Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (BMVt)

1. Kurzbeschreibung

Das im Jahr 1949 errichtete, auch als „Bundesvertriebenenministerium“ bezeichnete BMVt, gehörte zu den Obersten Behörden der ersten Stunde. Seine Einrichtung war eine politische Reaktion der westdeutschen Regierung auf die Folgen von Flucht und Vertreibung am und nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Formal bestand seine Kernaufgabe in der Eingliederung der über acht (von insgesamt rund 12,5) Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen, die aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches und aus einer Reihe von Staaten Ostmitteleuropas sowie aus der SBZ/DDR in die Bundesrepublik Deutschland geflohen, umgesiedelt oder vertrieben worden waren.

Der Aufgabenbereich des BMVt war nicht entlang eines fest umrissenen Geschäftsbereichs strukturiert, sondern richtete sich an unterschiedliche Personengruppen, die in seine Zuständigkeit fielen. Da es kaum politische Erfahrungen mit der (Zwangs-)Aufnahme einer so großen Zahl von Zuwanderern gab, erhielt das Ministerium nur wenige und nicht klar abgegrenzte Kompetenzen. Innerhalb der Bundesregierung hatte es kein großes Gewicht, so dass es sich – insbesondere gegen das Finanzministerium (BMF) und das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen (BMG) – meist nur im Verbund mit anderen Ressorts durchsetzen konnte. Andererseits ermöglichte ihm gerade das nicht klar abgegrenzte, weitgefasste und damit auslegungsfähige Mandat insbesondere in der Medien-, Wissenschafts- und teilweise auch in der Außenpolitik Wege zu gehen, die für ein Bundesministerium der frühen Nachkriegszeit einmalig gewesen sein dürften. Deshalb wird das BMVt auch als ein „Sonderministerium im klassischen Gewand“ bezeichnet. 1969 endete seine Existenz als eigenständige Behörde. Es wirkte aber sowohl als Hauptabteilung im Bundesministerium des Innern (BMI) fort, dem es eingegliedert wurde, als auch durch maßgeblich von ihm vorbereitete und zum Teil bis heute gültige Gesetze.

2. Aufgaben

1949 zunächst als „Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen“ gegründet, erhielt es erst 1954 seine endgültige Bezeichnung, „Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte“. Darin spiegelt sich die sukzessive Ausweitung seines Geschäftsbereichs auf immer weitere Bevölkerungsgruppen. 1954 oblagen dem BMVt die Angelegenheiten der Vertriebenen, der Flüchtlinge aus der SBZ/DDR sowie verschiedener Gruppen von Kriegssachgeschädigten. Weiterhin zählten die nichtjüdischen Displaced Persons (DPs), seit 1950 als „Heimatlose Ausländer“ bezeichnet, sowie die Kriegsheimkehrer dazu. Entsprechend vielfältig und breit gefächert war das Aufgabengebiet des Ministeriums. Dazu gehörten insbesondere die Aufsicht über die „Bundesumsiedlungen“ der Vertriebenen und Flüchtlinge, mit denen ihre gleichmäßigere Verteilung auf alle Länder Westdeutschlands angestrebt wurde, die Aufsicht über die Flüchtlings- und Vertriebenenlager des Bundes, den Suchdienst und außerdem die zeitweilige Auswanderungspolitik der Bundesregierung. Die maximale Zuständigkeitserweiterung erreichte das BMVt 1957 mit der Übernahme der Dienstaufsicht über das Bundesausgleichsamt, womit es sich fortan die Zuständigkeit für den Lastenausgleich mit dem BMF teilte.

Das Ministerium war an der Vorbereitung einer Reihe von Gesetzesentwürfen beteiligt und hatte beim 1953 verabschiedeten Bundesvertriebenengesetz (BVFG) die Federführung. Das mehrfach novellierte, bis heute geltende Gesetz definierte erstmalig die Begriffe „Vertriebener“, „Heimatvertriebener“, „Flüchtling“ und „Aussiedler“ (seit 1993 „Spätaussiedler“), schrieb die zeitlich begrenzten Förderungsmaßnahmen für unterschiedliche Berufsgruppen fest und verpflichtet Bund und Länder in § 96 bis in die Gegenwart, zur „Pflege des Kulturguts der Vertriebenen und Flüchtlinge und Förderung der wissenschaftlichen Forschung“. Zudem nahm das BMVt zwischen 1949 und 1952 Einfluss auf die Verhandlungen des United States Displaced Persons Act auf 1948 im US-Kongress.

Faktisch standen Kompetenz und Struktur des Ministeriums in keinem Verhältnis zu diesen Aufgaben, die die Geschäftsbereiche gleich mehrerer Bundesressorts berührten sowie im Fokus der verschiedenen Interessenverbände standen. Da das Grundgesetz in Art 74 die konkurrierende Gesetzgebung von Bund und Ländern im Bereich des Flüchtlingswesens festschreibt und die konkreten Maßnahmen für den Integrationsprozess der Vertriebenen und Flüchtlinge den Ländern zuweist, fehlten dem Ministerium weitgehend ein nachgeordneter administrativer Unterbau sowie ein für die Bewältigung der Aufgaben angemessener Haushalt.

Weil es dem BMVt somit de jure und de facto kaum möglich war, seinen Auftrag mit den exekutiven Instrumenten eines klassischen Ressorts zu erfüllen, entfaltete es für eine Oberste Bundesbehörde eher ungewöhnliche Aktivitäten. Als „unkonventionelle Verwaltungsform“[1] standen für das Ministerium Mitwirken, Koordinieren, Informieren und Netzwerken in Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge im Vordergrund. Insbesondere zählten großangelegte Forschungs- und Dokumentationsprojekte wie die „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“, „Die Vertriebenen in Westdeutschland“, die „Dokumente deutscher Kriegsschäden“ sowie die „Dokumentation des Schicksals deutscher Kriegsgefangener“ dazu. In der ersten Hälfte der 1950er Jahre war es zusammen mit dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) und dem Auswärtigen Amt (AA) darum bemüht, das deutsche Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem in der internationalen Diskussion zu platzieren und mit der Westorientierung der Bundesrepublik zu verkoppeln.

3. Organisation

Das Ministerium, auf dessen Errichtung Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967, Amtszeit 1949–1963) bestanden hatte, war 1949 zunächst in den Räumlichkeiten der Bonner Ermekeilkaserne untergebracht, die es sich mit anderen Bundesbehörden teilte. Von seinem Vorgänger in der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung, dem „Amt für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen“, übernahm es einen Großteil seines Personals. 1950 wechselte das Ministerium dann in die Kaserne an der Husarenstraße der früheren Bundeshauptstadt, wo es bis zu seiner Auflösung 1969 seinen Sitz hatte. Von kleineren Dienststellen abgesehen besaß das Ministerium keinen nachgeordneten Unterbau; es verwaltete lediglich die für die Aufnahme von Sowjetzonenflüchtlingen errichteten Notaufnahmelager in Berlin, Gießen und Uelzen sowie die Jugendnotaufnahmelager in Sandbostel und Westertimke mit. Zudem unterhielt das Ministerium eine Vertretung in Berlin.

Die interne Struktur des Ministeriums veränderte sich zwischen 1949 und 1954 mehrfach durch neue Zuständigkeiten und eine neu geordnete Abteilungsorganisation. Zwischen 1949 und 1969 standen dem BMVt insgesamt neun Minister vor: von 1949 bis 1953 Hans Lukaschek (von 1885–1960), von 1953 bis 1960 Theodor Oberländer (1905–1998), von 1960 bis 1961 Hans-Joachim von Merkatz (1905–1982), von 1961 bis 1963 Wolfgang Mischnik (1921–2002), von 1963 bis 1964 Hans Krüger (1902–1971), von 1964 bis 1965 Ernst Lemmer (1898–1970), von 1965 bis 1966 Johann Baptist Gradl (1904–1988 ), von 1966 bis1969 Kai-Uwe von Hassel (1913–1997) und 1969 Heinrich Windelen (1921–2015). Nur Lukaschek und Oberländer blieben für eine bzw. knapp zwei Legislaturperioden im Amt und konnten so die politische Arbeit des Ministeriums mitgestalten, was insbesondere auf Oberländer zutrifft. Spätere Minister erhielten das Amt teilweise als zweites mitzuführendes Ressort, vielfach mit Blick auf Parteiproporz, Loyalitätsfragen oder als Zugeständnis an maßgebliche Interessengruppen. Bis auf die Amtszeit des FDP-Mitglieds Mischnik blieb das BMVt ein CDU-Ministerium – Oberländer trat 1954 vom Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten/Gesamtdeutscher Block (BHE/GB) zur CDU über.

Einen Kontrapunkt zum häufigen Ministerwechsel stellte die Kontinuität in der Position des Staatssekretärs dar. Sie übernahm von 1949 bis 1953 zunächst der parteilose Ottomar Schreiber (1889–1955), Leiter des Frankfurter Amts für Heimatvertriebene, auf Vorschlag des ersten Ministers Lukaschek. Peter-Paul Nahm (1901–1981), CDU-Mitglied, bis dahin als Staatskommissar für die Umsiedlung in Hessen tätig, übernahm die Funktion dann 1953 und füllte sie 17 Jahre, bis 1970 aus. Hinter dieser Personalie stand Bundeskanzler Konrad Adenauer, der damit erfolgreich die Absicht der Vertriebenenorganisationen blockierte, eine Leitungsfunktion im Ministerium zu übernehmen.

Allgemein blieb die Einflussnahme der Vertriebenenverbände auf das Ministerium, dessen Aufgabe nicht die Vertretung der Verbandsinteressen, sondern deren Kanalisierung im Sinne der Bundespolitik war, begrenzt. Verbandsangehörige an der Spitze des Ministeriums – Schreiber, Lukaschek, Oberländer, später für kurze Zeit Hans Krüger – standen primär als Regierungsvertreter den Interessen der Organisationen gegenüber. Auch deshalb und angesichts überlappender Ressortzuschnitte wandten sich die Vertriebenenverbände bereits in den 1950er Jahren mit ihren Anliegen nicht nur an das BMVt, sondern auch verstärkt an das BMG.

4. Geschichte

Die Geschichte des Bundesvertriebenenministeriums ist ohne die Deutungskämpfe und Ordnungsmuster der Vor- und Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht zu verstehen. Ein Schlüssel dafür liegt im damaligen spezifischen Verständnis des Begriffs „Eingliederung“, dem „dominierenden Auftrag“ des Ministeriums.[2] Einerseits meinte „Eingliederung“ einen administrativen Prozess. Dieser sollte alle Voraussetzungen schaffen und umsetzen, um Vertriebene und Flüchtlinge – nicht aber die DPs – ökonomisch, gesellschaftlich und sozial mit der einheimischen Bevölkerung in Westdeutschland gleichzustellen. Andererseits umschrieb „Eingliederung“ ein politisches und wissenschaftliches Programm, dessen Konturen auf Ordnungskonzepten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückwiesen. . In den 1920er Jahren waren Leitvorstellungen von „Ordnung, Ausgleich, Harmonie“ (Ariane Leendertz) für das Verhältnis von Territorium und Bevölkerung formuliert worden. Das Ministerium nutzte diese Konzepte als Instrumentarien für die Diagnose und Lösung jenes Ungleichgewichts, dass durch die Aufnahme von Vertriebenen und Flüchtlingen sowie den Verlust der Ostgebiete eingetreten zu sein schien. Nur so war im zeitgenössischen Verständnis das Abgleiten in ein vermeintlich drohendes „Chaos“ der „Vermassung“ zu verhindern. Nach 1945 bedeutete dies, alle Maßnahmen auf den Erhalt einer vertriebenen Bevölkerung nach kulturellen und sozialen Merkmalen auszurichten, um diese Bevölkerungsgruppe sichtbar zu erhalten und um sie als Argument für den Anspruch auf die nun verlorenen Ostgebiete nutzen zu können. Dies war offizieller Bestandteil der westdeutschen Staatsraison bis 1990. Somit war die „Eingliederung“ immer auch ein Baustein in der deutsch-deutschen Systemauseinandersetzung, der das westdeutsche Integrationskonzept gegenüber dem Assimilationskonzept der DDR legitimieren sollte. Im offiziellen Verständnis des Begriffs verschmolzen Prozess und Konzept – und das BMVt war selbst ein sichtbares Symbol jener Politik der „Eingliederung“, die einerseits darauf abzielte, die Vertriebenen zu integrieren und andererseits ihre Bereitschaft aufrechtzuerhalten, in die Herkunftsgebiete zurückzukehren. Dieser widersprüchliche, aber bewusst politisch und öffentlich vertretene Ansatz führte dazu, dass das „Heimatrecht“ auch über die Ostverträge von 1970 hinaus eine Forderung nicht nur der Vertriebenenorganisationen blieb, die den Anspruch auf die ehemaligen Ostgebiete bis zur Wiedervereinigung 1990 aufrechterhielten, zumal der Fortbestand des Deutschen Reichs völkerrechtlich nicht abschließend geregelt war.  

Ehemalige Angehörige der nationalsozialistischen Funktionseliten sowie Personen mit Vertriebenenhintergrund stellten einen wesentlichen Anteil des Personals im BMVt. Zugleich aber waren abgesehen von den Ministern an entscheidender Stelle Personen im Ministerium tätig, die weder eine NS-Vergangenheit aufwiesen, noch Vertriebene waren. Beispiele dafür waren Mitarbeiter wie Otto Siebke, der seine gesamte Beamtenlaufbahn im BMVt absolvierte, aber auch Staatssekretär Nahm oder der Abteilungsleiter Werner Middelmann. Ohne den Stellenwert von Netzwerken zu unterschätzen, hatten sie keinen maßgeblichen Einfluss auf das Handeln des BMVt. So waren im Jahr 1950 knapp 60 Prozent des höheren Dienstes des BMVt Mitglieder der NSDAP gewesen, was in der frühen Bundesrepublik in den Obersten Bundesbehörden in etwa dem Durchschnitt entsprach.

Das Konzept der „Eingliederung“ bewirkte eine Einstellungspraxis, die im Modus der Expertenkontinuität erfolgte und aus diesem Grund die bestehende NS-Belastung im Ministerium mit bedingte. Denn die spezifische Interpretation der Vertriebenenintegration als Bevölkerungsproblem führte dazu, dass das BMVt bereits im NS-Staat tätige Beamte sowie zeitweise für das Ministerium arbeitende Bevölkerungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vielfach als Spezialisten heranzog. So prägten politische und wissenschaftliche Vorstellungen von Territorium und Bevölkerung, die bereits vor 1945 bzw. 1933 in der Weimarer Grenzlandforschung, der Volks- und Kulturbodenforschung und der Ostforschung erprobt worden waren, zum Beispiel die Visualisierungspraktiken des Planungsreferats oder das methodische Vorgehen von Statistikern und „Volkstums“-Experten bei der Durchführung wissenschaftlicher Großprojekte. Sowohl ein Gegner der Nationalsozialisten wie Hans Lukaschek als auch der schwer belastete Theodor Oberländer verantworteten das in ihren Amtszeiten mit, weil jene Vorgehensweisen und Verfahren zeitgenössisch von einer politischen Belastung getrennt waren.

Darüber hinaus bestand das Personal zu über 80 Prozent – ein überdurchschnittlich hoher Wert bei einem Anteil von rund 20 Prozent der Vertriebenen und Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung – aus Vertriebenen, sicher auch, weil es für ein solches Ministerium keinen Vorgänger gab, auf dessen Personalbestand man hätte zurückgreifen können. Zwar war es den politischen Vertriebenenorganisationen möglich, immer wieder einzelne Vertreter im Ministerium unterzubringen – aber tatsächlich verhinderten die Regeln der Bürokratie und die Rolle des Ministeriums als Puffer zwischen Lobby-Verbänden und Regierung, dass die Interessen der Vertriebenenverbände direkt ins Handeln des Ministeriums einflossen. Stattdessen entfremdete der bürokratisch eingeschränkte Handlungsspielraum die Verbandsangehörigen oftmals ihren Organisationen. Im Verbund mit anderen Ressorts und dem Bundeskanzleramt unterband das BMVt etwa in der medienpolitischen Arena weiterhin  die außenpolitischen Ansprüche der Vertriebenenverbände auf Rückkehr oder schwächte diese ab, wenn sie den Interessen der Bundesregierung entgegenstanden. Kleinere Organisationen hingegen unterstützte das Ministerium durchaus, sofern ihre Aktivitäten auf den Integrationsfortschritt gerichtet waren.

Die ambivalente Haltung gegenüber den Vertriebenenorganisationen, die Deutung des Vertriebenenproblems mithilfe bevölkerungswissenschaftlicher Ordnungskonzepte und die erste Hochphase des Ost-West-Konflikts bestimmten die bescheidenen außenpolitischen Aktivitäten des BMVt während der 1950er Jahre, die sich vor allem auf die USA richteten. Dazu stand das Ministerium, vielfach unterhalb der diplomatischen Ebene agierend, mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Medien und Kirchen in den USA im Austausch. Informations- und Vortragsreisen führten Beamte des BMVt ins westeuropäische und US-amerikanische Ausland, um über den Prozess der Vertriebenenintegration zu sprechen. Durch Bücher, Presseartikel, Karten, Schaubilder, Berichte von Nachrichtendiensten und politische Broschüren fanden bevölkerungswissenschaftliche Versatzstücke und mithin das Konzept der „Eingliederung“ ihren Weg ins Ausland. Zusammen mit weiteren Behörden, insbesondere dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, koppelte das Ministerium die „Eingliederung“ an die Politik der Westorientierung: Die „Eingliederung“ sollte erstens eine anhaltende finanzielle Auslandshilfe der USA an die Bundesrepublik rechtfertigen. Zweitens galt sie als Notwendigkeit, um den westdeutschen Staat in der Systemauseinandersetzung an der Front des Ost-West-Konflikts stärken. Drittens diente sie als Baustein für die Neukonzeption der Bundesrepublik als Staat des politischen und demokratischen „Westens“.

Am Beginn der 1960er Jahre schien eine Stabilisierung der deutschen „Vertriebenenfrage“ erreicht. Ihr Symbol blieb zwar das BMVt, aber es entfielen zunehmend die politischen Gründe für seine Existenz: Zum einen ließ auch der Ausbau der Grenzanlagen durch die DDR 1961 eine baldige Erfüllung des „Rechts auf die Heimat“ in weite Ferne rücken. Zum anderen schritt die soziale, politische und gesellschaftliche Integration der Vertriebenen immer weiter fort. Das BMVt verstärkte in den letzten Jahren seines Bestehens noch einmal die kulturpolitische Seite der „Eingliederung“, bevor es 1969 als eigenständige oberste Behörde aufgelöst wurde. Mit der Betreuung der Aus- und Spätaussiedler sowie durch die Kulturförderung gemäß des „Kulturparagraphen“ § 96 des BVFG entfaltet das „Sonderministerium“ jedoch eine Wirkung bis in die Gegenwart.

5. Bibliographische Angaben

Literatur

  • Pertti Ahonen: After the expulsion. West Germany and Eastern Europe 1945–1990. Oxford u. a. 2003.
  • Mathias Beer: Symbolische Politik? Entstehung, Aufgaben und Funktion des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, in: Jochen Oltmer (Hg.): Migration steuern und verwalten. Deutschland vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Göttingen 2003, S. 295322.
  • Ders.: Flucht und Vertreibung. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen. München 2011.
  • Ders.(Hg.): Kommunikation und Konsensfindung. Netzwerke des Bundesvertriebenenministeriums. Berlin 2025.
  • Wolfgang Fischer: Heimat-Politiker? Selbstverständnis und politisches Handeln von Vertriebenen als Abgeordnete im Deutschen Bundestag 1949 bis 1974. Düsseldorf 2010.
  • Manfred Kittel: Stiefkinder des Wirtschaftswunders? Die deutschen Ostvertriebenen und die Politik des Lastenausgleichs (1952 bis 1975). Düsseldorf 2020.
  • Michael Parak: Von der „Kultur der Vertreibungsgebiete“ zur allgemeinen Kulturpolitik. Die Kulturförderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz. In: Ronald Lambrecht/Ulf Morgenstern (Hg.): „Kräftig vorangetriebene Detailforschungen“. Aufsätze für Ulrich von Hehl zum 65. Geburtstag, Leipzig 2012, S. 422–453.
  • Jan Ruhkopf: Institutionalisierte Unschärfe. Ordnungskonzepte und Politisches Verwalten im Bundesvertriebenenministerium. 2. Aufl. Göttingen 2023.
  • Michael Schwartz: Vertriebene und „Umsiedlerpolitik“. Integrationskonflikte in den deutschen Nachkriegs-Gesellschaften und die Assimilationsstrategien in der SBZ/DDR 19451961. München 2004. 
  • Lothar Wieland: Das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Frankfurt/M 1968.

Anmerkungen

[1] Wieland, Das Bundesministerium, S. 7.

[2] Wieland, Das Bundesministerium, S. 25.

Zitation

Mathias Beer, Jan Ruhkopf: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (BMVt). In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2024. URL: URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32862 (Stand 10.07.2024).

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