Karansebesch/Caransebeş/Karánsebes

1. Toponymie

Deutsche Bezeichnung

Karansebesch

Amtliche Bezeichnung

rum. Caransebeş

Lateinische Bezeichnung

Karan/Karán, Sebus, Karan et Sebes, Karansebes

Anderssprachige Bezeichnungen

ung. Karánsebes; serb., kroat. Karanšebeš

Etymologie

Pesty Frigyes leitet Karán vom altung. Kavarán ab; andere Erklärungen nehmen einen keltischen (Caran = steiniger Ort) oder einen türkischen (Kara = schwarz) Ursprung an. Kavarás, -ni bedeutet auf Ungarisch 'Rühren'. Sebes (slaw. der/die Schnelle) wurde nach dem gleichnamigen Fluss benannt, der unweit der Stadt in die Temesch mündet. Die Siedlungen wurden Anfang des 17. Jahrhunderts vereinigt.

2. Geographie

Lage

45º 25´ nördlicher Breite und 22º 13´ östlicher Länge.

Topographie

Karansebesch liegt in der Karansebescher Tiefebene, umsäumt von den Gebirgsketten Ţarcu, Semenic und Poiana Ruscă, umgeben von den Flüssen Temesch (rum. Timiş, ung. Temes), Potoc, Mühlbach (rum. Sebeş, ung. Sebes) und Bistra, etwa 100 km südöstlich von Temeswar/Timişoara.

Region

Staatliche und administrative Zugehörigkeit

Rumänien. Karansebesch ist die zweitgrößte Stadt des Kreises Caraş-Severin und wurde 1995 zum Munizipium erhoben. Seit 1865 ist die Stadt Sitz eines orthodoxen Bistums.

3. Geschichte und Kultur

Gebräuchliche Symbolik

Ein mittelalterliches Siegel der Stadt ist 1457 und 1503 belegt. Das heutige Stadtwappen wurde 1999 eingeführt und trägt oben eine für die Munizipien spezifische silberne Mauerkrone. Der Schild zeigt oben eine von Sonne und Mond gesäumte Burg mit einer schwertbewaffneten Hand darüber, unten links die Allegorie des drachentötenden hl. Georg und rechts einen römischen Soldaten mit Speer als Verkörperung des Gottes Virtus, der für militärische Tapferkeit steht. Die Flagge der Stadt ist weiß-blau, die Farben des ehemaligen Grenzregiments.

Archäologische Bedeutung

Eine Besiedlung des heutigen Stadtgebietes ist bereits für die Frühsteinzeit belegt; die wichtigsten späteren Funde stammen aus der Jungsteinzeit (Stadtteil Balta Sărată) und der Bronzezeit (Stadtteil Dealul Mare). Unweit der Stadt liegt die ehemalige römische Festung Tibiscum, in deren Areal auch dakische Artefakte ausgegraben wurden.

Mittelalter

Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes erfolgte 1289, ein halbes Jahrhundert später wird er als Oppidum (1325 bzw. 1365) erwähnt. Karansebesch wurde aufgrund seiner Bedeutung für das südöstliche Verteidigungswerk des ungarischen Königtums mehrfach von den ungarischen Königen inspiziert.

Neuzeit

Im 15. Jahrhundert war die Stadt Sitz des Karansebescher und des Lugoscher Banats, zudem Zentrum des Severiner Komitats. Bis zur osmanischen Eroberung (1658) gehörten das Lugoscher und das Karansebescher Banat zu den Partes regni Hungariae adnexae, die dem Fürsten von Siebenbürgen unterstanden. Nach der osmanischen Besetzung der Stadt (1658) gehörte der Sandschak Lugosch/Karansebesch zum Temeswarer Vilajet.

1688 wurde die Stadt von österreichischen Truppen besetzt. Dank des Friedens von Passarowitz/Pojarevac (1718) konnte sich die österreichische Herrschaft im Banat festigen. Während erneuter österreichisch-türkischer Kriegshandlungen wurde Karansebesch 1738 und 1788 von den Osmanen verwüstet. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Deutsche in Karansebesch wie in der gesamten Region angesiedelt, die als Banater Schwaben bekannt sind. Im Jahr 1872 erhielt Karansebesch Stadtrechte. Bis 1873 war es Zentrum des rumänisch-illyrischen Grenzregiments Nr. 13 (1768–1873) innerhalb der österreichischen Militärgrenze. Nach der administrativen Umgestaltung von 1876 gehörte Karansebesch zum Komitat Krassó-Szörény.

Zeitgeschichte

Im Oktober 1918 wurde infolge des Belgrader Waffenstillstandes das gesamte Banat bis Anfang 1919 von serbischen Truppen besetzt; 1919 wurde Karansebesch in das Rumänische Königreich integriert. In kommunistischer Zeit war der Ort kurzzeitig Sitz der Region Severin (1950–1952), dann bis 1968 des Rayons gleichen Namens. Danach wurde Reschitza/Reşiţa Kreisvorort, Karansebesch trat in den Hintergrund.

Verwaltung

Das Munizipium Karansebesch wird von einem Bürgermeister und 19 Stadträten geleitet. In der Stadt ist die erste gerichtliche Instanz (Judecătoria Caransebeş) ansässig, das Gericht zweiten Grades befindet sich in Reschitza/Reşiţa/Resicabánya (Tribunalul Caraş-Severin), das Appellationsgericht in Temeswar/Timişoara (Curtea de Apel Timişoara).

Bevölkerungsentwicklung

Die Einwohnerzahl stieg von 2.837 im Jahr 1828 auf 4.764 im Jahr 1880 (darunter 53 % Rumänen, 33 % Deutsche, 6 % Ungarn und 2 % Juden) und auf 7.638 im Jahr 1910 (49 % Rumänen, 30 % Deutsche, 17 % Ungarn, 5 % Juden). Sie wuchs bis 1930 auf 10.089, bis 1966 auf 18.838 und bis 1992 auf 31.389 (davon 28.183 Rumänen, 1.180 Deutsche, 737 Roma). Danach ging die Einwohnerzahl zurück auf 28.000 im Jahr 2009 (92 % Rumänen, je 2 % Deutsche, Ukrainer und Roma, 1 % Ungarn und 1 % sonstige Nationalitäten).

Wirtschaft

Schon im Mittelalter war Karansebesch wegen seiner Lage an der Kreuzung mehrerer Handelsstraßen ein wichtiges Handelszentrum. In den Jahren 1875–1878 wurde es an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Die lokale Wirtschaft basiert traditionell auf der Holzverarbeitung; nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich der Schwerpunkt auf die industrielle Produktion: Im Jahr 1971 wurde die Maschinenbaufabrik ICM eingeweiht, 1979 wurde die Anbindung an internationale Transportnetze mit dem Bau eines Flughafens vollendet. Nach 1990 begünstigen private Investitionen die touristische Entwicklung der Stadt.

Religions- und Kirchengeschichte

Das Franziskanerkloster wurde 1385 erstmals erwähnt und bestand bis 1558. Zur Zeit der Einführung der Reformation im 16. Jahrhundert unterhielten die Jesuiten in Karansebesch eine Mission und eine konfessionelle Schule; ihre Tätigkeit wurde in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wiederbelebt. Zudem wurde eine katholische Pfarrkirche im Zentrum errichtet (1738). Die orthodoxe St.-Georgs-Kirche wurde 1739 erbaut und nach 1865 zur bischöflichen Kathedrale erhoben; die zweite orthodoxe Kirche stammt aus den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Die Synagoge der Stadt wurde 1893 errichtet. Wie jede Banater Stadt hatte auch Karansebesch eine jüdische Gemeinde (ungefähr 5 % der Bevölkerung), aber auch eine der größten rumänischsprachigen reformierten Gemeinden. Nach der Wende erhielten die Gemeinden der Baptisten, Pfingstler und Adventisten eigene Gotteshäuser.

St.-Georg-Kathedrale [Foto: Wikimedia Commons. Joergsam CC BY-SA 3.0].

Besondere kulturelle Informationen

Die größte museale Einrichtung der Stadt, das "Kreismuseum für Ethnographie und Geschichte des Grenzregiments", ist in der ehemaligen Grenzer-Kaserne im Stadtzentrum untergebracht. In der zum Kulturhaus gehörenden Kunstgalerie werden wechselnde Ausstellungen gezeigt.

Bildung und Wissenschaft

Eine erste katholische Schule ist für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts belegt (ca. 1560–1582); später unterhielten die Franziskaner Schuleinrichtungen. Im Jahr 1820 wurde ein orthodoxes Theologieinstitut gegründet, das 1876 um ein pädagogisches Institut erweitert wurde und seit der Zwischenkriegszeit die orthodoxe Theologische Akademie bildet.

Kunstgeschichte

Die meisten Baudenkmäler haben sich bis heute erhalten, so die Kaserne des Grenzregiments im barocken Stil (errichtet 1733–1754), die neugotische Synagoge und das Bahnhofsgebäude (1875). Die Mehrheit der bedeutenden Baudenkmäler wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet. Der deutsche Maler Julius Stürmer (1915–2011) wurde in Karansebesch geboren.

Heute als Museum genutzte Grenzer-Kaserne [Wikimedia Commons. Andrei kokelburg CC BY-SA 3.0 RO].

Musikvereine

Am Anfang der städtischen Musikkultur stehen kirchliche Einrichtungen; erst im 19. Jahrhundert findet eine Differenzierung in geistliche und weltliche Musik statt, insbesondere durch die Gründung von Gesangsvereinen: der deutsche "Karansebescher Gesang- und Musikverein" (1867), der rumänische Gesang- und Musikverein (1876/1877) und der Chor der Handwerker (Corul Meseriaşilor, 1888).

Buch- und Druckgeschichte

Mit dem Namen der Stadt verbunden ist eine der ältesten rumänisch-orthodoxen Schriften, das Karansebesches Octoihos, obwohl die Schrift zwischen 1582 und 1583 in der Moldau entstanden ist. Außerdem haben sich Karansebescher Kleriker an der ersten rumänischen Übersetzung des Alten Testaments (Palia de la Orăştie) von Broos 1582 beteiligt.

Militärgeschichte

Die strategische Rolle der Stadt als militärische Befestigung ist für die Stadtgeschichte von zentraler Bedeutung, so im Rahmen der Dakerkriege (100–106) als Festung Tibiscum und im Mittelalter als Grenzbefestigung des ungarischen Königreiches. Eine Festung im italienischen Stil wurde von den Habsburgern nach der Besetzung des Banats ab 1688 errichtet. Hier befand sich ein Zentrum der von den Habsburgern errichteten Banater Militärgrenze. Unweit der Stadt fand am Anfang des österreichisch-türkischen Krieges (1787–1791) im Jahr 1788 die Schlacht von Karansebesch statt.

Gedächtnis- und Erinnerungskultur

Bis 1919 befand sich im Stadtpark die Büste Franz Josefs I. (errichtet 1906 unter der Mitwirkung von Johann [János] Fadrusz 1858–1903]) – sie wurde in jenem Jahr entfernt und später eingeschmolzen; die Bronze wurde für die Herstellung der Statue des Generals Ioan Drăgălina (1943) verwendet. Wichtige Denkmäler sind zudem die Statue Pro Patria (1918), die Büsten des Bischofs Ioan Popasu (1918 an der Stelle eines Standbildes der Kaiserin Elisabeth errichtet), des Generals Traian Doda (1995) und des Karansebescher Bischofs und ersten Patriarchen Großrumäniens Miron Cristea sowie die Denkmäler der Antikommunisten und der Helden der Revolution 1989.

4. Bibliographische Hinweise

Literatur

  • Petru Bona: Caransebeş. 700 de ani de atestare documentară [Karansebesch. 700 Jahre urkundlicher Erwähnung]. Caransebeş 1990.
  • Petru Bona: Caransebeş. Contribuții istorice [Karansebesch. Historische Beiträge]. Caransebeş 1989.
  • Ernő Deák: Königliche Freistädte – Munizipalstädte: Das Städtewesen der Länder der ungarischen Krone (1780–1918). Teil 2: Ausgewählte Materialien zum Städtewesen. A. Wien 1989 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen der Kommission für Wirtschafts-, Sozial- und Stadtgeschichte 4), S. 720-728.
  • Pesty Frigyes: A Szörényi bánság és Szörény vármegye története [Geschichte des Severiner Banats und des Severiner Komitats]. 3 Bde. Budapest 1877–1878.
  • Andrei Ghidiu, Iosif Bălan: Monografia oraşului Caransebeş [Die Monographie der Stadt Karansebesch]. Caransebeş 1909 (Nachdruck Timişoara 2000).
  • Liviu Groza: Aspecte militare ale Caransebeșului medieval [Die militärischen Aspekte des mittelalterlichen Karansebesch]. Lugoj 1993.
  • Stelian Mândruƫ: Caransebeş. In: Harald Roth (Hg.): Handbuch der historischen Stätten. Siebenbürgen. Stuttgart 2003 (Kröners Taschenausgabe 330), S. 46f.
  • Edgar Müller: Betrachtungen zur Geschichte meiner Heimatstadt. Karansebesch 1975.
  • Mihály Pfeiffer: Karánsebes városa [Die Stadt Karansebesch]. Karánsebes 1913.

Weblinks

Zitation

Lajos-Loránd Madly: Karansebesch/Caransebeş. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/54271.html (Stand 13.07.2021).

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OME-Redaktion (Stand: 30.07.2024)  | 
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