Oltenien/Kleine Walachei

siehe auch Walachei

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Kleine Walachei, Oltenien

Rumänische Bezeichnung

Oltenia

Etymologie

2. Geographie

Lage

Die Südkarpaten grenzen die Kleine Walachei im Norden von Siebenbürgen (dt. auch Transsilvanien) und im Westen vom Banat ab. Im Süden bildet die Donau die Grenze zu Serbien und Bulgarien. Der Fluss Alt (rum. Olt) trennt diese Region von der Großen Walachei (Muntenien). Der Alt konnte im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit nur an wenigen Stellen überquert werden. Darüber hinaus existierten damals nur drei gangbare Pässe über die Berge: das Eiserne Tor (rum. Porţile de Fier) entlang der Donau ins Banat, der Rote-Turm-Pass (rum. Pasul Turnu Roşu) entlang des Alt nach Siebenbürgen und der Schil-Pass (rum. Pasul Jiului) entlang des gleichnamigen Flusses ebenfalls nach Siebenbürgen, was eine vergleichsweise einfache Landesverteidigung ermöglichte und eine gute Ausgangslage für die mittelalterliche Staatsbildung bot.

Topographie

Die Region lässt sich topographisch in drei Gebiete unterteilen: erstens die nördlich gelegene Berglandschaft mit den Gebirgsgruppen Parâng und Retezat-Godeanu; zweitens die sich auf beiden Seiten des Flusses Jiu befindende, mittig in der Kleinen Walachei gelegene hügelige Landschaft des „getischen“ und des Mehedinţi-Plateaus sowie des Severiner Feldes; drittens – im Süden der Region – die westlichen Gebiete der Walachischen Tiefebene (Kleinwalachisches Tiefland; rum. Câmpia Olteniei).

Staatliche und regionale Zugehörigkeit

Rumänien. Die Kleine Walachei, oft Oltenien (= das Land am Alt) genannt, bildet zusammen mit Muntenien (= bergiges Land), welches auch die „Große Walachei“ genannt wird, die historische Region Walachei (rum. Ţara Românească).

Derzeit gibt es in der Kleinen Walachei fünf Kreise (Mehedinţi, Gorj, Dolj, Vâlcea und Olt), denen auch Territorien im Banat und in Muntenien angehören. Die wichtigste Stadt ist Krajowa/Craiova.

(s. auch Walachei)

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Während der Periode der vermutlich von Slawen begründeten Woiwodschaft von Litovoi bestand das Wappen der Kleinen Walachei aus goldenen und roten waagerechten Streifen, nicht unüblich in der Region. Es orientierte sich vermutlich am Wappen des ungarischen Herrscherhauses der Arpaden. Üblicherweise ist das Symbol Olteniens ein Löwe mit einer Krone. Derzeit zeigt das oltenische Wappen den Löwen ohne Krone auf einer Brücke; es handelt sich vermutlich um die antike Brücke von Turnu Severin/Drobeta Turnu Severin, die vom Architekten Apollodor von Damaskus (um 65–130) 101–102 auf Anweisung Kaiser Trajans (53–117) erbaut wurde.

Antike und Mittelalter

Dakische Stämme wurden in der Region zur Zeit der Könige Burebista (gest. um 44 v. Chr.) und Decebalus (gest. 106) erwähnt; insbesondere in den Gebirgsregionen sind Reste einiger dakischer Festungen (davae) erhalten geblieben. In der Spätantike zeigte sich ein deutlicher römischer Einfluss durch Kolonisten und mehrere römische Kastelle, wie zum Beispiel bei Turnu Severin (unter Kaiser Justinian [um 482–565] auch Festung „Theodora“ genannt). Dieser Einfluss hielt nach dem Rückzug der römischen Armee und Verwaltung an, wie archäologische Funde (Münzen, Keramik) zeigen. Zwischen 450 und 550 gehörte die Kleine Walachei zum Einflussbereich der Gepiden (Gepidia). Die slawische Migration im 7. Jahrhundert dürfte, wie auch andernorts auf dem Balkan, die ethnischen Verhältnisse geändert haben. Bekannt sind Strafexpeditionen bulgarischer Verbände nördlich der Donau gegen slawische Stämme. Zeitweise konnte das Bulgarische Reich die Region unter seine Oberhoheit zwingen.

Im 13. Jahrhundert wurde das Staatsgebilde des Litovoi, eines Vasallen des ungarischen Königs, erwähnt. Die Burg Severin (rum. Cetatea Severin, ung. Szörényvár) – auf dem Gebiet der heutigen Stadt Turnu Severin gelegen – war eine ungarische Festung und Mittelpunkt einer Grenzmark, spätestens ab 1228 Sitz des Severiner Banats (Banatus Zewriniensis) mit Territorien auch im heutigen Kreis Mehedinţi und in der Gebirgsregion. Umstritten ist die Ausdehnung des Severiner Banats bis zum Alt und somit über ganz Oltenien.[1] Der Johanniterorden erhielt dieses Gebiet 1247 zur Verteidigung als Grenzmark, die der ungarische König vom restlichen Territorium der Walachen absonderte. Ein weiterer, ebenfalls Litovoi genannter lokaler Fürst oder Woiwode wurde 1277 als undisziplinierter Vasall der ungarischen Krone erwähnt. Er wurde damals von einem ungarischen Heer unter magister Georgius geschlagen und fiel in der Schlacht, woraufhin sein Bruder Bărbat, der gefangen genommen, aber gegen eine Geldzahlung wieder freigelassen wurde, als Vasall der ungarischen Krone die Herrschaft übernahm. 1406 überließ der ungarische König Sigismund aus dem Hause Luxemburg (1368–1437) das Severiner Banat dem walachischen Woiwoden Mircea dem Alten (1355–1418). Katholiken aus Severin (in den Konzilsquellen „Zürm“ genannt) werden im Kontext des Konzils von Konstanz (1414–1418) erwähnt. Kurzzeitig wurden Burg und Banat von Severin dem Deutschen Orden zwecks Grenzverteidigung unter dem Ordensritter Nikolaus von Redwitz (1428–1435) überlassen, der jedoch 1432 von den Osmanen aus der Festung Severin vertrieben wurde. (s. auch Walachei)

Die Region um die Festung Severin war zwischen den Woiwoden der (Kleinen und dann Großen) Walachei und der ungarischen Krone ständig umkämpft. Der größte Teil Olteniens gehörte seit dem 14. Jahrhundert zum Herrschaftsbereich der walachischen Woiwoden. Diese wiederum mussten im frühen 15. Jahrhundert die Oberhoheit des osmanischen Sultans anerkennen. Als den Osmanen 1524 die dauerhafte Eroberung der Festung Severin gelang, ließen sie diese schleifen.

Habsburgische Herrschaft

Infolge des sogenannten „Türkenkrieges“ von 1716/18 musste der Woiwode der Walachei und damit auch sein Oberherr, der Sultan, die Kleine Walachei im Frieden von Passarowitz an die Habsburgermonarchie abtreten. Das Interesse des Wiener Hofes an der Region, die als „Valachia Cis-Alutana" oder „Valachia Caesarea" bezeichnet wurde, dokumentiert der Plan des Prinzen Eugen von Savoyen (1663-1736) zur organisatorischen Neugestaltung der Region. Ansprechpartner der Habsburger vor Ort war die lokale Aristokratie (Großgrundbesitzer, mittlere und kleine Bojaren) sowie einige Angehörige der freien Bauernschaft und der sehr dünnen Schicht der Städter (weniger als zwei Prozent der Bevölkerung). Um eine Fiskalreform vorzubereiten, wurden Informationen über Zahl und Struktur der Bevölkerung erhoben, die während der zwanzigjährigen Verwaltung variierten: 1720 wurden 13.245 Steuerzahler erwähnt, 1722 bereits 25.192, 1725 nur 14.689, 1728 aber 26.008, 1731 sind es 30.291 und 1735 34.346. Die starken Schwankungen hängen auch damit zusammen, dass sich unfreie Bauern auf dem Bojarenland nicht meldeten und die Zahl der Steuerpflichtigen in Oltenien entsprechend sank. Nach 1726 wurde der Ban von Krajowa abberufen und die Verwaltung direkt dem Kaiserlichen Hof unterstellt, vertreten durch einen Praeses Administrationis. Auch die Distriktverwaltungen (Kreise) wurden in den Jahren nach 1730 zunehmend unter kaiserliche Kontrolle gestellt und mit österreichischen Beamten besetzt. Um der Steuerflucht vorzubeugen, wurden die Steuerlasten pro Familie neu geregelt, die Befreiung von mittelalterlichen Frondiensten vorangetrieben und die Abschaffung der Leibeigenschaft angestrebt. Die Neuerungen wurden sukzessive, gegen den Widerstand der Bojaren durchgesetzt. Im Frieden von Belgrad musste die Habsburgermonarchie 1739 die Kleine Walachei erneut an das Osmanische Reich abtreten, das sie mit der Großen Walachei wieder vereinte.

Deutsche Diasporagemeinschaften

Im 16. und 17. Jahrhundert lebten unter anderem Siebenbürger Sachsen in Rimnik/Râmnicu Vâlcea, die, vor allem im kirchlichen und wirtschaftlichen Bereich, enge Beziehungen zu Hermannstadt/Sibiu unterhielten.

In habsburgischer Zeit ist die Anwesenheit weniger Deutscher in der Region in Verbindung mit der militärischen und administrativen Präsenz der Kaiserlichen nachgewiesen, so zum Beispiel einige deutsche Fleischer in Krajowa, welche die Armee versorgten, einige Beamte sowie piaristische Mönche (gegr. von Josef/José von Calasanz [um 1556–1648] als „Fratelli scolopi“), die eine deutsch-lateinische Schule betrieben.

Nach einem weiteren russisch-osmanischen Krieg (1828–1829) und dem Frieden von Adrianopel 1829 wurde auch in der Kleinen Walachei das Protektorat Russlands effektiv bis 1854 ausgeübt, die militärische Besatzung jedoch nur bis 1834. Damals kamen aus dem deutschen Sprachraum Handwerker und Arbeiter nach Tîrgu Jiu/Târgu-Jiu, Krajowa, Turnu Severin (ab 1836), Rimnik, Calafat und Caracal. Bis heute erkennbare Spuren dieser deutschen Zuwanderer sind die neugotischen katholischen und evangelischen Gotteshäuser sowie Friedhöfe.

Im 19. Jahrhundert entstanden Unternehmen mit ausschließlich oder vorwiegend deutschem Kapital im Dienstleistungsbereich (Apotheken, Druckereien, Mühlen und Fabriken), so dass sich ein kleines, aber stabiles städtisches Milieu entwickeln konnte. Für die Betreuung der 14.529 aus Österreich-Ungarn stammenden Personen und 944 Reichsdeutschen (1899: zusamen 1,3 Prozent der Gesamtbevölkerung Olteniens und 10,3 Prozent der städtischen Bevölkerung) wurden preußische und österreichische Vizekonsulate in Krajowa und Turnu-Severin eingerichtet.[2]

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es, trotz des Einschnitts des Ersten Weltkriegs und einiger Zeichen von Assimilation, ein aktives Gemeinschaftsleben im kirchlichen und kulturellen Bereich: Sing- und Turnvereine, überwiegend deutschsprachige Pfarreien, konfessionelle Privatschulen, kirchliche Vereine und kirchliche Einrichtungen beider Konfessionen; sie wurden kontinuierlich aus dem Ausland unterstützt (Gustav-Adolf-Verein, Reichsverband für Katholische Auslanddeutsche, Schulbrüder, Diakonissinnen, Steyler Patres). 1930 wurden 3.442 Angehörige der deutschen Ethnie in Oltenien gezählt, 3.216 Personen gaben Deutsch als Muttersprache an.[3]

Bei der vorletzten Volkszählung im Oktober 2011 haben in Oltenien 234 Personen Deutsch als Muttersprache angegeben und 307 sich als Deutsche registrieren lassen.[4] Bei der letzten Volkszählung 2022 (Stichtag 1. Dezember 2021) haben sich, gemäß den vorläufigen Ergebnisse, in den Kreisen, die meistens zur Oltenien angehören, 171 Personen als Deutsche eingetragen. Aktive Ortsverbände des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien gibt es in Rimnik und Krajowa.

Kirchengeschichte

Eine Missionstätigkeit der Franziskaner und Dominikaner wird im 14. Jahrhundert erwähnt, ein katholisches Bistum mit zwölf lateinischen Bischöfen bestand zwischen 1380 und 1502. Auf dem heutigen Stadtgebiet von Turnu Severin wurden drei mittelalterliche Kirchen entdeckt, die typologisch dem westlichen Kulturbereich zuzuordnen sind.

Die in Rimnik lebenden Deutschen wurden 1550 evangelisch-lutherisch, ihre zwischen 1574 und 1642 erwähnten Pfarrer wurden vom siebenbürgisch-sächsischen Superintendenten ernannt. In habsburgischer Zeit sind auch katholische Bulgaren erwähnt, die sogenannten Pavliken. Die Rumänen, die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bildeten und bilden, waren griechisch-orthodox. Sie unterstanden einem eigenen Severiner Bistum, gegründet um 1370, das später nach Strehaia und Rimnik versetzt und 1503 in Rimnik wiedergegründet wurde.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Viorel Achim: Der Stellenwert des Deutschen Ordens in der Geschichte des Banats von Severin. In: Konrad Gündisch (Hg.): Generalprobe Burzenland: Neue Forschungen zur Geschichte des Deutschen Ordens in Siebenbürgen und im Banat. Köln, Weimar, Wien 2013, S. 177–188.
  • Constantin Dănescu: Şantierul Naval din Turnu Severin [Die Hafenbaustelle in Turnu Severin]. Bd. 1: 1851–1950. Turnu Severin 2004.
  • Julius Hering: Annalen der römisch-katholischen Pfarrei von Turn-Severin. In: Echo der Vortragsreihe 12 (2006), S. 22–32.
  • Şerban Papacostea: Oltenia sub stăpânirea austriacă 1718–1739 [Oltenien unter österreichischer Herrschaft 1718–1739]. Bucureşti 1971, 2. Aufl. 1998.
  • Hans Petri: Die ersten zwei Jahrzehnte evangelischen Gemeindelebens in Krajowa. In: Hans Petri: Beiträge zur Geschichte evangelischer Gemeinden in Altrumänien. H. 2. In: Kirchliche Blätter (1931), S. 85–96.
  • Hans Petri: Aus fünf Jahrzehnten. Geschichte der Deutsch-Evangelischen Gemeinde Turn-Severin 1861–1911. In: Evangelisches Zentralarchiv in Berlin (ZA 5091/107), Signatur: EZA Bibl. 81/154. Neudruck in: Echo der Vortragsreihe 12/2007. Reschitza 2007.
  • Adrian-Andrei Rusu: Die Burgen von Turnu-Severin im 13.–14. Jahrhundert. In: Budapest Régiségei 37 (2003), S. 63-77.
  • Christa Stache, Wolfram Theilemann: Evangelisch in Altrumänien. Bonn, Hermannstadt 2012.

Anmerkungen

[1] Vgl. dazu Rusu: Die Burgen von Turnu-Severin, S. 63–64 und Achim: Der Stellenwert des Deutschen Ordens, S. 177–188.

[2] Leonida Colescu: Analiza rezultatelor recensământului general al populaţiei României de la 1899 [Analyse der allgemeinen Volkszählung der Bevölkerung Rumäniens von 1899]. Institutul Central de Statistică 1944, S. 32, 96 und 100. Die Gesamtbevölkerung Olteniens umfasste 1899 1.181.243 Personen.

[3] Sabin Manuilă: Recensământul general al populaţiei României din 29 decembrie 1930. Volumul II: Neam, Limba maternă, Religie [Die allgemeine allgemeinen Volkszählung der Bevölkerung Rumäniens von 29. Dezember 1930. Bd. 2: Volkszugehörigkeit, Muttersprache, Religion]. Hrsg. vom Institutul central de statistică, Tipărit la Monitorul Oficial, Imprimeria Naţională. Bucureşti 1938, S. XXV. Daten in Prozenten ausgeführt: 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung Olteniens (1.746.347) wird als ethnisch Deutsche erfasst und 0,2 Prozent geben Deutsch als Muttersprache an.

[4] Recensământul populaţiei şi al locuinţelor 2011 [Bevölkerungs- und Wohnungszählung 2011]: www.recensamantromania.ro/rezultate-2/ (Abruf 01.09.2014).

Zitation

Daniel Banner: Oltenien/Kleine Walachei. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2014. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32597 (Stand 09.03.2023).

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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