpreußen. Hg. von der Kreisgemeinschaft Osterode Ostpr. e. V., Osterode am Harz. Kiel [1977].
  • Knafla, Alfred (Bearb.): Flucht und Vertreibung aus dem Kreis Osterode Ostpreußen 1945. Eine Dokumentation. Hg. von der Kreisgemeinschaft Osterode Ostpreußen e. V. Osterode am Harz. Leer 2005.
  • Kowalski, Wolfgang: Osterode in Ostpreußen 1335–1935. [Osterode 1935] (Osteroder Zeitung, Sonderschriften 2). Fotomechanischer Nachdruck: Kreisgemeinschaft Osterode Ostpr. e. V., Osterode am Harz. Kiel 1980.
  • Mey[höfer, Max]: Osterode. In: Erich Weise (Hg.): Handbuch der historischen Stätten: Ost- und Westpreußen. Stuttgart 1966. Nachdruck 1981 (Kröners Taschenausgabe 317), S. 166f.
  • Müller, Johannes: Osterode in Ostpreußen. Darstellungen zur Geschichte der Stadt und des Amtes. Osterode Ostpr. 1905. Nachdruck Leer 1971.
  • Sajkowski, Ryszard (Hg.): Ostróda. Siedem wieków dziejów miasta [Osterode Ostpr. Sieben Jahrhunderte Stadtgeschichte]. Ostróda 2005.
  • Wakar, Andrzej [u. a.] (Red.): Ostróda. Z dziejów miasta i okolic [Osterode Ostpr. Zur Geschichte der Stadt und ihrer Umgebung]. Pojezierze, Olsztyn 1976.
  • Westphal, Walter (Red.): 50 Jahre Kreisgemeinschaft Osterode Ostpr. e. V. 1950–2000. Hg. v. der Kreisgemeinschaft Osterode Ostpr. e. V., Osterode am Harz. Lübeck 2000 (Osteroder Zeitung, Sonderschriften 6)

Weblinks

Anmerkungen

[1] Der ursprüngliche polnische Name lautete Ostród.

[2] Abe: Komturei Osterode, S. 16f.

[3] Vgl. E[mil] Schnippel: Napoleon in Ostpreußen. In: Walter Westphal (Red.): 50 Jahre Kreisgemeinschaft, S. 90–143.

[4] Halina Murawska: Zmiany ludnościowe w Olsztyńskiem po 1945 roku i kształtowanie się tożsamości mieszkańców Ostródy [Bevölkerungsveränderungen im Raum Allenstein nach 1945 und Herausbildung der Identität der Bevölkerung Osterodes]. In: Sajkowski (Hg.): Ostróda, S. 175–193, hier S. 193.

[5] Müller: Osterode, S. 363f., 442.

[6] Westphal (Red.): 50 Jahre Kreisgemeinschaft, S. 18.

[7] pl.wikipedia.org/wiki/Ostr%C3%B3da

[8] Müller: Osterode, S. 199; die Angabe zu 1825 nach August Frhr. von Haxthausen: Die ländliche Verfassung in den Provinzen Ost- und Westpreußen. Königsberg 1839, S. 80f.

[9] Müller: Osterode, S. 200.

[10] Die Volkszählung am 1. Dezember 1900 im Deutschen Reich. Bearb. im Kaiserlichen Statistischen Amt. Berlin 1903 (Statistik des Deutschen Reichs 151), Tl. 2, S. 397, 738.

[11] Bürger: Kreisbuch Osterode, S. 592f.

[12] Müller: Osterode, S. 442.

[13] Vgl. Klaus Bürger: Abiturienten und Lehrer des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums in Osterode Ostpreußen (1877–1945). Hamburg 1978 (Sonderschriften des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e. V. 39).

[14] Tomasz Torbus: Die Konventsburgen im Deutschordensland Preußen. München 1998 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 11), S. 217–219, 565–573; Małgorzata Jackiewicz-Garniec, Mirosław Garniec: Burgen im Deutschordensstaat Preußen. Pomesanien, Oberland, Ermland, Masuren. Olsztyn 2009, S. 318–328.

Zitation

Jens Stüben: Osterode in Ostpreußen/Ostróda. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2017. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p44315 (Stand 25.06.2021).

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