Ödenburg/Sopron
1. Toponymie
Deutsche Bezeichnung
Ödenburg
Amtliche Bezeichnung
ung. Sopron
Anderssprachige Bezeichnungen
lat. Scarbantia; kroat. Šopron
Etymologie
Der römische Geschichtsschreiber Plinius der Ältere (23/24 n. Chr.–79 n. Chr.) nennt in seiner „Historia naturalis” (III. 14) die Siedlung Scarbantia oppidum. Die Bezeichnung Scarabantia bzw. Scarbantia ist wahrscheinlich illyrischer oder keltischer Herkunft. Der Siedlungsname „Sopron” kann auf den altungarischen Personennamen Suprun zurückgeführt werden. Erstmals wurde er 1000–1038 als comitatus castri Supruniensis belegt. Der deutsche Name „Ödenburg” entstand mit Bezug auf die verödeten Reste der römischen Siedlung.
2. Geographie
Lage
Topographie
Ödenburg befindet sich zwischen dem am westlichen Rand der Kleinen Tiefebene (Kisalföld) sich erstreckenden Neusiedler-See (Fertő-tó) und einem Teil des Alpenvorlandes (Alpokalja), dem Ödenburger Gebirge (Soproni-hegység). Das Zentrum der Stadt liegt am östlichen Fuß des Ödenburger Gebirges im Tal der Ikwa bzw. des Spitalbaches (Ikva-patak).
Region
Nordwestungarn (ung. Észak-Nyugat-Magyarország), West-Transdanubien (Nyugat-Dunántúl), Alpenvorland (Alpokalja).
Staatliche und administrative Zugehörigkeit
Ungarn; Komitat Raab-Wieselburg-Ödenburg (Győr-Moson-Sopron Megye); Zentrum des Ödenburger Bezirkes (Soproni járás); Stadt mit Komitatsrecht.
3. Geschichte und Kultur
Gebräuchliche Symbolik
Das Stadtwappen ist ein stehender Dreieckschild, in dessen rotem Feld ein silberner Siegeldruck zu sehen ist. Die silbernen Doppelkreise enthalten im Schildhaupt ein Malteserkreuz, von dem die Umschrift „SOPRON CIVITAS FIDELISSIMA” („Sopron die treueste Stadt”) ausgeht. Im Siegelbild befindet sich eine aus silbernen Quadersteinen errichtete Burg, an deren Festungsmauern fünf schwarze gotische Fenster und auf der Mauerkrone fünf Zinnen zu erkennen sind. Der Festungsmauer erwachsen zwei niedrigere Wehrtürme mit je einem Fenster und in der Mitte ein höherer Turm mit zwei Fenstern. Alle drei Türme verfügen über je drei Zinnen. An der rechten Seite des Schildhauptes erscheint ein frontaler Frauenkopf mit einer vierzackigen Krone auf dem Haupt und an der linken Seite ein Männerkopf mit üppigem Bart, beide von einer goldenen Glorie umrahmt. Im Schildfuß befindet sich ein nach rechts neigender, rechts kürzerer, links längerer goldener Ölzweig. Im Stadtwappen ist das Siegelbild vorherrschend, dessen Umschrift 1922 vom ungarischen Reichstag nach der für den Anschluss an Ungarn entscheidenden Volksabstimmung kodifiziert wurde.
Die Flagge von Ödenburg besteht aus zwei gleichgroßen horizontalen Balken in den Farben Rot und Weiß, in deren Mitte sich das Wappen der Stadt befindet.
Beiname
Nachdem die Bevölkerung von Ödenburg und Umgebung in der Volksabstimmung vom 14.–16. Dezember 1921 mehrheitlich für den Verbleib bei Ungarn gestimmt hatte, verlieh das ungarische Parlament der Stadt 1922 den Titel „Civitas fidelissima” (dt. „Die treueste Stadt”).
Vor- und Frühgeschichte
Auf dem Gebiet von Ödenburg wurden Funde aus der Kupfer- und Bronzezeit (2000–800 v. Chr.) sowie aus der Eisenzeit (Wohngruben, Grabstätten, Urnen, kultische Gegenstände) nachgewiesen. Später siedelten sich Illyrer an, die um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. durch die Kelten verdrängt wurden.
Die Umgebung von Ödenburg wurde von den Römern entweder unter der Herrschaft von Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.) oder Tiberius (42 v. Chr.–37 n. Chr.) erobert. Die Römer siedelten sich etwa auf dem Gebiet der heutigen Innenstadt an und können als Gründer der Stadt betrachtet werden. Die Bezeichnung der Siedlung „Scarabantia” durch Plinius kam später in Inschriften und Aufzeichnungen als „Scarbantia” vor und bürgerte sich so ein. Die Bedeutung der Siedlung resultierte aus ihrer Lage an der Kreuzung wichtiger Heeres- und Handelswege (Nord-Europa und Mittelmeer bzw. Byzanz), weshalb die Römer sie im 1. Jahrhundert zum Munizipium erklärten.
In der Zeit der Völkerwanderung wechselten sich die Quaden, Hunnen, Ostgoten, Langobarden, Awaren und Slawen ab. Die ehemals blühende römische Handelsstadt verödete im 8.–9. Jahrhundert immer mehr. Die landnehmenden Ungarn eroberten Ödenburg und seine Umgebung wahrscheinlich erst im 10. Jahrhundert.
Mittelalter
Auf den römischen Festungsmauern wurde die bereits im 12. Jahrhundert existierende Burg des Gespans gebaut. Im 13. Jahrhundert entfaltete sich der Markt der Stadt. Besonders bedeutend war der Salzmarkt, auf dem Salz aus Siebenbürgen verkauft wurde. 1277 wurde Ödenburg durch König Ladislaus IV., den Kumanen (IV. Kun László, 1262–1290) zur königlichen Freistadt erhoben. Seit 1321 ist das Amt des Bürgermeisters belegt. Die städtischen Akten wurden zunächst in lateinischer und ab 1352 in deutscher Sprache geführt. Während der Herrschaft des Königs Sigismund von Luxemburg (1368–1437) wurde Ödenburg zu einer der bedeutendsten Städte des Königreichs Ungarn. Als die Stadt zwischen 1441 und 1463 an den deutsch-römischen König (ab 1452 Kaiser) Friedrich III. (1415–1493) verpfändet war, verarmten breite Schichten der Bevölkerung.
Neuzeit
Nach der Schlacht bei Mohatsch/Mohács 1526 musste sich Ödenburg immer wieder zwischen der osmanischen Herrschaft und dem neuen Herrscherhaus der Habsburger behaupten. Die Stadt und die umliegenden Dörfer wurden mehrmals verheert und geplündert.
In den Thronstreitigkeiten nach der Schlacht bei Mohatsch 1526 huldigte das Komitat zunächst König Johann Szapolyai (Szapolyai János, 1487–1540) und dann König Ferdinand I. von Habsburg (1503–1564). Nach der Dreiteilung Ungarns im Jahr 1541 verblieb Ödenburg im habsburgisch beherrschten Königreich Ungarn.
Mehrmals wurden ungarische Reichstage in Ödenburg in der Ziegenkirche (frühere Franziskanerkirche) abgehalten (1553, 1622, 1625, 1634–1635, 1681). In derselben Kirche fanden auch mehrmals Königskrönungen statt (1622, 1625, 1681), obwohl Stuhlweißenburg/Székesfehérvár die traditionelle Krönungsstadt des Königreichs Ungarn war.
Die Revolution von 1848 wurde von der Ödenburger Bevölkerung begrüßt. Im Dezember 1848 wurde die Stadt von den habsburgischen Truppen unter dem Kommando des Fürsten zu Windischgrätz (1787–1862) besetzt. Das kaiserliche Diplom von 1849 erklärte Ödenburg bis zum österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 zum Verwaltungssitz von Transdanubien.
Zeitgeschichte
Nach dem Ersten Weltkrieg fiel Ödenburg nach dem Vertrag von Saint-Germain (10. September 1919) bzw. von Trianon (4. Juni 1920) zunächst Österreich zu. Entsprechend dem Protokoll von Venedig (13. Oktober 1921) wurde dann aber für Ödenburg und seine Nachbarsiedlungen vom 14.–16. Dezember 1921 eine Volksabstimmung durchgeführt, in der sich die Ödenburger Bevölkerung mit knapp 73 Prozent für den Verbleib bei Ungarn entschied. Die Behörden blieben bis 1946 aber zweisprachig.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt mehrmals von Luftangriffen getroffen. Im März 1944 erfolgte die deutsche Besetzung. Am 1. Juni 1944 wurden Ghettos für die Juden eingerichtet, so in der Neuen Straße (Új utca), an der Priesterwiese (Paprét) oder in der Jakobi-Fabrik (Jakobi-gyár). 1886 Personen wurden nach Auschwitz deportiert. Zwischen Dezember 1944 und März 1945 nahm die ungarische Regierung, die von den faschistischen Pfeilkreuzlern gebildet worden war, in Ödenburg ihren Sitz. Die Truppen der Roten Armee besetzten die Stadt am 1. April 1945. 1946 wurde der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung (mehr als 7.000 Personen) aus Ödenburg zwangsausgewiesen.[1]
Während des Sozialismus wurde die Entwicklung von Ödenburg als Grenzstadt sowie die Freizügigkeit der Einwohner und Besucher stark eingeschränkt. Das frühere Komitat Ödenburg mit der Stadt Ödenburg als Sitz der Komitatsverwaltung wurde abgeschafft.
Am 19. August 1989 wurde das "Paneuropäische Picknick" als Friedensdemonstration an der österreichisch-ungarischen Grenze in der Nähe von Ödenburg vom oppositionellen Demokratischen Forum (Demokrata Fórum) und der Paneuropa-Union veranstaltet. Mehr als 600 DDR-Bürger konnten durch die Öffnung des Eisernen Vorhangs während dieser Veranstaltung in den Westen flüchten.
Nach dem Systemwechsel kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Von Bedeutung sind heute der Weinbau und -handel sowie der Tourismus.
Bevölkerung
Seit dem Mittelalter war die Stadt fast ausschließlich von deutschsprachigen Bürgern bewohnt. Im 17. Jahrhundert ging die Bevölkerungszahl infolge von Pestepidemien zeitweise zurück. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdoppelte sich die Einwohnerzahl im Zuge der Industrialisierung. Gleichzeitig nahm nach dem Ausgleich von 1867 aufgrund der Budapester Magyarisierungspolitik und des Zuzugs aus ungarischsprachigen Regionen der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung kontinuierlich ab und fiel von ca. 90 Prozent auf 48 Prozent im Jahr 1920.
Jahr | Gesamt-zahl | Ungarn absolut | Ungarn Prozent | Deutsche absolut | Deutsche Prozent | Kroaten absolut | Kroaten Prozent | Sonstige absolut | Sonstige Prozent |
15. Jh.2] | ca. 5.000 | ||||||||
1679 | 8.500 | ||||||||
1720 | 5.500 | ||||||||
1850[3] | 14.304 | 314 | 2,2 | 13.883 | 97,1 | 9 | 0,1 | 98 | 0,7 |
1857 | 18.211 | 1.350 | 7,4 | 16.861 | 92,6 | - | |||
1889 | 23.222 | 4.877 | 21,0 | 17.115 | 73,7 | 570 | 2,5 | 660 | 2,8 |
1890 | 27.213 | 8.104 | 29,8 | 17.390 | 63,9 | 804 | 3,0 | 915 | 3,4 |
1900 | 33.478 | 13.540 | 40,4 | 17.924 | 53,5 | 946 | 2,8 | 1.068 | 3,2 |
1910 | 33.932 | 15.022 | 44,3 | 17.318 | 51,0 | 781 | 2,3 | 811 | 2,4 |
1920 | 35.248 | 17.166 | 48,7 | 16.911 | 48,0 | 733 | 2,1 | 438 | 1,2 |
1930 | 35.887 | 20.456 | 57,0 | 14.779 | 41,2 | 343 | 1,0 | 309 | 0,9 |
1941 | 42.255 | 29.103 | 68,9 | 12.633 | 29,9 | 205 | 0,5 | 315 | 0,7 |
1949 | 32.726 | 31.334 | 95,7 | 1.179 | 3,6 | 95 | 0,3 | 118 | 0,4 |
2011[4] | 59.459 | 85 | 5,7 | 0,6 | 1 |
Wirtschaft
Erst mit der Erhebung zur königlischen Freistadt im Jahr 1277 begann eine wirkliche städtische Entwicklung in Ödenburg. Der Getreide- und Viehüberschuss aus Transdanubien (Dunántúl) und zum Teil auch aus dem Balkan wurde durch Ödenburg nach Westen geliefert. Das Stapelrecht wurde der Stadt 1402 verliehen. 1440 wurde der Bund der sieben freien königlichen ungarischen Städte (Ödenburg, Pressburg/Bratislava/Poszony, Tyrnau/Trnava, Bartfeld/Bardejov, Ofen/Buda, Kaschau/Košice/Kassa und Eperies/Prešov/Eperjes) geschlossen, der dann für sich die bürgerliche Jurisdiktion erlangte. Die städtische Entwicklung führte zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und Handwerkern. Damit ging auch die Entstehung der Zünfte als Intressenvertretungen einher. Im 15. Jahrhundert wurde der Weinbau und -handel von besonderer Bedeutung. Ebenfalls wichtig war der Rinder-, Schaf-, Wildbret-, Fisch-, Honig- und Wachshandel.
Im 16. und 17. Jahrhundert erlebten die Zünfte ihre Blütezeit. Die Kosten der habsburgischen Kriege gegen die Osmanen, des Kuruzzen-Aufstandes unter Franz II. Rákóczi und des Österreichischen Erbfolgekrieges brachten große Schulden für die Stadt mit und führten am Anfang des 18. Jahrhunderts zu einer Wirtschaftskrise. Dadurch, dass die Habsburger Schlesien 1742 an Preußen abtreten mussten, verlor Ödenburg einen seiner wichtigsten Weinabsatzmärkte. 1753 wurden Kohlevorkommen in der Nähe von Ödenburg, in Brennberg, entdeckt, die auch für die Stadt eine neue Einnahmequelle bedeuteten. Da die österreichische Zollpolitik die Entstehung von Manufakturen verhinderte, blieb das Handwerkergewerbe auch im 18. Jahrhundert charakteristisch. 1784 waren 79 Handwerkerzweige in der Stadt vertreten. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verlor die Stadt zwar ihre führende Rolle in Handel und Gewerbe, entwickelte sich aber weiter.
Im 19. Jahrhundert entstanden mehrere bedeutende Unternehmen, so der Gewürz- und Kolonialwarengroßhandel von Lenck und Flandorfer, die Zuckerfabrik von János Rupprecht, die Glockengießerfabrik der Seltenhofer, die Branntweinbrennerei von József Zettl oder die Likörfabrik von Vince Hillebrand. 1842 wurde die Ödenburger Sparkasse (Soproni Takarékpénztár) ins Leben gerufen, 1845 die Seidenspinnerei gegründet. 1847 wurde die Eisenbahnlinie nach Wiener Neustadt, 1865 die nach Groß-Kanizsa (Nagykanizsa) gebaut. In den 1870er Jahren wurde die Raab-Oedenburg-Ebenfurter Eisenbahn AG/Raaberbahn AG (Győr-Sopron-Ebenfurti Vasút) als ein österreichisch-ungarisches Eisenbahnunternehmen gegründet, das bis heute existiert. Mit der Finanzkrise von 1873 endete der erste wirtschaftliche Aufschwung der Stadt im Zeitalter der Industrialisierung. Letztere wurde jedoch fortgesetzt und bescherte der Stadt weiteres wirtschaftliches Wachstum, das erst von der Finanzkrise im Jahr 1901 erneut gebremst wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Stadt im Zeichen einer forcierten sozialistischen Industriepolitik. 2010 wurde das lokale Zahlungsmittel „Soproner Blaufrank” (Soproni Kékfrank) für die Belebung des Wirtschaftslebens von Ödenburg und seiner Umgebung eingeführt.
Militärgeschichte
Burg und Stadt wurden im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen zwischen den österreichischen Herzögen und den ungarischen Königen im späten 15. Jahrhundert mehrmals belagert und zerstört. Den siebenbürgischen Fürsten Stephan Bocskai (1604–1606) und Franz II. Rákóczi (1703–1711) gelang es in ihren Feldzügen gegen den Kaiser nicht, die Stadt einzunehmen. 1809 hielten die Truppen Napoleons die Stadt ein halbes Jahr lang besetzt.
Religions- und Kirchengeschichte
Ödenburg wurde im Laufe der Jahrhunderte zum Sitz verschiedener Ordensgemeinschaften. Die ersten Spuren der Franziskaner führen bis in das Jahr 1278 zurück. Ihr Kloster und die 1280 im frühgotischen Stil gebaute Kirche mit Gemälden von Stephan Dorfmeister (1729–1797) übernahmen 1802 die Benediktiner. Die 1636 angesiedelten Jesuiten zogen 1675 in die Innenstadt und bekamen die St. Georg-Kirche. Die seit 1650 präsenten Johanniter erbauten die St. Johannes-Kapelle im gotischen Stil, die Ende des 18. Jahrhunderts in eine Barockkirche umgebaut wurde. 1674 erhielten die Dominikaner Gebäude und Felder von der Stadt. 1747 konnten sich die Ursulinen mit finanzieller Unterstützung von Kaiserin Maria Theresia (1717–1780) ansiedeln. 1863 kamen die Schwestern vom Göttlichen Erlöser (Congregatio Sororum a Divino Redemptore) aus ihrem Wiener Kloster nach Ödenburg und pflegten dort Waisenkinder, Arme und Kranke.
Die Reformation fasste im Königreich Ungarn von Ödenburg aus ab 1524 Fuß. Nach 1550 bekannte sich der Stadtrat zur Reformation, die Mehrheit der Bevölkerung blieb in den kommenden 100 Jahren protestantisch. Katholiken und Lutheraner lebten die meiste Zeit über in ausgewogener Koexistenz zusammen, eine Zeit lang wurden auch die Kirchen gemeinsam benutzt.
Juden ließen sich seit etwa 1300 in der Stadt nieder und bauten am Anfang des 14. Jahrhunderts die Alte Synagoge, die Ende der 1960er Jahre wiederhergestellt wurde. Die orthodoxe Synagoge wurde 1891 nach den Plänen von János Schiller (1859–1907) gebaut und steht seit 2002 unter Denkmalschutz.
Bildung und Wissenschaft
Neben der früheren Pfarrschule gab es eine Lateinschule, seit 1569 eine deutsche Schule und seit den 1570er Jahren eine ungarische Schule. 1604 gründete der humanistische Bürgermeister Christoph Lackner (1571–1631) die Gesellschaft der Edlen Gelehrten (Nemes Tudós Társaság), der auch Frauen beitreten durften. Sie existierte bis zu den Wirren der Gegenreformation, die mit der Ansiedlung der Jesuiten und der Errichtung ihrer Schule im Jahre 1636 begann. Im 19. Jahrhundert entstanden verschiedene Vereine und Gesellschaften. 1867 wurde das Stadtmuseum gegründet und die Privatsammlungen der Familien Storno und Zettl wurden eingerichtet, die heute im staatlichen Eigentum sind. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Berg- und Forsthochschule Schemnitz (Selmecbányai Bányászati és Erdészeti Főiskola) nach Ödenburg verlegt, die bis heute im Rahmen der Westungarischen Universität (Nyugat-Magyarországi Egyetem) existiert. Zu den heutigen Bildungsinstitutionen gehören neun Grundschulen, unter denen sich auch die Deutsche Nationalitätenschule Ödenburg (Soproni Német Nemzetiségi Általános Iskola) befindet, sowie zwölf Mittelschulen und die Westungarische Universität mit fünf Fakultäten.
Kunstgeschichte
Die im 15. Jahrhundert von reichen Bürgern und Adeligen erbauten gotischen Wohnhäuser wurden 1676 durch eine Feuersbrunst größtenteils vernichtet. An ihre Stelle traten Barockgebäude, die noch heute die Innenstadt prägen. Das barocke Wahrzeichen der Stadt, der Feuerturm, wurde ursprünglich zwischen 1290–1340 auf Mauerresten aus der Römerzeit gebaut. Hervorzuheben sind zudem das Storno-Haus und das Fabricius-Haus (heute beide Museen), das im Spätmittelalter als Rathaus dienende Gambrinus-Haus sowie das 1896 im eklektischen Stil gebaute Rathaus. In der sozialistischen Zeit wurden bedeutende Denkmalschutzarbeiten durchgeführt, für die die Stadt 1975 die Europa-Goldmedaille für Denkmalpflege von der Alfred Toepfer Stiftung F. V. S. erhielt. 2016 wurde der Stadt der ICOMOS-Preis für die Renovierung des Burgviertels und der Burgmauer-Promenade verliehen.
Musik
Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts gab es ein Theater in der Stadt. In Ödenburg konzertierten u. a. Joseph Haydn (1732–1809) und Franz Liszt (1811–1886). 1858 entstand der Musikverein (Zeneegyesület), der 1991 neu gegründet wurde. Neben Franz Liszt lebten zeitweise auch Franz Lehár (1870–1948), Béla Bartók (1881–1945) und der Komponist Sándor Szokolay (1931–2013) in der Stadt.
Literatur
Das literarische Leben wurde von 1868 an von Adolf Frankenburg organisiert. Unter seiner Leitung entstand der Kreis für Literatur und Kunst (Irodalmi és Művészeti Kör). 1992 bekam das Petőfi-Theater ein eigenes Ensemble.
Gedächtnis- und Erinnerungskultur
Nach der Volksabstimmung von 1921 wurde zur Erinnerung daran das „Treutor” am südlichen Teil des Feuerturmes der Stadt errichtet.
2016 bekam Ödenburg für seine bedeutende Rolle bei der Verbreitung der Reformation von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa den Ehrentitel „Reformationsstadt Europas” verliehen.
5. Bibliographische Hinweise
Literatur
- Dezső Becht, István Csapody, Károly Diebold u. a.: Sopron [Ödenburg]. 4. überarb. u. erg. Aufl. Budapest 1975.
- Szabolcs Boronkai (Hg.): Deutschsprachige Literatur und Kultur im Raum Ödenburg/Sopron (1790–1900). Budapest 2002 (Deutschsprachige Texte aus Ungarn 4).
- László Fogarassy: Die Volksabstimmung in Ödenburg (Sopron) und die Festsetzung der österreichisch-ungarischen Grenze im Lichte der ungarischen Quellen und Literatur. In: Südostforschungen 35 (1976), S. 150–182.
- István Hiller, Alajos Németh: A háború és a felszabadulás krónikája (Sopron, 1944–1945). II. rész [Die Chronik des Krieges und der Befreiung (Ödenburg, 1944–1945). II. Teil]. In: Soproni Szemle [Ödenburger Rundschau] 32 (1978), H. 3, S. 1–33 (digitalisiert: PDF).
- József László Kovács: A soproni Parnasszus. Sopron-Ödenburg kétnyelvű irodalma a kezdetektől napjainkig [Der Ödenburger Parnass. Die zweisprachige Literatur von Sopron-Ödenburg von den Anfängen bis zur Gegenwart]. Budapest 2003.
- András Krisch: Die Vertreibung der Deutschen aus Ödenburg. 1946, Sopron 2007.
- András Krisch: A soproni németek története a 13. századtól a kitelepítésükig [Zur Geschichte der Ödenburger Deutschen vom 13. Jahrhundert bis zu ihrer Vertreibung]. In: rubiconline (2012), H. 11: http://www.rubicon.hu/magyar/oldalak/a_soproni_nemetek_tortenete_a_13_szazadtol_a_kitelepitesukig/.
- Géza Pálffy: A Szent Korona Sopronban. Nemzeti kincsünk soproni emlékhelyei [Die Heilige Krone Ungarns in Ödenburg. Ödenburger Gedenkstätten der Stephanskrone]. Sopron/Budapest 2014. [Mit deutschsprachiger Zusammenfassung].
- Andreas Schindler, Matthias Wetzler, Helmut Rappold, Michael Töltl: Fünfzig Jahre Treue zu Ödenburg. Hg. v. Kulturverein für Ödenburg und Umgebung. Bad Wimpfen 1996.
- Soproni Füzetek [Ödenburger Hefte], berichten seit 1978 jährlich (bis 2000 alle zwei Jahre) über das literarische Leben.
- Soproni Szemle [Ödenburger Rundschau], befasst sich vierteljährlich seit 1937 (außer 1945–1954) mit lokalgeschichtlichen Themen (digitalisiert bis 2014: epa.oszk.hu/01900/01977).
- Katalin Szende, József Kücsán: Siedlungsstruktur und Topographie von
- Ödenburg vor der Industrialisierung, in: Geographisches Jahrbuch Burgenland 33 (2009), S. 112–142: http://fachportal.ph-noe.ac.at/fileadmin/gwk/Regional/Sopron_JB2009_Burgenlaendische_Geographen.pdf.
- Attila Zsoldos: Sopron város és megye a 13. század utolsó harmadában [Die Stadt und das Komitat Ödenburg im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts]. In: Attila Zsoldos, András Kubinyi, Katalin Szende u. a.: Sopron térben és időben (Sopron kapcsolatrendszerének változásai) [Ödenburg im Raum und in der Zeit (Veränderungen des Beziehungssystems von Ödenburg]. Sopron 2002. S. 9–28.
Weblinks
- portal.sopron.hu/Sopron/portal/german (Offizielle Webseite der Stadt Ödenburg [dt.]).
- http://www.sopron.hu/Sopron/portal/autonomy_show?contentId=1098 (Offizielle Webseite der Selbstverwaltung Ödenburg [ung.]).
- http://w3.sopron.hu/scarbantia/ (Archäologischer Park, Scarbantia [ung./dt./engl.]).
- fenyoter.sopron.hu/?cat=65 (Offizielle Webseite der Deutschen Nationalitätenschule Ödenburg [ung.]).
- www.oedenburgerland.de/index.php (Private Webseite über die Geschichte der Deutschen in Ödenburg und seinen Stadtdörfern).
- www.memorialmuseums.org/denkmaeler/view/953/Denkmal-f%C3%BCr-die-%C3%96denburger-Opfer-des-Holocaust („Ödenburg/Sopron” im Gedenkstättenportal der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas)
Anmerkungen
[1] Krisch: A soproni németek története.
[2] Die folgenden Daten aus Magyar Katolikus Lexikon [Ungarisches Katholisches Lexikon]: lexikon.katolikus.hu/S/Sopron.html (Abruf 19.09.2018).
[3] Die folgenden Daten nach Krisch: A soproni németek története.
[4] Központi Statisztikai Hivatal [Ungarisches Statistikamt]: www.ksh.hu/apps/hntr.telepules?p_lang=HU&p_id=08518 (Abruf 19.09.2018).
Zitation
Tünde Radek: Ödenburg/Sopron. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2019. URL: ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32497 (Stand 21.07.2020).
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