Krotoschin/Krotoszyn (Fürstentum)

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Krotoszyn, ab ca. 1850 überwiegend Krotoschin

Etymologie

Der Name stammt von dem Personennamen „Krotoch“ bzw. „Krotosz“ ab; dieser wird von dem altslawischen Wort „krot“ oder „krotuku“ („nett“ oder „mild“) bzw. dem altpolnischen Wort „krotki“ („mild“, „demütig“) abgeleitet.

2. Geographie

Lage

Die Stadt Krotoschin liegt auf 51° 41‘ nördlicher Länge, 17° 26‘ östlicher Breite, ca. 86 km südöstlich von Posen/Poznań, 50 km westlich von Kalisch/Kalisz nahe der historischen Grenze zu Schlesien.

Topographie

Krotoschin befindet sich im Süden der Woiwodschaft Großpolen (Województwo wielkopolskie), im südlichen Teil des Kalischer Landrückens, 135–140 m über NHN.  

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Polen. Krotoschin ist Hauptstadt des gleichnamigen Landkreises (powiat krotoszyński) in der Woiwodschaft Großpolen.

Historische Geographie

Krotoschin gehörte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit zum Königreich Polen. Der preußische König Friedrich II. (der Große, 1712–1786) erwarb einige Jahre nach der ersten Teilung Polen-Litauens, im Jahre 1779, die Herrschaft über Krotoschin, wobei die Region offiziell bis zur zweiten Teilung 1793 noch Teil des Königreichs Polen war. 1806 bis 1815 befanden sich die Stadt Krotoschin und die preußischen Domänen, aus denen später das Fürstentum Krotoschin entstand, im Herzogtum Warschau, ab 1815 wieder im Königreich Preußen, zunächst im Großherzogtum Posen und nach dem Völkerfrühling in der Provinz Posen.

Das Fürstentum Krotoschin entstand im Jahre 1819. Es umfasste die Besitzungen der Fürsten von Thurn und Taxis in Krotoschin, Adelnau/Odolanów, Orpischewo/Orpiszewo und Rozdrazewo/Rozdrażew. Ab 1871 gehörte es zum Deutschen Reich.

Im Jahre 1919 kam das Fürstentum Krotoschin zur Zweiten Polnischen Republik, in der es zur Woiwodschaft Posen (Województwo poznańskie) gehörte. Aufgrund mehrjähriger Gerichtsprozesse zwischen dem polnischen Staat und dem Fürsten von Thurn und Taxis stand es zunächst unter polnischer Aufsicht und Verwaltung. 1927 wurde der Fürst enteignet und erhielt eine Entschädigung.

Im Zweiten Weltkrieg geriet das Gebiet unter deutsche Besatzungsherrschaft; 1939–1945 existierte ein Landkreis Krotoschin. Seit 1945 gehört Krotoschin wieder zu Polen.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Das Wappen des Fürstentums Krotoschin zeigt einen viergeteilten Schild, in dessen erstem und viertem Feld sich in Blau je ein goldener Felsen befindet. Im zweiten und dritten Feld  ist in Rot je ein silbernes Kreuz dargestellt. Die Farben der Fürsten von Thurn und Taxis sind Rot und Blau. Bis heute befindet sich das Wappen des Fürstentums Krotoschin im Wappen der Fürsten von Thurn und Taxis.

Mittelalter

Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde das Dorf Krotoschin im Jahre 1405 unter dem Namen „Crotoszino“. Noch vor dem Jahr 1415 gründete Ritter Wierzbięta aus dem Adelsgeschlecht Łódzia Krotowski wenige Kilometer südlich von der ursprünglichen Ansiedlung auf Grundlage des Magdeburger Stadtrechts die Stadt Krotoschin.

Neuzeit

Das Haus Thurn und Taxis wurde 1819 für die Abtretung des Postmonopols in den preußischen Provinzen rechts des Rheins und im Herzogtum Westfalen mit den vier preußischen Domänengütern Krotoschin, Adelnau, Orpischewo und Rozdrazewo als Erbmann-Thronlehen entschädigt. Diese Domänengüter wurden 1819 zum Fürstentum Krotoschin mit der Stadt Krotoschin als Zentrum und Hauptsitz erhoben.

Das Fürstentum umfasste insgesamt 25.315 Hektar Wald und Fläche für landwirtschaftliche Zwecke (Gärten, Wiesen, Äcker, Weiher usw.), die sich in den hundert Jahren von der Entstehung des Fürstentums bis zu seiner Auflösung nach dem Ersten Weltkrieg nur geringfügig veränderte. In der Nachbarschaft des Fürstentums entstanden im Zuge gezielter Ansiedlungsmaßnahmen der preußischen Regierung nach 1886 zahlreiche deutsche Siedlungen. Im Jahre 1914 wurden die Güter Theresienstein (Folwark zamkowy), Sagenhof (Wróżewo) und Margarethenhof (Lutogniew) an die Ansiedlungskommission verkauft.

Zeitgeschichte

Nach dem Ersten Weltkrieg fand in der Provinz Posen der Großpolnische Aufstand statt, als dessen Ergebnis der Großteil der Provinz dem wiedergegründeten polnischen Staat angegliedert wurde. In der Folge wurden auch die Besitzungen von Thurn und Taxis in der Provinz Posen am 27. Juni 1919 polnischer Zwangsverwaltung unterstellt. Die abschließenden Enteignungen wurden auf Grundlage des Versailler Vertrages durchgeführt, der die Liquidierung des Fürstentums gegen eine Entschädigung erlaubte.

Verwaltung und Herrschaftsausübung

Die Fürsten von Thurn und Taxis regierten in ihren neuen Besitzungen im Großherzogtum Posen bzw. in der Provinz Posen vor Ort mit Hilfe der fürstlichen Beamten. Der Hauptsitz der fürstlichen Verwaltung („Fürstliche Rentkammer Krotoschin“) befand sich im Schloss Krotoschin. Die Herrschaft wurde mit Hilfe der Domänen-Ober-Administration durch den Fürsten in Regensburg ausgeübt.

Bevölkerung

Die preußischen Bevölkerungsstatistiken wurden entweder nach sprachlichen oder konfessionellen Kriterien erstellt. Deshalb sind Aussagen über die nationale Zugehörigkeit der Bevölkerungsteile nur schwer möglich; zudem bildete sich das nationale Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise erst im Laufe des 19. Jahrhunderts heraus. Legt man die Sprache als Kriterium zugrunde, so lässt sich für den Zeitraum von 1831 bis 1910 konstatieren, dass im Kreis Krotoschin mehr Polen als Deutsche lebten, wie folgendes Diagramm[1] zeigt: 

Für die Stadt Krotoschin[2] ergibt sich hinsichtlich der konfessionellen Verteilung folgendes Bild:

Jahr

Einwohner
gesamt

davon
Katholiken

Protestanten

Juden
1820 5.142 2.145 (42%**) 1.145 (22%) 1.852 (36%)
1838 6.266 2.077 (33%) 1.976 (32%) 2.213 (35%)
1850 7.678 2.699 (35%) 2.660 (35%) 2.319 (30%)
1871 7.568 3.309 (44%) 3.110 (41%) 1.149 (15%)
1880 8.286* 3.977 (48%) 3.117 (38%) 1.192 (14%)
1890 10.646* 5.081 (48%) 4.635 (44%) 927 (8%)
1905 12.669 7.141 (56%) 4.999 (40%) 529 (4%)
1910 13.065 7.281 (56%) 5.458 (42%) 389 (2%)

* ohne Garnisonssoldaten, ** alle prozentuellen Angaben sind gerundet

Zwischen 1871 und 1913 stieg die Bevölkerungszahl insgesamt um 41 Prozent. Ein wichtiger Faktor war dabei der Zustrom der ländlichen Bevölkerung. Bei der Bestimmung der deutschen Bevölkerungsanteile anhand der Religionszugehörigkeit wird angenommen, dass Protestanten, Juden und ca. acht Prozent der Katholiken den deutschen Bevölkerungsteil ausmachten. Diese Berechnungen belegen, dass ihr Anteil in der Stadt Krotoschin zwischen 1880 und 1905 von 67 Prozent auf 52 Prozent gesunken ist.[3] Der starke Rückgang der jüdischen Bevölkerung lässt sich dadurch erklären, dass ab dem Jahre 1848 die bis dahin geltenden rechtlichen Einschränkungen für Juden abgeschafft wurden und damit vor allem die ärmere jüdische Bevölkerung in reichere Landesteile abwandern konnte.  

Wirtschaft

Die Landgüter im Fürstentum Krotoschin, die sich im Besitz des Fürsten von Thurn und Taxis befanden, waren größtenteils an Dritte verpachtet. Das Fürstentum Krotoschin war wirtschaftlich für das Haus Thurn und Taxis sehr bedeutend, zwischen 1867 und 1916 wurden hier 20 Prozent der Gesamteinnahmen aus den Grundbesitzungen erwirtschaftet. Die wichtigsten Wirtschaftszweige neben der Land- und Forstwirtschaft waren das Brauereiwesen, die Spirituosenherstellung (Brennereien), die Baumaterialgewinnung und -herstellung (Ziegeleien, Kalkhütten) sowie die Herstellung von Getreideprodukten (Windmühlen); hinzu kamen Pachterträge.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Werner Gerhard: Krotoschin und das Fürstliche Haus Thurn und Taxis. In: Heinz-Friedrich Koeppel: Landwirte im Osten. Unter den Dächern von Thurn und Taxis. Schotten 2002, Selbstverlag, S. 26–39.
  • Dionizy Kosiński, Ryszard Marciniak, Jerzy J. Paryska (Hg.): Krotoszyn. Historia [Krotoschin. Geschichte]. Bd. 2. Krotoszyn, Poznań 1996.
  • Mariusz Kowalski: Księstwa Rzeczpospolitej. Państwo magnackie jako region polityczny [Die Herzogtümer der Republik Polen. Der Magnatenstaat als politische Region]. Warszawa 2013 (Prace geograficzne 238).
  • Kazimierz Krotoski: Dzieje miasta Krotoszyna. Miasto Krotoszyn i jego dziedzice za czasów polskich (od 1415 do 1779) [Geschichte der Stadt Krotoszyn. Die Stadt und ihre Gutsherren in polnischer Zeit (1415–1779)]. Krotoszyn 1930.
  • Erwin Probst: Die Entwicklung der fürstlichen Verwaltungsstellen seit dem 18. Jahrhundert. In: Max Piendl (Hg.): Beiträge zur Geschichte, Kunst- und Kulturpflege im Hause Thurn und Taxis. Regensburg 1978 (Thurn und Taxis-Studien 10), S. 267351.

Anmerkungen

[1] Nach Leszek C. Belzyt: Pruska statystyka językowa (1825–1911) a Polacy zaboru pruskiego, Mazur i Śląska [Die preußische Sprachenstatistik (1825–1911) und die Polen im preußischen Teilungsgebiet, in Masuren und Schlesien]. Zielona Góra 2013, S. 195.

[2] Nach Paweł Anders: W czasach pruskich (1793–1918) [In preußischen Zeiten (1793–1918)]. In: Dionizy Kosiński, Ryszard Marciniak, Jerzy J. Paryska (Hg.): Krotoszyn. Historia [Krotoschin. Geschichte]. Bd. 2. Krotoszyn, Poznań 1996, S. 171–276, hier S. 180 und 209.

[3] Nach Anders: W czasach pruskich, S.  209.

Zitation

Robert Kędzierski: Krotoschin/Krotoszyn (Fürstentum). In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2016. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p44471 (Stand 21.02.2022).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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